Protokoll der Sitzung vom 26.01.2017

Außerdem begrüße ich Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses Sozialkunde der 11. Jahrgangsstufe des Gauß-Gymnasiums Worms. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Roth das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der gestrigen Debatte hier im Hohen Haus möchte ich mich direkt an Sie, Herr Junge, und die Damen und Herren der AfD-Fraktion wenden. Sie verstehen es immer wieder, durch kleine Inszenierungen die Aufmerksamkeit auf sich und Ihre Truppe zu lenken.

Ihr etwas unkoordinierter Ausflug zum Überstundenabbau gestern in die Raucherecke während der Debatte war doch

nichts anderes als der erneute Versuch, wieder einmal ein bisschen Aufmerksamkeit für sich zu generieren.

Was uns die Mitglieder Ihrer Fraktion hier im Plenum zeigen, was Sie hier abziehen, folgt zudem immer dem gleichen Muster. Sie provozieren, sie distanzieren sich dann halbherzig. Dann versuchen Sie, von den Berichterstattungen zu profitieren. Werte Kolleginnen und Kollegen, dieses Muster kennt inzwischen jeder.

In dieses Muster passt auch das, was Sie und Ihre Freunde vom rechten Rand am vergangenen Samstag in Koblenz inszeniert haben. Auf den Inhalt der Veranstaltung möchte ich hier gar nicht eingehen. Außer dem bei Ihnen üblichen Mix aus geschmacklosem Revisionismus, verirrten Vergleichen der EU mit der ehemaligen Sowjetunion, den in Ihren Kreisen üblichen Verschwörungstheorien und ein paar Heroen des europäischen Rechtsextremismus haben Sie hier nichts geboten. Kurzum, es hätte auch einer der Ihnen gut bekannten Wahrheitskongresse des Kopp-Verlages sein können, was Sie am vergangenen Samstag veranstaltet haben.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Er kennt sich aus!)

Tiefe Einblicke in das wahre Seelenleben Ihrer Partei gibt aber der Umgang mit der Presse an diesem Tag. Ihr Parteifreund Pretzell – wir haben vorhin den Namen schon mehrfach gehört – verkündet stolz über Twitter, dass die, wie Sie es genannt haben, GEZ-Medien keinen Zugang zum Kongress von Ihnen und Ihren Gesinnungsgenossen vom ENF bekommen würden. Dazu schließen Sie weitere angesehene Medien von der Veranstaltung aus und behindern eine freie Berichterstattung über den obskuren Kongress.

Ein Journalist des Redaktionsnetzwerks Deutschland wurde gar des Saales verwiesen, weil er Fragen zum AfDVerständnis der Pressefreiheit gestellt hat. Fragen seien verboten, so die Begründung für den Rauswurf. Nachlesen können Sie das übrigens im „Göttinger Tageblatt“.

Was Sie von der Pressefreiheit halten, ist hinlänglich bekannt. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das hohe Gut der Pressefreiheit ist zu wichtig und zu bedeutsam, als dass ich mich jetzt hier weiter an den durchschaubaren taktischen Spielchen der AfD abarbeiten möchte.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Schade!)

Eine freie Presse ist Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie. Selbstverständlich freuen wir uns auch nicht immer über Artikel in der Zeitung oder Beiträge im Fernsehen; denn niemand liest gern kritische Berichte über sich selbst oder über sein Handeln. Aber das gehört nun einmal dazu. Das müssen wir, die in der Öffentlichkeit sind und in diesem Hohen Hause vertreten sind, auch aushalten. Meinungspluralismus ist ein wesentliches Merkmal des liberalen Rechtsstaates und einer freien Gesellschaft.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, eben für diese Gesellschaft, in der Journalisten ohne Angst vor Repressionen schreiben

und berichten können, in der Meinungsbildung über die Vielfältigkeit der freien Medien geschieht, kämpfen wir, die Freien Demokraten. Ich bin sicher – wir haben es vorhin gehört –, dazu stehen auch die Kolleginnen und Kollegen von SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD, der CDU und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung spricht die Ministerpräsidentin.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen Abgeordnete! Gestern hatten wir hier im Parlament den ersten Eindruck über Ihr Verständnis zum Thema Rechtsstaatlichkeit, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der AfD. Ich kann nur noch einmal mit Rückblick auf gestern sagen, das hat nichts mit unserer Verfassung zu tun. Das hat auch nichts damit zu tun, wie wir Rechtsstaatlichkeit in unserem Staat verstehen.

