Protokoll der Sitzung vom 14.07.2016

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Fraktionsvorsitzender Schweitzer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, es wird klar, wie wir uns in einer Dramaturgie befinden, was die Debatte angeht. Es gab einen Zwischenruf vonseiten der CDU. Frau Kollegin Schneider, ich darf Sie zitieren: „Es geht heute um die Vergangenheit!“ – Das ist so. Wir haben uns gemeinsam darauf verabredet, dass wir heute darüber sprechen, wie dieser Rechnungshofbericht zu bewerten ist.

(Abg. Christine Schneider, CDU: Es geht um das Thema „Verantwortung“! Es geht um das Thema „Konsequenzen“!)

Wir haben heute darüber zu sprechen, wie dieser Rechnungshofbericht zu bewerten ist, und natürlich auch, wo Fehler gemacht wurden.

Ich bin dankbar für die grammatikalischen Hinweise von Ihnen, Frau Klöckner. Ich habe gesagt, es sind Fehler gemacht worden, und ich habe auch benannt, wo sie gemacht wurden. Ich glaube, diese Aussage seitens des Fraktionsvorsitzenden der regierungstragenden Fraktion der SPD hat an Klarheit nichts zu wünschen übrig gelassen.

Aber natürlich haben wir heute über die Vergangenheit zu reden. Wir haben über den Rechnungshofbericht zu reden, und das ist – daran kann man nicht vorbeigehen – verwoben mit dem Thema Hahn insgesamt. So, wie wir letzte Woche über die Zukunft gesprochen haben und über die Fehler der Vergangenheit, ist es nicht unzulässig, dass wir diese Diskussion, die wir heute mit Blick auf die Region und die Menschen in der Region führen, auch einbetten in die Gefühlslage.

Frau Klöckner, auch Sie haben über Gefühle gesprochen, die manche Menschen im letzten Jahr hatten, als sie gesehen haben, wie das erste Verfahren gescheitert ist, als sie auch mit Sorge und mit Bangen auf uns geschaut haben und festgestellt haben: Ihr habt uns versprochen, ihr veräußert den Flughafen. Dadurch entsteht eine Perspektive für uns. – Und das war eben auch ein Teil der Verantwortung seit dem letzten Sommer, die der Innenminister wahrgenommen hat. Ich finde, wir haben letzte Woche gemeinsam feststellen können, dass er sie sehr gut wahrgenommen hat mit Blick auf das zweite Verkaufsverfahren, und es ist wichtig, dann einer solchen Region eine neue Perspektive zu geben.

Natürlich ist das die Vergangenheit, es sind Lehren aus der Vergangenheit, aber wenn man über ein solches Thema spricht, ist es doch auch zulässig, nicht irgendwann einen künstlichen Cut zu machen, sondern auch zu sagen, wie die Region heute mit den Entscheidungen, die wir – zumindest mit unserer Mehrheit – in der vergangenen Woche gefällt haben, zufrieden ist. Die Rückmeldungen sind, dass man Mut schöpft und die Wahrnehmung hat, dass sich jetzt die Dinge nach vorn entwickeln.

Aber – das will ich auch sagen – das war heute der Aufgalopp in der Beschäftigung mit diesem Rechnungshofbericht, dazu gibt es überhaupt keinen Widerspruch. Wir haben uns gemeinsam darauf verabredet, dass wir ab der kommenden Woche in den Ausschüssen gemeinsam beraten. Herr Innenminister Lewentz hat, wie ich finde, sehr präzise dargestellt, wo die Auseinandersetzungslinien zwischen der Regierung und dem Rechnungshofbericht liegen. Auch das ist in einer freiheitlichen Demokratie keine Unanständigkeit, das will ich in aller Flapsigkeit sagen dürfen. Die Unfehlbarkeit sehe ich in Rom, noch nicht in Speyer, auch wenn diese Stadt auch eine stolze katholische Tradition hat. Darum dürfen wir sagen, an der einen oder anderen Stelle haben wir an dem Rechnungshofbericht vielleicht auch eine Anmerkung zu machen. Das werden Sie uns doch wohl noch zugestehen, und wenn es dann auch noch sachlich daherkommt – damit will ich an das anknüpfen, was Sie gesagt haben, Herr Licht; Sie

hatten heute eher den Part, den sachlichen Beitrag seitens der CDU zu liefern –, dann, finde ich, kann man auf dieser Ebene nächste Woche auch in die Auseinandersetzung gehen.

