Gleichzeitig sollten wir den Satz von Wilhelm vom Humboldt bedenken, der sagt: „Ohne Sicherheit ist keine Freiheit“.
Der ehemalige bayerische Innenminister Günther Beckstein hat in dem Zusammenhang festgestellt, dass Sicherheit und Freiheit keine Gegensätze sind. Vielmehr sei Sicherheit gerade die Voraussetzung für Freiheit, weil Freiheit ohne Sicherheit ein Leben in Angst bedeuten würde. Es gelte die Faustregel, so wenig Sicherheitsmaßnahmen wie nötig und so viel Freiheit wie möglich. Ich glaube diese Faustformel können wir alle unterschreiben.
In diesem Spannungsbogen bewegen wir uns in unserer Diskussion über Innere Sicherheit und Eingriffsmaßnahmen. Die Diskussion nimmt immer dann an Schärfe zu, wenn Terrorakte die Gesellschaft aufschrecken und sofort nach härteren Gesetzen gerufen wird.
An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich darauf verzichten, mich zu den Anträgen der CDU zu äußern, die wir heute im Laufe der Debatte oder auch morgen noch zu beraten haben.
Nach meiner bzw. nach unserer Auffassung ist es eine unabdingbare Aufgabe des Staates, den Bürgern Sicherheit zu gewähren, um Ängsten entgegenzuwirken und Selbstjustiz zu verhindern. Was geschieht, wenn der Staat dies nicht mehr gewährleisten kann? Das sehen wir in mehreren Teilen in unserer Welt.
Gleichzeitig hat der Staat sicherzustellen, dass nicht durch den Versuch, absolute Sicherheit zu erreichen, die Freiheit entscheidend eingeschränkt wird. Der Preis der Freiheit ist gerade ein gewisses Maß an Unsicherheit und Gefahr. Die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit muss immer wieder ausgehandelt werden vor dem Hintergrund sich total verändernder Verhältnisse wie zum Beispiel der digitalen Revolution, aber auch vor den weltweit organisierten Terrorakten. Gleiches gilt im Übrigen auch für aus dem Inneren heraus entstehende Terrorsituationen.
Entscheidend bei der Diskussion über neue Formen und Maßnahmen der Verbrechensbekämpfung, die notwendig sind, ist der Schutz der Menschenwürde, Artikel 1 Grundgesetz, und der Kernbereich der Grundrechte sowie die Prinzipien eines sozialen und demokratischen Rechtsstaates. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes in mehreren Fällen machen dies sehr deutlich.
Trotzdem müssen wir uns den Herausforderungen stellen, die sich durch die Veränderungen der Gesellschaft, der Technik und der Globalisierung ergeben. Als Beispiel sei nur das Internet genannt, das nicht nur neue Entfaltungsmöglichkeiten schafft, sondern auch Missbrauch Tor und Tür öffnet.
Auch die Überwachungsmöglichkeiten weltweit – da hat uns Herr Snowden die Augen wohl geöffnet – sind kein Planspiel mehr, sie sind keinesfalls Science-Fiction.
Wir sollten deshalb – dafür bestehen bereits heute und morgen im Parlament die Möglichkeiten – um die beste Lösung streiten und dabei dem jeweiligen Diskussionspartner zumindest nicht den guten Willen absprechen, auch wenn wir nicht seine Meinung teilen.
Ich gehe davon aus, dass der Innenminister gleich in seinen Ausführungen darstellen wird, wie er die Sicherheitslage in unserem Land einschätzt und ob er Maßnahmen für erforderlich hält.
Wir in Rheinland-Pfalz haben immer auf eine ausgewogene Balance von Sicherheit und Freiheit gesetzt. Das wollen wir in Zukunft auch so halten. Sogenannte Schnellschüsse haben wir immer abgelehnt, überlegtes Handeln dagegen nicht.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut und wichtig, dass wir heute über die Sicherheitslage in unserem Land sprechen; denn die Bedrohungslage insbesondere durch den islamistischen Terrorismus hat sich sicherlich in den letzten Monaten auch durch die Vorfälle in Paris, Belgien und in anderen Regionen in Europa verstärkt.
Die Zahl der Personen, die in Rheinland-Pfalz der salafistisch-islamistischen Bewegung zuzurechnen sind, ist auch in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Nach dem aktuellen Verfassungsschutzbericht sind dort im Jahr 2012 noch 65 Personen aufgeführt gewesen, 2013 waren es schon 70, und aktuell sind es etwa 100 und vermutlich auch darüber hinaus.