Heute – das ist nicht das erste Mal, das möchte ich auch sagen – reden wir über das Thema Pressefreiheit und Freiheit der Berichterstattung. Das, was man von Ihnen in den letzten Wochen vernommen hat, hat nichts damit zu tun, was unser Artikel 5 Grundgesetz zur Pressefreiheit und der Freiheit der Berichterstattung sagt.

Das Bundesverfassungsgericht hat 1966 festgestellt, dass die Pressefreiheit ein Wesenselement des freiheitlichen Staates ist. Damit vereinbar ist nicht, dass man Journalisten ausgrenzt, man zensiert, man bestimmt, wer kommen darf und wer nicht kommen darf und man klarmacht, wessen Berichterstattung man gut oder schlecht findet und es dadurch tut, dass man Bürgern und Bürgerinnen nicht mehr die Möglichkeit einräumt, sich objektiv Informationen zu verschaffen, wofür unsere Presse steht.

Kollegen und Kolleginnen in der AfD, deshalb finde ich es, Herr Junge, eigentlich kleinlich, ein bisschen sogar peinlich, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen: Sie haben mit dieser Veranstaltung nichts zu tun.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Peinlich!)

Sie haben auch nichts mit der AfD-Spitze zu tun, die dort ihre Propaganda abgelassen hat. Sie haben als Landesvorsitzender überhaupt nichts damit zu tun, wie man dort agiert. Die ENF – Frau Klöckner hat es gesagt – ist Teil des Europäischen Parlaments. Sie ist genauso der Pressefreiheit verpflichtet wie jeder andere, der hier im Raum sitzt. Deshalb verlangen wir von Ihnen hier im Parlament, dass Sie sich bekennen, dass Sie sich nicht nur distanzieren, sondern dass Sie deutlich machen, dass Sie es für falsch halten, was dort gemacht worden ist, und dass Sie nicht so tun, als würden Sie irgendeinem Verein angehören, sondern klarmachen, Sie als Landesvorsitzender der AfD Rheinland-Pfalz sind Teil der AfD im Bund, deshalb eben auch Teil dessen, was dort gesagt und propagiert wird und wie dort gehandelt wird, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist auch nicht so, dass dieses Ereignis in Koblenz das erste gewesen wäre. Ich erinnere noch einmal daran, dass wir hier gegen die AfD argumentieren, diejenigen, die die Pressevertreter eigentlich permanent als „Lügenpresse“, als „GEZ-Medien“ diffamieren,

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Lügenpresse ist nicht von uns!)

die „Lügenpresse“ wiederbeleben – damit wird ein Kampfbegriff des Nationalsozialismus auch in dieser Hinsicht wieder salonfähig gemacht.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Oh! Oh! – Abg. Dr. Jan Bollinger: Was ein Zusammenhang hier!)

Wir argumentieren gegen eine AfD in Rheinland-Pfalz, die die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als „nimmersatten Staatsfunk“ verunglimpft,

(Zurufe von der AfD)

gegen eine AfD, die die Arbeit der Journalisten und Journalistinnen als Propagandaprogramm beleidigt. Ich zitiere jetzt nur die AfD, die so entlarvend wie sachunkundig davon spricht, sie wolle ein „neutrales Staatsfernsehen“ einführen.

Meine Damen und Herren, um das hier noch einmal festzuhalten: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland zeichnet sich durch seine Staatsferne aus.

