Ebenfalls auf Initiative der Enquete-Kommission wurde eine Änderung des Landeswahlgesetzes eingebracht. Darin wurden erstmals Transparenz und Finanzierungsregelungen zugunsten von Bürgerinnen und Bürgern getroffen, die ein Volksbegehren starten möchten. Bislang konnten Unterschriften nur auf öffentlichen Verwaltungen gesammelt werden. Dank der Enquete-Kommission „Bürgerbeteiligung“ ist nun die freie Unterschriftensammlung für Volksbegehren auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen möglich. Nichtsdestotrotz sind die Hürden für mehr direkte Demokratie auf Landesebene viel zu hoch. Eine Änderung der Landesverfassung hat auch die Enquete-Kommission empfohlen, und die Ampelkoalition von SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat auch die erforderlichen Änderungspunkte in der Verfassung im Koalitionsvertrag benannt. Wir wollen die Hürden auf 3 % der Wahlberechtigten senken. Dazu gehört aber auch, dass wir das Wahlrecht auf Landesebene erweitern auf Menschen ab 16, auf Menschen mit Behinderung und auf Menschen mit EUStaatsbürgerschaft.
Darüber hinaus fordert die Ampelkoalition eine Verlängerung der Eintragungsfrist auf sechs Monate. Wir fordern darüber hinaus auch, dass das Abstimmungsquorum von derzeit 25 % auf 15 % gesenkt werden soll. Klar ist aber, die dafür erforderliche Verfassungsänderung kann nur mit einer breiten Mehrheit unter Demokratinnen und Demokraten beschlossen werden. Unser Ansprechpartner in Sachen Verfassungsänderung ist daher die CDU in die
An zwei wesentlichen Punkten müssen wir Ihren Gesetzentwürfen aber deutlich widersprechen. Die K.-o.-Kriterien sind für uns offensichtlich. Derzeit sieht unsere Verfassung vor, dass 25 % der Stimmberechtigten bei einem Volksentscheid zur Urne gehen müssen, damit der Entscheid gültig ist. Die AfD fordert, dieses Abstimmungsquorum komplett zu streichen. Gesellschaftliche Gruppen beteiligen sich aber unterschiedlich stark bei Wahlen und Abstimmungen, sind aber unterschiedlich von möglichen Entscheidungen von Volksentscheiden betroffen. Wir müssen also die soziale Dimension von Beteiligung auch berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund ist dieser von Ihnen beantragte Punkt fahrlässig. Damit würde man Gefahr laufen, dass eine Frage entschieden würde, wenn nur 1 % der Bevölkerung zur Wahl ginge. Eine Abschaffung des Quorums eröffnet eine Schieflage in Verhältnis von Minderheit zu Mehrheit der Stimmberechtigten. Dieser Schritt ist demokratiepolitisch nicht sinnvoll. Hier wäre ein niedriges Zustimmungsquorum, so wie wie wir es in unserem AmpelKoalitonsvertrag vorgeschlagen haben, angemessen, aber keinesfalls eine Streichung.
Auch die Tatsache, dass Sie in Ihrem Gesetzentwurf keine Stellung zu dem Thema Ausschlusskriterien bei Volksbegehren beziehen, zeigt, dass Sie dieses Thema wirklich sehr, sehr schmalspurig bearbeitet haben; denn schauen wir uns doch die Realität an. Abstimmung über die Frage Studiengebühren ja oder nein, Kita-Gebühren ja oder nein, Brückenbau ja oder nein sind in anderen Bundesländern bei Volksentscheiden zulässig. All das können Bürgerinnen und Bürger auch in Zukunft nicht entscheiden, wenn es nach der AfD geht. Die AfD verspricht mehr direkte Demokratie, verkennt aber in ihren Gesetzentwürfen entscheidende Stellschrauben. Derzeit sind Volksbegehren zu Themen, bei denen es um Finanzfragen geht, in Rheinland-Pfalz nicht zulässig. Die Enquete-Kommission „Bürgerbeteiligung“, auf die sich die AfD angeblich in ihren Gesetzentwürfen berufen will, empfiehlt hier genau das Gegenteil.
(Abg. Martin Haller, SPD: Abgeschrieben aus Baden-Württemberg habt ihr! Copy & Paste aus Baden-Württemberg!)
Wir wollen aber nicht nur, dass die Unterschriftenhürden gesenkt werden, sondern auch, dass die Bürgerinnen und Bürger über finanzrelevante Fragen abstimmen können. Diese inhaltlichen Gründe sind ausreichend, um ihre Gesetzentwürfe abzulehnen.
