Protokoll der Sitzung vom 06.10.2016

Dasselbe gilt übrigens für Alleinerziehende. Sie schultern eine Doppelbelastung. Sie sind in vielen Fällen sowohl für die Erzielung des Einkommens als auch für die Erziehung der Kinder zuständig. In der Regel sind das die Frauen. Statt sie steuerlich besserzustellen und ihnen Freiheit zu geben, selbst zu entscheiden, wie sie ihren Alltag gestalten, wie viel Zeit sie mit ihren Kindern verbringen, hat stattdessen ein SPD-geführtes Justizministerium das Unterhaltsrecht 2008 so geändert und so verschärft, dass nach einer Scheidung keinerlei eheliche Solidarität mehr zählt.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sollen wir das jetzt im Land machen? Was machen Sie denn in Berlin? Warum machen Sie es denn nicht?)

Die Folge ist, dass viele, in der Regel Frauen, in einem ständigen Spagat zwischen Familienarbeit, Erziehung und Erwerbstätigkeit sind.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie beschweren sich jetzt über die CDU!)

Die Folge ist der Hartz-IV-Bezug. Die Probleme des Unterhaltsrechts wurden in Ihrem Antrag überhaupt nicht the

Meine Damen und Herren, Bildung ist für uns der entscheidende Faktor für den Aufstieg.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Machen wir mit! – Abg. Astrid Schmitt, SPD: Deswegen ist sie in Rheinland-Pfalz gebührenfrei!)

Es geht darum, echte und faire Bildungschancen zu geben. Aber an dieser Stelle versagen Sie seit Langem. Der Unterrichtsausfall gerade an den berufsbildenden Schulen ist eine Katastrophe.

(Beifall der CDU)

Das sind doch die Aufsteigerschulen schlechthin. Gerade auch in den berufsbildenden Schulen haben viele junge Menschen die letzte Chance, noch einen Abschluss zu bekommen. Gerade diese Schulen lassen Sie im Stich. Die Bildungsqualität wird seit Jahren vernachlässigt. Insbesondere Ausbildungsbetriebe, aber auch die Hochschulen sagen doch, dass wichtige Grundfähigkeiten nicht mehr gegeben sind. Das ist schwierig. Das erschwert den Aufstieg gerade bei Kindern und jungen Menschen, die aus armen Verhältnissen kommen, die aus schwierigen Verhältnissen kommen, wo die Eltern diese Bildungsversäumnisse in den Schulen nicht kompensieren können. Das ist das Problem.

Meine Damen und Herren, das gilt im Übrigen auch für die Kindertagesstätten. Seit Jahren diskutieren wir hier. Wir fordern eine Neuerung des Kita-Gesetzes ein. Sie haben das jetzt angekündigt. Wir sind gespannt, ob Sie sich wagen, wirklich an den entscheidenden Faktor heranzugehen, dass Sie nämlich die Betreuungsrelation angehen. Da sind wir sehr, sehr gespannt.

Ich will zum Schluss kommen. Wir brauchen eine stärkere steuerliche Berücksichtigung der Kinder. Wir brauchen ein höheres Kindergeld. Wir brauchen eine verbesserte Anerkennung der Familienarbeit. Wir brauchen bessere und echte Bildungschancen, und wir brauchen eine echte Unterstützung von Alleinerziehenden, anstatt sie mit einem unfairen Unterhaltsrecht weiter unter Druck zu setzen.

(Beifall der CDU und der AfD)

Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Dr. Böhme.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete, liebe Gäste und ganz speziell zu diesem Thema sehr geehrte Landesregierung! Ich brauche nicht alles wiederholen, was vorher gesagt wurde. Aber dass in Rheinland-Pfalz wie in Deutschland insgesamt immer mehr Armut und vor allem auch Kinder- und Jugendarmut vorhanden ist, ist ein Ergebnis der verfehlten Politik von Rot-Grün und ein Skandal zugleich.

(Beifall der AfD)

Und auch wenn Ihnen die eigenen Koalitionsparteien den Gefallen tun, mit einem Gefälligkeitsantrag Ihre Politik der Symptombekämpfung zu bejubeln, so bleibt doch der Fakt bestehen, dass Sie nun genau das bekämpfen müssen, was Sie und Ihre Parteikollegen im Bund durch eine falsche Politik in den letzten Jahrzehnten selbst verursacht haben.

(Beifall der AfD)

An dieser Stelle dürfen sich auch die Kollegen der CDU angesprochen fühlen, welche in ihrem Alternativantrag die Programmpositionen der AfD kolportieren. Und natürlich besteht kein Zweifel daran, dass im Bereich der Kinderund Jugendarmut Handlungsbedarf besteht. Betrachtet man die Bertelsmann-Studie, auf die sich hier bezogen wird, so ist neben der Tatsache, dass die Kinderarmut stark gestiegen ist, besonders zu berücksichtigen, dass vor allem die jüngsten Kinder stark von Armut betroffen sind, was neben einer gescheiterten Sozialpolitik auch als Beleg einer gescheiterten Familienpolitik anzusehen ist.

(Beifall der AfD)

Doch wenn Sie nicht aufhören, Armut und Bildungsferne in Massen nach Deutschland und Rheinland-Pfalz und damit in unsere Sozialsysteme zu importieren, gerät Ihre Politik zu einem Hase- und Igel-Spiel.

(Zurufe von der SPD)

Die Armut ist dann immer schon da, wenn der Hase Ihrer Symptombekämpfung hinterhergehetzt kommt.

