Protokoll der Sitzung vom 16.09.2020

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen eine neue Kollegin im Landtag begrüßen. Als Nachfolgerin für den Abgeordneten Alexander Licht dürfen wir Karina Wächter ganz herzlich begrüßen. Herzlich willkommen, auf eine gute Zusammenarbeit!

(Beifall im Hause)

Heute darf Herr Junge mit uns seinen 63. Geburtstag verbringen. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

(Beifall im Hause)

Sie dürfen sich eine Flasche Wein beim Präsidium abholen.

Ich darf Sie weiterhin darum bitten, sämtliche Vorsorgeund Hygienemaßnahmen einzuhalten und damit andere und sich selbst zu schützen. Dazu gehören der Mindestabstand und die Mund-Nasen-Bedeckung, die insbesondere auf dem Weg in den Plenarsaal zu tragen ist.

Änderungs-, Alternativ- und Entschließungsanträge werden bei den jeweiligen Tagesordnungspunkten gesondert aufgerufen. Mir liegen keine Widersprüche zur vorgeschlagenen Tagesordnung vor. Damit gilt diese als festgestellt.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung mit dem ersten Thema auf:

AKTUELLE DEBATTE

Telemedizinische Assistenz (TMA) Rheinland-Pfalz – Wichtiger Schritt zur Zukunftssicherung der hausärztlichen Versorgung auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 17/13023 –

Für die antragstellende Fraktion spricht die Abgeordnete Anklam-Trapp.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die telemedizinische Versorgung gilt unabhängig von der aktuellen Corona-Krise als weiterer Baustein der Patientenversorgung, der insbesondere im ländlichen Raum die hausärztliche Versorgung sichern soll. Gerade mit Blick auf die starke Arbeitsbelastung der Hausärztinnen und Hausärzte und die Notwendigkeit, den Hausarztberuf attraktiver zu machen, ist eine fachliche, qualitative Patientenversorgung per Telemedizin von besonderer Bedeutung.

Die telemedizinische Assistenz ist dabei das entscheidende Bindeglied zwischen Patient und Hausarzt. TMA bedeutet, modern, innovativ und digital gestützt große ländliche Räume mit einer optimierten medizinischen Versorgung zu erreichen und die Patienten in den Vordergrund der Versorgung zu rücken.

Meine Damen und Herren, der aktuelle Start des Pilotprojekts in Rheinland-Pfalz erfolgte coronabedingt um zwei Monate verzögert. Die Schulung der 46 Fachkräfte hat aufgrund der Abstands- und Hygieneregeln diese kurze Verzögerung gerechtfertigt. Umso mehr freuen wir uns jetzt, dass aktuell in vier ausgewählten ländlichen Regionen, nämlich im Landkreis Alzey-Worms, in Bad Bergzabern/Dahn,

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Zufall!)

in Betzdorf/Kirchen/Wissen und in Daun, insgesamt 24 Hausarztpraxen mit bis zu 56 Ärztinnen und Ärzten sowie 46 geschulten TMA (Telemedizin-Assistentinnen und -Assistenten) teilnehmen.

Meine Damen und Herren, die Patientensicht möchte ich dabei besonders beleuchten; denn vor allem für viele chronisch kranke Menschen ist bereits der Weg zum Arzt und zurück nach Hause mit Anstrengungen, Aufregung und manchen Umständen verbunden. Vieles muss organisiert und bewältigt werden. Hinzu kommen Wartezeiten und die Sorge vor Ansteckung mit anderen Erkrankungen. All dies entfällt durch den Hausbesuch einer TMA. Zu Hause, in der gewohnten Umgebung, erhält der Patient durch nun vorhandene digitale Möglichkeiten eine bestmögliche Versorgung.

