Protokoll der Sitzung vom 02.07.2015

Die Aufnahme, Unterbringung, Versorgung und Integration der Flüchtlinge wird uns auch weiterhin beschäftigen. Der aktuelle Bericht des Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen hat die weltweite Flüchtlingszahl jetzt sogar auf 60 Millionen Menschen hochgestuft, und die Hälfte davon sind Kinder.

Damit sind so viele Menschen auf der Flucht, wie noch nie zuvor. Das heißt, die Anforderungen an uns alle, die wir humanitäre Hilfe leisten, sind auch so groß wie nie zuvor. Doch wir dürfen uns dadurch nicht entmutigen lassen.

Auch wenn es hier und da möglicherweise zu Übergangslösungen bei der Unterbringung kommt, was zählt ist: Die Menschen finden Zuflucht und Sicherheit bei uns. Wir alle dürfen in diesem Engagement nicht nachlassen.

Das Land ist weiterhin mit Nachdruck dabei, seine Erstaufnahmekapazitäten auszubauen. Die Vorbereitungen in Kusel und Hermeskeil laufen. Auch in Meisenheim, wo wir eine temporäre Außenstelle einrichten wollen, sind wir am Ball. Gestern haben wir in Ingelheim die zweite Aufnahmeeinrichtung des Landes Rheinland-Pfalz eröffnet.

Das Land sichert zudem die psycho-soziale Versorgung und unterstützt Ehrenamtliche durch zusätzliche Gelder und eine neu aufgebaute Koordinierungsstelle.

Das Land stellt Mittel für nötige Sprachförderung in Kindertagesstätten und Schulen bereit. Das Land treibt die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen voran. Dafür ist ganz aktuell im Juni ein neues Landesprogramm gestartet, das unter anderem die Bildungs- und Berufsbiografien bereits in der Erstaufnahme erfasst.

Das Land hat sich zudem dafür stark gemacht, dass der Bund finanzielle Mittel bereitstellt. Das war erfolgreich.

(Alexander Schweitzer, SPD: So ist es!)

Für Rheinland-Pfalz bedeuten die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel – Herr Kessel, das muss ich Ihnen sagen –, diese 500 Millionen Euro, die der Bund in dem einen Jahr und vorgezogen aus dem anderen Jahr zur Verfügung stellt, 48 Millionen Euro, zweimal 24 Millionen Euro. Ich will deutlich sagen, einmal 24 Millionen Euro kommen vom Land. Das muss ich an dieser Stelle betonen, weil der Bund das sehr gerne vergisst und sagt, er gebe 1 Milliarde Euro, aber die Hälfte kommt von den Ländern.

Deshalb sage ich ganz deutlich, wir werden von diesen 48 Millionen Euro, von denen 24 Millionen Euro Landesgeld sind, 29 Millionen Euro an die Kommunen verteilen. Das ist mit den Kommunen so besprochen, das haben wir einvernehmlich miteinander vereinbart. Das ist eine sehr gute Regelung, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Aber das Land wird sich auch weiterhin beim Bund dafür stark machen, dass er sich auch strukturell an den Kosten beteiligt, entweder bei den Unterbringungskosten oder den Gesundheitskosten. Das wären richtige Zeichen, bei denen der Bund sagen könnte, wir gehen nachhaltig in eine Finanzierung.

Ich will noch ein Letztes sagen, was wichtig ist und was wir nicht vergessen dürfen. Die Flüchtlingspolitik hängt eng mit der Einwanderungspolitik zusammen. Wir brauchen endlich Möglichkeiten, zusätzliche legale Einwanderungswege nach Deutschland zu eröffnen. Auch hier ist RheinlandPfalz Vorreiter. Wir haben einen Vorschlag für ein Einwanderungsgesetz in den Bundesrat eingebracht.

Hier ist es wichtig, dass künftig ein Statuswechsel zwischen dem Asylverfahren und dem Einwanderungsverfahren möglich sein wird, damit der Staat flexibler auf die Situation der Asylsuchenden eingehen kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge verlangt uns viel ab. Ich habe es schon gesagt.

Ich will an dieser Stelle aber auch noch einmal alle deutlich auffordern, in ihrem Engagement nicht nachzulassen und sich weiterhin dafür einzusetzen.

Es ist für uns alle eine große Herausforderung, und wir werden auch weiterhin sehr viel tun müssen, und zwar gemeinsam tun müssen. Ich bin der Meinung, wenn wir das gemeinsam tun, können wir diese große Aufgabe schaffen.