In Rheinland-Pfalz stehen derzeit zudem 25 Personen unter Beobachtung der Sicherheitsbehörden, die dem gewaltbereiten Spektrum innerhalb des Islamismus zuzuordnen sind. Außerdem sind nach Erkenntnissen der rheinland-pfälzischen Sicherheitsbehörden bereits einzelne Islamisten aus Rheinland-Pfalz nach Syrien und zu den Dschihad-Schauplätzen in anderen Ländern ausgereist. Das passiert im Übrigen auch in ganz Deutschland. Auch da sind die Zahlen zum Teil extrem hoch. Hier müssen wir schauen, dass gerade von den Rückkehrern, die irgendwann von diesen Schauplätzen zurückkehren, durchaus eine erhöhte Terrorgefahr und
auch eine durchaus erhöhte Anschlagsgefahr ausgehen kann, nicht nur in Rheinland-Pfalz, sondern auch in Deutschland insgesamt. Das hoffen wir natürlich nicht, aber man darf es auch nicht ausschließen.
Man muss sich mit dieser Lage entsprechend seriös, wie es Carsten Pörksen gerade angeführt hat, beschäftigen. Das tun wir auch schon lange. Wenn man schaut, dass deutschlandweit bereits 180 Personen aus diesen Krisengebieten zurückgekehrt sind, die dort gekämpft haben, dann ist das schon eine gewaltige Zahl. Da müssen wir uns schon Gedanken machen. Es geht in der Tat nicht um Panikmache. Deutschland und Rheinland-Pfalz sind aktuell sichere Länder. Aber die Lage – das gehört auch dazu – ist so ernst wie schon lange nicht mehr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, da müssen sicherlich alle demokratischen Kräfte zusammenstehen und in eine Richtung ziehen. Das werden wir selbstverständlich tun. Da sind vor allem aber auch unsere Polizei und unsere Sicherheitsbehörden bei dieser angespannten Gefährdungslage stark gefordert. Wir müssen deshalb auch weiterhin Sorge dafür tragen, dass unsere Sicherheitsbehörden personell und sachlich so gut ausgestattet werden, dass die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger gewährleistet werden kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun führen wir in diesem Hause – das gehört zu dieser Debatte schon dazu, das hat, wie gesagt, nichts mit Aufgeregtheit zu tun, sondern das ist eine Debatte, die wir schon lange führen – eine intensive Debatte über die personelle Situation der Polizei in unserem Land.
Gerade die aktuelle Debatte muss auch einmal zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme führen. Wenn man sich die Zahlen ansieht – Herr Minister Lewentz kennt diese Zahlen –, dann fehlen in unserem Land eine ganze Anzahl von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, insbesondere zwischen der Soll- und Iststärke. Da sprechen wir von mindestens 250 bis 300 Fehlstellen.
Da ist es auch eine völlig falsche Darstellung, wenn Sie, Herr Minister – wie in der vergangenen Woche in verschiedenen Presse- und Medienpublikationen dargestellt –, auf die aktuell hohen Einstellungszahlen bei der Polizei mit 450 verweisen.
Ja; denn dadurch wird in der Tat den Bürgerinnen und Bürgern vermittelt, dass die Polizei in unserem Land in den kommenden Jahren gut aufgestellt sei. Der genaue Blick ist jedoch entscheidend; denn genau das Gegenteil ist der Fall, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Die derzeitigen Einstellungszahlen reichen nicht aus – das wissen Sie –, die hohe Pensionierungswelle, die vor uns liegt, in den nächsten Jahren, auszugleichen. Unter dem Strich werden die Zahlen weiter nach unten gehen. Wir werden uns nicht auf der entsprechenden Ebene, die wir aktuell haben, halten, sondern wir werden darunter gehen. Sie wissen, dass im letzten Jahr rund 430 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in den Ruhestand gegangen bzw. aus dem Polizeidienst ausgeschieden sind. Im nächsten Jahr werden es 400 und im Jahr 2016 sogar 460 sein. Das besagt die Antwort auf eine aktuelle Große Anfrage, die Sie selbst aus Ihrem Haus entsprechend dargestellt haben. Vor diesem Hintergrund heißt es dann, dass die Abgänge deutlich die Zahl derjenigen übersteigen, die derzeit eingestellt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, da muss ich ganz ehrlich sagen, die Landesregierung hat die absehbaren Probleme entstehen lassen, und es wurde verpasst und vergessen, ausreichend frühzeitig Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte einzustellen und auszubilden.
