Protokoll der Sitzung vom 29.04.2020

Wir stellen drei Pakete bereit. Erstens schenkt RheinlandPfalz all unseren Schulkindern zum Schulstart Mund- und Nasenmasken. Zweitens wollen wir, dass kein Kind an der Bushaltestelle stehen bleibt, wenn es seine Maske vergessen hat. Deshalb stellt die Landesregierung den Landkreisen und Städten 150.000 Mund-Nasen-Schutzmasken für die Schülerbeförderung zur Verfügung. Drittens unterstützt die Landesregierung die Schulträger mit einem Starterpaket für gute Hygiene zum Schulstart. Es enthält über 400.000 Einwegmasken und Desinfektionsmittel.

Gesundheitsschutz und Recht auf Bildung dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wir müssen auch angesichts einer Situation, wie wir sie noch nie erlebt haben, bestmögliche Rahmenbedingungen für die Bildung unserer Kinder und Jugendlichen gewährleisten.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Herren und Damen, der rheinlandpfälzische Landtag hat in Rekordgeschwindigkeit und einstimmig am 27. März einen Nachtragshaushalt in Milliardenhöhe verabschiedet. Hierfür danke ich dem Hohen Hause

noch einmal sehr, sehr herzlich.

Für unsere Unternehmen stehen die Soforthilfen bereit. Ich weiß, dass es an dem Verfahren in Rheinland-Pfalz zunächst Kritik gab. Ich verstehe gut, dass für diejenigen, die Existenzsorgen umtreiben, jeder Tag zählt. Mittlerweile hat sich aber bestätigt, wie wichtig auch in der Krise ein sorgfältiges Handeln ist, um nicht Tür und Tor für Betrug zu öffnen.

Innerhalb von vier Wochen wurden, Stand gestern, 91.000 Anträge auf Unterstützung bearbeitet. Über 390 Millionen Euro sind ausgezahlt. Unsere Selbstständigen und mittelständischen Unternehmen können sich auf die Landesregierung verlassen.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für das Gastgewerbe haben wir uns auch auf der Bundesebene starkgemacht. Wir haben eine vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer durchgesetzt. Das ist eine gezielte Unterstützung für die Gastronomie- und Hotellandschaft in Rheinland-Pfalz, wenn diese den Betrieb wieder aufnehmen kann.

Darüber hinaus befindet sich unser Wirtschaftsminister Dr. Wissing in intensiven Gesprächen mit der Bundesregierung, um weitere Hilfsangebote für die Tourismuswirtschaft zu entwickeln.

Meine sehr verehrten Herren und Damen, die Pandemie trifft viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sehr hart. In Rheinland-Pfalz liegen aktuell 32.000 Anzeigen auf Kurzarbeitergeld vor. Ich sage in Klammern: Danke an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Bundesanstalt für Arbeit, die in einem mehrschichtigen Betrieb Tag und Nacht arbeiten, um dieser Anzahl von Anzeigen gerecht werden zu können.

(Beifall im Hause)

Es ist wichtig, dass das Kurzarbeitergeld nicht nur sehr schnell bereitstand, sondern nun auch aufgestockt wird. Beschäftigte mit niedrigen Einkommen sind nämlich momentan ganz besonders belastet. Die Corona-Krise darf soziale Ungleichheit nicht verschärfen. Für die ökonomischen Erfolge der Zukunft ist es auch entscheidend, die Arbeitsplätze zu erhalten. Wir werden weiter den digitalen Wandel gestalten sowie den Umwelt- und Klimaschutz vorantreiben.

In diesen Wochen fehlen uns auch schmerzlich die Theater, die Musik, die Kultur, ihre wachen Blicke, ihre Einmischung. Deshalb fördern wir die Kunst. Wir etablieren neue Darstellungsmöglichkeiten und Veranstaltungen, auch in digitalen Formaten. Für unsere Künstler und Künstlerinnen stellen wir zusätzlich 15,5 Millionen Euro bereit.

Am Montag haben wir unseren „Schutzschild für Vereine in Not“ vorgestellt. Er umfasst 10 Millionen Euro. Wir sind das Ehrenamtsland Nr. 1, und das soll auch in und nach

der Corona-Krise so bleiben.

Meine sehr verehrten Herren und Damen, es erfüllt mich mit Stolz, wenn ich sehe, mit wie vielen kreativen Aktionen in diesen Wochen Gemeinsinn gelebt wird. In der Krise merken wir ganz deutlich, wie wichtig Zusammenhalt und Solidarität für ein gutes Leben und ein starkes Land sind.

Ich bin fest davon überzeugt, wir in Rheinland-Pfalz meistern gemeinsam die Corona-Krise.

Herzlichen Dank.

