Protokoll der Sitzung vom 09.08.2017

(Abg. Johannes Klomann, SPD: Gewaltenteilung!)

Eine Ergänzungsfrage von Herrn Kollegen Ahnemüller.

Zur Ergänzung: Es gibt eine Tankstelle in der Landtagsgarage.

Herr Ahnemüller, bitte.

Danke, Herr Präsident. Herr Minister, soll das Projekt „Lotsenstelle“ nach der Befristung fortgeführt werden?

Herr Kollege, selbstverständlich evaluiert die Landesregierung, solche Projekte fortzuführen. Eine Entscheidung darüber ist noch nicht getroffen. Wir befinden uns gegenwärtig, wie die Bundesregierung mit dem Nationalen Forum Diesel gezeigt hat und wie auch die Aktivitäten der Landesregierung zeigen, in einem Umbruchprozess. Wir stehen vor neuen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Mobilität. Die Erfahrungen, die wir jetzt sammeln werden, werden wir in die Entscheidung mit einfließen lassen, ob diese Lotsenstelle fortgeführt wird oder nicht.

Weitere Zusatzfragen sehe ich nicht. Damit ist die Mündliche Anfrage beantwortet.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Unruhe im Hause)

Wir sind damit auch am Ende der Fragestunde angelangt.

Wir kommen damit zu Punkt 18 der Tagesordnung:

Miteinander leben in Freiheit und mit Respekt – Antidiskriminierungs- und Vielfaltspolitik in Rheinland-Pfalz Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksachen 17/3237/3745/3807 –

Es beginnt Frau Kollegin Schellhammer.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Warum reden wir über Antidiskriminierung? Dazu ein paar Beispiele und Fakten: Weibliche Beschäftigte haben im vergangenen Jahr für ihre Arbeit durchschnittlich 21 % weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen erhalten. In den Vorständen der DAX-notierten Unternehmen steht den 45 Frauen die unglaubliche Zahl von 630 Männern gegenüber. Ein Drittel der Migrantinnen und Migranten hat erhebliche Probleme bei der Wohnungssuche. 58 % der homo- und transsexuellen Menschen in Rheinland-Pfalz sind Opfer von Diskriminierung geworden. Bundesweit wurden im vergangenen Jahr 102 Übergriffe auf homo-, transund bisexuelle Personen verübt. Für dieses Jahr können wir einen drastischen Anstieg von 30 % mehr Gewaltdelikten gegen Homo-, Trans- oder Bisexuelle verzeichnen.

Die häufigste Form von Diskriminierung, die Menschen nach repräsentativer Erhebung erleben, ist die Benachteiligung aufgrund des Lebensalters, wenn eine junge Frau einen Job nicht bekommt, weil sie schwanger werden könnte, oder wenn Seniorinnen und Senioren aufgrund ihres Alters Kredite verweigert werden.

Insgesamt ist festzustellen, diskriminiert wird, weil jemand angeblich zu jung oder zu alt ist, aufgrund der ethnischen Herkunft, seiner oder ihrer Religion, des Geschlechts, der sexuellen Identität oder einer Behinderung. Diskriminierung ist plump, willkürlich und gefährlich.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Unruhe im Hause)

Jeder dritte Deutsche ist in den letzten zwei Jahren mindestens einmal diskriminiert worden. Antidiskriminierungspolitik ist also keine Minderheitenpolitik, sie ist Menschenrechtspolitik. In Artikel 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen heißt es – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –: „Jeder hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.“ Damit ist Diskriminierung ein Verstoß gegen universelle Menschenrechte. Bei Verstößen gegen Menschenrechte unterscheiden wir nicht, aus welcher Motivation heraus sie geschehen.

(Glocke des Präsidenten)

Der Geräuschpegel ist deutlich zu laut. Wenn Sie sich persönlich unterhalten wollen, dann können Sie das auch in der Lobby machen.

