Protokoll der Sitzung vom 28.05.2020

Ich möchte an dieser Stelle eines sagen: Testung ist das eine. Das Allerwichtigste ist aber nach wie vor, dass wir Hygienevorschriften einhalten, Abstand halten, Masken tragen, unsere Hände waschen und in die Ellenbeuge niesen. Es ist lange nicht mehr erwähnt worden, und ich dachte, es ist eine gute Gelegenheit, das heute noch einmal zu tun.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Antrag.

Wer dem Antrag der CDU-Fraktion – Drucksache 17/11907 – seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen! –

Danke schön. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit stelle ich fest, dass der Antrag der CDU-Fraktion mit den Stimmen der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU bei Enthaltung der AfD abgelehnt wurde.

Ich rufe Punkt 34 der Tagesordnung auf:

Antrag auf Durchführung einer repräsentativen Studie zur Ausbreitung von SARS-CoV-2 und Überwachung des Infektionsgeschehens in Rheinland-Pfalz Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 17/11904 –

Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von 5 Minuten vereinbart.

Ich darf zunächst einem Mitglied der antragstellenden Fraktion das Wort erteilen. Abgeordneter Frisch, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als ehemaliger Mathematiklehrer hat mich der Umgang mit den Zahlen in der Corona-Krise außerordentlich irritiert. Mathematisches Analphabetentum war bis in höchste Regierungskreise hinein anzutreffen. Gleichzeitig hat man unter Berufung auf angeblich objektive Daten Politik betrieben und weitreichende Entscheidungen getroffen.

Die Zahlen des Robert Koch-Instituts wurden selbst von Fachleuten immer wieder kritisiert und mussten mehrfach korrigiert werden. Man hat exponentielle Kurven gezeigt und erklärt, und alle waren stolz darauf, verstanden zu haben, wie ernst die Krise ist. Es wurde aber nicht hinterfragt, wie diese Zahlen zustande kamen und welche Bedeutung sie haben oder auch nicht. Das war fatal, denn eine Kurve allein gibt keine Auskunft darüber, wie schlimm die Infektion ist, die hier abgebildet wird. Sie gibt keine Auskunft darüber, wie hoch die Rate der ernsthaft Erkrankten ist. Sie erlaubt insbesondere keine Rückschlüsse darauf, wie hoch der Prozentsatz der Corona-Infizierten ist, die an dem Virus sterben, weil man nicht wusste und bis heute nicht weiß, wie viele Menschen letztendlich infiziert waren oder sind.

Hinzu kommt, dass die Bewertungskriterien für die Entwicklung der Pandemie mehrfach geändert wurden. War es zunächst die Verdopplungsrate der Infektionen, die als Maßstab galt, wechselte man später zum R-Wert, um dann mit der neuen, in keiner Weise objektiv nachvollziehbaren Merkelschen Formel „7, 24, 100.000“ plötzlich absolute Zahlen zum entscheidenden Kriterium zu machen, obwohl diese maßgeblich durch die Häufigkeit der Tests beeinflusst sind.

Das alles hat erheblich zur Verunsicherung und dem Vertrauensverlust in der Bevölkerung beigetragen. Es hat nicht nur berechtigte Kritik hervorgerufen, sondern auch genau jene Verschwörungstheorien befeuert, über die man sich jetzt beklagt. Mit der Angabe kumulierter Werte hat man

zudem suggeriert, dass es permanent schlimmer wird. Dass Herr Drosten, Haus- und Hof-Virologe der Kanzlerin, Anfang März von bis zu 400.000 Corona-Toten gesprochen hat, war nichts anderes als Panikmache auf der Basis rein spekulativer, nicht valider Daten.