Danke schön.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat noch einmal Herr Abgeordneter Kessel das Wort. Sie haben noch eine Minute 15 Sekunden Redezeit.

Frau Spiegel, ich möchte noch einmal darauf eingehen, weil der Vorwurf gemacht worden ist, wir würden Flüchtlinge in eine erste und zweite Klasse einteilen.

(Carsten Pörksen, SPD: Auf Frau Spiegel können Sie nicht mehr eingehen! – Julia Klöckner, CDU: Mein Gott! Mein Gott!)

Ich antworte nicht, sondern ich nutze meine restliche Redezeit, Herr Pörksen.

Es geht uns nicht darum, Flüchtlinge in eine erste und zweite Klasse einzuordnen, sondern es geht uns um Flüchtlinge mit und ohne Bleibeperspektive. Da muss man sehr wohl differenzieren.

Wir haben mittlerweile seit fast einem Jahr bei uns, in meinem Heimatort zunächst fünf, jetzt nur noch vier Familien aus Albanien wohnen, deren Fall immer noch nicht abgeschlossen ist, wobei klar ist, dass die Anerkennungsquote bei den Westbalkanstaaten weit unter 1 % liegt, weit gegen null geht.

In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob es sowohl für die Familien als auch für die vielen Ehrenamtlichen, die sich darum kümmern, nicht günstiger wäre, die Kräfte zu bündeln und sich auf diejenigen zu konzentrieren, die wirklich ein Bleiberecht haben und auch längerfristig bei uns bleiben werden. Deswegen differenzieren wir dort sehr wohl und werden es auch weiterhin tun.

(Beifall der CDU)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen damit zur Abstimmung über die Anträge. Wir stimmen zunächst über den Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab, „Flüchtlingen eine Perspektive bieten – Verantwortung zwischen Bund, Ländern und Kommunen fair verteilen“ – Drucksache 16/5203 –. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU angenommen.

Wir kommen des Weiteren zur Abstimmung über den Alternativantrag der Fraktion der CDU, „Für eine schnellere und bessere Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern mit Bleibeperspektive“ – Drucksache 16/5228 –. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.

Ich rufe nun Punkt 14 der Tagesordnung auf:

Umsetzung der Inklusion in Rheinland-Pfalz Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksachen 16/4806/4978/5113 –

dazu:

Inklusion mit Bedacht umsetzen – das Kindeswohl muss im Mittelpunkt stehen Antrag der Fraktion der CDU – Entschließung – – Drucksache 16/5185 –

Inklusion an rheinland-pfälzischen Schulen – Qualität des gemeinsamen Unterrichts weiter stärken

Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Entschließung – – Drucksache 16/5230 –

Für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Dickes das Wort. Wir haben eine Grundredezeit von fünf Minuten vereinbart.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist jetzt ein Jahr her, dass wir uns sehr intensiv mit der Schulgesetznovelle auseinandergesetzt haben, dass wir über das Thema der Umsetzung der Inklusion an rheinlandpfälzischen Schulen gesprochen haben, über Gelingensbedingungen, wie man einen guten Unterricht für Kinder mit und ohne Beeinträchtigung gestalten kann.

Wir haben dies als CDU-Fraktion sehr ernst genommen. Wir haben in einem Jahr über 60 Schulen besucht, haben dort hospitiert und uns den Unterricht angesehen, um genau zu schauen, welche Bedürfnisse Kinder mit Beeinträchtigungen haben und welche Bedingungen man braucht. Wir haben bei der gesamten Debatte immer wieder darauf hingewiesen, dass man das Thema mit Bedacht umsetzen muss, weil das Kindeswohl im Fokus stehen muss. Wir haben Bedenken geäußert, ob man diesem Kindeswohl mit dem Gesetz Rechnung tragen kann.

Wir haben jetzt mit einer Großen Anfrage nachgefragt, wie die Umsetzung im ersten Jahr gelaufen ist, und mussten leider feststellen, dass wir mit unseren Bedenken Recht hatten. Die Befürchtungen sind bestätigt worden.

Schon im vergangenen Jahr war für uns Dreh- und Angelpunkt das Thema des Ressourcenvorbehaltes. Es war bis zur Änderung des Schulgesetzes ganz klar, dass inklusive Beschulung nur dann angeboten werden kann, wenn auch die Ressourcen, die räumlichen, personellen und sächlichen Ressourcen, vorhanden sind. Damit war auch ein Mindeststandard festgesetzt, auf den Kinder Anspruch hatten, egal, an welcher Schule sie waren.

