Protokoll der Sitzung vom 28.01.2015

Wir brauchen eine verlässliche Personalplanung. Wir brauchen eine vernünftige Einstellungspolitik. Jetzt eben als Schnellschuss 300 Polizistinnen und Polizisten zusätzlich einzustellen, halten wir für kontraproduktiv, auch im Interesse der Polizei. Dazu vielleicht anlässlich Ihres Antrags morgen dann mehr.

Zurück zu Rheinland-Pfalz und der Sicherheitslage. Auch hier haben wir Menschen, die radikalisiert sind, die nach Syrien und in Terrorcamps auswandern und irgendwann zurückkehren werden. Diese Menschen werden wir mit Strafandrohungen weder erreichen noch abschrecken. Wir dürfen Extremismus keinen Raum lassen. Das gilt für alle Formen des Extremismus, sei er politisch oder religiös motiviert. Extremismus ist ein Angriff auf unsere Gesellschaft.

Bestimmte Verhaltensweisen rechtsextremer Gruppen, die aus gutem Grund verboten sind, in den Kontext der Meinungsfreiheit zu stellen, gießt Öl in das Feuer dieser radikalen Gesinnung. Die Zahl der rechtsextremen Gruppierungen und ihrer Mitglieder war bislang kontinuierlich rückläufig. Das ist auch dem gesellschaftlichen Konsens zu verdanken, dieses Gedankengut niemals mehr zuzulassen. Es ist Aufgabe der Politik, es ist unsere Aufgabe als Politikerinnen und Politiker, diesen Bestrebungen entschieden entgegenzutreten.

(Starker Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren, deshalb möchte ich eines ganz deutlich sagen. Der beschönigend sogenannte Hitlergruß ist durch nichts zu rechtfertigen. Er steht in keinem Zusammenhang mit der Freiheit der Meinungsäußerung.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er ist aus gutem Grund verboten. Von dieser Bewertung möchte ich mich ausdrücklich distanzieren. Wir erfüllen in Rheinland-Pfalz den staatlichen Auftrag, für sichere Lebensverhältnisse Sorge zu tragen, ohne auf unzumutbare Weise in Grundrechte einzugreifen.

Rheinland-Pfalz ist ein sicheres Land. Wir schützen es mit umfangreichen präventiven Maßnahmen und mit gut ausgebildeten und ausgestatteten Sicherheitsbehörden.

(Glocke des Präsidenten)

Wir bekennen uns zu Freiheitlichkeit und Transparenz und erteilen jeder Art extremistischer Bestrebungen eine deutliche Absage.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, als Gäste auf der Zuschauertribüne begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Steinhöfelschule Bingen. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit dieser Debatte zu einer Lagebeschreibung für das Hohe Haus nutzen. Die weltweite Bedrohung durch den internationalen religiös motivierten Terrorismus wurde am 7. Januar 2015 und den nachfolgenden Tagen in unserem Nachbarland Frankreich auf die schlimmste Weise bestätigt.

Drei junge Männer ermordeten 17 Menschen in Paris, darunter zehn Mitglieder der Redaktion des SatireMagazins „Charlie Hebdo“, eine Polizeibeamtin und zwei Polizeibeamte sowie vier Geiseln in einem jüdischen Lebensmittelgeschäft.

Die französischen Sicherheitsbehörden haben die Täter am 9. Januar 2015 gestellt. Sie waren französische Staatsangehörige und kamen bei den Festnahmen ums Leben.

Diese Tat macht uns betroffen, ist sie doch nicht nur ein sinnloser Angriff auf das Leben der Bürger Frankreichs, sondern auch auf die Pressefreiheit und die zentralen Werte einer Demokratie – unserer Demokratie; denn die Täter handeln nach ihrem eigenen Bekunden in der Absicht, die vermeintliche Schmähung des Propheten Mohammed durch die Karikaturen des Magazins zu rächen und zu unterbinden.

Die weltweiten Reaktionen nach den Morden haben gezeigt: Die Bürger der freien Gesellschaft stehen auf, gehen auf die Straße, um ihre Werte zu verteidigen und der terroristischen Bedrohung die Stirn zu bieten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die bereits seit Jahren bestehende Gefahr islamistischer Anschläge hält weiter an. Die Festnahmen belgischer Sicherheitsbehörden am 15. Januar 2015 in Verviers, bei denen geplante Terroranschläge verhindert und zwei Männer getötet wurden, belegt dies auf eine eindrückliche Weise.

