Protokoll der Sitzung vom 17.12.2014

........................................................................................................................... 5571, 5576 Abg. Bracht, CDU:....................................................................................................................................... 5590 Abg. Denninghoff, SPD:.............................................................................................................................. 5579 Abg. Dr. Konrad, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:................................................................................. 5581, 5586 Abg. Dr. Wilke, CDU:................................................................................................................................... 5594 Abg. Frau Anklam-Trapp, SPD:......................................................................................................... 5580, 5584 Abg. Frau Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:............................................................ 5574, 5578 Abg. Frau Brück, SPD:...................................................................................................................... 5572, 5577 Abg. Frau Raue, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:........................................................................................... 5596 Abg. Frau Schleicher-Rothmund, SPD:....................................................................................................... 5588 Abg. Frau Thelen, CDU:.................................................................................................................... 5582, 5585 Abg. Fuhr, SPD:................................................................................................................................. 5565, 5570 Abg. Hartenfels, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:............................................................................................ 5599 Abg. Kessel, CDU:....................................................................................................................................... 5583 Abg. Klein, CDU:.......................................................................................................................................... 5593 Abg. Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:........................................................................................ 5567, 5571 Abg. Lammert, CDU:................................................................................................................................... 5593 Abg. Licht, CDU:............................................................................................................ 5566, 5567, 5570, 5571 Abg. Ramsauer, SPD:....................................................................................................................... 5560, 5564 Abg. Ruland, SPD:....................................................................................................................................... 5595 Abg. Schäffner, SPD:................................................................................................................................... 5588 Abg. Schreiner, CDU:.............................................................................................................. 5559, 5563, 5597 Abg. Steinbach, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.................................................................................. 5558, 5562 Abg. Wansch, SPD:..................................................................................................................................... 5598 Abg. Wäschenbach, CDU:........................................................................................................................... 5579 Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:......................................................................................... 5591 Frau Ahnen, Ministerin der Finanzen:............................................................................................... 5561, 5596 Frau Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie:............... 5582, 5586 Lewentz, Minister des Innern, für Sport und Infrastruktur:................................................................ 5568, 5575 Prof. Dr. Robbers, Minister der Justiz und für Verbraucherschutz:............................................................. 5594 Präsident Mertes:................................................................... 5558, 5559, 5560, 5561, 5562, 5563, 5564, 5565............................................................................................... 5566, 5567, 5568, 5570, 5571, 5572, 5598, 5599 Vizepräsident Dr. Braun:....................................................... 5583, 5585, 5586, 5588, 5590, 5591, 5593, 5594................................................................................................................................................. 5595, 5596, 5597 Vizepräsidentin Frau Klamm:................................................ 5573, 5575, 5576, 5577, 5578, 5579, 5580, 5581........................................................................................................................................................... 5582, 5583

84. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 17. Dezember 2014

Die Sitzung wird um 14:00 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie zur 84. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz begrüßen.

Herr Kollege Markus Klein und Herr Kollege Marcel Hürter leiten mit mir gemeinsam die Sitzung.

Entschuldigt sind Frau Kollegin Demuth, Frau Molzberger, Frau Schmitt und Frau Schneider. Ferner sind entschuldigt die Staatsministerin Frau BätzingLichtenthäler, die Staatsministerin Vera Reiß, Herr Staatssekretär Dr. Deufel und Frau Staatssekretärin Kraege wegen der Vorbereitung des Bundesrates.

Meine Damen und Herren, runden Geburtstag feierten die Abgeordneten Jochen Hartloff, Josef Dötsch und Dieter Burgard, der Bürgerbeauftragte. Alle sind zusammen 180 Jahre alt.

(Beifall im Hause)

Wir begrüßen vor der Tagesordnung schon Gäste, weil sie zum Teil schon früher weggehen. Ich begrüße ganz besonders ukrainische Richter, Gäste des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz in Begleitung von Herrn Dr. Brocker, dem Präsidenten, die unter uns weilen und zum 10. Kolloquium im Verwaltungsrecht in Koblenz bei uns sind. Seien Sie willkommen! Schön, dass wir die Brücke in die Ukraine auf diese Weise weiter tragfähig halten.