Dieser Ressourcenvorbehalt ist mit Ihrem Gesetz gefallen, und die Leidtragenden sind die Kinder, deren Eltern beispielsweise auf die aktuelle Broschüre der Landesregierung zum Thema Inklusion vertrauen, in der immer wieder deutlich wird, dass inklusiver Unterricht das Beste ist. Dabei geht es nicht um die Frage, dass beides gut ist, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt und dass alles Vorund Nachteile hat, sondern darin steht ganz klar, es ist das Beste. – Darauf haben sich die Eltern verlassen, aber die besten Rahmenbedingungen haben sie nicht bekommen.

Wir haben vor einem Jahr verschiedene Befürchtungen geäußert, die ich auch heute gern noch einmal aufgreifen würde; denn wir hoffen, dass sich dann doch das eine oder andere noch ändern wird. Wir haben im vergangenen Jahr das Thema der Einzelintegration angesprochen. An vielen Stellen gab es die Unsicherheit, ob auch Einzelintegration mit dem neuen Schulgesetz erlaubt werden dürfe oder nicht. Wir sehen, dass die Zahl der Kinder, die in Einzelintegration beschult werden, sprunghaft angestiegen ist; gleichzeitig gibt es die Aussage der Landesregierung,

dass diese Kinder kein Anrecht auf Förderstunden hätten, sodass man eingeknickt ist und die Bedürfnisse der Kinder völlig außen vor gelassen hat.

Wir haben kritisiert, dass das Gesetz keine qualitativen Mindeststandards der sonderpädagogischen Förderung an allgemeinen Schulen festsetzt, und wir stellen fest, dass die Zahl der Kinder, die in diesem Schuljahr inklusiv beschult werden, um 12 % angewachsen ist. – Das ist weder positiv noch negativ, das ist einfach eine Tatsache; aber Fakt ist auch, dass die Zahl der Lehrerwochenstunden im Bereich der Förderlehrer gerade einmal um 6 % angewachsen ist und dass wir damit eine deutlich schlechtere Versorgung der Schülerinnen und Schüler haben. Zu betonen ist auch – das ergibt sich auch aus der Großen Anfrage –, dass die Klassengrößen an den Förderschulen natürlich deutlich geringer sind als an den Schwerpunktschulen und dort nicht so eine gute Förderung vorhanden ist.

Es geht auch immer um die Frage, wie man Kindern frühzeitig helfen kann, sodass erst gar keine großen Defizite entstehen. Dazu gab es in der Vergangenheit und gibt es immer noch das Instrument der integrierten Förderung an Grundschulen. Dabei gehen Förderlehrer an die Grundschulen und erteilen sozusagen Nachhilfe oder besonderen Förderunterricht.

(Astrid Schmitt, SPD: Genau, das ist der Fall! Aber keine Nachhilfe!)

Diese integrierte Förderung an den Grundschulen sinkt in diesem Jahr um 2 %, und ein Ende ist aus Sicht der Grundschulen auch nicht abzusehen. Dadurch wird den Kindern im Vorfeld viel Förderung genommen.

Ich komme zu der Schließung der Förderschulen. Aktuell sind schon drei Förderschulen geschlossen worden, und zwei weitere haben einen Antrag gestellt. Auch das hatten wir befürchtet, und der Weg wird weitergehen, wenn man – wie Sie auch jetzt in Ihrem Antrag heute ankündigen – das System der Schwerpunktschulen noch massiv ausweiten will. Dann muss man auch damit rechnen, dass irgendwann die Schüler für Förderschulen nicht mehr da sind. Sie haben auch in Ihrem Antrag immer deutlicher betont, dass Sie an ausgesuchten Standorten Förder- und Beratungszentren einrichten wollen. Von einem flächendeckenden Erhalt von Förderschulen ist heute bei Ihnen auch nicht mehr die Rede.

Der Wegfall des Ressourcenvorbehalts – ich habe es schon zu Beginn gesagt – ist für uns das größte Problem, weil damit auch Ansprüche von Schülern nicht mehr vorhanden sind. Wir haben durch die Große Anfrage jetzt auch noch einmal die Zahlen bekommen, dass das strukturelle Defizit an Förderlehrerstunden an Schwerpunktschulen sehr hoch ist. Das gilt auch vor dem Hintergrund Ihres eigenen inklusiven Gedankens, indem Sie sagen, es soll eine gesunde Durchmischung stattfinden, und Sie gehen davon aus, dass maximal 10 % der Schülerinnen und Schüler in den Klassen einen Förderschwerpunkt haben sollen.

Wir haben über 300 Klassen in Rheinland-Pfalz, in denen zwischen vier und maximal sogar 12 Kinder in einer Klas