Protokoll der Sitzung vom 16.09.2020

Vielen Dank.

(Beifall der CDU und bei der AfD – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Kein eigener Vorschlag! – Abg. Martin Haller, SPD: Wo sind die Deckblätter zu dieser Thematik?)

Für die AfD-Fraktion spricht die Abgeordnete Dr. Groß.

Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Abgeordnetenkollegen! Der Startschuss für das Pilotprojekt „Telemedizinische Assistenz Rheinland-Pfalz“ ist gefallen. Das ist eine gute Nachricht.

Im Rahmen des Pilotprojekts werden telemedizinische Assistenzkräfte Patienten zu Hause aufsuchen und mithilfe moderner telemedizinischer Ausrüstung – Blutdruck- und Blutzuckermessgeräte, Pulsoximeter, 12-Kanal-EKG etc. – verschiedene Vitalparameter digital erfassen, um diese mittels eines mitgeführten Tablets direkt an die teilnehmenden Hausarztpraxen weiterzuleiten. Der jeweilige Hausarzt

hat anschließend die Möglichkeit zur Sichtung der übermittelten Vitalparameter und kann mit den telemedizinischen Assistenzkräften bzw. Patienten in Kontakt treten. Das entlastet die Hausärzte und schafft Freiraum für die Behandlung anderer Patienten.

Es nehmen 24 hausärztliche Praxen mit 56 Hausärzten und 46 telemedizinischen Assistenzkräften in vier ländlichen Regionen teil. So viel in Kürze zu diesem Projekt. Ob die zusätzlichen, mit der telemedizinischen Assistenz einhergehenden Delegationsmöglichkeiten, einen – ich zitiere – „wichtigen Schritt zur Zukunftssicherung der hausärztlichen Versorgung“ darstellen, wie es der Titel der Aktuellen Debatte suggeriert, daran haben wir allerdings unsere Zweifel.

Der Titel verschleiert die jahrelange Untätigkeit der Landesregierung, frühzeitig und vor allem effizient für ärztlichen Nachwuchs zu sorgen. Die Erfolge, die etwa im Rahmen der Maßnahmen des Masterplans zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgung bisher erzielt werden konnten, sind mehr als überschaubar. Bei anderen Maßnahmen wie beispielsweise der Landarztquote, wie sie im Rahmen des Landesgesetzes zur Sicherstellung der ärztlichen Grundversorgung in Rheinland-Pfalz beschlossen wurde, werden sich erste Erfolge in gut elf Jahren zeigen.

Meine Damen und Herren, wir kennen das ganze Spektrum der ärztlichen medizinischen Leistungen, das Hausärzte zu erfüllen haben. Nur Hausärzte in ausreichender Zahl, die wir bald nicht mehr haben, können zur Zukunftssicherung der hausärztlichen Versorgung beitragen. Heute stehen wir vor der fast unlösbaren Aufgabe, gerade im Bereich der hausärztlichen Versorgung und in den ländlichen Regionen von Rheinland-Pfalz eine qualitativ hochwertige flächendeckende hausärztliche und bald auch fachärztliche Versorgung sicherzustellen. Daran werden aber die angesprochenen zusätzlichen Delegationsmöglichkeiten – so begrüßenswert sie auch sind – nicht viel ändern.

Zur Erinnerung: Allein der altersbedingte Nachbesetzungsbedarf im Bereich der hausärztlichen Versorgung bis 2024 beläuft sich nach Angaben der KV auf bis zu 57 % oder 1.554 Hausärzte. Berücksichtigt man Berechnungen, nach denen künftig zwei oder gar drei junge Ärzte erforderlich sein werden, um einen ausscheidenden Arzt zu ersetzen, liegt der altersbedingte Nachbesetzungsbedarf sogar deutlich höher.

Ich sage es ganz deutlich: Wir haben ernsthafte Zweifel, ob es gelingen wird, diesen Nachbesetzungsbedarf überhaupt annähernd zu befriedigen.

(Beifall der AfD)

Einer geringen Anzahl an Hausärzten steht dann eine alternde Bevölkerung gegenüber, die einen erhöhten Bedarf an medizinischen Leistungen hat und gleichzeitig viel weniger mobil ist. Sie alle kennen diese großen Herausforderungen.

Wenige Themen haben uns in dieser Legislaturperiode im Landtag so konstant und intensiv beschäftigt wie die Si

cherstellung einer qualitativ hochwertigen flächendeckenden ambulanten medizinischen Versorgung in unserem Land. Wenige Themen treiben die Bürger so um wie die Frage nach der Zukunft der hausärztlichen Praxis vor Ort. Das zeigen auch persönliche Gespräche, gerade mit älteren Bürgern und denjenigen aus den ländlichen Gebieten.

Viele Probleme in diesem Bereich waren absehbar. In den vergangenen Jahren ist hier schlichtweg zu wenig getan worden. Auch das muss gesagt werden, wenn wir heute über dieses Pilotprojekt sprechen. Hausärzte zu entlasten, ist richtig. Die Zukunft der hausärztlichen Versorgung selbst wird damit aber nicht gesichert, meine Damen und Herren.