(Beifall im Hause)

Zugleich begrüßen wir Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses Sozialkunde der 11. Jahrgangsstufe des Leibnizgymnasiums Neustadt an der Weinstraße

(Beifall im Hause)

und die Europaquiz-Gewinner vom Privaten Gymnasium der Zisterzienserabtei Marienstatt. Ebenfalls herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Zur Tagesordnung:

Meine Damen und Herren, die fehlenden Drucksachen wurden am Freitag, den 12. Dezember 2014, fristgerecht verteilt.

Der zugeleitete Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes – Drucksache 16/4276 – (Top 11) ist erst am Dienstag gedruckt und verteilt worden. Wenn Sie die Tagesordnung mit mir feststellen, können wir die Erstberatung bzw. die Frist dazu abkürzen. Gibt es dagegen Einsprüche?

Herr Bracht lächelt mich ein bisschen süffisant an, aber er macht mit. Ich stelle die Tagesordnung so fest.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung mit dem ersten Thema auf:

AKTUELLE STUNDE

„Bund-Länder-Finanzbeziehungen im Kontext aktueller Debatten um den Solidaritätszuschlag“ auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/4375 –

In der ersten Runde stehen 5 Minuten und in der zweiten 2 Minuten Redezeit zur Verfügung.

Herr Abgeordneter Steinbach hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist an der Zeit, in der Reform der Finanzbeziehungen einen großen Schritt zu wagen. Wenn wir heute zum wiederholten Male über das Thema Bund-Länder-Finanzbeziehungen sprechen, dann müssen wir konstatieren, dass wir uns in einem Politikfeld befinden, in dem leider ein unseliger Zusammenhang zu gelten scheint. Was das politische Problem löst, ist nicht zu vermitteln, und was politisch zu vermitteln ist, löst das Problem nicht, meine Damen und Herren.

Diese Komplexität und Paradoxie muss für uns alle umso mehr ein Ansporn sein, uns dieser großen Aufgabe gemeinsam zu widmen und kooperativ nach Lösungen zu suchen, die wir am Ende deswegen doch vermitteln können, weil wir sie gemeinsam tragen. Wir können gemeinsam einen großen Schritt bei der Reform der öffentlichen Finanzbeziehungen wagen und sind gut darin beraten, dies auch zu tun.

Als erstes will ich diesbezüglich ausdrücklich die eingesetzte Arbeitsgruppe beim Landtag begrüßen und unterstützen. Leider bin ich aus ersichtlichen Gründen an einer weiteren Mitarbeit verhindert.

So unterschiedlich die Interessenlagen der verschiedenen Akteure – Bund, Länder und Kommunen – bei den Verhandlungen sind, so sehr muss uns allerdings klar sein, dass es nur dann zu einer politisch tragfähigen Lösung kommt, wenn wir alle am Ende diesem Ergebnis zustimmen können. Das können wir jetzt drehen und wenden, wie wir wollen, alle Parteien, alle Abgeordneten, die sich in diesem Raum befinden und versammelt sind, tragen dafür eine entsprechende Verantwortung. Da ist es meines Erachtens wenig fruchtbar, mit Maximalforderungen und Zuspitzungen den politischen Diskurs zu befrachten, sondern es ist eher geeignet, den Raum, in dem sich Lösungen befinden können, immer stets genau im Blick zu behalten.

