Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

Ich darf zunächst die Berichterstatterin, Frau Heike Scharfenberger bitten, aus den Ausschussberatungen zu berichten. – Bitte schön, Frau Abgeordnete Scharfenberger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Durch Beschluss des Landtags am 13. Juli 2016 sind die beiden Gesetzentwürfe an den Innenausschuss – federführend – und an den Rechtsausschuss überwiesen worden.

Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 5. Sitzung am 1. September 2016 beraten. Da der federführende Innenausschuss die Ablehnung der Gesetzentwürfe empfohlen hat, fand eine Beratung im mitberatenden Rechtsausschuss gemäß § 83 Abs. 6 Satz 1 der Vorläufigen Geschäftsordnung des Landtages nicht statt.

Die Beschlussempfehlung lautet: Die Gesetzentwürfe werden abgelehnt.

Danke schön.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Scharfenberger, für den Bericht. Wir haben für die Aussprache eine Grundredezeit von zehn Minuten je Fraktion vorgesehen. Das heißt, die CDU hat plus vier Minuten, also 14 Minuten, und die AfD plus eine Minute, also insgesamt elf Minuten. Ich darf um Wortmeldungen bitten? – Herr Abgeordneter Junge für die Fraktion der AfD. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und

Kollegen, liebe Gäste! Die Fraktion der AfD im rheinlandpfälzischen Landtag hat am 29. Juni 2016 den Gesetzentwurf für ein Landesgesetz für eine fortschrittliche und lebendige Demokratie eingebracht. Ziel dieses Gesetzentwurfs war und ist weiterhin die Stärkung der direkten Demokratie. Kernpunkte sind die Absenkung der erforderlichen Unterschriftenquoren für Volksinitiativen und -begehren auf etwa die Hälfte bzw. ein Drittel der derzeit erforderlichen Unterschriften, die Verlängerung der Eintragungsfrist für Volksbegehren von derzeit zwei auf sechs Monate und der Wegfall der Abstimmungsquoren bei Volksentscheiden, welches für den Erfolg eines Volksentscheides an einer Wahlbeteiligung von mindestens 25% anknüpft. So weit zum Sachverhalt.

Meine Damen und Herren, die direkte Demokratie ist für uns als AfD eine Herzensangelegenheit und ein wichtiges Kernelement unserer Programmatik. Der in den letzten Debatten eingeworfene und eingebrachte Vorwurf, wir würden die parlamentarische Demokratie abschaffen wollen, ist völlig absurd und hochgradig populistisch an dieser Stelle. Davon war nie die Rede.

(Beifall der AfD)

Wir stehen ohne Wenn und Aber zur parlamentarischen Demokratie, sehen aber in der Stärkung der direkten Demokratie eine wichtige Ergänzung, dem Bürgerwillen auch in Einzelfragen Rechnung zu tragen. Die AfD vertraut durchaus auf die Urteilskraft des mündigen Staatsbürgers. Alles andere, meine Damen und Herren, wäre arrogant und gegenüber dem eigentlichen Souverän, nämlich dem eigenen Volk, eine unbotmäßige Verachtung.

Mit diesem Gesetzentwurf sollen bestehende Hemmschwellen und damit auch die um sich greifende Demokratieverdrossenheit, die uns ja alle stört und stören muss, abgebaut und der Bürger zur Wahrnehmung seiner Verantwortung auch als Träger der Staatsgewalt wieder ermutigt werden. Unsere Bürgerinnen und Bürger sollen auch außerhalb von Landtagswahlen und abseits der Parteipolitik eine realistische Möglichkeit erhalten, sich in die sie unmittelbar betreffenden Angelegenheiten in den Prozess der politischen Willensbildung einbringen und so auch auf geänderte gesellschaftliche und politische Fragestellungen reagieren zu können.

(Beifall der AfD)

Die Demokratie lebt – und ich glaube, da sind wir uns einig – vom Mitmachen, wie Sie auch selbst immer wieder betonen, und im Koalitionsvertrag steht ja Mitmachdemokratie. Dann sollten wir auch die unmittelbaren Voraussetzungen dafür schaffen. Lediglich nur alle vier Jahre ein Kreuz an der vermeintlich richtigen Stelle zu setzen, entspricht eben nicht unseren Vorstellungen von einer fortschrittlichen und lebendigen Demokratie.