Die Festnahmen der jüngsten Tage – in Griechenland, erneut in Belgien und auch in Deutschland – zeigen überdies, der islamistische Terror kümmert sich nicht um Landesgrenzen, insbesondere nicht im grenzfreien Schengen-Raum. Alle europäischen Staaten, auch Deutschland, stehen im erklärten Zielspektrum international agierender dschihadistischer Organisationen. Das haben die aktuellen Vorgänge leider eindrucksvoll unterstrichen.

Al Kaida auf der arabischen Halbinsel hat in einer Videoverlautbarung die Verantwortung für den Anschlag auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ übernommen. In einem weiteren Video bekennt sich der später getötete Geiselnehmer von Montrouge als Anhänger des sogenannten Islamischen Staates.

Ob die Attentäter tatsächlich diesen Terrororganisationen angehören, ist noch nicht abschließend geklärt. Nach Bewertung der Sicherheitsbehörden ist zu befürchten, dass diese internationalen Terrororganisationen auch künftig Pläne entwickeln und weiterverfolgen, einen Anschlag mit Fanalwirkung – also vielen Toten und Verletzten – in den westlichen Gesellschaften zu verüben.

Eine weitere große Bedrohung geht von emotionalisierten Einzeltätern und Kleingruppen aus, die sich von den Sicherheitsbehörden unerkannt durch die im Internet verbreitete islamistische Propaganda und Ideologie oder durch ihre Kontakte, beispielsweise zur salafistischen Szene, radikalisiert haben. Diese könnten die Anschläge von Paris nun als Initial sehen, eigene Tatplanungen umzusetzen.

Die Konflikte und kämpferischen Auseinandersetzungen in Syrien und dem Irak üben überdies eine zunehmende Anziehungskraft und Sogwirkung auf Islamisten in Deutschland aus. Die Gesamtzahl der Salafisten in Deutschland – das sind Vertreter einer besonders rigiden Islamauslegung mit oftmals ausgeprägten Feindbildern – ist nach Angaben der Verfassungsschutzbehörden in jüngster Zeit auf 7.000 gestiegen.

Der Islamische Staat rief am 29. Juni 2014 ein Kalifat aus und hat seitdem große Teile des Staatsgebietes von Syrien und dem Irak unter seine Kontrolle gebracht. Dies nährt bei einem Teil der Islamisten Hoffnung auf die Wiedereinrichtung eines islamischen Großreichs, das sich über nationalstaatliche Grenzen hinweg erstreckt und dessen gesellschaftliche Ordnung angeblich auf der islamischen Gesetzgebung basiert.

Bislang sind nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden mehr als 600 Islamisten allein aus Deutschland in Richtung des Kriegsgebietes ausgereist, 3.400 sollen es aus Westeuropa sein. Ein Teil davon will an einer Kampfausbildung teilnehmen und sich am Kampf beteiligen.

Diese Zahlen sind innerhalb der vergangenen zwei Jahre stark angestiegen. 600 sind es heute, vor 12 Monaten waren es noch 330. Man sieht die Steigerung.

Etwa ein Drittel der Ausgereisten soll zwischenzeitlich nach Deutschland zurückgekehrt sein. Nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden geht von diesem Personenkreis eine erhöhte Gefährdung aus, weil er zumindest in Teilen mit dem Auftrag in die Herkunftsländer zurückgeschickt worden sein könnte, konkrete Anschläge zu planen und umzusetzen.

Die Zahl der Ausreisenden ist in Deutschland nicht gleichmäßig verteilt. Rheinland-Pfalz ist von den Entwicklungen nicht im selben Maß betroffen wie andere Bundesländer. Jedoch bleibt auch unser Land von der Gesamtentwicklung nicht verschont.

Inzwischen sind nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden zehn Personen aus Rheinland-Pfalz in Richtung Syrien und Irak ausgereist. Diese Zahl hat sich im letzten Jahr mehr als verdoppelt.

