Protokoll der Sitzung vom 27.05.2020

Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Dr. Machalet.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte vorwegschicken, ich glaube, dass wir in der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ mit unserer Ministerin und mit unserem Staatssekretär extrem gut vertreten waren. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle einfach einmal bedanken.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich bin Ihnen fast dankbar dafür, dass Sie heute diese Aktuelle Debatte „Verantwortung übernehmen – Altschulden abbauen. Rheinland-Pfalz hat Zukunft seiner Kommunen selbst in der Hand“ beantragt haben. Das gibt mir die Gelegenheit – das war schon in der Aussprache zur Regierungserklärung Gegenstand –, noch einmal deutlich zu machen, wer hier Verantwortung übernimmt und wer nicht.

Ich muss sagen, ich bin aber auch ein bisschen überrascht, dass Sie gerade das Thema „Altschulden“ aufgreifen. Bisher habe ich, zumindest was die Bundesdiskussion zum Thema „Altschulden“ angeht, von Ihnen eher beredtes Schweigen gehört. Zumindest war es nicht so laut, dass es deutlich wahrnehmbar gewesen wäre.

Jetzt komme ich aber zum Thema „Verantwortung für die Kommunen“. Ja, die Corona-Pandemie stellt die Kommunen, die ihre Investitionstätigkeit in den letzten Jahren deutlich erhöht haben – das ist Fakt –, vor enorme Herausforderungen. Das bestreitet niemand. Nach Schätzungen des Bundes beläuft sich das zu erwartende Minus bei den Gewerbesteuern bundesweit auf 11,8 Milliarden Euro. In Rheinland-Pfalz sind es – die Zahl ist genannt worden – 638 Millionen Euro im Jahr 2020 und 244 Millionen Euro im Jahr 2021.

(Zuruf des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

Die Landesregierung hat bereits Verantwortung übernommen, bevor die Zahlen vorlagen. Wir waren bundesweit die Ersten, die bereits im Nachtragshaushalt Ende März die Kommunen explizit berücksichtigt haben. Das hat auch der Deutsche Landkreistag positiv herausgestellt. Am 14. Mai hat unsere Finanzministerin einen umfangreichen Rettungsschirm für unsere Kommunen mit drei Elementen angekündigt.

Dazu gehört zum einen die Soforthilfe in Höhe von 100 Millionen Euro. Dazu gehört aber auch der Stabilisierungsmechanismus im kommunalen Finanzausgleich, der bisher noch nicht erwähnt wurde, im Übrigen bundesweit einzigartig ist und die Kommunen im Jahr 2020 vor Mindereinnahmen von 400 Millionen Euro und im Jahr 2021 von 180 Millionen Euro schützt. Dazu gehört außerdem die einmalige zusätzliche Leistung zur Kompensation der Hälfte der Gewerbesteuermindereinnahmen. Damit beläuft sich das Gesamtvolumen auf stolze 700 Millionen Euro.

Es ist gut, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz diesen Ansatz aus Rheinland-Pfalz

(Zuruf von der SPD: Guter Mann!)

aufgegriffen und angekündigt hat, der Bund kompensiert die Hälfte der Gewerbesteuermindereinnahmen im Jahr 2020.

Ganz ehrlich, für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bedeutet genau das, Verantwortung in schwierigen Zeiten zu übernehmen. Es sind maßgeblich Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten – unsere Finanzministerin und unser Bundesfinanzminister –, die sich für eine Lösung für die Altschuldenproblematik der Kommunen starkmachen, und das nicht erst seit gestern.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So ist es! – Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Wir wissen, dass rund 2.000 Kommunen bundesweit – nicht nur in Rheinland-Pfalz – völlig überschuldet und gerade jetzt durch die Steuerausfälle in noch größerer Bedrängnis sind. Deshalb bin ich wirklich froh, dass Olaf Scholz einen Vorschlag zur Lösung gemacht hat. Die Länder sollen zunächst die Kassenkredite übernehmen. Der Bund übernimmt dann die Hälfte. Insgesamt geht es also um ein Volumen von rund 45 Milliarden Euro. Für die Länder geht es um etwa 20 Milliarden Euro.

Lieber Herr Baldauf, wir in Rheinland-Pfalz sind dazu bereit und darauf vorbereitet, unseren Anteil zu übernehmen.

Jetzt noch einmal zum Thema „Verantwortung“: Sie wissen, dass für eine solche Lösung eine Grundgesetzänderung erforderlich ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, es wäre wirklich sehr hilfreich – das hat Alexander Schweitzer auch schon betont –, wenn Sie als rheinlandpfälzische CDU gegenüber Ihren CDU-Kollegen im Bund und Ihren bayerischen Kollegen Verantwortung übernehmen

Da sitzen nämlich die Blockierer. Da und nirgendwo sonst sitzen die, die sich der gesamtstaatlichen Verantwortung und der gesamtstaatlichen Solidarität entziehen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So sieht es aus!)

Ich sage Ihnen, wir stehen an der Seite der Kommunen, und ich lade Sie ganz herzlich dazu ein, das auch zu tun und sich nicht immer weiter in Ihrer Kleinkariertheit und Ihrem Mantra, das Land sei an allem schuld, zu ergehen.

(Abg. Martin Haller, SPD: Ja!)

Ganz ehrlich: Das wäre echte Größe in der Krise.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: So sieht es aus!)

Für die AfD-Fraktion spricht gleich der Abgeordnete Frisch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich zitiere aus dem Protokoll der 93. Sitzung des rheinland-pfälzischen Landtags vom 14. November 2019:

(Abg. Martin Haller, SPD: Wenn eine Rede schon so anfängt!)