(Beifall der AfD)

Wir möchten dem Grundsatz folgen „Vertrauen schenken und Vertrauen gewinnen“ und wollen auch so verloren gegangenes Vertrauen in die parlamentarische Demokratie wieder zurückgewinnen und einer Entfremdung des Volkes vom eigenen Staat entgegenwirken, die sich ja unter

anderem auch in einer nicht unbeachtlichen Anzahl von Nichtwählern niederschlägt.

(Beifall der AfD)

Der langfristige Erfolg der Demokratie hängt ganz entscheidend davon ab, ob es auf Dauer gelingt, die überwiegende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in den Prozess der politischen Willensbildung mit einzubeziehen. Nur wenn jeder Einzelne eine wirkliche Chance sieht, sich wirksam zu beteiligen und seinen Wünschen und Vorstellungen, aber auch seinen Sorgen, Ängsten und Nöten Gehör zu verschaffen, werden wir die aktuellen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen bewältigen und den Bedrohungen auch durch Extremisten von links, aber auch von rechts und aus anderen Richtungen entgegentreten können.

(Beifall der AfD – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Selbstkritik ist wichtig! Ein guter Anfang!)

Dieser Gesetzentwurf stellt hierzu einen wichtigen Beitrag dar. Wir möchten alle im Landtag vertretenen Parteien dazu auffordern, parteipolitische Differenzen doch in diesem Punkt ruhen zu lassen und uns mit diesem Vorhaben zu unterstützen, um eben – ein SPD-Spruch – mehr Demokratie zu wagen.

(Abg. Martin Haller, SPD: Wenn Sie es ernst gemeint hätten!)

Die letzte Debatte hat leider durch viele Zwischenrufe und eine auch aus meiner Sicht unnötige Emotionalisierung in der Aussprache die Ernsthaftigkeit dieser elementaren Demokratiefrage überlagert, obwohl im Koalitionsvertrag der Regierung im Kapitel 16 steht – ich zitiere:

(Abg. Martin Haller, SPD: Ihr habt im Ausschuss kein Wort zu eurem Antrag gesagt! Verfassungsänderung beantragen und im Ausschuss nichts dazu sagen, unglaublich!)

„Neben der Beteiligung durch Wahlen“ – – – Das Mikrofon habe ich, Herr Haller. Herr Haller, das Mikrofon habe ich, und ich bin hier jetzt eindeutig lauter.

(Abg. Martin Haller, SPD: Der Präsident sitzt da oben!)

„Neben der Beteiligung durch Wahlen“ – ich zitiere noch einmal aus dem Koalitionsvertrag – „wollen wir auch die direktdemokratischen Instrumente bei Volksbegehren und Volksinitiativen weiterentwickeln. Wir werden uns für eine Absenkung des Unterschriftenquorums (...) und der Abstimmungsquoren (...) sowie des Beteiligungsalters einsetzen. Zudem wollen wir die Eintragungsfrist für Volksbegehren auf sechs Monate verlängern.“

Also, im Grundsatz folgen wir doch Ihrer Absicht, und damit sind wir auf einem gemeinsamen Weg, gehen sogar hinsichtlich der Quoren ein Stück weiter und stützen die Eintragungsfrist von sechs Monaten.

Hinsichtlich des Wahlrechts, das Sie mal eben mit der aus unserer Sicht getrennt zu bewertenden Herabsetzung des

Wahlalters und des Ausländerwahlrechts mit der Demokratie oder mit der direkten Demokratie verwursten wollen, haben wir allerdings ein erhebliches Problem.

(Beifall der AfD)

Es gibt aus unserer Sicht keinen vernünftigen Grund, pubertierenden Jugendlichen eine Verantwortung zu übertragen, die Sie nach unserem Dafürhalten noch nicht tragen können.

(Abg. Benedikt Oster, SPD: Elf Bundesländer haben das schon! Können die das alle nicht?)

Auch die wirre Idee, nichtdeutschen EU-Bürgern ein Wahlrecht in Rheinland-Pfalz einräumen zu wollen, entspricht doch eher dem parteipolitischen Kalkül, neue rot-grüne Wählerschichten zu generieren, die Ihnen bei der deutschen Bürgerschaft gerade in Scharen davonlaufen.