Jetzt haben wir das Problem. Dieser Personalabbau wird auf Dauer zu einer Schwächung der Sicherheitslage in unserem Land führen. Da gehen wir letztendlich sehenden Auges hinein, obwohl Sie gewarnt wurden von den Gewerkschaften usw. Deshalb müssen wir hier auch eine Politikkorrektur in unserem Land anstreben und müssen Dinge angehen und Schwerpunkte setzten. Deswegen ist für uns eine Forderung, dass wir 300 neue Vollzeitstellen bei der Polizei einrichten wollen, damit wir mittelfristig eine gut aufgestellte Polizei haben.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben uns eben in einem gemeinsamen Antrag zu einer offenen und freien Gesellschaft bekannt. Ich möchte den Blick noch einmal dorthin zurück lenken. Freiheit ist ein Grundrecht. Meine Damen und Herren, Sicherheit ist eine staatliche Aufgabe. Sicherheit muss deswegen immer im Dienste der Grundrechte stehen. Sie steht nicht darüber.
Grundrechte zugunsten von Sicherheit einzuschränken, das geht, aber es geht immer nur in Maßen. Ich danke unserer Ministerpräsidentin für die ausdrückliche Feststellung, die Sie getroffen hat. Es gibt hier in RheinlandPfalz keine konkrete Bedrohung. Allerdings wäre es
falsch, den Menschen vorzumachen, der Staat könne sie umfassend vor einem Risiko schützen. Diese Aussage stammt aus der Hochzeit der RAF von Gerhart Baum, dem damaligen Innenminister. Sie war damals ebenso richtig, wie sie es heute ist, ebenso wie sein Befund, dass damals überreagiert wurde.
Meine Damen und Herren, Anschläge wie die Terroranschläge von Paris sind auch bei uns möglich. Diese Möglichkeit müssen wir sehen und mit ihr umgehen: realistisch, besonnen und ohne die Grundwerte unserer Verfassung zu verraten. – Deshalb muss unser Hauptaugenmerk der Prävention gehören. Wer in unserer Gesellschaft nicht gewinnen kann, wer kein Gehör findet, wer ausgegrenzt und nicht beachtet wird, der holt sich seine Beachtung irgendwann, und notfalls mit Gewalt.
Dagegen setzen wir die umfassende Dialogbereitschaft des Staates. Mit vielen Gesetzesvorhaben schaffen wir die erforderliche Transparenz. Wir haben Präventionsprogramme, um jegliche Radikalisierung zu vermeiden. Wir werden diese Programme auch ausbauen, meine Damen und Herren.
Wir können immer eine Debatte über die Anzahl der Polizeibeamtinnen und -beamten führen. Wir sind immer dafür, Polizeibeamte und Polizeibeamtinnen gut auszustatten und eine gute Anzahl zu haben, damit die Arbeit gut ausgeführt werden kann. Wir sind immer dafür, lieber einen oder mehrere Polizeibeamte auf der Straße zu haben als Videoüberwachung oder andere Einschränkung von Grundrechten. Wir sehen auch, dass in den nächsten Jahren der Personalbestand bei der Polizei sinken wird.
Meine Damen und Herren, wir steuern ja nicht unerheblich gegen. Wir haben die höchsten Einstellungszahlen im Bereich der Polizei, die wir je hatten. Wenn wir diese Einstellungszahlen noch nennenswert, um die von Ihnen geforderten 300, erhöhen, dann haben wir jährlich 750 Polizisten in Ausbildung. Es wird drei bis fünf Jahre dauern, bis wir diese einsetzen können. Dann sagen Sie mir einmal, wie Sie mit 700 Polizisten in Ausbildung in den nächsten drei Jahren unsere Sicherheit in den Griff bekommen wollen. Das kann der richtige Weg nicht sein.
Wir brauchen eine verlässliche Personalplanung. Wir brauchen eine vernünftige Einstellungspolitik. Jetzt eben als Schnellschuss 300 Polizistinnen und Polizisten zusätzlich einzustellen, halten wir für kontraproduktiv, auch im Interesse der Polizei. Dazu vielleicht anlässlich Ihres Antrags morgen dann mehr.