(Starker Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion spricht ihr Vorsitzender, Herr Baldauf.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder kann jeden anstecken. Deshalb halten wir Abstand. Deshalb werden viele Feste nicht gefeiert. Deshalb tragen wir in unserem Bundesland seit vorgestern Masken – beim Einkaufen, in Bus und Straßenbahn. Wir tragen sie für einen gemeinschaftlichen Zweck, um Mitmenschen zu schützen. Diese Wochen sind eine breite Zeit wachsender Solidarität.

Die plötzliche Bedrohung rückt Grundsätzliches in den Blick, in der Politik wie im Privaten. Für unsere Gesellschaft ist diese Pandemie die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg. Bisher sind wir in Deutschland besser damit fertiggeworden als die meisten anderen Länder.

Bürgerinnen und Bürger sind dankbar für unser Gesundheitssystem, das Corona standhält, auch dank des Einsatzes unseres Pflegepersonals. Es sind hier vor allem so viele Frauen, die Überstunden leisten und sich für Kranke aufopfern. Ihnen möchte ich heute besonderen Respekt und Dank sagen.

(Beifall der CDU und bei SPD, AfD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben vorgeschlagen, ihnen für ihren Einsatz einen abgabenfreien Bonus von 500 Euro aus Landesmitteln und kostenlose Verpflegung zur Verfügung zu stellen. Heute Vormittag hat das Bundeskabinett einen Pflegebonus beschlossen. Frau Ministerpräsidentin, ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich dem anschließen und sich dahinterstellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Krise vertrauen die Bundesbürgerinnen und -bürger auf die Regierungshandelnden in Berlin. Die Regierung, die Bundeskanzlerin, führt mit großer Besonnenheit und der notwendigen Entschlossenheit. Berlin hat gigantische Hilfspakete auf den Weg gebracht, insgesamt über 1,3 Billionen Euro mit den Ländern zusammen.

Überall ist Unterstützung gefragt, in Betrieben, in Kranken

häusern, in Verwaltungen und Ämtern, in Sozialeinrichtungen, Vereinen, von Studenten, Landwirten, Künstlern. Es gibt unglaublich viele Beispiele von Gemeinsinn, Nachbarschaft, Freundschaft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gibt es auf absehbare Zeit ein Leben ohne Corona? Diese Frage stellen wir uns täglich mit wachsender Besorgnis. Wie sieht der Alltag aus, den wir Stück um Stück zusammenflicken? Reichen wir uns noch die Hand?

Mindestens solange bis ein Impfstoff entwickelt ist und flächendeckend zur Verfügung steht, gibt es keine einfachen Auswege und Lösungen. Deshalb nimmt seit einigen Tagen die öffentliche Diskussion über Lockerungen von Schutzmaßnahmen Fahrt auf. Es gibt Proteste dafür und Bedenken dagegen. Den einen geht es zu schnell, den anderen zu langsam. Wir müssen grundsätzlich über einen maßvollen Weg aus dem Krisenmodus reden, über Abwägungsprozesse in der Daseinsvorsorge, darüber, was uns als Gesellschaft wichtig und wert ist, was wir uns leisten wollen und können.

(Beifall der CDU)

Eine zweite Infektionswelle, ein nochmaliges stärkeres Aufflammen muss unter allen Umständen verhindert werden. Daneben tritt aber die berechtigte Sorge um die Langzeitfolgen, um soziale, ökonomische, psychologische Auswirkungen.

Wir betonen gerne die Bedeutung von Zusammenhalt in der demokratischen Gesellschaft, dass er immer wieder neu gestaltet werden muss. Was heißt das in Zeiten von Corona? Auch darüber müssen wir verantwortungsvoll und größer diskutieren, über das gesellschaftliche Zusammenleben, das wirtschaftliche Überleben, dass wir die Natur nicht erleben. Die anderen Krisen – Klimawandel, Trockenheit, Dürre, Fluchtbewegungen – existieren weiter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das hängt alles miteinander zusammen, die Wiederbelebung der Wirtschaft und die Gesundheit von Mensch wie Natur, soziale Gerechtigkeit, kulturelle Grundversorgung, Lebenschancen in Deutschland, in Europa. Wenn die Industrie schwächelt, der Großteil der Wirtschaft eingefroren ist, Steuereinnahmen wegbrechen, Sozialkosten steigen, dann beeinträchtigt dies langfristig unser Gesundheits- und Bildungssystem, dann verschlechtern sich Lebens- und Arbeitsbedingungen.

Das Münchner ifo Institut rechnet damit, dass 1,8 Millionen Menschen ihren Job im Zuge der Corona-Krise verlieren. Soziologen befürchten, dass Depressionen, Scheidungsund Selbstmordraten steigen. Die Polizei meldet eine drastische Zunahme häuslicher Gewalt. Viele Familien gehen schon jetzt auf dem Zahnfleisch und fühlen sich im Stich gelassen. Kinder lassen sich nicht wegorganisieren. Sie haben ureigene Bedürfnisse. Hier braucht es differenzierte Lösungen von Kita bis Schule.