Frau Klöckner, Sie haben über Fehler und über Fehlerkultur gesprochen. Ich glaube, dies ist ein Punkt, über den wir – wenn auch nicht heute – bei nächster Gelegenheit trefflich streiten könnten. Aber keiner, der heute in diesem Raum oder vor den Fernsehkameras zu Hause oder in den Büros diese Debatte verfolgt, wird den Eindruck haben, dass wir es hier mit den Fehlerfreien zu tun haben und dort mit den Fehlerhaften. Ich glaube, diese Erwartung hat niemand, und das sollte man auch nicht versuchen zu unterstellen.

Meine Damen und Herren, deshalb ist es gut, dass wir diese Debatte heute geführt haben. Sie war nicht gerade das, worauf man sich freut, wenn man Vertreter der Sozialdemokratie in Rheinland-Pfalz ist. Aber man muss eben auch Verantwortung übernehmen für solche Debatten.

(Zurufe von der CDU: Und jetzt? Und jetzt? – Zuruf von der AfD: Übernehmen Sie die Verantwortung!)

Entschuldigung! Wir haben doch gemeinsam den Weg im Parlament verabredet. Ich spreche hier als Fraktionsvorsitzender der SPD.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Aber Sie haben doch auch eine Meinung!)

Wir haben gemeinsam verabredet, dass wir heute diese Diskussion führen und nächste Woche in die Ausschüsse gehen, und das unterstütze ich. Jetzt kritisieren Sie mich doch nicht dafür, dass ich Sie selbst unterstütze. Also, das kann ich jetzt nur als Widerspruch empfinden, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also, das Parlament wird seiner Aufgabe nachkommen. Sie werden versuchen, Ihre Argumente zusammenzutragen,

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Sie haben doch auch eine Meinung!)

und wir werden versuchen, unsere Argumente zusammenzutragen, und dann werden wir schauen, wie weit wir kommen.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Dr. Bollinger.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin doch etwas erstaunt über den bizarren Auftritt des Herrn Innenminister, der in seiner Rede alles getan hat, außer den Bericht des Landesrechnungshofs angemessen zu würdigen.

(Beifall der AfD – Abg. Julia Klöckner, CDU: Ja!)

Stattdessen haben er und die Fraktionsvorsitzenden der regierungstragenden Fraktionen uns mit Binsenweisheiten abspeisen wollen wie: „Nachher ist man immer schlauer“. Herrn Roth kann man immerhin danken dafür, dass er den schönen Begriff „hanebüchen“ in diesem Zusammenhang eingebracht hat. Das hat jetzt eine neue Bedeutung.

(Abg. Thomas Roth, FDP: Schön, dass Sie das verstanden haben!)

Ja, einer, nicht wahr?

Aber, meine Damen und Herren, ich möchte in meinem Beitrag jetzt nicht noch einmal detailliert auf die Versäumnisse der Landesregierung und insbesondere des Innenministeriums beim gescheiterten Verkaufsprozess der Anteile des Landes an die SYT eingehen. Dies haben meine Vorredner ausgiebig getan, und mittlerweile räumen ja sogar die Vertreter der Landesregierung und der Ampelfraktionen ein, dass beim gescheiterten Verkaufsprozess Fehler gemacht wurden und, wie der Bericht des Landesrechnungshofs aufzeigt, grundlegende, schwerwiegende und ganz offensichtlich auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt vermeidbare Fehler. Dass diese Fehler zugegeben werden, ist sicher dem Umstand geschuldet, dass Leugnen angesichts der Details, die bereits im Laufe des vergangenen Jahres ans Tageslicht gelangt sind, und der weiteren Details, die der Bericht des Landesrechnungshofs offenbart hat, ganz offensichtlich zwecklos wäre.

