Protokoll der Sitzung vom 09.08.2017

Heute hat Frau Hendricks, unsere Bundesumweltministerin, zusammen mit dem Umweltbundesamt eine Pressemitteilung herausgegeben, wonach ganz klar nach Untersuchungen des Bundesumweltamtes festgestellt wurde, dass die annoncierten Updates nicht reichen werden, und deswegen sagen wir, dass der Diesel-Gipfel der Bundesregierung ein Flop war.

Wir werden es in Rheinland-Pfalz selbstverständlich besser machen. Zum Städteforum „Saubere Mobilität“: Wir erwarten uns hiervon Handlungsoptionen für den ÖPNV in den Städten, in denen die Grenzwerte überschritten sind. Konkret heißt das – und das hat Herr Kollege Roth von der FDP, der Koalitionspartner, schon richtig aus dem Koalitionsvertrag zitiert –, die Unterstützung des zügigen Umbaus der Busflotten in den Verkehrsverbünden und Verkehrsgesellschaften auf E-Mobilität oder Wasserstoffantriebe ist sicherlich eine der Maßnahmen, die wir uns erhoffen.

(Vereinzelt Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Zum Thema „E-Mobilität“: Das braucht man jetzt überhaupt nicht zu verteufeln, sondern das ist eine Möglichkeit, auch Mobilität modern zu gestalten, da gibt es auch von der Bundesregierung Förderprogramme. Auch die Landesregierung fördert beispielsweise die entsprechende Infrastruktur. Da kann bestimmt noch mehr kommen. Als Nächstes brauchen wir Nutzerkarten, Verzeichnisse gerade im Bereich Elektromobilität und im Bereich des infrastrukturellen Zugangs. Da haben wir noch einen Nachholbedarf. Aber ich bin sicher, das wird auch ein Teil dessen, was in diesem Städteforum „Saubere Mobilität“ thematisiert werden wird.

Wenn wir moderne Mobilitätspolitik in den Fokus nehmen, dann gehören aber auch der Ausbau von Radschnellrouten und bedarfsgerechte Fuß- und Radwege zu einer förderlichen Mobilität in der Stadt.

Noch ein Wort zur Wirtschaft. Rheinland-Pfalz kann vom Technologiewandel in der Automobilindustrie profitieren. Davon sind wir Grüne überzeugt. Wir haben starke und innovative Unternehmen im Land,

(Glocke des Präsidenten)

die bereits heute einen großen Sachverstand in der Batterietechnologie haben. Im Bereich E-Nutzfahrzeuge, Umrüstung von Nutzfahrzeugen gibt es in Bernkastel-Kues bei der Firma Orten einen sehr, sehr guten Betrieb. Ich war mit Staatssekretär Becht bereits da.

Ich hoffe, dass wir in diesem Bereich weiter vorangehen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei SPD und FDP – Zuruf von der AfD: Schleichwerbung!)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatsminister Dr. Wissing das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich vorab sagen, Frau Kollegin Klöckner, weil Sie darauf hingewiesen haben, dass es in den Parteien unterschiedliche Äußerungen zur Diesel-Technologie gibt und wie man mit dem aktuellen Thema umgeht, ich bin mir nicht sicher, ob innerhalb der CDU, etwa in den Reihen der Wirtschafts- und Ordnungspolitiker oder auch hier in der Landtagsfraktion, alle hinter der Äußerung der CDUBundesvorsitzenden stehen, per staatlicher Verordnung aus dem Verbrennungsmotor verpflichtend auszusteigen.

(Abg. Julia Klöckner, CDU: Hat sie nicht gesagt! – Unruhe im Hause)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für uns als Landesregierung steht die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger im Mittelpunkt. Die Luftschadstoffgrenzwerte sind ohne Wenn und Aber einzuhalten. Aber es gibt auch eine gute Nachricht für Rheinland-Pfalz. Nur in den Städten Mainz, Ludwigshafen und Koblenz wird derzeit noch der Grenzwert für Stickoxide von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel überschritten. In Mainz waren es im letzten Jahr 53, in Ludwigshafen 46 und in Koblenz 43 Mikrogramm je Kubikmeter.

