Ich würde mich in einem erheblichen Widerspruch zu meinen Bemühungen beim Bundesverkehrsminister und auch bei der Europäischen Kommission setzen, den Lärm aus dem Mittelrheintal durch den Güterschienenverkehr zu reduzieren, würde ich gleichzeitig das Ziel verfolgen, eine Durchgangsstraße zwischen St. Goar und St. Goarshausen zu bauen und den überörtlichen Verkehr, sprich Durchgangsverkehr, ausgerechnet an dieser Stelle des Weltkulturerbes durch das Mittelrheintal zu leiten. Deswegen kann diese Straße nur eine Kreisstraße sein, wie von den Kommunen immer gewünscht und wie von der Landesregierung vorbereitet.
(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Wohl wahr!)
Herr Minister, ich habe zwei Zusatzfragen. Ich beginne mit der ersten. Wie beurteilen Sie vor dem Hintergrund Ihrer Aussagen die Tatsache, dass die Brücke bei St. Goar/St. Goarshausen wegen ihrer Bedeutsamkeit schon einmal im Bundesverkehrswegeplan, nämlich dem von 1971 bis 1985, eingesetzt war?
Herr Kollege Bracht, die Straße war damals mit niedrigster Kategorie im Bundesverkehrswegeplan eingestuft. Das zeigt, dass der Bund damals schon keine überörtliche Bedeutung für diese Straße erkannt hat. Um noch einmal klarzustellen, wenn man sich mit der Frage beschäftigt, ob man Durchgangsverkehr über eine Brücke über den Rhein zwischen Koblenz und Mainz leitet, dann erscheint mir das Mittelrheintal, Weltkulturerbe, der denkbar ungünstigste Standort zu sein.
Wir dürfen weitere Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag begrüßen, Teilnehmer am Mainzer Landtagsseminar, Schülerinnen und Schüler der 12. Jahrgangsstufe des PeterJoerres-Gymnasiums Bad Neuenahr-Ahrweiler und Studierende der Hochschule für öffentliche Verwaltung Mayen. Seien Sie uns herzlich willkommen im Landtag!
Sehr geehrter Herr Minister Wissing, ich habe noch eine Frage, und zwar geht es darum, welche Einwände die UNESCO ihrerseits noch bezüglich der Mittelrheinbrücke vorbringen könnte. Sie hatte die Brücke als Anbindung zur A 61 akzeptiert. Sie hatte die Brücke als Möglichkeit, die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben, laut dem Protokoll WHC-10/34.com/7b, bereits akzeptiert.
Herr Kollege, die UNESCO hatte von Anfang an Bedenken gegen dieses Projekt, weil sie nicht wollte, dass es zu mehr Verkehrslärm im Mittelrheintal kommt. Deswegen war dieses Projekt von Anfang an als kommunales Projekt gedacht, und damit hat man auch gegenüber der UNESCO argumentiert, indem man gesagt hat, es sind kommunale und regionale Verkehre die dort gesteuert werden sollen, und dass eben kein zusätzlicher Verkehr von außen angezogen werden soll.
Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erwarten, dass die UNESCO den Weltkulturerbestatus aufrechterhalten würde, wenn man eine breitere Brücke und die dazu notwendigen zusätzlichen Verkehrsanbindungen bauen würde; denn in dem Fall, in dem man eine Durchgangsstraße über den Rhein plant, müsste man die L 206 deckenerneuern, den Knotenpunkt L 206 und K 128 ausbauen. Man müsste die K 128 insgesamt deckenerneuern. Man müsste die L 213 wegen der Engstelle an der Ortsdurchfahrt Werlau so verändern, dass man eine neue Ortsumgehung Werlau mit mindestens sechs Meter Fahrbahnbreite errichten würde.
Man müsste die L 213 an den Streckenabschnitten zwischen Holzfeld und Karbach so ausbauen, dass wir mindestens sechs Meter mit Stützbauwerken hätten. Wir müssten zur Verbesserung der Sichtsverhältnisse am Knotenpunkt mit der L 212 bei Karbach und Verschwenkung und Bau einer Linksabbiegerspur die L 213 verbessern.
Im Übrigen müsste der Bund die B 274 in eigener Baulast weiter ausbauen. Nur dann wäre gewährleistet, dass der Durchgangsverkehr dort sichergestellt ist. Das würde bedeuten, dass wir Verkehr von außen anziehen.
Die Anbieter der Navigationssysteme würden dann diese Durchgangsstraße als Rheinquerung für überörtlichen Verkehr empfehlen. Das würde zu einer Alokation von großen Verkehrsmengen ins Mittelrheintal führen. Aus diesem Grund ist zu erwarten, dass die UNESCO den Weltkulturerbestatus dann nicht aufrechterhalten würde.
Im Übrigen möchte ich noch einmal betonen, die Landesregierung könnte sich dann nicht mehr glaubwürdig gegenüber der EU-Kommission und dem Bundesverkehrsministerium für die Reduzierung von Lärm im Mittelrheintal einsetzen. Eine solche Politik stünde in krassem Widerspruch zu unserer sonstigen Verkehrspolitik und im Übrigen auch zu dem von mir wahrgenommen Konsens der Bürgerinnen und Bürger im gesamten Mittelrheintal.
