Protokoll der Sitzung vom 29.01.2015

Die bisherige Vorstellung einer Entwicklungspolitik der Almosen ist längst überholt und sichert eben nicht eine nachhaltige Entwicklung. Wir in Rheinland-Pfalz haben dies schon lange erkannt. Wir verfolgen deshalb eine gleichberechtigte internationale Politik, die gerade die

wichtigen Aspekte der sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit im Blick hat.

Durch den ständigen Dialog mit den NGOs – mit den Nichtregierungsorganisation – durch verschiedenste Schulungsprogramme für Kommunen, kommunale Beschafferinnen und kommunale Beschaffer, durch die Aufnahme der ILO-Kernarbeitsnormen in die Vergabeordnung und durch vieles mehr haben wir bereits wichtige Schritte auf dem Weg für einen gerechteren Handel unternommen. Aber wir sind uns sehr wohl bewusst, dass wir weiterhin Verantwortung tragen, vielleicht sogar mehr Verantwortung tragen müssen.

Ich glaube, und da kann ich sicherlich für uns alle in diesem Hause sprechen, dass es zum Beispiel in der heutigen Zeit einfach nicht mehr sein kann, dass Grabsteine aus ausbeuterischer Kinderarbeit heute noch auf unseren kommunalen Friedhöfen aufgestellt werden können. Das ist beschämend. Das ist auch eine Aufgabe für uns alle, die wir die Möglichkeiten nutzen müssen, die wir diese Änderungsbedarfe sehen, ich glaube, fraktionsübergreifend sehen, dass wir uns nach einer vernünftigen und sorgfältigen rechtlichen Prüfung möglicherweise dem Vorbild und dem Beispiel anderer Bundesländer, die sich auch auf den Weg gemacht haben, gerade was die Grabsteine angeht, anschließen und Veränderungen herbeiführen. Ich glaube, das ist durchaus etwas, bei dem wir partei- und fraktionsübergreifend tätig sein können. Aber auch bei Produkten, die von der öffentlichen Hand erworben werden, brauchen wir verbindliche rechtliche Vorgaben zur Einhaltung von ökologischen und sozialen Standards.

Meine Damen und Herren, das entwicklungspolitische Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, gerade auch in den Partnerschaftsvereinen, bei ELAN, in den Weltläden in den Fairtrade-Initiativen und in vielem anderen mehr – Sie alle kennen sie aus Ihren Kommunen – ist uns ein großes Anliegen. Ich bin froh, dass es auch im Antrag der CDU so formuliert ist, dass wir dieses Engagement noch stärker fördern wollen, weil es damit klar aufzeigt, dass Entwicklungspolitik, globale Gerechtigkeit in dem kleinen Bereich, für den wir Verantwortung tragen, uns alle angeht.

Meine Damen und Herren, nachhaltiges Handeln ist einer der zentralen Schlüssel für mehr soziale und globale Gerechtigkeit. Darauf gibt es natürlich auch bei uns keine einfachen Antworten. Es besteht großer Diskussionsbedarf. Auch wir in Rheinland-Pfalz müssen uns intensiver damit auseinandersetzen. Das Jahr 2015 gibt uns die Chance dazu. Ich möchte deswegen gerne – und lade Sie dazu ein – beide Anträge an die entsprechenden Ausschüsse überweisen, um dort weiter miteinander zu beraten.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Seekatz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Unter dem Motto „Unsere Welt, unsere Würde, unsere Zukunft“ wird dieses Jahr die Entwicklungspolitik thematisiert. Ziel dieses EU-Entwicklungsjahres 2015 ist es, die Bürgerinnen und Bürger über die Zusammenarbeit im Bereich der Entwicklungshilfe der EU über die einzelnen Mitgliedstaaten zu informieren und einzubeziehen und – ich denke, das ist besonders wichtig – das Bewusstsein für den Nutzen der Entwicklungshilfe zu schärfen.

Mit einer guten Entwicklungszusammenarbeit kann für eine faire Gestaltung der Globalisierung, die Erhaltung der Umwelt, aber vor allen Dingen für Frieden, Freiheit und Demokratie und die Menschenrechte einiges erreicht werden. Die Zukunft der Menschen in den Entwicklungsländern und damit auch unsere eigene Zukunft hängen maßgeblich von einer guten Entwicklungspolitik ab. Demokratie und Frieden zu fördern, kann nur gelingen, wenn wir Mut, den Hunger und die Krankheiten in diesen Ländern in den Griff bekommen. Die Entwicklungspolitik wird glücklicherweise heute schon von der Bevölkerung ernsthafter wahrgenommen, als es früher der Fall war.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist wichtig, dass wir die Initiativen in diesem Bereich fördern und unterstützen. Wir müssen informieren, das Bewusstsein stärken und auch zum Mitgestalten auffordern. Daher ist es wichtig, dass Rheinland-Pfalz sich aktiv und vor allen Dingen ressortübergreifend in die Vorbereitung und die Umsetzung dieses europäischen Jahres einbringt. Die Kernziele haben wir in unserem Alternativantrag deutlich formuliert. Leider fehlt uns bei Ihrem Antrag der Hinweis darauf, dass gerade in der Entwicklungspolitik die Zusammenarbeit der Bundesländer mit dem zuständigen Bundesministerium und natürlich auch mit Europa besonders wichtig ist.