Gleichwohl ist dieses Eingeständnis angesichts der Äußerungen der Landesregierung und der Vertreter der Fraktionen der Ampel im vergangenen Sommer doch beachtlich. Ich darf noch einmal Frau Ministerpräsidentin zitieren, die Anfang Juni des vergangenen Jahres sagte – ich zitiere –:

„Ich kann nur sagen, dass ich mich vergewissert habe, dass diejenigen, die die Verkaufsverhandlungen geführt haben, alles an Sicherheiten eingeholt haben, was möglich ist. Nach den Dingen, die wir haben überprüfen lassen, gibt es für mich keinen Anlass daran zu zweifeln, dass das ein seriöser Partner ist.“

Wenn man sich nun heute in Erinnerung ruft, dass der finale Entwurf des Due Diligence Report, der bekanntermaßen eine rote und zwei gelbe Ampeln enthielt und damit den Gesamtrisikofaktor „HOCH“, muss man doch an dem Urteilsvermögen der Ministerpräsidentin oder an ihrer Glaubwürdigkeit zweifeln.

(Beifall der AfD)

Wenn ein Gesamtrisikofaktor „HOCH“ kein Grund zum Zweifeln ist, was denn dann?

(Zurufe von der AfD: Ja!)

Auch der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Abgeordneter Schweitzer, hatte im Rahmen der 5. Plenarsitzung am 23. Juni 2016 an dem Verfahren – so wörtlich – „nichts zu beanstanden“.

Noch weiter ging im Rahmen dieser Plenarsitzung der Vorsitzende der FDP-Fraktion, der Abgeordnete Roth, der für seine Fraktion erklärte: „dass wir uns hier sicher sind, dass die Verhandlungen unter der Federführung von Herrn Minister Lewentz sowie seines Innenministeriums nach bestem Wissen und Gewissen und zum Wohle des Landes Rheinland-Pfalz im Hinblick auf eine zukünftig positive Entwicklung des Flughafens Hahn geführt worden sind“,

(Abg. Thomas Roth, FDP: Ja, das war zum damaligen Zeitpunkt auch so!)

und der den Kolleginnen und Kollegen der CDU vorhielt, dass er sich kaum vorstellen könne, dass diese ernsthaft die Kompetenz der KPMG infrage stellen wolle – die KPMG, auf die man vonseiten der Landesregierung und auch vonseiten der Ampelfraktionen nun so gern die Verantwortung für das Scheitern des Verkaufsprozesses abwälzen möchte.

Auch der Abgeordnete Köbler von der Fraktion der Grünen war sich damals noch sicher, dass man am Ende des Verfahrens einen guten Prozess haben werde und am Ende eine Verbesserung für die Situation des Landeshaushalts und damit für alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Rheinland-Pfalz stehen würde.

Zumindest für den gescheiterten Verkaufsprozess trifft das ganz augenscheinlich nicht zu. Was den Verkauf der Anteile des Landes an die HNA angeht, wird die Zukunft zeigen, ob dies wirklich der Fall sein wird.

Ich möchte in meinem Beitrag auch auf die Behauptung der Landesregierung und auch der Vertreter der Fraktionen der Ampel eingehen, man habe aus den Fehlern gelernt und Konsequenzen gezogen. Persönliche Konsequenzen zumindest hat hier keiner der Verantwortlichen gezogen, und auch aus den Fehlern der Vergangenheit haben die Verantwortlichen und die Vertreter der Fraktionen der Ampel nicht wirklich gelernt.

Sicherlich, man hat dieses Mal vor Vertragsunterzeichnung die Hinterlegung des Kaufpreises gefordert. Man hat also diesen Fehler nicht noch einmal wiederholt, wobei man sich an dieser Stelle schon fragen muss: „Warum denn nicht gleich so?“, zumal es wohl schon beim gescheiterten Verkaufsprozess Stimmen in der Landesregierung gab, die darauf gedrängt haben sollen, den Ministerratsbeschluss erst dann vorzunehmen, wenn der Kaufpreis eingegangen sei – eine weitere Warnung, die die Landesregierung ignoriert hat.