Herr Minister, wie bewerten Sie die Aussage Ihres Vorvorgängers im Amt, Landesverkehrsminister Hans-Artur Bauckhage, FDP, im Jahr 2001, dokumentiert in der damaligen „Rhein-Zeitung“, der dort wörtlich gesagt hat, der Bund müsste die Mittel für eine Mittelrheinquerung tragen. Er hat des Weiteren dargestellt, dass eine kommunale Brücke aus Sicht von Bauckhage nicht vorstellbar ist.
Herr Kollege Bracht, ich stütze mich auf die Verkehrsuntersuchungen, die wir vorgenommen haben. Ich bin bereit, den Wunsch der Kreise, der an die Landesregierung herangetragen worden ist, zu erfüllen und dort eine kommunale Brücke zu bauen. Ich glaube nicht, um konkret auf diese Idee einzugehen, dass dies eine Bundesbrücke sein sollte. Ich glaube nicht, dass man bei der inzwischen erfolgten Verkehrsentwicklung und auch den klaren Aussagen und Vorgaben der UNESCO an einem Projekt erfolgreich arbeiten kann, dort bundesweiten Verkehr durch das Mittelrheintal zu schicken.
Herr Minister, wird ein neues aktuelles Verkehrsgutachten in Auftrag gegeben, und wann kann mit einem Ergebnis gerechnet werden?
Herr Kollege, im Rahmen des Raumordnungsverfahrens werden wir selbstverständlich eine neue Verkehrsuntersuchung machen. Die bisherige – wie ich vorhin gesagt habe – stammt aus 2009 und projiziert das Verkehrsaufkommen im Jahr 2015. Damit kann ich eine Planung nicht rechtssicher, auch nicht gerichtsfest vornehmen. Deswegen ist es eine Selbstverständlichkeit, dass es eine weitere Verkehrsuntersuchung geben wird.
Die Landesregierung ist bereit, sofort in die Raumordnung zu gehen, sobald wir auch vom Rhein-Hunsrück-Kreis einen Auftrag dafür bekommen. Nachdem es sich um ein kommunales Verkehrsprojekt handelt, müssen die Baulastträger – das sind in dem Moment die beiden Landkreise – klar zum Ausdruck bringen, das sie dieses Projekt wollen, und dann hat die Landesregierung auch das Angebot gemacht, die Raumordnungskosten für die Kommunen vorzufinanzieren. Dazu stehen wir auch. Deswegen, in dem Moment, in dem der Kreistag Rhein-Hunsrück beschließt, diese Brücke zu wollen, gebe ich am Folgetag das Raumordnungsverfahren in Auftrag.
Herr Minister, wenn wir dem Vorschlag von Herrn Kollegen Bracht folgen würden und diese ganzen Projekte realisieren müssten, könnten Sie dann etwas zur Zeitschiene des Projekts sagen?
Herr Kollege, zunächst einmal müsste die Grundentscheidung der Landesregierung vorhanden sein, dort überhaupt Durchgangsverkehr hinschicken zu wollen. Ich hatte schon gesagt, diese Bereitschaft haben wir nicht, weil das Mittelrheintal nicht mit weiterem Verkehrslärm belastet, sondern entlastet werden soll. Deswegen keine Durchgangsstraße durchs Mittelrheintal.
Aber Ihre theoretische Frage, wenn man diese Durchgangsstraße planen würde, dann müssten die Dinge, die ich bereits erwähnt habe, gebaut werden. Das würde einen erheblichen zeitlichen Aufwand bedeuten. Die Straße müsste dann aber auch in das Landesstraßenbauprogramm integriert werden.
Wir müssen untersuchen, wer eigentlich den Nutzen von dieser Straße hat. Danach würde man eine Priorisierung vornehmen. Die Landesregierung plant, das in einem Mobilitätskonsens mit großer Beteiligungsmöglichkeit durchzuführen. Die Zeit müsste man sich dafür natürlich nehmen.
Schnell realisierbar ist diese Brücke als kommunales Projekt, ich betone dies noch einmal. Sobald der Kreis RheinHunsrück mir signalisiert, dass er diese Brücke will, werde ich am folgenden Tag ins Raumordnungsverfahren gehen.
Herr Minister, herzlichen Dank für Ihre Ausführungen. Die Haltungen scheinen im Moment verhärtet zu sein. Wir wissen aber, dass die Bürger diese Brücke wollen. Sie haben auch gesagt, dass Sie es wollen. Ich glaube, das ist Konsens.
Wie weit geht Ihre Kompromissbereitschaft, vielleicht auf der Grundlage des Verkehrsgutachtens und auch jetzt in Gesprächen mit den Kreisen? Ich denke, wir sollten alle ein Interesse daran haben, dieses Projekt umzusetzen, und uns nicht ausschließlich auf den Bundesverkehrswegeplan und auf juristische Begründungen zurückziehen.
(Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann kommt der Landesrechnungshof aber ganz schnell!)
