Wir dürfen heute unsere Freiheitsrechte nach Belieben nutzen und sie ausleben. Daher gehört ein vielfältiges Leben zwangsläufig auch zu einer freiheitlichen Demokratie. Wir haben heute eine Vielfalt der Meinungen, Erwerbsmöglichkeiten, Lebensformen, Religionszugehörigkeit und Freizeitgestaltung.
Meine Damen und Herren, das ist gut so. Dafür stehen wir alle in diesem Haus. Aber – da möchte ich der Kollegin widersprechen – nicht jede Vielfalt ist per se eine Bereicherung.
(Beifall bei CDU und AfD – Zurufe der Abg. Manfred Geis, SPD, und Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Extremismus, Islamismus – das läuft nicht unter der Begrifflichkeit Vielfalt. Da muss man ein klein bisschen differenzieren.
Meine Damen und Herren, garantiert waren diese Freiheitsrechte schon von Anbeginn unbestritten mit der Nutzung einer verbrieften Freiheit vor wenigen Jahrzehnten noch mit einem hohen gesellschaftlichen Preis verbunden. Es war nicht selbstverständlich, sich zu einer bestimmten Lebensform zu bekennen. Die Toleranz ging nicht allzu weit. Der Blick zurück zeigt, wie sich unsere Gesellschaft weiterentwickelt hat, wie wir tolerant geworden sind. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Vielfalt der Lebens- und Partnerschaftsmodelle, der Umgang mit anderen Kulturen und Religionen – all das hat große Fortschritte gemacht. Die Gesellschaft ist dynamisch geworden. Es gibt einen gewissen Zeitgeist.
Meine Damen und Herren, es ist ganz klar, dass eine tolerante Gesellschaft, die wir sein wollen, entschieden gegen Diskriminierung jeglicher Art vorgeht. Wenn wir sehen, dass sich bei vier Millionen Einwohnern in Rheinland-Pfalz laut Aussage der Großen Anfrage pro Jahr etwa 27 Bürger bei der Antidiskriminierungsstelle des Landes melden, dann ist das erfreulich; denn es ist nicht allzu viel. Es sei jetzt dahingestellt, ob es tatsächlich immer echte Diskriminierungen sind, manchmal – das wissen mir alle – ist das ein subjektives Empfinden. Das sei dahingestellt. Es zeigt eines deutlich – ich glaube, das ist ganz wichtig –, in Rheinland-Pfalz gibt es kein alltagsbestimmendes Massenphänomen der Diskriminierung. Es gibt punktuell Diskriminierungen. Da, wo sie auftreten, müssen wir entschieden gegen sie kämpfen, aber es gibt keine gesellschaftsprägenden Strukturen der Diskriminierung in Rheinland-Pfalz. Das ist uns wichtig festzuhalten.
Es gibt auch Fehlentwicklungen. Das kann man ansprechen. Manchen geht die Vielfaltspolitik nicht schnell genug. Einigen ist ein Widerspruch gegen eine Vielfaltspolitik per se ein Dorn im Auge. Auch das kann man kritisch sehen.
Im Grundgesetz steht ausdrücklich Gleichberechtigung und nicht Gleichheit. Wir brauchen eine Chancengleichheit unserer Gesellschaft. Wir können aber niemals eine Zielgleichheit erreichen.
Deshalb ist es nicht immer automatisch ein Zeichen von Diskriminierung, wenn eine gesellschaftliche Gruppe in einem bestimmten Bereich unterrepräsentiert ist. Vielleicht ist es gerade ein Zeichen von Selbstbestimmung oder Vielfalt, wenn sich jemand bewusst für einen bestimmten Erwerbsberuf entscheidet. Diskriminierung ist erst dann gegeben, wenn es eine bewusste und unsachgemäße Ungleichbehandlung von Personen gibt. Da muss man sauber unterscheiden, das untersuchen und sich vor vorschnellen Urteilen hüten.
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass man genau hinsehen muss, ob eine durchgängige paritätische Besetzung der gesamten Gesellschaft wirklich erstrebenswert und der Wille der Bürger ist.
Dort, wo man sich einig ist, sind Fördermaßnahmen und Quoten sicherlich sinnvoll. Es stellen sich wirklich die Fragen, ob es richtig und sinnvoll ist, sich für Quoten in DAXVorständen einzusetzen, und ob das die Bedürfnislage der Frauen in Rheinland-Pfalz trifft.
Ich plädiere dafür, die Probleme der Frauen im Land im Blick zu behalten. Solche Diskussionen dürfen nicht darüber vergessen lassen, dass es nach wie vor noch echte Diskriminierungen gibt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hat die geschützten Eigenschaften in sechs Bereiche zusammengefasst, beispielsweise Alter, ethnische Herkunft, sexuelle Identität, Religion und Weltanschauung.
Ich wünschte mir, dass die Gruppen hier in der Anfrage nicht ganz so hermetisch abgeriegelt werden, sondern dass man es ein wenig weiter fasst, denn es gibt auch über die definierten Eigenschaften hinaus weitere Gruppen, die von Diskriminierung betroffen sind.
Beispielsweise haben wir im Ausschuss vor einigen Wochen wissenschaftliche Erhebungen diskutiert, die eine gesellschaftliche Abwertung von Mehrkindfamilien bestätigen. Das wäre also auch ein Punkt gewesen, auf den man hätte eingehen können: Diskriminierung von Mehrkindfamilien.