(Beifall der AfD)

Auch das Pilotprojekt „Telemedizinische Assistenz Rheinland-Pfalz“ wird, bei allem Potenzial, erst zeigen müssen, ob es die hohen Erwartungen erfüllt.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. In der zweiten Runde mehr.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Wink.

Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer meine Reden in den letzten Jahren verfolgt hat, weiß, dass die FDP-Fraktion und auch ich schon immer ein Verfechter der Telemedizin waren. Umso mehr hat es uns und mich gefreut, dass im Landeshaushalt entsprechende Mittel für dieses Projekt eingesetzt wurden. Dafür sind die FDP-Fraktion und ich immer eingestanden. Wir haben das immer für nötig erachtet.

Doch am meisten freut es mich, dass ich hier heute stehen kann und noch einmal über dieses Thema in seiner Umsetzung sprechen darf. Ich bin den Koalitionspartnern dankbar, dass sie diese Haushaltsmittel damals mitgetragen haben. Ich bin auch der Ministerin dankbar, die diese Gelder verarbeitet. Man sieht, dass es erste Früchte trägt.

Wie kann man die medizinische Versorgung im ländlichen Raum in Teilen sicherstellen und zeitgleich Hausärzte entlasten? Die Antwort auf diese Frage liefert unter anderem das Pilotprojekt „Telemedizinische Assistenz RheinlandPfalz“. Das Ziel des Projekts ist es, die Ärzte durch telemedizinische Assistenzkräfte und spezielle Ausrüstung zu unterstützen und zu entlasten. In meiner Heimatregion, der Südwestpfalz, nehmen zwei Arztpraxen aus dem Dahner Felsenland teil.

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist somit ein wichtiger Aspekt zur Zukunftssicherung der hausärztlichen Versorgung. Weder die Kollegin Anklam-Trapp noch irgend

jemand vorher haben gesagt, dass dies das Allheilmittel wäre. Es ist nur ein wichtiger Aspekt für die Zukunft und deshalb auch ein Teil der Landarztoffensive, die auf den Weg gebracht wurde.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was unterscheidet Rheinland-Pfalz aber von anderen? Bundesweit gab es bereits viele telemedizinische Pilotprojekte, aber das rheinland-pfälzische TMA-Projekt zeichnet sich im bundesweiten Vergleich durch mehrere Alleinstellungsmerkmale aus. Die Förderung des Landes für das Leasen eines Elektroautos, um die Mobilität der TMA weiter zu steigern, wurde angesprochen. Man muss nicht weiter erläutern, dass hierdurch weitere positive Synergieeffekte entstehen. Mitwirkende Praxen haben darüber hinaus die Möglichkeit, das Technikpaket auf sie zugeschnitten individuell vor Ort nach ihren Vorstellungen zusammenzustellen. Sie haben dahin gehend die Freiheit und werden darin auch intensiv unterstützt und betreut.

Das Pilotprojekt richtet sich gezielt an Hausarztpraxen im ländlichen Raum. Alle gesetzlichen Kassen und deren Verbände unterstützen dies finanziell durch zusätzliche Honorarzahlungen an die mitwirkenden Praxen. Die Ärzteschaft und insbesondere der Hausärzteverband Rheinland-Pfalz unterstützen das Projekt tatkräftig. Frau Dr. Römer wurde bereits erwähnt.

An dieser Stelle möchte ich einen herzlichen Dank an alle, die dieses Projekt in seiner Vielfältigkeit möglich gemacht haben, aussprechen. Sie gestalten aktiv die Zukunft des Landes Rheinland-Pfalz. Doch wir stehen erst am Anfang der Möglichkeiten, die uns die Telemedizin bietet. Gerade in den letzten Monaten der Corona-Pandemie wurde uns allen vor Augen geführt, wie wichtig das Thema der Telemedizin ist, als große Einheit über die Videotelefonie mit dem Arzt, als räumliche Überbrückung der Diagnostik oder als Unterstützung in der Rehabilitation.

So werden auch die Versorgung und die Heilungsaussichten von Schlaganfallpatienten mit sogenannten Tele-StrokeUnits auf dem Land verbessert. Dies ist nur ein weiteres Beispiel, um zu zeigen, welche Möglichkeiten die Telemedizin mit sich bringt. Denken wir außerdem an die Diskussion über die sektorenübergreifende Versorgung, die Zusammenarbeit der Hausärzte mit Pflegezentren, Krankenhäusern, Seniorenheimen und wie sie alle heißen und über diese Behandlung Hand in Hand, Zahn in Zahn.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich freue mich, dass alle beteiligten Akteure so hinter diesem Projekt in Rheinland-Pfalz stehen und dies voranbringen. Wichtig wird nun sein, dieses Pilotprojekt so weit zu bringen, dass daraus eine dauerhafte Live-Version werden kann. Lassen Sie uns weiter den Weg zur Gesundheitsversorgung von morgen gehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Kollegin Binz.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner und Vorrednerinnen haben es gesagt: Seit Jahren diskutieren wir im Landtag das Problem der hausärztlichen Versorgung, vor allem im ländlichen Raum. Es wurde immer wieder zu Recht beklagt, dass es zu wenige Ärztinnen und Ärzte gibt, die sich auf dem Land niederlassen, und diejenigen, die das tun, können und wollen nicht mehr die Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit der alten Landärzte gewährleisten.