Eine pauschale Ablehnung einer gesellschaftlichen Gruppe und deren Mitglieder ist eine Verletzung der Würde und der Freiheit der diskriminierten Person. Diskriminierungserfahrungen schränken ein, sie mindern Lebensqualität. Sie haben wirtschaftliche und persönliche Folgen der Betroffenen bis hin zu Straftaten zum Nachteil der diskriminierten Person. Diskriminierung erzeugt ein gesellschaftliches Klima, aus dem Straftaten entstehen, Straftaten, die einzig und allein aus der Ablehnung einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe resultieren.

Die Ideologie der Ungleichwertigkeit der Menschen führte so beispielsweise im vergangenen Jahr zu der unglaublichen Zahl von 693 rechts motivierten Straftaten in Rheinland-Pfalz. Darunter sind 21 Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte. Das ist weiterhin eine inakzeptable hohe Zahl an Straftaten, die einzig und allein daraus resultieren, dass bestimmte Gruppen abgelehnt werden.

Betrachtet man sich dieses Bild, dann haben wir als Demokratinnen und Demokraten die Verpflichtung, gegen jede Form von Diskriminierung von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit vorzugehen.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Daher gilt es auch, nicht nur der Verhinderung von Diskriminierung entgegenzuwirken, sondern auf der anderen Seite auch die positive Wirkung von Vielfalt zu verdeutlichen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Es gilt für uns, das Versprechen einzulösen, dass jeder Mensch so sein kann, wie er oder sie ist und nicht wie er oder sie nach Vorstellungen anderer sein soll. Wir wollen nicht nur anerkennen, dass die Menschen in RheinlandPfalz unterschiedliche Talente und Fähigkeiten haben, sondern wir müssen diese fördern, aufgreifen und sichtbar machen.

Als erstes Bundesland hat Rheinland-Pfalz deshalb im April 2015 eine Strategie Vielfalt verabschiedet. In zahlreichen Unternehmen – wir kennen es – weltweit und in Rheinland-Pfalz wurde bereits anerkannt, dass Vielfalt ein Erfolgsfaktor ist. Diversity Management heißt es in den Unternehmen.

Der Leitgedanke von Diversity Management in der Charta der Vielfalt lautet – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –: „Die Wertschätzung der Vielfalt von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dient dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens oder der Institution.“

Diese Charta der Vielfalt haben in Rheinland-Pfalz 83 Unternehmen unterzeichnet, darunter zum Beispiel die BASF, Boehringer Ingelheim, EWR, Hornbach oder das ZDF. Vielfalt ist für die Wirtschaft eine Bereicherung, sie ist für uns in Rheinland-Pfalz insgesamt eine Bereicherung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Deshalb ist es der Kern der Strategie Vielfalt der Landesregierung, für alle Menschen mit ihren jeweiligen unterschiedlichen Hintergründen gleiche Chancen zu ermöglichen in den Bereichen Wirtschaft und Arbeitsmarkt, Bildung, Soziales, Gesundheit, Wohnungsbau und Stadtentwicklung. Es ist erwiesen, dass erfolgreiche Antidiskriminierungsund Vielfaltsarbeit wichtige Beiträge für die Identifikation der Menschen mit dem Gemeinwesen und mit unserem demokratischen System leistet.

Es war richtig – das zeigt auch die Große Anfrage –, im Jahr 2012 die Landesantidiskriminierungsstelle einzurichten. Ursprünglich war sie eine Koordinierungsstelle in der Landesregierung, die die zahlreichen Aktivitäten der Landesregierung bündelt und optimiert. Mittlerweile wurde die Landesantidiskriminierungsstelle zu einer Anlauf- und Beratungsstelle für betroffene Menschen weiterentwickelt. Dabei arbeitet sie eng mit allen Stellen der Landesregierung zusammen, an die sich betroffene Menschen wenden können.