Meine Damen und Herren, Fakt ist, dass nahezu alle seit Beginn der Pandemie erhobenen und veröffentlichten Zahlen deshalb fehlerhaft und irreführend sind, weil sie nicht zwischen Erkrankten und Infizierten unterscheiden und daher nur einen Teil des wirklichen Infektionsgeschehens abbilden. Wenn Personen ausschließlich oder vor allem deshalb getestet werden, weil sie bereits typische Symptome aufweisen, erhält man keine Information über die Anzahl der tatsächlich Infizierten in der Bevölkerung. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit eines positiven Testergebnisses hierbei mit Sicherheit höher als bei einer nach statistischen Vorgaben zufällig ausgewählten Gruppe und führt daher zu Fehlannahmen hinsichtlich Verbreitung und Entwicklungsdynamik der Infektion. Nicht zuletzt erhöht die Anzahl symptombezogener Tests die Zahl der festgestellten Infizierten, ohne dass dies in irgendeiner Weise repräsentativ wäre.

Meine Damen und Herren, es ist nicht übertrieben festzustellen, dass wir es vier Monate nach Ausbruch der Pandemie immer noch mit einem Evidenz-Fiasko zu tun haben. Das sagen nicht nur wir, sondern kritisieren auch namhafte Statistik- und Medizinexperten. Wenn man bedenkt, welche folgenschweren Entscheidungen auf einer solchen lückenund fehlerhaften Datenbasis getroffen worden sind, welche wirtschaftlichen und sozialen Schäden angerichtet wurden und werden und wie sehr wesentliche Grundrechte wie die Freiheit der Person, die Freizügigkeit oder die Versammlungsfreiheit eingeschränkt wurden, kann man das nur als Desaster bezeichnen.

Es ist nicht zu beanstanden, dass man zu Beginn in Unkenntnis der wirklichen Bedrohungslage den schlimmstmöglichen Fall angenommen und daher harte Maßnahmen ergriffen hat. Es ist aber schlichtweg skandalös, dass man es bis heute anscheinend nicht für nötig gehalten hat, diese Unwissenheit zu beseitigen.

(Beifall bei der AfD)

Nur wenn wir das Infektionsgeschehen zuverlässig überwachen und kontrollieren und über verlässliche Daten insbesondere über die Dynamik dieses Geschehens verfügen, können wir seriös beurteilen, welche die geeigneten und verhältnismäßigen Schritte zur Bewältigung der Krise sind. Alles andere ist verantwortungsloser Blindflug, der bereits jetzt dazu geführt hat, dass die Therapie dem Patienten mehr schadet als die Krankheit.

Meine Damen und Herren, das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin und das Institut für Weltwirtschaft haben bereits im März gefordert, repräsentative Bevölkerungsstichproben zu untersuchen. Viele andere Wissenschaftler aus den Bereichen der Mathematik, Epidemiologie und Medizin haben sich dem inzwischen angeschlossen. Nur solche regelmäßig durchzuführenden Untersuchungen

liefern valide Zahlen, Daten und Fakten über Erkrankte, asymptomatische Virusträger, gesunde, infizierte und bereits immunisierte Personen, also über das gesamte Spektrum infektionsserologischer Möglichkeiten. Wir erfahren zudem auf diesem Weg etwas über die Ausbreitung des Virus, seine Gefährlichkeit, Übertragungswege und die Höhe der Dunkelziffer, über die zurzeit auch die Landesregierung nur spekulieren kann.

Diese Ergebnisse könnten uns bei der Lockerung oder Differenzierung der noch bestehenden Lockdown-Maßnahmen helfen und würden vor allem Aufschluss darüber geben, ob tatsächlich eine sogenannte zweite oder gar dritte Welle droht, wie sie uns derzeit von manchen prophezeit wird.

Ich fasse zusammen: Wir benötigen dringend eine wissenschaftlich gestützte prospektive, randomisierte Langzeitstudie. Sie käme spät, aber noch nicht zu spät, um das Infektionsgeschehen langfristig auf der Basis gesicherter Daten zu überwachen, die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen und dadurch möglichst bald wieder zur Normalität zurückkehren zu können.