Wir lehnen aber auch Ihre Beweggründe zur Einbringung dieser Gesetzentwürfe ab. Es geht Ihnen nicht um mehr Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Das sieht man ja an dem Beispiel des Ausschlusskriteriums für finanzrelevante Fragen. Sie fordern direkte Demokratie, weil Sie die Parteien ablehnen, die unsere repräsentative Demokratie tragen.
Filetiert man heraus, was dahintersteckt, geht es Ihnen nur darum, die Parteien, die Sie immer wieder als Altparteien diffamieren und die diese repräsentative Demokratie mehrheitlich tragen, abzulehnen, und das ist der Impetus, der dahintersteckt.
Filetiert man auch noch das dahinter steckende Demokratieverständnis heraus, werden auch typisch populistische Züge klar: Sie suggerieren den Gegensatz zwischen einem etablierten, repräsentativen, demokratischen System der von Ihnen diffamierten Altparteien auf der einen Seite und einem homogenen Volkswillen auf der anderen Seite, der sich erst durch mehr direkte Demokratie ausdrücken würde.
Dabei stellen Sie sich die Bevölkerung als einen homogenen, monolithischen Block vor, und das ist nicht die Realität, weder hier in Rheinland-Pfalz – in keiner Kommune in unserem Bundesland – noch bundesweit.
Unsere Gesellschaft ist geprägt von unterschiedlichen Ansichten und unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, und daher braucht unsere Demokratie deliberative Ausverhandlungsprozesse, um zu Ergebnissen zu kommen, um zu Entscheidungen zu kommen, und diese Prozesse klappen nur durch gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Sie instrumentalisieren diese Forderung nach direkter Demokratie lediglich, um das bestehende politische System zu kritisieren und dagegen zu mobilisieren
Mit den vorliegenden Gesetzen tragen Sie nicht zur Weiterentwicklung der Demokratie in Rheinland-Pfalz bei, jedenfalls nicht so, wie beispielsweise die Enquete-Kommission „Bürgerbeteiligung“ im Vergleich dazu mit drei Gesetzentwürfen in diesem Parlament wesentliche Schritte eingeleitet hat. Es ist auch nicht Ihr Antrieb, die Demokratie weiterzuentwickeln, wie Sie es auch schon in der letzten Plenardebatte bewiesen haben. Ihnen geht es nur um die populistische Forderung, mit der Sie gegen andere Parteien und die bestehende repräsentative Demokratie aufwiegeln können, und diese Haltung und auch die inhaltliche Begründung sind sehr durchsichtig. Daher werden wir mit voller Überzeugung die vorliegenden Gesetzentwürfe ablehnen.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das war eine kluge Rede der Abgeordneten Frau Schellhammer!)
Vielen Dank. – Als Nächstes hat Herr Abgeordneter Matthias Lammert von der Fraktion der CDU das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute erneut über eine Verfassungsänderung, dieses Mal wieder initiiert von der AfD-Fraktion. Meine Vorredner haben es bereits angesprochen, das Gesetz wurde vor der Sommerpause im Plenum intensiv debattiert, und wir haben es auch vor knapp zwei Wochen im Innenausschuss beraten. Deswegen werde ich mich an dieser Stelle auch kürzer fassen.
Ich möchte heute aber doch einbringen, ich fand es interessant, dass im Innenausschuss vor zwei Wochen die Beratung und Debatte aus Sicht der CDU-Fraktion sehr einseitig verlief; denn von dem Vertreter der AfD-Fraktion wurde überhaupt kein Ton über das Gesetz gesagt. Es haben im Grunde genommen nur die Regierungsfraktionen gesprochen und die CDU als Opposition, ansonsten niemand. Dazu hätten wir uns vielleicht eine intensivere Diskussion gewünscht, aber da haben Sie gefehlt, Herr Junge. Sie hätten vielleicht auch selbst kommen können. Dort wäre der richtige Platz gewesen für eine Diskussion, die Sie sich wünschen, und auch für Kompromisse, damals waren Sie aber nicht da. Dort haben Sie durch Abwesenheit geglänzt, und heute trumpfen Sie wieder auf und machen den Dicken!
(Beifall der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Uwe Junge, AfD: Herr Lammert, das war der Tag, an dem ich angegriffen worden bin!)