(Abg. Martin Haller, SPD: Ihr enthaltet euch doch immer!)

Wirklich etwas gelernt haben aber weder die Verantwortlichen in der Landesregierung noch die Vertreter der Ampelfraktionen, und das meine ich im Hinblick auf die Bedeutung von Verantwortung, Verantwortung für die Men

schen am Hahn, für die Menschen in der Region und die Menschen in unserem Land, aber auch Verantwortung als Landesregierung und Verantwortung als Abgeordnete. Die Bedeutung des Flughafens Frankfurt-Hahn für die Menschen, für die Region und das Land ist unstrittig. Nicht nur die Vertreter aller Fraktionen, sondern auch die Landesregierung selbst haben diese Bedeutung und die daraus erwachsende Verantwortung immer wieder betont. Dass die Landesregierung dieser Verantwortung im Rahmen des gescheiterten Verkaufs an die SYT nicht gerecht geworden ist, daran haben wir keinen Zweifel, und daran lässt auch der Landesrechnungshof ebenfalls keinen Zweifel.

Daran, dass die Landesregierung aus dem gescheiterten Verkaufsprozess in Bezug auf Verantwortung nichts wirklich gelernt hat, lassen die Reaktionen der Landesregierung auf das Gutachten des Landesrechnungshofs keinen Zweifel. Noch immer sieht man dort die Verantwortung für das Scheitern des Verkaufsprozesses bei der KPMG. Man habe mit der KPMG hochbezahlte externe Experten beauftragt und auf deren Sachverstand vertraut und damit aus Sicht der Landesregierung alles getan, was möglich war. Dahin gehend, dass die Landesregierung im Rahmen eben ihrer Verantwortung dazu verpflichtet gewesen wäre, sich ein eigenes Bild der Professionalität, Seriosität und Bonität der Bieter zu verschaffen und Unterlagen auch selbst zu sichten, auszuwerten und zu bewerten, fehlt es an jeglicher Einsicht – und das, obwohl der Landesrechnungshof in seinem Gutachten sowohl den ungenügenden Umfang des Beratungsauftrags bemängelt als auch dessen fehlende Überprüfung durch die Landesregierung.

Nein, hier hat man nichts dazugelernt. Auch ein Schaden für das Land und damit letztendlich für den Steuerzahler wird bisher vehement bestritten. Herr Kollege Junge hat bereits vorgetragen, dass ein Schaden entstanden ist, weil man der SYT den Vorzug vor anderen Bietern gegeben und nicht mit einem dieser Bieter den Verkaufsprozess weiter vorangetrieben hat, beispielsweise mit der ADC/HNA, die jetzt den Zuschlag bekommen hat.

Ein zweiter Verkaufsprozess mit den damit verbundenen Kosten wäre dem Land dann erspart geblieben. Selbst wenn der Verkauf an einen der anderen Bieter aber nicht möglich gewesen wäre, hätte auch hier ein weiterer finanzieller Schaden für das Land vermieden werden können, hätte man die notwendige Sorgfalt walten lassen und den Verkaufsprozess früher abgebrochen.

Am 22. April 2016 lag, wie bereits ausgeführt, der finale Entwurf des Due Diligence Reports – Gesamtrisikoindikator „HOCH“ – vor. Spätestens hier hätte Anlass für die Landesregierung bestehen müssen, sämtliche Unterlagen zu SYT selbst zu sichten und die SYT genauer zu überprüfen. Dann hätte sehr schnell klar werden müssen, dass es sich um keinen seriösen Bieter handelt, und der Verkaufsprozess hätte, wenn kein anderer der Bieter infrage gekommen wäre, abgebrochen werden müssen. Damit hätte ein zweiter Verkaufsprozess, wenn er denn nötig gewesen wäre, Monate früher angestoßen werden können; Monate, in denen das Land nicht die Verluste von monatlich 1,6 Millionen Euro hätte tragen müssen, die der defizitäre Betrieb des Flughafens im Moment verursacht. Wie wir wissen, war das nicht der Fall, und der Verkaufsprozess

wurde eben nicht schon Ende April, sondern erst Ende Juni abgebrochen.