Wie funktioniert das konkret? Im Auftrag des Hausarztes besucht die TMA die Patienten zu Hause. Ausgestattet mit einem Tablet-PC und einer Internetverbindung zum Hausarzt hat die TMA die Möglichkeit, alle Vitalparameter zu prüfen und direkt in die Hausarztpraxis zu senden. Dazu gehören die Sauerstoffkontrolle im Blut mithilfe von Oximetern, eine Blutzuckermessung, um Diabetespatienten zu versorgen, eine Blutdruckmessung und eine Pulskontrolle, eine digitale Fieberkontrolle und sogar ein 12-Kanal-EKG, um Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu diagnostizieren.

Die Zeit für ein Gespräch mit dem Patienten ist dabei nicht minder wichtig und fließt in die Konsultation mit ein. Die TMA verschafft sich dabei Kenntnis über wichtige Parameter zum Allgemeinbefinden des Patienten. Ist der Patient

gut ansprechbar, bei gut versorgtem Ernährungszustand und ausreichend mit Flüssigkeit versorgt? Ist beispielsweise die Erkältung gut abgeklungen? Und vieles andere mehr.

All diese Befunde finden digital unmittelbar den Zugang zum behandelnden Hausarzt. Sollte es erforderlich sein, kann dieser direkt den telefonischen Kontakt suchen, intervenieren und beispielsweise in ein Krankenhaus einweisen oder eine fachärztliche Konsultation empfehlen.

Ein besonderes Alleinstellungsmerkmal in Rheinland-Pfalz ist im bundesweiten Vergleich die besondere Möglichkeit, ein Elektroauto zur Mobilitätssteigerung der TMA zu leasen. Davon haben immerhin zwölf Praxen Gebrauch gemacht. Besonders begrüße ich an dieser Stelle, dass sich alle gesetzlichen Krankenkassen an diesem Pilotprojekt durch zusätzliche Honorarzahlungen an die mitwirkenden Praxen finanziell beteiligen.

Mein besonderer Dank an dieser Stelle gilt Frau Dr. Barbara Römer aus Saulheim, die dankenswerterweise im Versuchsgebiet Alzey bereit ist, eigene Erfahrungen mit dem Projekt der TMA zu sammeln. Frau Dr. Römer ist die Vorsitzende des Hausärzteverbands Rheinland-Pfalz und hat unter CoronaBedingungen in den letzten Monaten gemeinsam mit ihren Fachkolleginnen und Kollegen, den Hausärzten, bereits viel für die Patientenversorgung geleistet, insbesondere in Bezug auf chronisch kranke Patienten. Umso mehr freut es mich, dass neue gemeinsame Wege gegangen werden und Frau Dr. Römer das rheinland-pfälzische Pilotprojekt so aktiv unterstützt.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach ihrer Meinung kann die TMA die hohe Arbeitsbelastung von Hausärztinnen und Hausärzten reduzieren und dabei die Versorgung der Patientinnen und Patienten verbessern.

(Glocke des Präsidenten)

Schließlich danke ich für die SPD-Fraktion Frau Ministerin Bätzing-Lichtenthäler für dieses innovative digitale Projekt in Rheinland-Pfalz, das – davon bin ich überzeugt – auch die Attraktivität des Hausärzteberufs steigern wird.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Für die CDU-Fraktion spricht die Abgeordnete Thelen.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin AnklamTrapp, ich konnte damit rechnen. Wir haben die Pressemel

dungen der Ministerin zum Start des Projekts gesehen und gelesen. Der Heilsbringer zur Rettung von Rheinland-Pfalz vor der drohenden hausärztlichen Unterversorgung scheint in Rheinland-Pfalz gefunden. Bravo!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich empfinde das als eine Art des Umgangs mit den Bürgerinnen und Bürgern, obwohl sie wirklich ein Anrecht auf einen fairen, klaren und wahren Umgang haben. Sie machen aus dem Problem der hausärztlichen Versorgung ein Miniproblem und machen weis, dieses könne tatsächlich durch eine telemedizinische Assistentin gelöst werden. Das geht gar nicht. Das geht wirklich gar nicht.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Das Projekt ist gut und wichtig. Wir brauchen jeden noch so kleinen Mosaikstein, um das auf uns zurollende dramatische Unterversorgungsproblem mit zunehmend aus der hausärztlichen Versorgung ausscheidenden Ärzten zu lösen. Es muss aber doch auch geklotzt werden, und genau dieses Klotzen haben Sie seit Jahren verweigert.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD)