Keine Überschreitungen des Grenzwertes gab es in Neuwied, Worms und Frankenthal, Städte, die im Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland ebenfalls genannt sind.

Feinstaubgrenzwerte werden an keiner der verkehrsnahen Messstellen in Rheinland-Pfalz überschritten.

Unsere Bürgerinnen und Bürger sind umweltbewusst und steigen aus diesem Grund auch verstärkt auf Kraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6 bei Pkw und Nutzfahrzeugen um. In Kombination mit einer zurückgehenden Hintergrundbelastung wird das mit großer Wahrscheinlichkeit in den rheinland-pfälzischen Städten in den nächsten Jahren zu einer Unterschreitung der Emissionsgrenzwerte von NO2 führen.

Prognosen, die in Hamburg und Stuttgart für eine Trendfortschreibung bis 2020 erstellt wurden, sagen dort jedenfalls Emissionsrückgänge von etwa 25 % bis 40 % voraus. Dies trifft dann zu, wenn die Hersteller die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte im realen Betrieb einhalten.

Wir haben in Rheinland-Pfalz deswegen keinen Grund zur Panik, aber wir haben Grund, jetzt zu handeln.

Die Landesregierung will die Kommunen nach Kräften unterstützen, damit Fahrverbote hier vermieden werden können.

Mein Ziel als Verkehrsminister ist es, den Kommunen zu

helfen, ihre aus dem Verkehr resultierenden Luftschadstoffprobleme in den nächsten zwei bis drei Jahren zu bewältigen. Ich will deutlich sagen, Bürger und Wirtschaft dürfen nicht für das Versagen von Fahrzeugherstellern und Kontrollbehörden bestraft werden. Ich teile das, was Kolleginnen und Kollegen hier bereits gesagt haben.

Fahrverbote sind für ein Flächenland wie Rheinland-Pfalz nicht hinnehmbar. Die Städte müssen auch von den ländlichen Räumen aus gut erreichbar bleiben, sonst wird der Zuzug in die Städte zunehmen mit Folgen für den ohnehin angespannten Wohnungsmarkt, und gleichzeitig droht ein Ausbluten des ländlichen Raums. Es darf ebenso keine weitere Verunsicherung von Bürgerinnen und Bürgern und Wirtschaft beim Autokauf geben. Die Käuferinnen und Käufer müssen darauf vertrauen können, dass sie mit ihren Wagen bis zum Erlöschen der Betriebserlaubnis auf allen öffentlichen Straßen fahren dürfen. Diese Debatten, die wir politisch über Fahrverbote – ja oder nein – führen, sind in der abstrakten Art allein schon schädlich.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ja!)

Wir setzen dabei auch auf kostenfreie Nachrüstaktionen der Automobilhersteller, und es gilt, milliardenhohe Wertverluste bei privaten Fahrzeughaltern, Leasingunternehmen und gewerblichen Flottenbetreibern etwa infolge von Sonderabschreibungen durch Fahrverbote zu verhindern. Das ist ein Thema, das wirtschaftspolitisch von großer Bedeutung ist und noch gar nicht ausreichend in die Debatte eingeführt wurde.

Meine Damen und Herren, am 30. August wird es ein ressortübergreifendes Treffen der Landesregierung mit Vertretern der drei von Überschreitungen der NO2-Grenzwerte betroffenen Regionen geben, die im Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission genannt sind. Uns allen ist das in der Landesregierung ein besonders wichtiges Anliegen.

Auch Kammern und Umweltverbände werden an dem Gespräch teilnehmen, und um das Problem der Grenzwertüberschreitungen möglichst rasch zu lösen, ist es notwendig, dass Land und Kommunen ein Aktionsprogramm „Saubere Mobilität“ verabreden.

Ein Ziel wird es sein, Vorhaben im Bereich Verkehr zu vereinbaren, die zu deutlichen Minderungen der NO2Emissionen führen. Dabei wird es auch um Fördergeld für die Kommunen gehen, und zwar um Gelder von Land und Bund.

