Protokoll der Sitzung vom 16.09.2020

Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:

Landesgesetz zur Änderung des Landesgesetzes zur Ausführung des Passgesetzes und des Personalausweisgesetzes, des Landesbesoldungsgesetzes und des Landesreisekostengesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 17/12265 – Zweite Beratung

dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses – Drucksache 17/12973 –

Die Fraktionen sind übereingekommen, diesen Gesetzentwurf ohne Aussprache zu behandeln. Ich möchte aber kurz über das Ausschussverfahren berichten: Die erste Beratung des Gesetzentwurfs erfolgte in der 105. Plenarsitzung am 26. August 2020. Anschließend erfolgte eine Ausschussüberweisung an den Innenausschuss – federführend – sowie an den Rechtsausschuss. Die Ausschussempfehlung lautet auf unveränderte Annahme.

Wir kommen zur Abstimmung. Ich stelle den Gesetzentwurf – Drucksache 17/12265 – in zweiter Beratung zur Abstimmung. Wer diesem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke. Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen worden.

Wir kommen zur Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben! – Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig angenommen worden.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Landesgesetz zur Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (Landesinklusionsgesetz) Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 17/12959 – Erste Beratung

Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von 5 Minuten vereinbart.

Ich darf zur Begründung Frau Staatsministerin BätzingLichtenthäler für die Landesregierung das Wort erteilen. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Landesregierung bringt mit dem Entwurf des Landesinklusionsgesetzes ein zeitgemäßes, modernes Gesetz in den Landtag ein, um Inklusion von Menschen mit Behinderungen in Rheinland-Pfalz weiter voranzubringen. Es soll das bisherige Landesgesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen ablösen.

Vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention und des Bundesgleichstellungsgesetzes ist es unser Ziel, die Rechte von Menschen mit Behinderungen mit noch mehr Leben zu erfüllen und Menschen mit Behinderungen in Rheinland-Pfalz vollständig in die Gesellschaft zu integrieren. Damit die Umsetzung dieser Ziele auf Landesebene gut gelingt, war es uns von Beginn an ein wichtiges Anliegen, die Betroffenen frühzeitig aktiv einzubinden und an der Erstellung des Gesetzentwurfs intensiv zu beteiligen, ganz nach dem Motto „Nichts über uns ohne uns!“.

Wir haben daher eine Vielzahl von Gesprächen mit dem Landesbeirat zur Teilhabe behinderter Menschen sowie Interessensvertreterinnen und Interessensvertretern geführt; denn sie sind die Expertinnen und Experten in eigener Sache. Daher sind in diesen Gesetzentwurf viele Ideen und Anregungen von Menschen mit Behinderungen eingeflossen.

Ich möchte an dieser Stelle einige Punkte des Gesetzentwurfs erwähnen: Der Entwurf unseres Inklusionsgesetzes sieht vor, dass die Deutsche Gebärdensprache als eigenständige Sprache anerkannt wird. Auch lautsprachbegleitende Gebärden sollen als Kommunikationsform der deutschen Sprache anerkannt werden. Eine neue Regelung gibt Menschen mit Hör- oder Sprachbehinderung nun das Recht, mit öffentlichen Stellen in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder anderen geeigneten Hilfen zu kommunizieren. Diese öffentlichen Stellen haben künftig den Betroffenen die geeigneten Kommunikationshilfen auf Verlangen kostenfrei zur Verfügung zu stellen oder die notwendigen Aufwendungen zu tragen.

Auch in Schulen, Kindertagesstätten und der Kindertagespflege soll nach unserer Vorstellung das Recht gelten, in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere Kommunikationsformen zu kommunizieren.

Die Verwendung der Leichten Sprache ist im Inklusionsgesetz ebenfalls neu geregelt. Menschen mit Behinderungen können verlangen, Bescheide oder Verfügungen kostenfrei verständlich erläutert oder bei Bedarf in Leichte Sprache übersetzt zu bekommen.

Darüber hinaus wollen wir mit dem Inklusionsgesetz bestehende Barrieren weiter abbauen, um wirkliche Barrierefreiheit zu erreichen. Öffentliche Neu-, Um- und Erweiterungsbauten sollen grundsätzlich barrierefrei gestaltet werden. Eine Landesfachstelle für Barrierefreiheit soll künftig als zentrale Anlaufstelle für öffentliche Stellen, Unternehmen,

Verbände und Personen der Zivilgesellschaft für die Erstberatung zur Barrierefreiheit in Rheinland-Pfalz dienen.