Die Folge sind immer weitere Wege zur nächsten Arztpraxis für die Menschen auf dem Land. Wir haben viele verschiedene Lösungsansätze für dieses Problem diskutiert und auch schon einige umgesetzt – der Kollege Wink hat es gerade angesprochen –, darunter nicht zuletzt die Landarztquote, aber auch die Erhöhung der Zahl der Medizinstudienplätze.

Heute diskutieren wir aber eine Maßnahme, die aus unserer Sicht sicherlich mit eine der effektivsten sein kann; denn sie setzt da an, wo der Bedarf am dringendsten ist, nämlich bei der Überbrückung der Distanz von der Arztpraxis zu den Patientinnen und Patienten. Gerade für ältere und chronisch kranke Menschen ist es in vielen Gegenden oft schwierig, in weit entfernte Praxen zu kommen, vor allem mit dem ÖPNV. Diesen Menschen kommen die neuen TMA nun buchstäblich entgegen.

Sie entlasten außerdem die Ärztinnen und Ärzte in ihrer Arbeit, indem diese nur noch in den Fällen, in denen wirklich ein Arztkontakt notwendig ist, eingreifen müssen; denn in vielen Fällen handelt es sich um Routineuntersuchungen, die auch eine medizinisch gut ausgebildete nicht ärztliche Fachkraft ausführen kann, entweder ganz ohne den Arzt oder die Ärztin einzubeziehen oder durch eine nachträgliche Begutachtung oder in den seltensten Fällen durch eine Live-Zuschaltung des ärztlichen Personals.

Gerade in Zeiten von Corona ist es außerdem ein zusätzlicher Vorteil, wenn Patientinnen und Patienten nicht alle in die Praxis kommen, sondern vor allem diejenigen mit Grippe- oder Erkältungssymptomen zu Hause behandelt werden können. Dank Corona haben schon viele Menschen gute Erfahrungen mit Videosprechstunden gemacht. Auch in der älteren Bevölkerung konnten so Hemmschwellen abgebaut werden. Die Verbindung dieser technischen Hilfsmittel mit der menschlichen Komponente des althergebrachten Hausbesuchs stellt den Charme der TMA dar.

Es freut uns natürlich auch, dass 14 von 24 teilnehmenden Arztpraxen davon Gebrauch machen, ein Elektrofahrzeug zu leasen. Das zur Verfügung gestellte E-Auto kann auch

Werbeträger für die Umstellung von fossilen Kraftstoffen auf den Elektroantrieb werden, indem es zeigt, dass das auch im ländlichen Raum funktioniert. Dies kann in späterer Zeit ein Anstoß für andere sein, sich an der Stelle umzustellen.

Sehr erfreulich ist auch die breite Unterstützung des Projekts durch alle Krankenkassen, die ärztlichen Selbstverwaltungsorganisationen und die Patientenorganisationen. Das ist aus unserer Sicht eine wichtige Voraussetzung dafür, dass das Projekt gelingen kann. Auch die technische Begleitung des Projekts durch das Zentrum für Telemedizin Bad Kissingen ist essenziell.

Das telemedizinische Assistenzprogramm wertet also auch die nicht ärztlichen Assistentinnen und Assistenten weiter auf. Das macht diese Berufe attraktiver für die Zukunft. Die medizinische Versorgung im ländlichen Raum können in Zukunft nicht allein die Landärztinnen und Landärzte stemmen. Das funktioniert in Zukunft nur in einer Teamlösung mit einem oder mehreren Ärztinnen und Ärzten, aber auch nicht ärztlichen Assistentinnen und Assistenten, die mit dem TMA-Projekt jetzt stärker auf Augenhöhe agieren können.

Andererseits wird durch diese Unterstützung auch für werdende Ärztinnen und Ärzte die Tätigkeit auf dem Land wieder attraktiver, wenn sie nicht mehr wie im klassischen Modell des Landarztes alle Last auf ihren Schultern tragen, sondern die Versorgung im Team mit ihren nicht ärztlichen Assistenzkräften gemeinsam gewährleisten können.

Das macht dieses Projekt zu einem sehr wichtigen Baustein in der hausärztlichen Versorgung im ländlichen Raum. In diesem Sinne sind wir sehr gespannt auf die weitere Entwicklung dieses Projekts und freuen uns natürlich schon auf die ersten Ergebnisse.

Vielen Dank.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Für die Landesregierung spricht Staatsministerin BätzingLichtenthäler.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir freuen uns, dass zum 1. September dieses Jahres das Pilotprojekt „Telemedizinische Assistenz RheinlandPfalz“ an den Start gegangen ist. Liebe Frau Kollegin Thelen, ich freue mich auch, dass Sie die Auftaktveranstaltung mitverfolgt und unsere Pressemitteilungen aufmerksam gelesen haben.