Weiterhin ist es wichtig, dass wir bei der Reform nicht nur auf den Länderfinanzausgleich im engeren Sinne schielen, denn diese verkürzte Debatte ist unvollständig und unselig. Zwischen dem Bund und den Ländern ist vereinbart, zunächst die vertikalen Finanzbeziehungen

zu klären und dann den horizontalen Ausgleich zu betrachten. Darum ist es völlig berechtigt, über die Verwendung und Einbettung der auslaufenden Solidarpaktmittel zu diskutieren. Meines Erachtens verbietet es sich, diese Mittel einfach deklaratorisch umzuwidmen. Dem stehen ernst zu nehmende verfassungsrechtliche Bedenken entgegen. Da ist es völlig berechtigt, eine Überführung in die Einkommensteuer anzustreben.

Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Antwort für die Finanzierungsfragen bei der Bildung. Wir brauchen eine Antwort für die Finanzierungsfragen bei der Infrastruktur. Wenn ich das sage, meine ich nicht nur Straßen und Brücken, sondern auch Schiene und Breitband. Wir brauchen Antworten bei der Frage der Tilgung von Altschulden bei Kommunen und Ländern. Wir haben in diesem Land eine Schuldenbremse einzuhalten.

Ich darf auch Sie, meine Damen und Herren von der CDU, an Ihren Parteitagsbeschluss erinnern, der vorsieht, dass Ihre Steuerreformvorstellungen unter einem Finanzierungsvorbehalt stehen.

Wichtig ist auch und abschließend zur Einnahmeseite der Länder, dass wir heute nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer gemeinsam an einer tragfähigen Ausgestaltung der Erbschaftsteuer weiter arbeiten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Wir setzen uns für eine zielgenaue und verfassungsfeste Vermögensbesteuerung ein, um die Handlungsfähigkeit der Länder zukünftig zu sichern. Dazu gehört eine gerechte und wirtschaftspolitisch vernünftige Erbschaftsteuer. Sie muss Gerechtigkeitslücken schließen, sie darf kleine und mittlere Unternehmen nicht gefährden, und sie muss strikt an dem Erhalt von Arbeitsplätzen orientiert sein. Das ist wichtig für die Einnahmeseite. Das ist unsere Perspektive für die Bund-LänderFinanzbeziehungen, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und des Abg. Baldauf, CDU)

Herr Kollege Schreiner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Ulrich Steinbach, es ist in einem Halbsatz schon angeklungen. Eigentlich müsste diese Aktuelle Stunde nicht heißen „Bund-Länder-Finanzbeziehungen im Kontext aktueller Debatten um den Solidaritätszuschlag“, sondern die GRÜNEN hätten sie eigentlich wie folgt nennen können: Einnahmeseite des Landes Rheinland-Pfalz unter besonderer Berücksichtigung des Wechsel von Ulrich Steinbach zum Rechnungshof, der heute seine letzte Rede hält.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Lieber Ulrich Steinbach, das ist deshalb ganz wichtig, weil es deine Aufgabe in den nächsten Jahren sein wird, insbesondere dahin zu schauen, wo das Land Rheinland-Pfalz sein Geld ausgibt. Ich sage, da gibt es viel zu entdecken. Es ist ganz wichtig, dass Ulrich Steinbach zum Rechnungshof mitnimmt, dass dieses Land Rheinland-Pfalz – damit bin ich beim Länderfinanzausgleich und dem Solidaritätszuschlag – kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem hat.

(Beifall bei der CDU)

Ich weiß, es wird nicht so gerne gehört, aber wenn man sich die Ergebnisse des Länderfinanzausgleichs – unverdächtige Quelle, Bundesfinanzministerium – des letzten Jahres anschaut, dann gibt es unterschiedlich interessante Bundesländer.

Es gibt zum Beispiel das Bundesland Baden-Württemberg, das zurzeit noch einen grünen Ministerpräsidenten hat. Das liegt bei den Steuereinnahmen 17 % über dem Schnitt. Nach dem Länderfinanzausgleich – Bundesergänzungszuweisungen bekommt Baden-Württemberg nicht – liegt es nur noch 4 % über dem Schnitt, immerhin. Es gibt das andere Extrem, das Saarland. Das ist die andere Seite der Medaille. Das liegt bei den Steuereinnahmen 21 % unter dem Durchschnitt, nach Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisung praktisch im Schnitt 1 % darunter.

