Protokoll der Sitzung vom 24.08.2017

desweiten Vergleich durch besonders hohe Kassenkredite belastet sind?

3. Mit welchen Maßnahmen will die Landesregierung eine Verbesserung der Kassenlage bei den rheinlandpfälzischen Kommunen erreichen?

Für die Landesregierung antwortet Herr Staatsminister Lewentz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Frage 1 erlauben Sie zunächst den Hinweis, es entspricht nicht den Tatsachen, von einer generell schlechten Kassenlage der rheinland-pfälzischen Kommunen zu sprechen.

(Heiterkeit der Abg. Hedi Thelen, CDU)

Zwar sind die kommunalen Liquiditätskredite zum 31. Dezember 2016 mit rund 6,7 Milliarden Euro unbestritten zu hoch; die Problematik der Liquiditätskredite besteht indes nach wie vor weitestgehend bei den kreisfreien Städten und Landkreisen, die beide zusammen rund 79 % der Liquiditätskreditsbestände auf sich vereinigen. Nur sechs kreisfreie Städte und ein Landkreis vereinigen etwas mehr als die Hälfte der Liquiditätskredite auf sich. Mit lediglich weiteren 13 kommunalen Gebietskörperschaften wurden rund drei Viertel der landesweiten Kredite zur Liquiditätssicherung erreicht. Alle zwölf kreisfreien Städte weisen Kassenkredite auf; allein drei Städte vereinigen rund 63 % der Kassenkredite der kreisfreien Städte auf sich.

Im Jahr 2016 konnten fünf Städte ihre Kassenkredite um 73 Millionen Euro abbauen, während die Kassenkredite in den sieben kreisfreien Städten um rund 97 Millionen Euro zunahmen. Fünf Landkreise hatten keine Liquiditätskredite. Unter den 19 Landkreisen mit Liquiditätskrediten konzentriert sich etwas mehr als die Hälfte der Liquiditätskredite allein auf fünf Landkreise. Dagegen hatten 76 hauptamtlich geführte Kommunalverwaltungen überhaupt keine Liquiditätskredite. Im Jahr 2016 hatten nach der Kassenstatistik 1.155 Kommunen positive Finanzierungssalden in Höhe von rund 509 Millionen Euro, während 1.325 Kommunen negative Finanzierungssalden in Höhe von rund 524 Millionen Euro hatten.

Wie aufgezeigt, zeigen sich für alle Gebietskörperschaften sehr unterschiedliche Bilder. Es gibt reiche, arme, weniger reiche und weniger arme Gemeinden. Die Gründe für die derzeit angespannte Haushalts- und Finanzsituation vieler rheinland-pfälzischer Kommunen sind vielfältig. Zunächst sind die finanziellen Probleme vieler Kommunen vordringlich durch den stetigen Aufwuchs der Sozial- und Jugendhilfeausgaben und die mangelnde Bundesbeteiligung an diesem immensen Kostenblock entstanden.

Die Bruttoausgaben für soziale Leistungen haben im Jahr 2016 einen Anstieg um knapp 12 % auf 3,13 Milliarden Euro erfahren. Sie machen somit 25 % der Ausgaben des laufenden Geschäfts ohne Investitionstätigkeit aus. Unter

diesem Blickwinkel ist eine noch stärkere Bundesbeteiligung an den Sozial- und Jugendhilfeausgaben weiterhin geboten.

Vor zehn Jahren betrugen die Sozialausgaben in Rheinland-Pfalz noch 440 Euro je Einwohner; im letzten Jahr waren es 759 Euro je Einwohner. Das ist zum einen der jährliche Zuwachs der Sozialausgaben, der Probleme bereitet. Zum anderen sind die kommunalen Steuereinnahmen in den rheinland-pfälzischen Städten und Gemeinden deutlich niedriger als der Durchschnitt der Flächenländer. Für Rheinland-Pfalz stehen für das letzte Jahr 1.025 Euro je Einwohner in der Statistik und für die Flächenländer 1.188 Euro bundesweit.

