Protokoll der Sitzung vom 05.10.2016

(Abg. Hedi Thelen, CDU: Negative Erfahrungen!)

der totalitären Systeme, die sich auf Karl Marx berufen haben, wie aber auch der faschistischen Diktatur. Insofern zielt die Bundesrepublik Deutschland, zielt das Grundgesetz unserer Bundesrepublik Deutschland nicht auf einen irgendeinen ästhetischen Idealismus, wie er Karl Marx vorgeschwebt hat, sondern das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland baut auf den Idealen einer offenen Gesellschaft auf.

(Beifall der CDU)

Sie baut auf einem ständigen Miteinander von Versuch und Irrtum auf und darauf, dass wir alle, wie wir hier sitzen in einem Parlament, nicht genau wissen, was richtig und falsch ist, sondern wir uns bemühen und es ausprobieren müssen und den Mut haben müssen, wenn wir erkennen, dass ein Schritt in die falsche Richtung gegangen ist, diesen Schritt wieder zu korrigieren. Das ist nicht Marx, das ist Popper, das ist nicht 19. Jahrhundert, das ist 20. Jahrhundert, das ist die Erfahrung der totalitären Regime.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese offene Gesellschaft ist ein starkes Fundament. Die DDR-Diktatur in Deutschland ist gefallen, das Grundgesetz hat Bestand. Unsere Geschichte – ich komme zurück auf meinen ersten Satz – in Deutschland, die DDR-Diktatur, ist ohne Wissen und Nachdenken über Marx nicht zu verstehen. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir diese Ausstellung haben. Es ist kein Freibrief, um Steuermittel großartig zu verausgaben. Sie kennen mich gut genug, um zu wissen, dass wir sehr genau hinschauen. Es ist auf jeden Fall der Anlass, dass wir uns in Rheinland-Pfalz kritisch mit dem Werk von Karl Marx auseinandersetzen können und wir dann ein Stück weit unsere deutsche Geschichte verstehen lernen.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Christian Baldauf, CDU: Bravo!)

Für die FDP-Fraktion spricht Frau Abgeordnete Lerch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zum 200. Geburtstag von Karl Marx richtet das Museum Trier im Geburtshaus von Karl Marx eine neue Dauerausstellung ein und knüpft damit in der Tradition an die großen Erfolge der Ausstellung „Konstantin“ und „Nero“ an. Was die Besucherzahlen anbelangt, so haben wir bereits jetzt schon beachtliche Besucheranteile auch bei diesen Ausstellungen aus der Volksrepublik China.

Diese neue große Landesausstellung würdigt Leben und Werk von Karl Marx als Philosoph und Ökonom. Die Ausstellung wird zu einem politisch-historischen Lernort entwickelt, ein Ort der Information und der kritischen Auseinandersetzung verknüpft mit zahlreichen Bildungsangeboten.

Der Besucher erfährt etwas über die Person Karl Marx, seine Familie, sein Werk und die geschichtliche Einbettung seines Schaffens, das Strahlkraft bis in unsere heutige Zeit hat. Die Ausstellung, an der neben der Stadt Trier das Land Rheinland-Pfalz, die Friedrich-Ebert-Stiftung und das Bistum Trier beteiligt sind, wird für die Stadt Trier und die gesamte Region ein Plus werden. Der Aspekt des Tourismus wurde vielfach von meinen Vorrednern erwähnt.

Hochkarätige Wissenschaftler werden die Ausstellungskonzeption entwickeln. Das Ausstellungsbudget beläuft sich auf insgesamt 5,6 Millionen Euro. Davon trägt das Land 4,2 Millionen Euro. Wenn wir heute von einem vermeintlichen Erlös von 4 Millionen Euro sprechen, zeigt sich, dass hier eine gute finanzielle Grundausstattung gegeben ist und sich das Defizit hoffentlich in Grenzen halten wird. Hier sind noch nicht die wirtschaftlichen Erlöse eingerechnet, die die Stadt Trier profitabel davontragen wird. Natürlich sind 4,2 Millionen Euro kein Pappenstil.

Meine Damen und Herren von der AfD, dies ist sicherlich keine Investition in eine Weihestätte des Marxismus. Vielmehr soll hier ein Ort der kritischen Auseinandersetzung mit einem Denker entstehen, der sicher auch nicht in die Ahnengalerie des Liberalismus gehört. Aber auch wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Karl Marx in die Reihe bedeutender Rheinland-Pfälzer gehört. Wir können ihn nicht einfach negieren, weil wir viele seiner Auffassungen nicht teilen.