Wir fordern schon lange, dass wir mindestens 200 zusätzliche Medizinstudienplätze brauchen, weil der Arzt, den ich nicht ausbilde, nachher auch nicht in die Praxis gehen kann. Diesem nützt dann noch nicht einmal die Telemedizin etwas; den gibt es nämlich gar nicht.

(Abg. Martin Haller, SPD: Mal gespannt auf Eure Deckblätter!)

Also bitte bleiben Sie realistisch. Bitte bleiben Sie realistisch.

Ich bin froh, dass sich 24 Hausarztpraxen gemeldet haben, um an diesem Projekt mitzuwirken, und die ihre Assistentinnen haben fortbilden lassen, damit sie mit den Geräten umgehen können. Auch hier bitte ich aber einmal um etwas mehr Ehrlichkeit.

In Nachbarbundesländern – ich rede zum Beispiel vom Westerwald, NRW – gab es die ersten Projekte vor über fünf Jahren. Wenn ich mich halbwegs richtig erinnere – ich habe versucht, es in OPAL herauszubekommen, hatte dazu aber nicht die Zeit –, haben wir das erste Mal vor fast zehn Jahren über telemedizinische Unterstützung diskutiert, 2012/2013, im Rahmen der Diskussionen darüber, was wir benötigen, um den Hausärztemangel in den Griff zu bekommen.

Jetzt haben wir im September 2020, kurz vor Ende dieser Legislaturperiode, ein Projekt, das schon vor fünf Jahren angekündigt und zu dem dann vor über einem Jahr propagiert wurde: Wir gehen an den Start, wir suchen Menschen. – Jetzt haben wir immerhin endlich ein Pilotprojekt. Also, der Berg kreiste und gebar eine Testmaus. Mehr haben wir hier noch nicht. Wir haben noch keine flächendeckende Versorgung des Landes Rheinland-Pfalz mit Telemedizin

Assistenten. Wir haben in vier Pilotprojekten 24 Praxen, die sich daran beteiligen.

Jetzt frage ich die Ministerin – sie wird nachher noch etwas dazu sagen –: Glauben Sie wirklich, dass TMA in der Lage sein wird, die Aufgabe einer Hausarztpraxis tatsächlich zu verhindern oder sie gar zu ersetzen?

Wir wissen, dass allein altersbedingt bis 2022 – das sind noch zwei Jahre – nach den Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) fast 60 % aller niedergelassenen Ärzte – Hausärzte, Fachärzte und Psychotherapeuten – altersbedingt aufhören werden. Altersbedingt! Bei den Hausärzten sind wir sogar bei 61 %.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, das ist mehr als jeder zweite Arzt. Überlegen Sie: Wie alt ist Ihr Hausarzt? Wie lange können Sie noch damit rechnen, bei ihm hoffentlich in Wohnortnähe behandelt zu werden?

Das sind die riesigen Probleme, vor denen wir stehen, meine Damen und Herren.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Deshalb möchte ich noch einmal wiederholen: Hier muss geklotzt und nicht gekleckert werden. Ich bin dankbar für den Klecks, keine Frage. Ich freue mich für jeden, der mitmacht, aber wir müssen klotzen. Wir brauchen Studienplätze, und letztlich brauchen wir die Internetverbindung im ländlichen Raum, damit die Telemedizin-Assistentin, wenn sie es braucht, auch Internet bekommt.

(Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD)

Vielen Dank.