Ihre Aufgabenfelder erstrecken sich von der Sensibilisierung der Öffentlichkeit über Beratung, die Vernetzung und Kooperation mit Betroffenenverbänden, die Analyse der rechtlichen Lücken auf Bundes- und Landesebene und vor allem auf die Entwicklung und Umsetzung der eben erwähnten Strategie Vielfalt. In all diesen Bereichen – das zeigt die Große Anfrage – haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Landesregierung, die sich mit Vielfalt auseinandersetzen, und federführend die Landesantidiskriminierungsstelle hervorragende Arbeit geleistet. Ich möchte auch im Namen meiner Fraktion für diese hervorragende

Arbeit Danke sagen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Wir gehen einen Schritt weiter. Im neuen Koalitionsvertrag haben wir uns vorgenommen zu prüfen, inwieweit wir zur Stärkung von Chancengleichheit und Vielfalt ein Landesantidiskriminierungsgesetz brauchen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, kurz AGG, als Bundesgesetz hat nur die Bereiche in Bundeszuständigkeit zu regeln. Damit sind große Bereiche in Länderzuständigkeit nicht abgedeckt. Hier ist der Diskriminierungsschutz noch nicht rechtlich verankert. Dies führt möglicherweise zu Ungleichgewichten. Deshalb müssen wir überprüfen, in welchen Landesgesetzen noch Regelungslücken bestehen. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag festgehalten, dass wir das überprüfen wollen. Ich begrüße ausdrücklich, dass die Landesregierung, federführend das Integrationsministerium, ein Gutachten zur Analyse der Rechtslage in RheinlandPfalz in Auftrag gegeben hat. In diesem Gutachten wird untersucht, ob in Bezug auf das öffentlich-rechtliche Handeln des Landes, der Kommunen, der Gemeindeverbände und der öffentlich-rechtlichen Betriebe Handlungsbedarf besteht.

Sehr geehrte Damen und Herren, Antidiskriminierungsund Vielfaltspolitik bedeutet: Das Land geht mit gutem Beispiel voran und lebt Vielfalt. Wir werben für Akzeptanz von Vielfalt. Wir setzen uns für einen aktiven Diskriminierungsschutz ein.

Durch die Sensibilisierung für Diskriminierung und positive Förderung von Vielfalt wirkt die Landesregierung extremen Ideologien, die die Ungleichwertigkeit von Menschen zugrunde haben, aktiv entgegen. Damit stärken wir in Rheinland-Pfalz das friedliche Miteinander und unsere Demokratie.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Wir haben es schon bei Debatten in diesem Hohen Haus erlebt – auch in dieser Woche –, wie wichtig es ist, auf die Folgen von Diskriminierung aufmerksam zu machen. Umso mehr müssen wir dafür werben, dass Verschiedenheit keine Bedrohung, sondern ein Erfolgsfaktor für dieses Bundesland ist. Diskriminierung nimmt den Menschen ihre Freiheit, die Freiheit, so zu sein, wie sie sind.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Wir setzen uns dafür ein, dass alle Menschen in RheinlandPfalz Freiheit haben, dass wir uns mit Respekt begegnen und wir uns nicht von Vorurteilen leiten lassen. Eigentlich müsste das eine Selbstverständlichkeit für jeden Menschen mit Herz und Verstand sein. Dennoch – die Zahlen belegen es – hat jeder Dritte bereits Formen von Ausgrenzungen erlebt. Das ist ein Auftrag an alle Demokratinnen und Demokraten, sich der Diskriminierung aktiv entgegenzustellen und Vielfalt als Bereicherung anzuerkennen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Huth-Haage.

(Zurufe der Abg. Michel Frisch, AfD, und Alexander Schweitzer, SPD – Weitere Zurufe von der SPD und der AfD)

Jetzt hat Frau Kollegin Huth-Haage das Wort, und dieser Dialog wird beendet.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über Vielfalt und Antidiskriminierungspolitik, die Antwort auf die Große Anfrage betreffend. Es ist gut, dass wir heute Morgen dieses Thema aufrufen.

Gerade der Begriff Vielfalt wird vielfältig genutzt. Er wird häufig so gebraucht, dass man davon ausgehen kann, dass er sehr unterschiedlich interpretiert wird. Ich sage deshalb zunächst etwas zu Konkretisierung.

Deutschland ist ein freiheitlich demokratischer Rechtsstaat. Wir Bürger genießen weitgehende Freiheitsrechte. Das war nicht immer so. Das war nicht sehr verständlich. Viele dieser Rechte wurden von unseren Vorfahren hart erkämpft und sind erfochten worden.

(Beifall der CDU und bei der AfD)