In Rheinland-Pfalz passiert wenig, es sieht aber ähnlich aus. Bei den Steuereinnahmen sind wir gut 4 % unter dem Schnitt, wir sind deshalb ebenfalls ein Nehmerland. Es wird immer gesagt, Umsatzsteuervorwegausgleich. Wir sind ohne Umsatzsteuervorwegausgleich gut 4 % unter dem Schnitt und mit Umsatzsteuervorwegausgleich knapp 4 % unter dem Schnitt.

Das heißt, das macht gar nicht viel aus. Nach Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisung werden wir bis auf 99,2 % ausgeglichen. Rheinland-Pfalz hat also genau das gleiche Geld zur Verfügung wie jedes andere Bundesland im Schnitt auch. Die Nehmerländer werden nach diesem Gesetz praktisch auf 100 % ausgeglichen. Den Geberländern bleibt von ihrer Wirtschaftlichkeit, von den Erfolgen ihrer Unternehmen, ihrer Arbeitnehmer, aber auch von den Erfolgen ihrer guten Wirtschaftspolitik eine Größenordnung von 5 %, die sie über dem Schnitt liegen.

Lieber Ulrich Steinbach, Rheinland-Pfalz – wichtig, über den Schreibtisch schreiben beim Rechnungshof – hat ein Ausgabenproblem und kein Einnahmeproblem.

(Beifall der CDU)

Nichtsdestotrotz hat er recht, dass wir eine Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen brauchen, und zwar nicht nur, weil das Länderfinanzausgleichsgesetz zum Ende der Dekade ausläuft, sondern vor allen Dingen, weil wir mehr Anreize für gute Wirtschaftspolitik im Länderfinanzausgleich für eine gute Wirtschaftspolitik brauchen, die Steuergelder richtig einsetzt, die den richtigen Rahmen schafft, dass Unternehmen gute Umsätze machen können, sie ihren Arbeitnehmern gute Gehälter zahlen können, sie sogar Gewinn machen können; denn

sowohl auf die Gehälter als auch auf den Gewinn gibt es Steuern. Diese stabilen Steuereinnahmen sind das, was unser Gemeinwesen braucht. Wir brauchen für die Vielzahl von Aufgaben, die von ihm richtig angesprochen worden sind – Bildung, Sicherheit, Straßenbau in diesem Land –, stabile Steuereinnahmen. Um diese stabilen Steuereinnahmen bekommen zu können, brauchen wir eine gut funktionierende Wirtschaft. Wir brauchen Menschen in diesem Land, die Geld verdienen können, damit sie Steuern zahlen können.

(Beifall der CDU)

Wir brauchen eine schnelle und moderne Infrastruktur, moderne Straßen und schnelles Internet. Damit bin ich beim Soli. Ich bin gegen eine Integration des Soli in die Einkommensteuer. Der Solidarität der Steuerzahler wird in diesem Land seit der deutschen Einheit viel abverlangt. Aber in den 25 Jahren seither hatten wir einen breiten Konsens, dass es erforderlich ist, diesen Solidaritätszuschlag zu zahlen.

In Zukunft gibt es Überlegungen, erneut die Solidarität der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler einzufordern, zum Beispiel um die Infrastruktur sowohl in den jungen Bundesländern als auch in den alten Bundesländern zu stärken. Ich könnte mir das gut vorstellen, weil die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wissen, dass mit einer guten Infrastruktur, mit einem Solidaritätszuschlag, der dafür sorgt, dass wir uns in Rheinland-Pfalz moderne Straßen und schnelles Internet leisten können, auf der Basis dessen auch die Möglichkeit haben, dass die Menschen gutes Geld verdienen können, dass die Menschen sich und ihre Familie mit ihrer eigenen Hände Arbeit auch in der Fläche von Rheinland-Pfalz ernähren können.