Die FDP-Fraktion hofft, dass mit dieser Ausstellung ein weiterer Mosaikstein zur Bereicherung der Kulturlandschaft unseres Landes gesetzt wird. Für wichtig halten wir auch die Tatsache, dass es beim Setzen dieses Mosaiksteins zu einer europäischen Zusammenarbeit kommen wird, schließlich waren Brüssel und London ebenso Orte seines Schaffens wie Trier.

Ich möchte an dieser Stelle konkret auf meinen Vorredner von der AfD eingehen. Ich bin nicht froh, dass Sie uns hier ein Proseminar gegeben haben; denn in einem Proseminar erwarte ich richtige Informationen.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Paul, Sie versuchen, Marx zu interpretieren. Sie zitieren die geistige Kriegsmaschine und einige aus dem Zusammenhang gerissene Vokabeln und Sätze. Sie bringen die Geschichte der Sowjetunion einzig und allein mit Marx in Verbindung, wo wir doch genauso Lenin und Stalin erwähnen müssten. Ich sage Ihnen, Karl Marx würde sich im Grab umdrehen, wenn er wüsste, was Lenin aus seinen Ideologien gemacht hat.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Karl Marx hat die Arbeitswelt in seiner Zeit beschrieben. Das war die Zeit der Industrialisierung. Einige der Erkenntnisse, die er bezüglich der Entfremdung von der Arbeit hatte, sind Dinge, die auch heute noch Strahlkraft haben.

Meine Damen und Herren, ich glaube, damit genügend begründet zu haben, weshalb diese Ausstellung im Jahr 2018 sinnvoll ist und auch vom Land Rheinland-Pfalz entsprechend Unterstützung finden sollte.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Gäste auf der Zuschauertribüne begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Geschwister-Scholl-Schule, Berufsbildende Schule Saarburg/Hermeskeil. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Lemke das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Herr Paul, das war kein Proseminar. Sie versuchen, wieder spekulativ zu werden und eine Geschichte zu stricken, die die Landesregierung in ein Licht rücken soll, dass sich die Landesregierung und wir uns alle direkt hinter die Aussagen von Karl Marx stellen. So etwas ist gefährlich. Ich bin dem Kollegen Schreiner für seine Aussagen zu Karl Popper dankbar, die noch einmal zeigen, wie wir uns alle verstehen, nämlich im Sinne eines neuen Jahrhunderts, einer neuen Denke.

Wir wissen, die Dinge, die wir versuchen, politisch durchzusetzen, sind die Lösungen, die sich jetzt situativ als für uns richtig erweisen und in der späteren Betrachtung möglicherweise anders aussehen könnten. Frau Lerch hat auch das Richtige gesagt.

Ich möchte deswegen an dieser Stelle einmal Karl Marx zitieren, was er zur spekulativen Kommunikation sagt. Das ist aufschlussreich. „Der reale Humanismus hat in Deutschland keinen gefährlicheren Feind als den Spiritualismus oder den spekulativen Idealismus, der an die Stelle des

wirklichen individuellen Menschen das ,Selbstbewusstsein‘ oder den ,Geist‘ setzt. (...) Es versteht sich, dass dieser fleischlose Geist nur in seiner Einbildung Geist hat. Was wir in der Bauerschen Kritik bekämpfen, ist eben die Karikatur sich selbst reproduzierender Spekulation. Sie gilt uns als der vollendete Ausdruck des christlich-germanischen Prinzips, das seinen letzten Versuch macht, indem es ,die Kritik‘ selbst in eine transzendente Macht verwandelt.“

Das ist aus der Vorrede zu „Die heilige Familie“ von Karl Marx. Ich glaube, allein dieses Zitat sagt uns schon, Vorsicht, vielleicht sprecht ihr darüber, was ihr einmal tut; denn Karl Marx schrieb als bedeutender Philosoph, Ökonom, Gesellschaftstheoretiker, politischer Journalist und Protagonist einen historisch wichtigen Beitrag für die Bewegung der Arbeiter, die unter den verheerenden Arbeitsverhältnissen des Manchester-Kapitalismus nicht selten ihr Leben lassen mussten.

Karl Marx feiert seinen 200. Geburtstag. Die Ausstellung „Karl Marx 1818 – 1883. Leben. Werk. Zeit.“ ist für ein breites Publikum geöffnet, um diese bedeutenden Arbeiten des Philosophen in einem kulturellen Beitrag angemessen und auch kritisch wahrnehmen zu können und zu diskutieren. Im Landesmuseum wird der Schwerpunkt auf dem Werk liegen, und zwar entlang seiner Hauptlinien, dem Kommunistischen Manifest, der Kritik der politischen Ökonomie und natürlich am Kapital.