Persönlich kommt mir auch der Bereich der – wenn man das vielleicht so zusammenfassen kann – religiösen Identität zu kurz. Ich hätte mir auch gewünscht, dass man etwas zum Bereich des Antisemitismus sagt. Das ist für uns ein ganz, ganz wichtiges Thema. Wir alle wissen, dass wir gerade in diesem Bereich vor ganz neuen Herausforderungen stehen.
Deshalb denke ich, es ist wichtig, den Vielfaltsbegriff nicht nur auf einige wenige Gruppen zu definieren, sondern wirklich auch mehrere Blickfelder zu beachten und das Thema in Gänze zu behandeln.
Ich möchte Sie auch bitten, ein wenig konkreter zu werden; denn wenn man die Antwort auf die Große Anfrage liest, zeigt sich, es wiederholen sich Themen seit vielen Jahren. Es werden Projekte aufgeführt, die Sie immer wieder durchlaufen lassen – durchlaufende Posten. Es passiert aber nichts. Ich sage einmal, seit vielen Jahren – das hat schon die Frau Ministerin Alt vorgestellt – gibt es das Verfahren der anonymisierten Bewerbung. Das wird hier wieder als großes Projekt aufgeführt. Wenn es so gut ist, dann setzen Sie es doch in Ihren Häusern um. Dann machen Sie das doch. Jetzt aber hier wieder diese Sache vorzustellen und sich damit zu beweihräuchern, wenn es gut ist, wenn es sich bewährt hat – und das haben wir ja schon vor vielen, vielen Jahren von Frau Alt gehört –, dann machen Sie es doch. Sie sind doch an der Regierung. Setzen Sie die Dinge doch auch einmal um.
Meine Damen und Herren, alle Freiheitsrechte, die Vielfalt in unserer Gesellschaft ermöglichen, sind limitiert. Freiheit hat auch Grenzen. Freiheit hat Grenzen, und die Grenzen liegen dort, wo das Interesse des Gemeinwohls und das
Wohlergehen der Mitmenschen tangiert werden. Deshalb braucht Vielfalt klare Regeln. Sie wissen es, wir treten für klare Regeln ein. Wir sind der Meinung, Vielehe, Vollverschleierung, das Herausdrängen von Frauen aus dem öffentlichen Leben, das ist für uns keine Vielfalt, das ist für uns keine kulturelle Bereicherung, sondern das gefährdet unser friedliches Zusammenleben.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir sind der Meinung, kulturelle Vielfalt findet dort ihre Grenzen, wo sie die Grundfesten des Zusammenlebens angreift. Daher brauchen wir bei aller Offenheit und bei aller Toleranz, auf die wir stolz sind, auch klare Ansagen, was in unserem Land geht und was nicht.
Lassen Sie uns die großen Errungenschaften, die wir in unserem Land gemeinsam erreicht haben in puncto Toleranz, in puncto Gleichberechtigung, nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was Sie eben gesagt haben, „echte Diskriminierung“, „subjektives Empfinden“, ist ein Schlag ins Gesicht für die Menschen, die keine Wohnung bekommen wegen ihres Namens, weil sie vielleicht alleinerziehend sind, weil sie eine große Familie sind, weil sie vielleicht irgendwo nicht angenommen werden,
Was ist denn „echte“ Diskriminierung? Das, was Sie sagen, ist wirklich ein Schlag ins Gesicht auch aller, die sich dafür engagieren.
(Beifall der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP – Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU)
Friedliches Zusammenleben wird doch gefährdet durch Diskriminierung, dass jemand nicht sagen kann, welche sexuelle Identität er hat, weil er Angst hat, weil jemand vielleicht seinen Behindertenausweis nicht zeigt, weil er Angst hat, dadurch Spott zu erfahren. Das ist doch das, was unser Zusammenleben gefährdet, und nicht das, was
Zu wissen, was Frauen wollen, ist auch eine steile These. Es ist doch wichtig – und wir setzen uns doch dafür ein –, dass Gremien und Arbeitsplätze und Gesellschaften so besetzt sind wie die Gesellschaft, die wir in Rheinland-Pfalz haben. Wir haben es gestern schon diskutiert: Wir sind eine vielfältige Gesellschaft. Auch wenn man hier ins Parlament schaut, sind ganz dort viele verschiedene Menschen. Dann ist doch klar, wir wollen, dass Gremien so besetzt sind, dass alle in der Gesellschaft widergespiegelt werden.
Wir sehen Vielfalt als Chance, nicht als Bedrohung. Das haben wir dargestellt, und das geht auch aus der Großen Anfrage hervor. Es ist ganz klar, dass wir solche Stellen wie die Antidiskriminierungsstelle brauchen. Es ist aber auch klar, dass viele Menschen – und das ist das, was Sie gesagt haben – gar nicht empowert und ermächtigt werden zu sagen: Das, was mir widerfahren ist, ist nicht in Ordnung, ach, vielleicht ist es gar nicht so schlimm. – Was passiert, wenn ich damit zu meinem Chef gehe, dass ein anderer Mitarbeiter etwas Dummes zu mir gesagt hat? Was passiert dann? Ist das vielleicht zu meinem Nachteil? Es ist doch unsere gemeinsame Aufgabe mit der Antidiskriminierungsstelle
und mit den vielen nachgelagerten Initiativen zu sagen, das ist nicht okay, und ihr könnt euch wehren, es ist nicht zu eurem Nachteil, und es wichtig, dass jeder sein Recht bekommt.