Zumindest die Einnahmen aus den Realsteuern können durch die Städte und Gemeinden selbst in Grenzen gesteuert werden. Bei den Einnahmen aus den Gemeinschaftssteuern, also den Anteilen aus der Umsatzsteuer und aus der Einkommensteuer, ist das höchstens sehr indirekt möglich.

Insgesamt sind die kommunalen Gesamteinnahmen und -ausgaben zu betrachten. Die Gesamteinnahmen betrugen 2016 im Durchschnitt der Flächenländer 3.242 Euro pro Einwohner. Die Kommunen in Rheinland-Pfalz liegen mit 2.810 Euro pro Einwohner an drittletzter Stelle. Die kommunalen Gesamtausgaben liegen mit 2.820 Euro pro Einwohner und 352 Euro je Einwohner unter dem Durchschnittswert der Flächenländer. Unterdurchschnittliche Ausgaben gehen somit mit stark unterdurchschnittlichen Einnahmen einher.

Zu Frage 2: Die Statistiken zur Höhe der kommunalen Liquiditätskredite sind im Ländervergleich teilweise sehr vorsichtig zu interpretieren. Der Finanzreport weist ausdrücklich darauf hin, dass die Liquiditätsbelastung der hessischen Kommunen und diejenigen der Gemeinden und Gemeindeverbände in Niedersachsen auf Landesbanken umgeschuldet wurden und dadurch aus der amtlichen Schuldenstatistik verschwunden seien. Dadurch werden der Vergleich zwischen den Ländern und auch ein Vergleich der rheinland-pfälzischen Kommunen in der bundesweiten Entwicklung zulasten von Rheinland-Pfalz verzerrt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zu Frage 3: Nachdem die Finanzausgleichsmasse in den vergangenen drei Jahren bereits um knapp 600 Millionen Euro erhöht wurde, steigt sie im Jahr 2017 um 6 % bzw. 156 Millionen Euro. Im Jahr 2018 steigt sie um weitere 176 Millionen Euro auf 2,93 Milliarden Euro. In diesen beiden Jahren ergibt sich somit eine Steigerung von mehr als 12 %. Zum Vergleich: Die Gesamtausgaben des Landes wachsen in diesem Zweijahreszeitraum lediglich um 7 %.

Der Deutsche Landkreistag zeigt in seinem Kreisfinanzbericht in einer Übersicht, dass der Anstieg der Finanzausgleichsmasse in Rheinland-Pfalz sogar innerhalb eines längeren Zeitraums, nämlich seit dem Beginn der Reformagenda in 2010 bis 2016, mit 43,3 % von allen Flächenländern in Deutschland am höchsten war.

Das ist die Richtung, die wir weiter einschlagen müssen. Die Steuerschätzung besagte für das laufende Jahr 294 Millionen Euro und für nächstes Jahr 175 Millionen Eu

ro mehr. Da gibt es die kommunalen Investitionsprogramme etc., die sich auch sehr positiv auf die kommunalen Haushalte auswirken werden.

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Wäschenbach.

Herr Minister, was passiert mit den Kommunen? Davon gibt es immer mehr, die ihr Eigenkapital in der Doppik aufgebraucht haben und kaufmännisch insolvent sind. Wie kann diesen Kommunen geholfen werden?

Herr Wäschenbach, Sie wissen, wir haben vereinbart, dass es bis Ende diesen Jahres eine Evaluierung des kommunalen Finanzausgleichs gibt. Die Gespräche laufen an. Wir werden diesen Punkt noch mit den kommunalen Spitzenverbänden besprechen, um zu sehen, wie wir da eine Lösung finden können.

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Schnieder.

Herr Minister, die Entwicklung der Kassenkredite auch in Bezug auf die Zielgröße kommunaler Entschuldungsfonds sollten zum Jahresende 2016 bei 3,4 Milliarden Euro liegen, liegen aber tatsächlich in einem dauerhaften Anstieg bei 6,7 Milliarden Euro. Wie sind Ihre Überlegungen für ein weiteres Entschuldungsprogramm?