(Beifall der CDU)

Ihr Prüfauftrag, dass die Kommunen rechtssicher in die Lage versetzt werden sollen, Grabsteine aus Kinderarbeit von kommunalen Friedhöfen zu verbannen, ist natürlich richtig und ehrenwert. Auch wir sind natürlich gegen Kinderarbeit, und wir dürfen diese auch nicht durch unseren Konsum unterstützen.

(Vereinzelt Beifall bei CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ob wir hier eine gesetzliche Regelung hinbekommen, darüber müssen wir diskutieren. Im Ausschuss werden wir vielleicht eine Lösung finden.

Nordrhein-Westfalen hat dieses Thema bereits als erstes Bundesland im Bestattungsgesetz aufgenommen, allerdings – wie man nachlesen kann – wurde hierfür extra eine Zertifizierungsstelle aufgebaut. Es wird sich die Frage stellen, ob hierdurch die Herstellerketten verlässlich nachzuvollziehen sind. Wir halten es derzeit noch für etwas unwahrscheinlich, dass wir das jetzt direkt in den Griff bekommen, aber es macht sicherlich

Sinn, darüber zu diskutieren, und vielleicht kann man die Erfahrungen von Nordrhein-Westfalen einbeziehen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Sie fordern weiter die Einhaltung der ILOKernarbeitsnorm für das öffentliche Beschaffungswesen. Es ist nach unserer Ansicht sinnvoll, dass hierüber diskutiert wird. Wir müssen nur schauen, auf welchen Ebenen es diskutiert wird und was wir direkt erreichen können. Es ist deshalb sicherlich nicht immer hilfreich, Hoffnungen zu wecken, die wir hinterher nicht erfüllen können, aber im Ausschuss werden wir die Einzelthemen noch diskutieren können.

Ich empfehle in diesem Zusammenhang auch eine Beschlussempfehlung des Bundestages – Drucksache 18/3133 – vom 11. November 2014, in der es um die Verantwortung von globaler Produktion und Handel geht. Die Bundesregierung wird hier aufgefordert und bestärkt in der Absicht, einen nationalen Aktionsplan für die Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zu erarbeiten und die Einführung eines Unternehmensstrafrechts für multinationale Konzerne zu prüfen und schließlich die Zusammenarbeit mit der ILO zu verstärken. Die Regierung wird weiter aufgefordert, für mehr Transparenz im weltweiten Handel mit Rohstoffen und insbesondere auch mit den sogenannten Konflikt-Mineralien zu sorgen.

Meine Damen und Herren, in Ihrem Antrag führen Sie weiter die Unterstützung von ELAN auf. Dem stimmen wir auch zu. Die sind sehr aktiv. Wir dürfen hierbei allerdings nicht die vielen anderen Partnerschaften und vor allen Dingen auch unsere Kirchen vergessen, die intensiv in der Entwicklungsarbeit unterwegs sind. Sie alle haben hier unsere Unterstützung verdient.

(Beifall der CDU)

Wir sollten daher die beiden Anträge gemeinsam im Ausschuss beraten. Dem können wir sicherlich zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Dieter Klöckner das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 8. Januar – leider überschattet durch die schrecklichen Ereignisse in Paris – haben 300 Regierungsvertreter aus 38 Ländern in Riga unter dem Motto „Unsere Welt, unsere Würde, unsere Zukunft“ den Startschuss für das Europäische Jahr für Entwicklung gegeben. Das Thema Entwicklung soll in diesem Jahr einem breiteren Raum, einem breiterem Publikum zugänglich gemacht werden. Dabei kon

zentriert man sich auf zwölf Themenschwerpunkte, von Europa in der Welt in diesem Monat bis Menschenrechte und Regierungsgewalt im Dezember.

Dabei treten auch Millenniumsentwicklungsziele verstärkt in den Fokus, die zu Beginn dieses Jahrhunderts von 189 Staaten bei dem bis dahin größten Gipfeltreffen der UN verabschiedet wurden. In ihrer Erklärung verpflichteten sie sich, den Ärmsten der Welt bis 2015 zu einem besseren Leben zu verhelfen.

Nur drei Zielsetzungen gelten als erfüllt. Dieses Jahr werden trotz Fortschritten in fast allen Bereichen nur die Halbierung der Anzahl der in extremer Armut lebenden Menschen, die Reduzierung des Anteils der Menschen, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, um 50 % und die deutliche Verbesserung der Situation von 100 Millionen Slumbewohnern realisiert sein.