(Beifall der AfD)

Es wirkt zudem wie ein politischer Offenbarungseid, wenn Sie in Ihrem Antrag schreiben, dass armen Menschen gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht und die Wirkung ihrer Armut minimiert werden soll. Sie haben also die Massenarmut unter Kindern und Jugendlichen längst akzeptiert und verteilen nur noch Almosen.

(Beifall der AfD)

Selbst der gebührenfreie Kindergarten ab zwei Jahren für alle Kinder muss vonseiten der Kommunen mit neuen Schulden finanziert werden, was letztendlich heißt, dass die Kinder, die hier angeblich gebührenfrei betreut werden, ihre Betreuung zu Teilen selber zahlen werden in der Zukunft mit Zins und Zinseszins. Und das ist sozial gerecht, Frau Ministerpräsidentin, richtig?

(Beifall bei der AfD)

Die AfD-Fraktion wird daher nicht müde werden, auf fast allen Politikfeldern, seien es Familie, Bildung, Steuer oder Zuwanderung, eine Wende hin zu Sinnhaftigkeit und Realität zu fordern zum Wohle unserer Kinder.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Wink das Wort.

Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Eine der größten Aufgaben unserer Zeit ist es, allen Kindern und Jugendlichen gerechte Chancen zu bieten. Dass sich die Ampelkoalition dieser Aufgabe stellt, zeigt Ihnen der vorliegende Antrag, der auch den von unserer Fraktion bevorzugten Lösungsweg aufzeigt. Als Papa kann ich sagen, Chancengerechtigkeit muss im jüngsten Alter beginnen. Uns Freien Demokraten ist Bildung nach Ralf Dahrendorf ein Bürgerrecht und somit gebührenfrei.

(Abg. Martin Haller, SPD: Sehr gut!)

Wir stehen auch zur gebührenfreien Kita ab dem zweiten Lebensjahr und wollen gemeinsam mit unseren Ampelpartnern die frühkindliche Bildung in Rheinland-Pfalz zur besten in Deutschland machen.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So ist die frühe Förderung musischer und motorischer Fähigkeiten doch schon dafür da, Kindern im jungen Alter ihre Talente aufzuzeigen. Frühkindliche Bildung ist also kein abgehobenes Thema für die Oberschicht unserer Gesellschaft, nein, gebührenfreie frühkindliche Bildung eröffnet allen Kindern einen guten Start in die individuelle und fähigkeitsorientierte Bildungskarriere.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ebenso wichtig ist dadurch der stetige Ausbau von Ganztags-Kitas und Ganztagsschulen, um Erwerbstätigen zu ermöglichen, Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Besonders für alleinerziehende Frauen und Männer ist das elementar. Deshalb unterstützt die Ampelkoalition auch die Förderung von Projekten zur Wiedereingliederung von Alleinerziehenden in den ersten Arbeitsmarkt. Damit aber von dem verdienten Geld etwas übrig bleibt, muss sich die Steuergesetzgebung ändern. Daher bitten wir die Landesregierung, sich auf der Bundesebene für die Behebung steuerlicher Nachteile für Alleinerziehende, Unverheiratete, zusammenlebende Paare mit Kindern und kinderreiche Familien einzusetzen.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns in diesem Hause in dem Ziel, jedem jungen Menschen orientiert an seinen Fähigkeiten und Lebensplänen berufliche und/oder akademische Bildung zu ermöglichen, einig; denn Aufstieg kann nur durch Bildung erfolgen. In einem Land voll mit qualifizierten Menschen sinkt die Kinder- und Jugendarmut. Um aber die Entwicklung der Armut und des Reichtums in Rheinland-Pfalz möglichst genau und zeitnah zu beobachten, benötigen wir auch eine Weiterentwicklung der Berichtsgrundlage. Wir danken der Bertelsmann-Stiftung und der OECD für ihre regelmäßigen Berichte, sehen den

noch Handlungsbedarf und bitten die Landesregierung, auch hier gemeinsam mit Unternehmen, Sozialverbänden und Gewerkschaften im Land über die Möglichkeiten der Datenerhebung in Gespräche einzutreten.

Abschließend sei mir noch eine Bemerkung erlaubt. Es ist zu beobachten, dass Sozialpolitik zunehmend zur Klientelpolitik wird. Ich bin froh, dass deshalb die Zusammenarbeit in der Ampelkoalition auch im sozialpolitischen Bereich hervorragend funktioniert und es unseriöse Gefälligkeitsprojekte wie die vorhin schon genannte Mütterrente mit uns nicht geben wird.

(Beifall der FDP und bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch wir freuen uns auf die hoffentlich konstruktive Zusammenarbeit im Ausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Abgeordneter Köbler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! 1.931.474 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren leben in Deutschland in Armut bzw. erhalten Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Das sind 52.000 Kinder mehr als noch 2011 und bedeutet, dass 14,7 % unserer Kinder und Jugendlichen in Deutschland in Armut leben und die Familien von einem hohen Armutsrisiko betroffen sind. Das ist in den letzten Jahren auch schon gestiegen, und das – das ist gesagt worden – trotz guter wirtschaftlicher Lage, trotz guter Steuereinnahmen, trotz guter Lage am Arbeitsmarkt.

Meine Damen und Herren, wenn in einer solchen Gesellschaft es jetzt wieder festgestellt wurde, dass Kinder zu bekommen das Armutsrisiko Nummer 1 ist, dann ist das im wahrsten Sinne des Wortes ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft. Es ist für mich und, glaube ich, für viele hier im Hause die größte gesellschaftspolitische Zukunftsherausforderung für ein Gerechtigkeitsversprechen in unserem Land, dass Kinder nicht mehr das Armutsrisiko Nummer 1 in Deutschland sein dürfen.