Experten warnen davor, dass Bildungsgerechtigkeit vor allem für Kinder aus sozial prekären Haushalten auf der Strecke bleiben könnte, die seit Wochen nicht in die Schule oder die Kita können. Für diese Kinder sind Schule und Kindergarten Schutzräume. Wenn dieser Schonraum wochenlang wegfällt, holen betroffene Kinder die Entwicklungsrückstände kaum noch auf. Was ist mit Kindeswohl, dem Recht auf frühe Bildung? Wir haben eine sehr schmale Gratwanderung vor uns.

Wolfgang Schäuble fordert, das Verhältnis von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, unsere Prioritäten neu zu justieren, die Balance zwischen den Grundrechten. Da stimme ich ihm zu. Die sozialen Folgen von Corona werden bislang in ausreichendem Maße gewichtet. Der Staat, dessen Rolle gerade eine komplette Neubewertung erfährt, wird nicht alles leisten können.

Die öffentlichen Haushalte verschulden sich in einem nie gekannten Ausmaß. Irgendwann muss zurückbezahlt werden, was wir jetzt ausgeben.

(Beifall der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aktuell sind alle Kräfte gebunden im Bemühen, so sicher wie irgend möglich durch die Krise zu steuern. Dennoch sollte bereits jetzt zeitgleich eine kritische Prüfung des Managements starten, um Maßstäbe für künftige Ausnahmesituationen zu entwickeln. Schon jetzt können wir vieles lernen, und schon jetzt müssen wir uns um bessere Gesundheits- und Katastrophenschutzmaßnahmen kümmern.

Ein Mehr an Vorsorge schafft ein Mehr an Sicherheit. Wir brauchen mehr Schutzkleidung, mehr Reserven für medizinische und Hygieneausrüstungen. Ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger über viele Monate rigoros zu isolieren, ist herzzerreißend. Hier kann absoluter Lebensschutz mit dem Schutz der Menschenwürde und seelischer Gesundheit kollidieren.

Deshalb brauchen wir differenzierte Lösungen, vor allem aber genügend Schutzkleidung für das Personal in Pflegeheimen, aber auch um Besuche zu ermöglichen, mehr Infektionstests, schnellere und flächendeckende Informationen über Testergebnisse, klare, durchdachte Hygieneund Abstandsregeln für alle gesellschaftlichen Bereiche in unserem Bundesland. Alles andere verunsichert die Menschen, etwa die unterschiedliche Herangehensweise an die Maskenpflicht in den Bundesländern.

Wieso darf ein 800 m2 großer Laden öffnen, ein Laden mit 801 m2 nicht? Wieso traut die Politik dem Einzelhandel und dem Friseur um die Ecke zu, für Distanz zu sorgen, dem Besitzer des Biergartens oder der Eckkneipe nicht? Kinder dürfen in die Schule, aber Gäste nicht ins Hotel? Wie groß ist eine Großveranstaltung? Warum darf das Outlet-Center in Zweibrücken öffnen, der Friseur aber noch nicht?

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, das ist ungerecht. Das sind die falschen Signale.

(Beifall der CDU – Heiterkeit der Ministerpräsidentin Malu Dreyer und des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

Wir brauchen ein neues Pandemievorsorgekonzept in Rheinland-Pfalz, Katastrophen- und Notfallpläne für Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen.

Wir sollten über eine Re-Regionalisierung bestimmter Wirtschaftszweige nachdenken und darüber, Anreize zu schaffen. Statt 80 % der Arzneimittel oder deren Vorprodukte in China zu produzieren, müssen wir überlegen, wie wir dies in Deutschland tun.

Herr Minister Wissing, ich schlage vor: Starten Sie einen Prozess gemeinsam mit der mittelständischen Wirtschaft zu Unterstützungsmaßnahmen zur Verringerung von Abhängigkeiten im Krisenfall. Klären Sie in Gesprächen mit Boehringer Ingelheim, ob bislang ausgelagerte Produktionen an die Stammsitze zurückverlagert können. Das ist teuer, ja, aber wichtig.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Mehr „Made in Germany“!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor dem Hintergrund der Corona-Krise hat die Bedeutung von Kreiskrankenhäusern in der Fläche zugenommen. Frau Ministerpräsidentin Dreyer, hier tragen Sie unmittelbar Verantwortung. Während die Baukosten in den vergangenen 20 Jahren – so lange wird das Problem schon verschleppt – um 50 % gestiegen sind, sanken die Förderungen nach dem Landeskrankenhausgesetz um 13 %.