„Altschulden heißt immer der Blick zurück. (...) Ich will ein Zukunftsprogramm für meine Kommunen. Ich will kein Altlastenprogramm. Dafür stehen wir.“ Erinnern Sie sich, Herr Schnieder? Das waren Ihre Worte, die Sie anlässlich unseres Antrags „Kommunen fit für die Zukunft machen – nachhaltig finanziert und entschuldet“ hier an dieser Stelle gesagt haben.

(Vizepräsidentin Astrid Schmitt übernimmt den Vorsitz)

Jetzt, ein halbes Jahr später, kommen Sie mit einer Aktuellen Debatte „Verantwortung übernehmen – Altschulden abbauen“. Was wollen Sie denn nun? Wollen Sie Altschulden abbauen, oder wollen Sie in die Zukunft schauen? Oder wollen Sie jetzt auf einmal beides und schließen sich damit der AfD-Fraktion an, die das vernünftigerweise schon im vergangenen Jahr gefordert hat?

(Beifall der AfD)

Es wäre nicht das erste Mal, dass die CDU Vorschläge der AfD zunächst ablehnt, dann nach einer gewissen Schamfrist

aufgreift und schließlich versucht, sie als ihre eigenen zu verkaufen. Ich erinnere nur an die Straßenausbaubeiträge, die kostenfreie Meisterausbildung, die Notfallsanitäterzulage und erst heute die vollständige Öffnung der Kitas.

(Unruhe bei der CDU)

Alles Kopien und Plagiate,

(Zuruf aus dem Hause: Das ist so!)

aber sei es drum. Manche brauchen eben etwas länger, und gute Ideen anderer zu unterstützen, dient letztlich der Sache selbst.

(Unruhe im Hause)

Auch die Landesregierung hat unseren damaligen Vorschlag einer gemeinsamen Anstrengung von Bund und Land zur Beseitigung der kommunalen Altschulden im Nachhinein bestätigt. Hatte Staatssekretär Weinberg in der erwähnten Debatte noch von einem sehr verzerrten Bild gesprochen, das der Antrag angeblich zeichne, setzte sich Frau Dreyer Anfang dieses Jahres vehement für eine Beteiligung des Landes an der Lösung der Altschuldenproblematik ein.

Ich zitiere aus der Fachzeitschrift „Der Neue Kämmerer“ vom 29. Januar: „Die Ministerpräsidenten von NordrheinWestfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland machen der Bundesregierung in Sachen Altschulden-Lösung Druck. Damit stellen sie sich gegen die Unionsfraktion im Bundestag, deren Spitze die geforderte Altschulden-Übernahme durch den Bund ablehnt.“

Also auch bei der Landesregierung grundsätzliche Zustimmung zu unserer Forderung. Wenn die Union im Bund tatsächlich ein solches Projekt blockiert, dann frage ich Sie, verehrte Kollegen von der CDU, warum Sie sich hier im Land als Kümmerer in Sachen Kommunalfinanzen präsentieren, während Ihre Leute in Berlin das genaue Gegenteil davon betreiben.

(Beifall der AfD)

Meine Damen und Herren, die Finanzmisere unserer Kommunen und hier insbesondere deren hohe Verschuldung ist ein Problem, das seit Jahren nicht angegangen wird und deshalb leider dauerhafte Aktualität besitzt. Jahre der Hochkonjunktur wurden seitens der Landesregierung nicht genutzt, um die finanzielle Lage unserer Städte, Kreise und Gemeinden strukturell zu verbessern und die Altschuldenproblematik anzugehen. Stattdessen hat sich das Land lieber selbst geholfen und seinen eigenen Haushalt auf Kosten der Kommunen saniert.

Während beispielsweise in unserem Nachbarland Hessen die Kommunen erheblich stärker entschuldet wurden als das Land, hat der rheinland-pfälzischen Landesregierung hierzu schlicht der politische Wille gefehlt. Sie ist daher mitverantwortlich dafür, dass die jetzige Krise auf einen bereits geschwächten Patienten trifft; denn natürlich hat

Corona auch die Finanzlage der Kommunen weiter verschärft.

Die Soforthilfe, die mit dem Nachtragshaushalt beschlossen wurde, hat zwar kurzfristig Hilfe gebracht, aber die großen Einschnitte kann sie nur zu einem geringen Teil aufwiegen, und sie kommt ausschließlich den Landkreisen und kreisfreien Städten zugute. Die kreisangehörigen Gemeinden, die mit enormen Einbußen bei der Gewerbesteuer klarkommen müssen, erhalten hiervon erst einmal keinen Cent.

Wenn Frau Ahnen angesichts dessen die Ankündigung des Bundes begrüßt, die Hälfte der Gewerbesteuerausfälle für das Jahr 2020 zu übernehmen, ist das ein wohlfeiles und billiges Lob, solange das Land selbst hier nichts für die Betroffenen tut.

Vor allem aber kann es keine Lösung sein, den Kommunen jetzt die notwendige Hilfe zu verweigern und ihnen stattdessen Möglichkeiten zur Neuverschuldung zu eröffnen. Der Landesrechnungshof kritisiert aus unserer Sicht zu Recht, dass die seit vielen Jahren aufsichtlich geduldete rechtswidrige Aufnahme von Liquiditätskrediten ohne Auflagen fortgeschrieben wird.

Pirmasens, Kaiserslautern, Zweibrücken und auch meine Heimatstadt Trier gehören bundesweit schon heute zu den Städten mit der höchsten Verschuldung. Sie in der CoronaKrise weiter in die Schuldenfalle zu treiben, macht die Lage noch desaströser und ist verantwortungslos gegenüber den nachfolgenden Generationen; denn Schulden von heute sind Steuern von morgen.

(Glocke der Präsidentin)