In diesem Sinne bitten wir Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Als nächster Rednerin erteile ich Frau Abgeordneter Binz für die Koalitionsfraktionen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die AfD stellt in ihrem Antrag eine Forderung auf, die vielleicht auf den ersten Blick sogar ganz vernünftig klingt: eine repräsentative Studie zur Ausbreitung von SARS-CoV-2 in Rheinland-Pfalz zu erstellen, um valide Daten über die Zahl der infizierten Menschen in der Bevölkerung zu bekommen, insbesondere auch das Dunkelfeld zu beleuchten.

Wenn man sich diesen Vorschlag aber genauer anschaut und genauer darüber nachdenkt, stellt man schnell fest, dass dieser Vorschlag doch nicht ganz so vernünftig ist; denn so, wie Sie das darstellen, funktioniert das in Rheinland-Pfalz derzeit nicht. Es gibt zwar schon solche breiten Studien, zum Beispiel die bekannte HeinsbergStudie oder auch die im Antrag erwähnte Studie in München. Anders als Sie schreiben, können wir natürlich auch in Rheinland-Pfalz von den Erkenntnissen dieser Studien profitieren. Die Heinsberg-Studie enthält zum Beispiel spannende Erkenntnisse über Verbreitungswege des Virus, die auch auf Rheinland-Pfalz übertragbar sind, auch wenn das untersuchte Infektionsgeschehen in Heinsberg natürlich ein ganz anderes ist, als es das in Rheinland-Pfalz war.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Faktische Verbreitung in Rheinland-Pfalz!)

Es braucht sicherlich auch weiterer solcher Studien, um das Virus, seine Gefährlichkeit und seine Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung weiter zu erforschen. Nur, für Querschnittsstudien, wie Sie sie fordern, braucht es noch etwas anderes. Was es dafür braucht, ist auch eine relevante Anzahl an Fällen, insbesondere an Menschen, die an COVID-19 erkrankt sind. Hier ist es sinnvoll, sich eine Region anzuschauen, bei der, wie im Landkreis Heinsberg, auch eine Häufung von bekannten COVID-19-Erkrankungen in der Vergangenheit vorhanden war, oder aber einen Ballungsraum wie München, wo zum einen von vornherein mehr Fälle, also mehr Menschen vorhanden sind, und zum anderen auch in der Vergangenheit und nach wie vor ein relevantes Infektionsgeschehen messbar ist. Beides haben wir in Rheinland-Pfalz nicht.

Dagegen haben wir in Rheinland-Pfalz derzeit das Glück, nur eine geringe Anzahl an Erkrankten zu haben. Mit Stand heute sind es gerade 308 aktuell infizierte bzw. erkrankte Menschen. Deshalb macht eine solche Studie quer durch die gesamte Bevölkerung in Rheinland-Pfalz keinen Sinn, weil man eine sehr große Anzahl an Untersuchten als Gesamtheit untersuchen müsste, um dann in dieser Gesamtheit eine sehr geringe Anzahl an Infizierten zu finden. Dies hätte einerseits insgesamt eine sehr geringe Aussagekraft, wäre andererseits unverhältnismäßig aufwendig.

Sinnvoll ist es dagegen, dort anlassbezogene Untersuchungen vorzunehmen, wo konkret Infektionen aufgetreten sind, zum Beispiel in Pflegeheimen, in Betrieben, in Schulen usw. Das sieht das derzeitige Testkonzept der Landesregierung auch vor.

Außerdem hat die Landesregierung angekündigt, Querschnittstestungen als regelmäßige repräsentative Stichproben in Kindergärten und Schulen vorzunehmen, um dort das Infektionsgeschehen zu überwachen. Es wird also schon vieles in der Richtung gemacht, was Sie von der AfD fordern.