Wie weit geht Ihre Kompromissbereitschaft? Im Moment zeigen Sie eine klare, aber doch ziemlich harte Haltung.
Herr Kollege Junge, wenn meine Haltung hart wirkt, dann liegt es daran, dass ich mich ganz konsequent an Recht und Gesetz halte und das Landesstraßenrecht mir keinen Ermessensspielraum gibt.
Die Mittelrheinbrücke als kommunale Brücke ist etwas anderes als die Mittelrheinbrücke als Durchgangsstraße. Sie müsste also bereits im Raumordnungsverfahren von Beginn der Planung an breiter und größer angelegt werden. Geld für ein Raumordnungsverfahren auszugeben, macht nur Sinn, wenn man wirklich den Durchgangsverkehr dort hindurchschicken möchte. Das ist, wie gesagt, nicht der Fall.
Im Übrigen würde so etwas auch theoretisch nur Sinn machen, wenn man vorab die Frage klären würde, ob denn das UNESCO-Komitee bereit wäre, den Welterbestatus aufrechtzuerhalten, wenn das Land auf die Idee käme, ausgerechnet durch das Mittelrheintal überregionalen Verkehr in großer Menge durchzuleiten. Davon ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht auszugehen.
Deswegen muss in Verantwortung vor dem Haushaltsgesetzgeber von vornherein mit aller Härte klargestellt werden, dass diese Brücke unter Beibehaltung des Welterbestatus und unter Wahrnehmung der Verantwortung für die Menschen im Mittelrheintal vor dem Hintergrund, dass sie ohnehin schon mit Verkehrslärm sehr belastet sind, nur zu verantworten ist, wenn sie dem regionalen oder dem Kreisverkehr dient, nicht aber überörtlicher Verkehr angezogen wird.
Das sind die Bedingungen, unter denen die Kreise diese Brücke immer haben wollten. Wir haben an diesen konsequenten Bedingungen immer festgehalten und alles vorbereitet, damit der Wunsch der Bürgerinnen und Bürger in den beiden Landkreisen jetzt umgesetzt werden kann, eine Kreisstraße zu bekommen, die beide Rheinseiten miteinander verbindet, ohne den Welterbestatus zu gefährden und ohne zusätzlichen Verkehr von außen in diese wunderschöne Region, auf die wir stolz sind, anzuziehen.
Mir liegen noch drei Zusatzfragen vor. Danach betrachte ich die Anfrage als beantwortet. Zu einer weiteren Zusatzfrage hat der Kollege Bracht das Wort.
Herr Minister, wie bewerten Sie die Aussage des heutigen Ministers Lewentz und des damaligen Staatssekretärs Lewentz im Jahr 2010, die geschätzten Kosten für den Bau der Brücke inklusive der von Ihnen aufgezeigten Landesstraßenbaumaßnahmen statt auf 40 Millionen Euro auf 60 Millionen Euro zu beziffern? Das hat er wiederholt im Jahr 2010 vor der Landtagswahl 2011 gesagt. Wie bewerten Sie diese Aussage? Er hat sie vor dem Hintergrund getroffen, dass damit sichergestellt werden soll, dass die Menschen rechts des Rheines über die Brücke auf den Hunsrück zu den Arbeitsplätzen an der A 61 kommen können. Wie bewerten Sie die seinerzeitige Forderung vor dem Hintergrund der Begründung?
Herr Kollege Bracht, ich weiß nicht, auf welche Gesamtbaumaßnahme sich Herr Kollege Lewentz mit dieser Zahl bezogen hat.
Ich kann Ihnen sagen, dass die Kosten für die Brücke nach unseren Berechnungen etwa 46 Millionen Euro betragen werden. Wir haben damals mehrere Entwürfe bewertet. Die Kosten sind unterschiedlich. Es gibt einen Entwurf, in dem die Brückenkosten 14 Millionen Euro betragen, und es gibt einen Entwurf, da betragen sie 40 Millionen Euro. Mit der Anbindung an die Straße sind das dann 46 Millionen Euro. Mit den 46 Millionen Euro hat man den teuersten Entwurf zugrunde gelegt, weil das derjenige ist, der bei der UNESCO am meisten Zustimmung gefunden hat. Er gliedert sich optisch in besonderem Maße in das Mittelrheintal ein.
Wir sind quasi bei dieser vorsichtigen Schätzung von 46 Millionen Euro, also aus Haushaltssicht dem Worst Case ausgegangen, also dem kostspieligsten, aber auch aus Sicht der UNESCO ästhetischsten Entwurf. Das ist das, was ich Ihnen dazu an Fakten mitteilen kann.
Herr Minister, ich beziehe mich auf Ihre Aussage, dass die Brücke als kommunales Projekt schnell realisierbar sei. Diese Aussage beinhaltet sicherlich auch eine Vorstellung für die Finanzierung. Schnell realisierbar muss dann auch die Finanzierung sein. Wie würden denn Ihrer Vorstellung nach konkret die einzelnen Bausteine für den Finanzierungsrahmen bei einem kommunalen Projekt aussehen?