Ich muss schon sagen, das finde ich schade, meine sehr verehrten Damen und Herren. Sie können sich jederzeit vertreten lassen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte aber inhaltlich noch einmal auf die Enquete-Kommission „Bürgerbeteiligung“ zurückkommen. Dazu hat auch meine Vorrednerin, Frau Kollegin Schellhammer, einiges gesagt. Ich war auch lange Zeit Mitglied dieser Enquete-Kommission, und wir haben drei Jahre lang intensiv beraten und auch zahlreiche Anhörungen dazu durchgeführt und uns intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Am Ende stand ein umfänglicher Abschlussbericht der Enquete-Kommission mit Handlungsempfehlungen, die zum Teil bereits umgesetzt waren, nicht immer mit der Unterstützung der CDU, aber in vielen Bereichen. Wir haben uns dazu durchaus ausgetauscht, und dabei ist sicherlich einiges auf den Weg gebracht worden.
Aber wir hatten als CDU-Fraktion auch eine abweichende Meinung, wobei wir einiges entsprechend artikuliert und dort niedergeschrieben haben. Ich denke, auch das ist lesenswert, und es ist nach wie vor unsere Position.
und Volksbegehren als fruchtbare Ergänzung der repräsentativen Demokratie. Aber für uns stehen direktdemokratische Verfahren nicht per se als die besseren politischen Verfahren; deswegen sagen wir nicht, der lauteste Schrei hat immer recht, sondern dabei muss schon differenziert werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei der Frage, ob der Zugang zu Instrumenten, wie sie jetzt auch in dem Gesetzentwurf entsprechend angesprochen wurden, erleichtert werden soll, ist aus unserer Sicht zunächst einmal in Ruhe abzuwägen. Wir sehen derzeit den qualitativ hochwertigen Beitrag, den Volksbegehren und Volksentscheide für die Akzeptanz und die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie leisten, als sehr wertvoll an. Die Frage, ob durch niedrige Hürden ein Mangel an Repräsentation hingenommen werden kann, muss entsprechend geprüft werden, und diese Frage sehen wir, wie schon damals, auch heute noch eher skeptisch.
Die aktuelle rheinland-pfälzische Verfassung mit ihren darin verankerten Beteiligungsmöglichkeiten ist aus unserer Sicht ausreichend.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die AfD-Fraktion hat auch den Abschlussbericht der Enquete-Kommission als Grundlage für ihren Gesetzentwurf genutzt; allerdings – das muss ich auch noch einmal ganz deutlich sagen – die Mehrheitsposition der damaligen rot-grünen Koalition. In Ihrem Antrag wird ausdrücklich darauf Bezug genommen.
Die CDU jedenfalls hat damals zumindest mehrheitlich den rot-grünen Positionen nicht zugestimmt, weil wir sie von unserer Seite – vereinfacht ausgedrückt – für zu weitgehend gehalten haben, und unsere damalige Minderheitenmeinung hat deutlicher und differenzierter den Vorrang der Repräsentation herausgestellt. Dass die Balance zwischen Repräsentation und unmittelbarer Beteiligung sorgfältig erarbeitet werden muss, damit dem Populismus eben nicht Tür und Tor geöffnet wird, bestätigt nach wie vor auch die aktuelle Entwicklung, die wir beim Brexit erlebt haben.
Diese Entwicklung scheint uns absolut recht zu geben, meine sehr verehrten Damen und Herren. Hierbei wurde ein Thema auf ein schlichtes Ja oder Nein reduziert. So kann man eben nicht Politik machen, und so kann man nicht damit umgehen.
Ich möchte des Weiteren sagen, wenn nach irgendwelchen Volksentscheiden oder Bürgerentscheiden das Kind ins Wasser gefallen ist, ist auch oftmals zu vernehmen, dass die Agitatoren die Verantwortung dafür ablehnen, sich plötzlich vom Volk abwenden und die Menschen letztendlich mit den Folgeproblemen der Repräsentation allein lassen.
Ich sage an dieser Stelle ganz offen, unüberlegte Besserwisserei ist manchmal eben auch sehr gefährlich, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich will auch noch einmal kurz den Unterschied herausstellen zwischen der Volksdemokratie und der freiheitlichen und rechtsstaatlichen Demokratie, in der wir leben. Unsere rechtsstaatliche und freiheitliche Demokratie stellt gerade den Repräsentationsgedanken in den Vordergrund, vor allem aber auch die Rationalität und den Minderheitenschutz.
Das ist ganz wichtig; denn eines ist auch klar: Kompromisse sind eben nur in einer repräsentativen Demokratie möglich.