Zentrale Schlagworte sollen erläutert werden. Bilder und Installationen sollen das Entstehen der Werke in die Zeit einbetten und auch die persönlichen Schicksalsschläge von Karl Marx selbst, der fünf von seinen sieben Kindern verloren hat, nur um ein typisches Zeichen der Zeit zu zeigen, und die Triebkraft der Industrialisierung, also einer Gesellschaft im Wandel, zeigen. Heute ist es die Digitalisierung. Damals war es die Eisenbahn. Also geht es auch um Claude Monets Bild „Bahnhof Saint-Lazare“, um genau das zu zeigen, wie sich eine Ökonomie und eine Gesellschaft in der industriellen Revolution verändert. Wir haben gerade im letzten Tagesordnungspunkt über Veränderungen gesprochen.

Darum werden weitere 400 Exponate die Ausstellung im Landesmuseum ergänzen und deswegen viel Anlass zur Diskussion um Veränderungen in Gesellschaften bieten. Das Besondere ist, dass viele mitmachen. Damit meine ich die Gesellschaft, angefangen vom Bischöflichen Domund Diözesanmuseum, dem Theater Trier, den Galerien, den Hochschulen, den Schulen und den Vereinen. Jeder hat sicherlich eine eigene Betrachtung, wie sich die Veränderung abspielt.

Dass wir uns durchaus nicht allein mit Rheinland-Pfalz und Trier als Geburtsstadt dieser Figur Karl Marx sehen, zeigt, dass die Geburtsstadt Trier eine wichtige Rolle spielt. Aber auch Bonn, Berlin, Köln, Paris, Brüssel und London waren Stationen im Leben von Karl Marx, die im Zeitgeschehen betrachtet werden und auch eine Rolle spielten.

Warum sage ich dies? Ich sage es, weil wir zeigen, dass wir über die Person Karl Marx einen kulturpolitischen Hotspot bilden können, der für viele eine große Strahlkraft hat, für das Land Rheinland-Pfalz allemal, und wir nicht nur mit der Großregion und den Nachbarländern innerhalb

Europas, sondern durch die genannten Stationen auch mit Großbritannien, den USA und China eine Anlaufstelle zur Diskussion über diese Themen der Veränderung und auch der Demokratie in einer Zeit wie jetzt eine Einladung bieten können, diese Diskussion zu führen.

(Glocke des Präsidenten)

Diese ist gerade in dieser Zeit wichtig. Lassen Sie uns alle miteinander sehr politisch sein. Lassen Sie uns auch die Karl Marx-Ausstellung dafür als Anlass nehmen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Für die Landesregierung hat Herr Staatssekretär Professor Dr. Barbaro das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die bis heute anhaltende Bedeutung des Werkes von Karl Marx wird schon darin deutlich, dass zwei seiner bekanntesten Schriften vor gerade einmal drei Jahren in das Weltdokumentenerbe, zum „Gedächtnis der Menschheit“, der UNESCO aufgenommen wurden.

Es ist davon auszugehen, dass das Jubiläum 2018 weltweit Beachtung finden wird. Daher haben die Verantwortlichen der Stadt Trier und der Landesregierung beschlossen,

dass im gesamten Jahr 2018 in Trier eine kritische Auseinandersetzung mit dem Leben und Werk von Karl Marx stattfinden soll,

dass es als Kern des Jubiläumsprogramms eine auf zwei Häuser aufgeteilte gemeinsame Ausstellung zu Leben, Werk und Zeit von Karl Marx geben soll, und

dass dazu eine Ausstellungsgesellschaft gegründet werden und diese die Ausstellung durch Fachleute vorbereiten und gestalten lassen soll.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung, die für das Karl-Marx-Haus in Trier zuständig ist, wurde ebenso als Kooperationspartner für dieses Projekt gewonnen wie das Bistum Trier.

Die Universität und verschiedene Bildungs- und Kultureinrichtungen in Trier werden sich ebenfalls aktiv beteiligen. Die Ausstellung im Landesmuseum und im Stadtmuseum Simeonstift ist also als ein Teil eines umfangreichen Ganzjahresprogramms in Trier zu Karl Marx zu verstehen.

Die Ausstellung im Landesmuseum und im städtischen Museum konzentriert sich auf das Leben und das Werk von Marx in seiner Zeit und damit auf das 19. Jahrhundert; denn wie alle Menschen war Karl Marx ein Kind seiner Zeit und reagierte auf die Entwicklungen seiner Epoche: als Beobachter, als Journalist, als Ökonom oder auch als Philosoph, dessen politisches Denken sich insbesondere

nach dem Verbot der Rheinischen Zeitung 1843 radikalisierte, wie es Walter Euchner formulierte.