Ich habe aber den Verdacht – Herr Kollege Frisch, nach Ihrer Rede habe ich ihn umso mehr –, dass Sie mit Ihrer vermeintlichen wissenschaftlichen Argumentation noch ein ganz anderes Ziel verfolgen. Sie versuchen damit – das wird auch in Ihrer Antragsbegründung deutlich –, die eingeleiteten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu delegitimieren. Sie unterstellen nämlich, weil wir die ganz genaue Anzahl der Infizierten nicht kennen, könnten die Maßnahmen falsch sein. Diese Unterstellung weisen wir von uns.

Wir verstehen ehrlich gesagt auch nicht, welche Rückschlüsse Sie eigentlich dann daraus ziehen wollen, wenn es eine solche Querschnittsuntersuchung gibt und Sie die Ergebnisse dann auch vorliegen haben. Wenn Sie nämlich anlasslos und symptomlos testen, werden Sie am Ende zwangsläufig mehr Infizierte gefunden haben, als Sie vorher hatten. Welche Schlüsse würden Sie also daraus ziehen?

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Das werden wir dann sehen!)

Wie gesagt, uns überzeugt Ihr Antrag nicht. Wir lehnen ihn daher ab.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Zu einer Erwiderung auf die Ausführungen der Frau Abgeordneten Binz erteile ich dem Abgeordneten Frisch das Wort.

Liebe Frau Binz, das war schon fast das Mindeste, was von grüner Seite als Kritik an einem AfD-Antrag kommen musste. Man merkt sehr, wie bemüht Sie waren, Argumente zusammenzutragen, um unseren sinnvollen und vernünftigen Antrag, der im Übrigen von ganz vielen Wissenschaftlern unterstützt wird, abzulehnen. Ich möchte einige kurze Erwiderungen dazu machen.

Die Heinsberg-Studie war keine breite Studie. Sie war auf einen Hotspot bezogen und hat dort wichtige Erkenntnisse geliefert, die aber nur sehr bedingt übertragbar sind. Von daher macht es überhaupt keinen Sinn, auf diese Studie zu verweisen.

Das Dunkelfeld dient geradezu als Argumentation im Augenblick, dass Personen sagen, na ja, wir haben zwar Zahlen, die bei null liegen, aber es könnte ein Dunkelfeld geben. Genau deshalb müssen wir dieses Dunkelfeld beleuchten.

Wenn Sie sagen, wir brauchen dafür Fälle, dann haben Sie nicht verstanden, was eine repräsentative Studie ist. Es geht darum, in gezielt ausgewählten Bevölkerungsgruppen, so wie wir das etwa alle von Wahlumfragen kennen, Untersuchungen zu machen und dort – ich habe es beschrieben – das gesamte Infektionsgeschehen abzubilden und herauszufinden, wer möglicherweise das Virus hatte. Wer hat Antikörper gebildet? Wer ist möglicherweise immun dagegen? Wer ist aktuell infiziert?

Dies bedeutet, wir bekommen wirklich eine gute Übersicht über das Geschehen und über die Dynamik dieses Geschehens.

Wenn man wissenschaftlich seriös argumentieren möchte – das ist heute in diesem Hause mehrfach zu Recht eingefordert worden –, dann kommt man an einer solchen Studie wirklich nicht vorbei.

Das, was die Landesregierung vorhat, eine anlassbezogene, symptomatische oder gruppenbezogene Testung, hat genau die eben beschriebenen Defizite. Damit erreichen Sie natürlich besondere Risikogruppen. Sie erreichen bei

Testungen von symptomatischen Personen natürlich eine deutlich höhere Anzahl als den möglicherweise infizierten Anteil an der Bevölkerung.

Wenn wir herausfinden, dass es praktisch keine Infektionen mehr gibt – und zwar einschließlich Dunkelfeld –, dann müssen wir natürlich daraus die notwendigen Schlüsse ziehen. Das ist genau das, was wir mit unserem Antrag bezwecken.