(Beifall der AfD)

Wir, meine Damen und Herren Parlamentarier, sind in dieses Parlament gewählt worden, um dem eigenen Volk zu dienen, und nicht umgekehrt. Dass so manch alteingesessener Abgeordneter die unmittelbare Beteiligung der Bürger scheut wie der Teufel das Weihwasser, kann ich zwar nachvollziehen, aber keinesfalls akzeptieren.

(Beifall der AfD)

Im Innenausschuss wollten Sie darüber nicht reden, lehnten alle Fraktionen unseren Entwurf – und ich sage einmal: aus Prinzip – ab, und seien Sie ehrlich, nur, weil er von der AfD kam. Diese Art des Demokratieverständnisses wird Ihnen aber – und das prophezeie ich Ihnen, das werden Sie auch erleben und schon erlebt haben – auf die Füße fallen. Wenn die selbsternannten Demokratiewächter sich selbst als Undemokraten entlarven, werden die Bürger das merken, und sie merken es, und sie reagieren eindrucksvoll mit ihrem Wahlverhalten darauf.

(Beifall der AfD)

Wer nicht bereit ist, sich zu bewegen, wird letztlich überrollt. Ich bitte Sie, unseren Gesetzentwurf weiter zu beraten, ihn nicht stumpf abzulehnen, sondern ihn gemeinsam mit uns auch noch einmal zu beraten und sicherlich auch Kompromisslösungen zu suchen zum Wohle und Nutzen unserer Bürger.

Danke schön.

(Beifall der AfD)

Vielem Dank, Herr Junge.

Als Nächstes hat nun Frau Abgeordnete Schellhammer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und

Herren! Um die vorliegenden Gesetzentwürfe zu bewerten, sollten wir nicht außer Acht lassen, welche Schritte bereits unternommen wurden, um in Rheinland-Pfalz die Beteiligung aller Menschen voranzubringen; denn nur, wenn wir alle Menschen im Blick haben, die von eventuellen Entscheidungen betroffen sind, erreichen wir eine inklusive und lebendige Demokratie.

Auf der Grundlage der Enquete-Kommission wurde im vergangenen Dezember im Landtag das Landesgesetz zur Verbesserung der direktdemokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene verabschiedet. Darin wurde der Einwohnerantrag gestärkt und damit ein niedrigschwelliges Beteiligungsinstrument geschaffen. Ab 14 Jahren können alle Einwohnerinnen und Einwohner unabhängig von ihrer Stimmberechtigung ein Thema in den jeweiligen kommunalen Rat einbringen. Die Bürgerbegehren haben wir ebenfalls deutlich gestärkt. Ursprünglich waren 10 % der Unterschriften erforderlich. Zukünftig sind in Gemeinden mit bis zu 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern nur noch 9 % erforderlich, und diese Staffelung nach Einwohnerzahlen zieht sich durch bis 5 % bei Gemeinden über 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern.

Ebenfalls auf Empfehlung der Enquete-Kommission wurde im vergangenen Jahr das Landestransparenzgesetz beschlossen, ein Meilenstein für eine offene und moderne Demokratie. Jede Bürgerin und jeder Bürger hat hierdurch die Möglichkeit, auf Informationen der Behörden zuzugreifen. Informationen sind Grundlage für Beteiligung. Das stärkt sowohl die repräsentative Demokratie als auch die direkte Demokratie.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Ebenfalls auf Initiative der Enquete-Kommission wurde eine Änderung des Landeswahlgesetzes eingebracht. Darin wurden erstmals Transparenz und Finanzierungsregelungen zugunsten von Bürgerinnen und Bürgern getroffen, die ein Volksbegehren starten möchten. Bislang konnten Unterschriften nur auf öffentlichen Verwaltungen gesammelt werden. Dank der Enquete-Kommission „Bürgerbeteiligung“ ist nun die freie Unterschriftensammlung für Volksbegehren auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen möglich. Nichtsdestotrotz sind die Hürden für mehr direkte Demokratie auf Landesebene viel zu hoch. Eine Änderung der Landesverfassung hat auch die Enquete-Kommission empfohlen, und die Ampelkoalition von SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat auch die erforderlichen Änderungspunkte in der Verfassung im Koalitionsvertrag benannt. Wir wollen die Hürden auf 3 % der Wahlberechtigten senken. Dazu gehört aber auch, dass wir das Wahlrecht auf Landesebene erweitern auf Menschen ab 16, auf Menschen mit Behinderung und auf Menschen mit EUStaatsbürgerschaft.