(Heiterkeit bei der AfD)

Das ist gut so. Daran werden wir auch festhalten. Das werden wir dauerhaft auch weiterhin etablieren und deutlich machen, dass wir im Gegensatz zu den Damen und Herren der AfD zu diesen Verfassungsgrundsätzen stehen.

(Beifall der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

5.000 Bürgerinnen und Bürger waren in Koblenz da und haben friedlich demonstriert, auch dafür, dass uns unsere Verfassung sehr viel bedeutet und wir es nicht hinnehmen, dass es inzwischen Menschen in unserem Land gibt, die in einer Partei organisiert sind, die die Rechte in unserer Verfassung mit Füßen tritt.

Wenn Sie sich, Herr Junge, auf die Frage – das ist von Herrn Braun und anderen gesagt worden – nach weiteren Ausschlüssen von Medien mit dem Satz zitieren lassen – es ist nun einmal so – „völlig ausschließen würde ich es auch nicht“, dann erinnere ich Sie daran: Die Frage der Pressefreiheit liegt nicht in Ihrem persönlichen Ermessensspielraum. Sie können Ihre Fraktion führen, wie Sie wollen, aber die Demokratie und die Pressearbeit folgen nicht dem Prinzip von Befehl und Gehorsam, sondern die Pressefreiheit lebt von der Freiheit, dass Journalisten das tun, was sie für richtig halten, egal, ob es uns passt oder nicht.

(Beifall der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Wir sind intern demokratisch organisiert! Ist das bei Ihnen anders?)

Ich bin eigentlich ganz froh, dass wir im Parlament die Möglichkeit haben, über solche Dinge zu diskutieren. Ich hoffe sehr, dass die Bürger und Bürgerinnen im Land draußen auch diese Dinge mitbekommen, weil es um nicht weniger geht als das, was in den Jahren im Frieden in unserem Land überall Konsens ist, nämlich dass unsere Verfassung die Grundlage ist, auf der wir uns bewegen. Das gilt auch für die AfD. Es müsste für die AfD gelten. Aber Ihr Verhalten macht deutlich, dass Sie sich einen anderen Staat, eine andere Gesellschaft vorstellen. Das drückt sich im Thema Rechtsstaatlichkeit gestern aus, und es drückt sich im Bereich Pressefreiheit heute, gestern und vorgestern aus.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Das sind unglaubliche Unterstellungen, Frau Ministerpräsidentin! Es kann nicht sein, dass Sie das permanent wiederholen!)

Meine sehr geehrten Herren und Damen der AfD, bekennen Sie sich zu unserer Verfassung, und agieren Sie auch danach, und tun Sie nicht so, als hätten Sie damit nichts zu tun, was andere im AfD-Kreis tun.

(Beifall der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der AfD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Braun für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte eine Sache richtigstellen. Natürlich kann jede Partei und jede Fraktion die Öffentlichkeit bei Sitzungen ausschließen. Sie haben da etwas verwechselt, Herr Junge.

Es geht um Diskriminierung, und zwar um Diskriminierung von Journalisten. Die einen lassen Sie zu, die anderen lassen Sie nicht zu. Das ist unrechtmäßig. Natürlich können Sie die Öffentlichkeit ausschließen. Herr Junge, aber in Diskriminierung kennen Sie sich ja aus. Da sind Sie doch Spezialist. Das wissen wir inzwischen. Da können Sie gerne weitermachen.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Ja, dass er Diskriminierung machen und Diskriminierung betreiben will. Danke, dass Sie es bestätigen, Herr Frisch.

Ich will Ihnen noch einmal sagen, was ich hier beobachte: Da sitzt ein Fraktionsvorsitzender, der einmal so und einmal so redet. Deswegen will ich von ihm gar kein Bekenntnis haben. Ich glaube es ihm am Schluss doch nicht, weil Sie morgen etwas ganz anderes reden und sagen können, ist mir doch egal, was ich gestern gesagt habe, meine Damen und Herren.