Das Land ist hier vor allem dann gefordert, wenn in bestimmten Bereichen Fördermittel des Bundes gar nicht oder nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen.

Die Landesregierung will die Kommunen bei der Verbesserung der Umwelt- und Luftqualität unterstützen. Auf der Landesebene kann das etwa über ÖPNV-Mittel, Mittel nach dem Straßenfinanzierungsgesetz oder dem Finanzausgleichsgesetz erfolgen.

Ein Aktionsprogramm „Saubere Mobilität“ für Städte mit Grenzwertüberschreitung soll insbesondere der Stadt

Mainz dabei helfen, Fahrverbote im laufenden Klageverfahren gegen die Stadt abzuwenden. Entscheidend ist dabei, dass die Emissionen bei der Kfz-Bestandsflotte und bei den Neuzulassungen deutlich sinken. Hier hat das Nationale Forum Diesel am 2. August einen ersten Impuls gegeben. Wie wichtig der Landesregierung dieser Gipfel war, können Sie schon daran sehen, dass die Ministerpräsidentin ihren Urlaub unterbrochen und gesagt hat, ich möchte an diesem Gipfel persönlich teilnehmen. Wir haben dort auch entscheidend mitgesprochen.

Der Durchbruch wird aber erst in diesem Jahr und in den Folgejahren kommen, wenn die neuen europäischen Abgasprüfverfahren bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen nach und nach greifen.

Was das Thema „Elektromobilität“ angeht, hier kümmert sich die Landesregierung intensiv darum, dass in Rheinland-Pfalz eine flächendeckende Ladeinfrastruktur entsteht. Unser eigentliches Ziel muss aber eine aus dem Markt heraus entstehende und sich selbst tragende Entwicklung sein. Das Betreiben von Tankstellen, meine Damen und Herren, gehört genauso wenig zu den staatlichen Kernaufgaben wie das Betreiben von Ladesäulen.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Und eines Flugplatzes!)

Wir müssen auch sehen, dass wir hier, gerade was die Entwicklung einer Ladesäuleninfrastruktur angeht, ein Bedürfnis nach starker Innovation haben, die auch von den Marktteilnehmern heraus entwickelt und vorangetrieben werden muss und die vor allen Dingen auch eng auf die EMobilität und auf die Fahrzeuge selbst abgestimmt werden muss.

Bei den Fahrzeugen sind die Hersteller gefordert. Erst, wenn Autos mit ausreichender Reichweite und vernünftigem Komfort zu bezahlbaren Preisen angeboten werden, werden Elektromobile breite Käuferschichten finden und einen Beitrag zur Lösung der Emissionsprobleme bei Luftschadstoffen, Lärm und Treibhausgasen erbringen.

Die Städte müssen die Probleme im Sinne der Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger rasch lösen und können nicht noch fünf oder zehn Jahre warten, bis die Innovation entsprechend weiter getrieben ist.

(Vizepräsident Bracht übernimmt den Vorsitz)

Deswegen wollen wir schon in den nächsten Wochen in Rheinland-Pfalz parallel zu den Aktionen auf Bundesebene ein Paket schnüren, das kurz- sowie mittel- und langfristige Maßnahmen enthält. Welche sind das? Kurzfristig, das heißt, in den nächsten ein bis zwei Jahren geht es um Folgendes: etwa die Nachrüstung älterer Busse des ÖPNV mit zusätzlichen Abgasreinigungssystemen, die vorgezogene Beschaffung von Euro-6-Bussen, die Umstellung der ÖPNV-Fahrzeugflotte auf Elektro- und WasserstoffBrennstoffzellenantrieb, die wir bereits in Mainz fördern, oder die Förderung emissionsarmer bzw. -freier Taxen, Mietwagenflotten und Lieferfahrzeuge.