Außerdem wird die Stellung des Landesbeauftragten für die Belange behinderter Menschen durch den Gesetzentwurf erheblich gestärkt. Grundsätzlich soll er unabhängig, weisungsungebunden und ressortübergreifend tätig sein. Er erfüllt eine Ombudsfunktion und dient in Streitfällen künftig als Schlichtungsstelle.

Neu ist auch, dass wir durch das Gesetz die Grundlage für eine Kommission schaffen, die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, angegliederte Förder- und Betreuungsbereiche und andere Einrichtungen besuchen darf. Diese Kommission soll überprüfen, ob den Menschen dort eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und eine selbstbestimmte Lebensführung möglich ist, und dabei ein besonderes Augenmerk auf Gewaltprävention und Gewaltschutz legen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schaffen wir die zeitgemäße Grundlage für die Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in Rheinland-Pfalz. Ich freue mich jetzt schon auf die parlamentarischen Beratungen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin, vielen Dank für die Begründung des Gesetzentwurfs. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Abgeordneten Rommelfanger für die Fraktion der SPD das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In den allermeisten Situationen werden Menschen vor allem durch Hürden, Barrieren oder fehlende Teilhabe behindert. Wenn wir heute Abend über den Abbau von Barrieren und die Inklusion reden, geht es nicht um Wohlfahrtsoder Fürsorgeleistungen, sondern um die Gewährleistung sehr grundlegender Menschenrechte.

Rheinland-Pfalz hat sich im Jahr 2010 als erstes Bundesland auf den Weg gemacht, um die Prinzipien der UNBehindertenrechtskonvention durch einen Landesaktionsplan mit Leben zu erfüllen. Dieses Landesgesetz ist ein weiterer wichtiger Schritt auf diesem Weg.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Inklusionsgesetz ist nicht nur ein Gesetz für Menschen mit Behinderungen. Ein solches Gesetz und seine Auswirkungen kommen uns allen zugute. Dafür ist aber ein konsequenter Paradigmenwechsel notwendig. Anstrengungen für Vielfalt und Inklusion dürfen nicht länger als Belastung, sondern müssen nach ihrem Mehrwert für die Gesellschaft insgesamt betrachtet

und bewertet werden.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht nicht darum, die Abweichung von einem angeblich menschlichen Normalzustand zu überwinden. Nein, es geht vielmehr darum, die Teilhabe aller als den selbstverständlichen Normalzustand zu betrachten und daraus folgend die Abweichung von Teilhabe zu überwinden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich einige der Maßnahmen in diesem Gesetzentwurf erläutern. Er wird die Interessenvertretung der Menschen mit Behinderungen stärken und eine zentrale Anlaufstelle für Barrierefreiheit zur Beratung öffentlicher Stellen schaffen. Das Gesetz stellt klar, dass öffentliche Neu-, Um- oder Erweiterungsbauten barrierefrei gestaltet werden sollen und dies bei der Anmietung von Bauten für öffentliche Zwecke zu beachten ist.

Zudem wird der Aufgabenbereich des Landesbeauftragten für die Belange behinderter Menschen ausgebaut. Er soll in Zukunft als Schlichtungsstelle wirken, an die sich die Bürgerinnen und Bürger jederzeit mit ihren Problemen und Anregungen wenden können.

Das Landesinklusionsgesetz sieht die Berufung einer unabhängigen Besuchskommission vor, die Einrichtungen besucht, in denen Menschen mit Behinderungen leben und arbeiten. Diese Kommission soll überprüfen, inwieweit den Menschen mit Behinderungen eine selbstbestimmte Lebensführung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft möglich ist.

Eine weitere wesentliche Änderung durch das Gesetz betrifft die Gebärdensprache und andere für Menschen mit Behinderungen wichtige Kommunikationsformen. Durch das Gesetz werden die Gebärdensprache als eigenständige Sprache und lautsprachbegleitende Gebärden als Kommunikationsformen der deutschen Sprache anerkannt.