Ich habe Ihnen gesagt, wir werden das Thema „Evaluierung des kommunalen Finanzausgleichs“ auch unter dem Blickpunkt dieser Zuwachsraten, die gesetzt sind – wie ich Ihnen geschildert habe –, gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden besprechen. Der kommunale Entschuldungsfonds ist ein wesentlicher Baustein. Wir haben nie gesagt, dass wir mit dem kommunalen Entschuldungsfonds, wir als Land mit originären Mitteln, mit KFA-Mitteln, gemeinsam mit den Kommunen mit ihrem Drittel alle Probleme werden lösen können, aber insgesamt ergibt sich daraus eine Summe von fast 1,4 Milliarden Euro. Hätten wir den kommunalen Entschuldungsfonds nicht, wäre diese Summe noch auf den Schuldenstand aufzusatteln.

Wenn Sie sich die Bertelsmann-Studie – Sie haben darauf verwiesen – zum Beispiel auf Seite 36 ansehen, dann sehen Sie, wie unterschiedlich auch die kommunalen Schuldensituationen sind. Hessen hat zum Beispiel im Bereich der Kreditmarktschulden sehr hohe Schulden. Bei uns sind es die Liquiditätskredite.

Wir werden dies bei der Evaluierung natürlich gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden besprechen.

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Frisch.

Herr Minister, viele Kommunen beklagen sich darüber, dass das Konnexitätsprinzip seitens des Landes nicht eingehalten wird. Ich habe beispielsweise in Trier durch eine Anfrage erfahren, dass die Stadt jedes Jahr über 100.000 Euro zusätzlich zu den Landesmitteln in die Schulbuchausleihe investieren muss – ein klassisches Beispiel für eine vom Land angeordnete Aufgabe, die zum größeren Teil jetzt die Kommune bezahlt. Wo sehen Sie Verbesserungsmöglichkeiten im Hinblick auf das Konnexitätsprinzip, und welche Maßnahmen werden Sie dazu ergreifen?

Ich sitze regelmäßig im Kommunalen Rat mit den Vertreterinnen und Vertretern aller Kommunen zusammen. Das Konnexitätsprinzip ist ein allgemein sehr anerkanntes Prinzip, und wir würden uns freuen, der Bund hätte auch ein Konnexitätsprinzip; dann hätten wir nämlich bei den Hauptlasten, bei den Sozial- und Jugendhilfeausgaben, diese Probleme nicht.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Michael Hüttner, SPD: So ist es! – Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Herr Abgeordneter, es gibt keine Konnexitätsklagen im Land. Klagen vor Gericht gegen das Land gibt es nicht.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Es kann sein, dass AfD-TV etwas dazu gebracht hat!)

Von daher scheint mir das gemeinsam mit den Kommunen erarbeitete Prinzip der Konnexität ein sehr belastbares zu sein.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Wäschenbach.

Herr Minister, wo sehen Sie die Grenzen bei den Hebesätzen? In vielen Städten – nicht in Rheinland-Pfalz, aber in anderen Bundesländern – geht man schon auf die 1.000 Prozentpunkte zu. Halten Sie es für vertretbar, dem Bürger weiterhin solche Belastungen aufzubürden, oder muss es andere Haushaltsfinanzierungen geben?

Herr Wäschenbach, ich habe mit dieser Frage gerechnet, möchte Ihnen aber jetzt nicht die Kolonnen der Zahlen vorlesen. Wir liegen unter dem Bundesdurchschnitt, und das bei unserer Herausforderungssituation. Ich glaube, auch das ist eine Hausaufgabe, die in den Kommunen erfüllt werden muss.

Aber ich war selbst zwölf Jahre lang Ortsbürgermeister und weiß, irgendwo ist natürlich auch für den Bürger eine Grenze der Belastbarkeit erreicht. Aber wenn man in einer Situation ist wie unsere Kommunen, kann man nicht nur vom Land mehr verlangen, und auch wir können nicht nur sagen, der Bund muss allein mehr geben, sondern dies ist eine Aufgabe, der sich alle drei Ebenen stellen müssen, Kommunen, Land und Bund. – Ich bin der festen Überzeugung: und der Bund. – Aber auch die kommunalen Hebesätze muss man sich regelmäßig anschauen.