Meine Damen und Herren, darüber hinaus müssen wir die

neuen Möglichkeiten nutzen, die die Digitalisierung bietet, etwa zur Verbesserung der Echtzeitfahrgastinformationen im ÖPNV, die flüssigere Abwicklung des motorisierten Verkehrs durch ein besseres digitales Verkehrsmanagement. Kurzfristig möglich und zielführend sind aber auch klassische Instrumente wie die Emissionsoptimierung der Geschwindigkeit auf Hauptverkehrsstraßen etwa durch die Wiedereinführung grüner Wellen, die Förderung von Carsharing in der Stadt und Carpooling bei Pendlern oder auch eine emissionsmindernde gezielte intelligente Verkehrsführung.

Meine Damen und Herren, mittel- und langfristig können wir Folgendes tun: den Ausbau der Infrastruktur für die Verkehrsmittel des Umweltverbunds, also Bahn, Bus, Rad und fußläufigen Verkehr in Angriff nehmen, genau so, wie wir es in der Landesregierung tun. Wir können den Bau von Mitfahrerparkplätzen und Park-and-Ride-Anlagen und den Ausbau von Fahrradvermietsystemen stärker vorantreiben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte es am Ende noch einmal bekräftigen, die Landesregierung wird die von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Kommunen nicht im Stich lassen. Gemeinsam können wir das Problem lösen. Es ist in Rheinland-Pfalz erfreulicherweise nicht so groß wie vielleicht an anderen Stellen. Es ist aber gut, dass wir schnell handeln und konkrete Konzepte erarbeitet haben. Diese wollen wir jetzt gemeinsam mit den Partnern umsetzen. Wir wollen lebenswerte Innenstädte mit einer hohen Luft- und Umweltqualität, und wir sind davon überzeugt, dass wir dieses Ziel ohne Fahrverbote und ohne blaue Plaketten erreichen können, weil wir handlungsfähig sind, wir in einem guten Dialog stehen und wir entschlossen sind: die Ministerpräsidentin, die Umweltministerin, der Verkehrs- und Wirtschaftsminister, alle, die gesamte Landesregierung. – Daran arbeiten wir. Ich lade alle auf allen Ebenen, in denen wir Verantwortung tragen, ein, sich daran zu beteiligen. Das ist für ein Pendlerland wie Rheinland-Pfalz von außerordentlicher Priorität.

Ich möchte abschließend auch noch einmal sagen, wir haben allen Grund, optimistisch zu sein. Wir werden das in Rheinland-Pfalz gemeinsam schaffen, meine Damen und Herren. Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land können beruhigt sein.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt weitere Wortmeldungen. Ich erteile das Wort der Fraktionsvorsitzenden der CDU, Frau Klöckner. Bitte schön.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, tatsächlich sind die Stickoxidemissionen – übrigens sei 1990 – in Deutschland um 60 % zurückgegangen. Ich will es einfach noch einmal einordnen, damit wir auch noch einmal einen Blick dafür haben und wir uns nicht zu sehr einreden, dass wir uns in Deutschland in einer überaus dramatischen Situation befinden. Wir befinden uns in einer sehr dramatischen Situation,

wenn es um den Betrug geht. Wir brauchen natürlich eine Luftreinhaltung, aber ich will sagen, der Verkehr hat auch zu den Umweltschutzerfolgen beigetragen. Mich wundert nur, dass Rheinland-Pfalz die älteste Busflotte in ganz Deutschland hat. Die hätte man schon längst mit einem entsprechenden Förderprogramm umrüsten können.

(Beifall bei der CDU)

Stickoxide sind Umweltgifte, die die Atemwege reizen können, und sie tragen zur Feinstaub- und Ozonbildung bei. Was einen aber schon irritiert, ist mitunter die Festsetzung der Grenzwerte. Wenn wir uns einmal den Arbeitsplatz anschauen, dieser hat 23 mal mehr. Er darf einen höheren Grenzwert haben als zum Beispiel in den Städten. Deshalb müssen wir bei allem, was wir hier diskutieren, auch darauf achtgeben, dass wir nicht das, was wir hier erreicht haben, in Bausch und Bogen reden.