Öffentliche Stellen werden geeignete Kommunikationshilfen für Menschen mit Behinderungen zur Verfügung stellen. Das Gesetz stellt auch klar, dass sie im Umgang mit Schulen und Kindertagesstätten einen Anspruch auf Kommunikation in Deutscher Gebärdensprache oder mittels anderer Kommunikationshilfen haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Gesetz enthält konkrete und wichtige Maßnahmen zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention und zur Verbesserung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen.

In der Vergangenheit hätten wir hierbei von Integration gesprochen. Dieses Gesetz ist aber bewusst ein Inklusionsgesetz. Inklusion bedeutet: Menschen mit Behinderungen werden erst gar nicht ausgegrenzt. Begriffe sind wichtig; denn sie zeigen uns die Einstellung, die hinter einem Vorhaben steht, und zeichnen ein Bild von uns als Gesellschaft.

Unser gemeinsames Ziel muss es sein – wo auch immer

die Gelegenheit dafür besteht –, in den Köpfen der Menschen zu verankern, dass Behinderungen und Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen genauso wie große und kleine, alte und junge Menschen zu unserer Gesellschaft gehören.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies wird noch ein langer Prozess, in den wir die Menschen mit Behinderungen ganz nach dem Motto „Nichts über uns ohne uns!“ einbeziehen. Bei diesem Gesetz ist dies in zahlreichen Gesprächen mit dem Landesbeirat zur Teilhabe behinderter Menschen und anderen Interessensvertreterinnen und Interessensvertretern geschehen. Deshalb ist bzw. wird dieses Inklusionsgesetz ein gutes Gesetz für die Menschen in unserem Land.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun erteile ich dem Abgeordneten Wäschenbach für die Fraktion der CDU das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Landesbeauftragter für die Belange behinderter Menschen, Herr Matthias Rösch! Der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, kurz Landesinklusionsgesetz, verbessert das Leben jedes einzelnen behinderten Menschen, was auch für uns als CDU-Fraktion absolut im Vordergrund steht.

Das Landesgesetz setzt in 38 Paragrafen übergesetzliche Regelungen von EU und Bund um. Es werden zudem viele Einzelgesetze angepasst. Insbesondere das am 24. Februar 2009 von Deutschland unterzeichnete Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen wird weiter mit Leben gefüllt. Diese UN-Behindertenrechtskonvention konkretisiert die universellen Menschenrechte für die speziellen Bedürfnisse und Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen. Inklusion ist dabei das zentrale Handlungsprinzip.

Der Entwurf löst das bisherige Landesgesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen ab. Durch die Novellierung des Landesgesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen werden die politischen Weiterentwicklungen sowie die oben dargestellten Anforderungen aufgenommen.

Ich möchte einige erwähnen: In § 10 geht es um die Sicherstellung einer barrierefreien Informationstechnik. In § 11 geht es um die Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr. Der ÖPNV gilt als kommunale Pflichtaufgabe. Es entstehen Kosten für zum Beispiel Bussteige und Haltestellen, wenn wir es ernst nehmen. In § 15 wird der Landesbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen gestärkt. In § 16 wird der kommunale

Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen gewünscht. In § 23 wird die Landeswahlordnung für behinderte Menschen erweitert. Ebenso gibt es in § 28 die Änderung des Landesblindengeldgesetzes Rheinland-Pfalz, bei dem noch viel Luft nach oben ist.

Ich komme nun zu einer sehr zentralen Frage dieses Gesetzes, zu den Kosten. Laut Landesregierung werden mit dem vorliegenden Gesetzentwurf keine neuen Verpflichtungen mit finanzpolitisch erheblichen Auswirkungen begründet und keine Konnexitätsfolgen ausgelöst. Durch die Sollvorschriften zur Erläuterung in verständlicher Sprache, Einfacher Sprache und Leichter Sprache – wie wir eben gehört haben – werden zwar zusätzliche Anforderungen an das Verwaltungshandeln öffentlicher Stellen gestellt, Kosten entstehen aber dadurch fast nicht.

(Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht um die Übersetzung der Verwaltungsdokumente in Leichte Sprache in den Behörden und Anstalten des öffentlichen Rechts. Öffentliche Stellen sollen Menschen mit geistigen oder seelischen Behinderungen Bescheide, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke auf Verlangen in Leichter Sprache erläutern, sofern diese es anfordern und Erläuterungen in Einfacher Sprache und verständlicher Sprache nicht ausreichen. Das ist gut so.