Rückkehrer aus den Konfliktregionen nach RheinlandPfalz gibt es bisher nach unseren Erkenntnissen nicht. Auch die Gesamtzahl der Salafisten in Rheinland-Pfalz – das ist eben gesagt worden – ist auf mittlerweile 100 Personen gestiegen, und ja, davon werden ungefähr 25 dem gewaltbereiten Spektrum zugerechnet.

Die Landesregierung widmet der Bekämpfung des religiös motivierten Terrorismus sehr hohe Aufmerksamkeit. Polizei und Verfassungsschutz sind seit Jahren sensibilisiert und arbeiten eng mit den Sicherheitsbehörden des Bundes und anderer Länder zusammen. Lassen Sie es mich aber klar sagen: Aktionismus wäre der falsche Weg.

Ich danke den rheinland-pfälzischen Sicherheitsorganen an dieser Stelle ganz herzlich für ihre hervorragende Arbeit. Wir sind dabei, die Ereignisse von Paris und

Belgien auszuwerten. Wir werden genau bewerten, welche Konsequenzen sich daraus für unsere Sicherheitsarchitektur ergeben.

Herr Lammert, an dieser Stelle nur so viel: Höchste Einstellungszahlen aller Zeiten sind garantiert keine Schwächung der Inneren Sicherheit,

(Hüttner, SPD: So ist es!)

und ich kenne auch keinen Antrag von Ihnen, bei den Haushaltsberatungen 300 Stellen zu etatisieren.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hüttner, SPD: So ist es! – Zurufe von der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann Ihnen aber bereits mitteilen, dass ich in der nächsten Zeit ein Maßnahmenpaket vorstellen werde, dass den neuen Herausforderungen der Sicherheitsbehörden Rechnung trägt. Es wird ein Paket, kein Vorschlag einer Einzelmaßnahme sein.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, als Vorsitzender der Innenministerkonferenz weiß ich, die Vernetzung aller Sicherheitsorgane ist für eine abgestimmte Lage und Gefährdungsbewertung und insbesondere in den oft länderübergreifenden Ermittlungsverfahren gegen solch hochmobile und international kommunizierende Tätergruppierungen von besonderer Bedeutung.

Als eine wirksame Plattform hat sich dabei das gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum in Berlin erwiesen. Auch die rheinland-pfälzischen Sicherheitsbehörden sind hier vertreten.

In ihrem Kampf gegen islamistisch motivierte Gewalttäter verfolgen die Sicherheitsbehörden einen ganzheitlichen Ansatz. Als erste Facette dieser Gesamtstrategie der deutschen Innenminister ist die Strafverfolgung zu nennen. Wo immer der Anfangsverdacht einer Straftat begründet ist, ergreifen Polizei und Justiz alle notwendigen und rechtlich möglichen strafprozessualen Maßnahmen, um die Tat aufzuklären und der Täter habhaft zu werden. Deshalb muss auch schon die Absicht, in Terrorausbildungscamps ausreisen zu wollen, strafbar sein.

Darüber hinaus bekämpft die Polizei als zweites strategisches Element die von Islamisten ausgehenden konkreten Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit den Mitteln des Polizeirechts. Das rheinlandpfälzische Polizei- und Ordnungsbehördengesetz bietet dafür ein umfangreiches Instrumentarium.

Werden etwa Ausreiseabsichten als gefährlich eingeschätzter Personen rechtzeitig bekannt, unternehmen die Sicherheitsbehörden alles, um die Ausreise zum Beispiel durch passbeschränkende Maßnahmen – hier hat uns das Bundeskabinett weitere Möglichkeiten an die Hand gegeben – zu verhindern. Hierin zeigt sich auch die Bedeutung der Vorfeldarbeit, die vom rhein

land-pfälzischen Verfassungsschutz erfolgreich geleistet wird.

Eine weitere Facette des Kampfes gegen verfassungsfeindlich agierende Organisationen ist die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung, auch um Strukturen erst gar nicht aufwachsen zu lassen, sondern diese zu zerschlagen.

Auch ich bin der Meinung, dass schon die Spendensammlung, die Spendeneinwerbung für terroristische Zwecke unter Strafe gestellt werden sollte.