Sie fragen danach, wie hoch ich sie mir vorstellen kann: Bundesdurchschnitt muss es mittelfristig werden.

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Schellhammer.

Danke, Herr Präsident. – Herr Minister, der kommunale Finanzbericht der Bertelsmann Stiftung hat auch eine Untersuchung angestellt zu dem Anteil einer Ebene an den Einnahmen und dem Anteil einer Ebene an den Ausgaben. Kann die Landesregierung bestätigen, dass nach der Bertelsmann-Studie der kommunale Anteil der Einnahmen größer ist als der Anteil der Ausgaben?

Ich kann das bestätigen. Es ist nicht der überbordende Unterschied, aber es ist tatsächlich so, wie Sie es beschrieben haben.

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Junge.

Herr Minister, nur, um es einmal der Öffentlichkeit deutlich zu machen: Kassenkredite sind nichts anderes als Überziehungskredite.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Danke für die Aufklärung!)

Es wäre so, als wenn jede Privatperson mit Überziehungskrediten das tägliche Leben gestalten müsste. Sie sind also nur für kurzfristige Ausgaben gedacht, und das kann auf Dauer nicht richtig sein.

Nun lese ich heute in der „WELT“, dass der Städte- und Gemeindebund zur Entlastung der finanziellen Situation der Kommunen fordert, bis zum Abschluss von Asylverfahren und Identitätsklärungen die aktuell ihnen überstellten Personen in entsprechenden Erstaufnahmeeinrichtungen verbleiben zu lassen. Gibt es Überlegungen seitens der Landesregierung, eventuell die Kommunen in dieser Beziehung auch finanziell zu entlasten?

Wir haben seitens der Landesregierung – wenn man sich einmal die Entwicklung seit 2015 anschaut, liebe Anne Spiegel – sehr schnell reagiert und sehr große Erstaufnahmeeinrichtungen mit großen Kapazitäten angeboten. Darüber hinaus hatten wir einen engen Kontakt zu den Kommunen, um herauszufinden, wie lange wir die Menschen, die neu zu uns kommen, aus der kommunalen Obhut herauslassen können.

Wir haben dann vereinbart, wie und in welchen Zeiträumen wir den Kommunen die Personen zuführen. Aber es gibt keine Planungen in Rheinland-Pfalz, dauerhafte Masseneinrichtungen des Landes vorzuhalten.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Schnieder.

Herr Minister, Sie haben mehrfach die Evaluierung des Landesfinanzausgleichs angesprochen. Nach meinem Kenntnisstand sollte gestern den kommunalen Spitzenverbänden ein Zwischenbericht Ihres Hauses vorgestellt werden. Ist dies geschehen, und wann werden die Gremien des Landtags entsprechend über den Inhalt informiert?

Wir wollen diese Evaluierung bis zum Jahresende festgemacht haben. Es gibt regelmäßige Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden – als Kommunalministerium ist das eine Selbstverständlichkeit –, in denen wir auch diese Eckpunkte besprechen. Wir wollen sehen, dass wir auch im Einklang mit den kommunalen Spitzenverbänden diesen Vorschlag unterbreiten können. Das wird nicht ganz einfach werden, weil die Interessenlagen der einzelnen Spitzenvertretungen wie Gemeinde- und Städtebund, Städtetag und Landkreistag auch untereinander sehr unterschiedlich sind. Das wissen Sie, und das ist auch in der Natur der Sache liegend. Wir versuchen trotzdem, soweit wie möglich und natürlich auch gemeinsam mit dem Finanzministerium einen Vorschlag zu erarbeiten, der der Finanzsituation des Landes und seiner Kommunen entspricht, aber auch der Schwerpunktsetzung des kommunalen Finanzausgleichs in den Herausforderungen, die ich Ihnen soeben am Beispiel der am meisten belasteten Gebietskörperschaften beschrieben habe.