Auch der Zielwert der UN von 0,7 % des Bruttonationaleinkommens der entwickelten Länder für die Entwicklungshilfe wurde mit 0,3 % deutlich unterschritten, Bundesrepublik: 0,38 %. Hier haben wir unsere Hausaufgaben nicht gemacht – alle nicht gemacht –, und bei denen, die es brauchen, fehlt das Geld. Jeder, dem wir ein menschenwürdiges Leben ermöglichen, muss seine Heimat nicht verlassen.

Neben den Nationalstaaten sind die regionalen und kommunalen Gliederungen aufgerufen, ihren Beitrag zur Entwicklungspolitik zu leisten. Rheinland-Pfalz leistet schon seit Jahrzehnten einen beachtlichen Beitrag in der Entwicklungspolitik. Die Partnerschaft mit Ruanda muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden, die seit über 30 Jahren ein solches Beispiel mit Alleinstellungsmerkmal ist, bei dem sich neben dem Land und dem Partnerschaftsverein zahlreiche Menschen – Schulen, Kirchen und andere Organisationen – engagieren.

Der 264 Seiten umfassende Bericht über die internationalen Kontakte der Landesregierung zeigt 97 Staaten von Ägypten bis Zypern auf, mit denen Kontakte, Projekte und Vereinbarungen unterhalten werden, darunter auch mit sogenannten Staaten der Dritten Welt.

Einen wichtigen Beitrag leistet das entwicklungspolitische Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz ELAN. – Ich sehe gerade die Geschäftsführerin Frau Mittler mit ihrer Mitarbeiterin.

Als nur ein Beispiel nenne ich das seit 2013 wirkende PromotorInnenprogramm, das zu 60 % vom Bund und zu 40 % vom Land finanziert wird. Dieses Eine-WeltPromotorInnenprogramm arbeitet mit dem Ziel, politische Bildungsarbeit in die Fläche und bürgerschaftliches Eine-Welt-Engagement vor Ort in Städten und Gemeinden nach vorne zu bringen.

Die beispielhafte Arbeit von ELAN muss auch in Zukunft weiter gestärkt werden. Es ist eine wichtige Aufgabe, die Bürgerinnen und Bürger noch mehr als bisher für globale Zusammenhänge zu sensibilisieren und ihnen Möglichkeiten aufzeigen, wie man durch entsprechendes Kauf- und Konsumverhalten einen Beitrag – wenn auch vielleicht einen bescheidenen – zur Verbesserung der Le

bensverhältnisse der Menschen in der sogenannten Dritten Welt leisten kann.

Viele hören es nicht gerne, aber es trifft zu, dass wir unseren hiesigen Wohlstand zu einem großen Teil auf dem Buckel dieser Menschen leben. Bereits im Mai 2009 hat der Landtag einem Antrag der SPD-Fraktion zur Vermeidung des Erwerbs von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens einstimmig zugestimmt. Das war jedoch aus unserer Sicht nur ein Anfang. Nun ist es an der Zeit, die Einhaltung sämtlicher ILO-Kernarbeitsnormen gesetzlich zu regeln.

Ein wichtiger Punkt ist dabei die Thematik der Grabsteine, die von beiden Vorrednern schon angesprochen wurde. Nach Schätzungen des NaturwerksteinVerbandes kommen 50 % der Grabsteine in Deutschland aus Indien. Andere Experten sprechen sogar von bis zu 80 %. Diese sind um ein Drittel billiger als die aus heimischer Produktion. Warum? Oftmals aufgrund ausbeuterischer Kinderarbeit.

Hier brauchen wir dringend eine gesetzliche Regelung. Ich weiß, dass diese Forderung eine Herzensangelegenheit von Ministerpräsidentin Malu Dreyer ist und bin froh darüber, dass die Landesregierung bereits daran arbeitet.

Wer selbst schon einmal – wie ich in Indien – schlimmste Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen miterlebt hat, der weiß, wie lebensnotwendig der Kampf dagegen für diese geschundenen Seelen ist.

(Beifall bei SPD, CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Auch beim Aushandeln von EU-Handelsabkommen ist es unabdingbar, die Einhaltung der Arbeitsrechte in ILONormen festzuschreiben. Hierzu kann man über den Bundesrat tätig werden.

Ich bitte Sie, den vorliegenden Antrag zu unterstützen. Lassen Sie uns in den zuständigen Ausschüssen darüber beraten, damit auch wir einen angemessenen Beitrag zum Europäischen Jahr für Entwicklung leisten.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung spricht Herr Staatssekretär Kern.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Europäische Parlament hat das Jahr 2015 zu einem Europäischen Jahr für Entwicklung erklärt.

Nach vielen Jahrzehnten internationaler Entwicklungshilfe mag das durchaus verwundern. Warum jetzt? Warum nach Ablauf der Millenniumsentwicklungsziele, die die Weltgemeinschaft vor 15 Jahren beschlossen hat?