Ich rufe die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Uwe Junge (AfD), Fragen zur Unterbringung des rückfallgefährdeten Somaliers in Haßloch – Nummer 3 der Drucksache 17/4623 – betreffend, auf. Herr Abgeordneter Junge, bitte.
1. Warum wurde der rückfallgefährdete Sexualstraftäter nicht in Sicherungsverwahrung oder im Maßregelvollzug untergebracht?
2. Warum lehnt die Landesregierung eine Unterbringung dieses abgelehnten somalischen Asylbewerbers in einer Landeseinrichtung ab?
3. Warum wurde die Rückfallgefahr in dem für die Unterbringung des somalischen Sexualstraftäters in einer Männerwohngruppe maßgeblichen Gutachten nicht berücksichtigt?
4. In welcher Weise wird dieser vor allem für Frauen gefährliche Mann durch die Sozialstation engmaschig überwacht und seine Medikation sichergestellt?
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ausgangspunkt der Mündlichen Anfrage ist eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. November 2017. Ich will kurz darstellen, was Gegenstand dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens war.
Die Gemeinde Haßloch hatte gegen die Zuweisung eines Asylbewerbers durch die Kreisverwaltung Bad Dürkheim Widerspruch eingelegt und beim Verwaltungsgericht einen Eilantrag gestellt. Sie berief sich auf ihr kommunales Selbstverwaltungsrecht und machte geltend, ihr stehe zum Schutz ihrer Einwohner ein Abwehrrecht gegen die Zuweisung zu.
Den Eilantrag lehnte das Verwaltungsgericht ab. Auch die hiergegen erhobene Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht blieb erfolglos.
Mit Beschluss vom 14. November 2017 hat das Oberverwaltungsgericht entschieden: Der Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Personen obliege allein dem Staat. Deshalb könne sich eine Gemeinde nicht auf ihr kommunales Selbstverwaltungsrecht zur Abwehr der Zuweisung eines gefährlichen Asylbewerbers zur Unterbringung in ihrem Gemeindegebiet berufen. Es seien die notwendigen Maßnahmen des Strafrechts, des Polizei- und Ordnungsrechts, des Betreuungsrechts und gegebenenfalls nach dem Landesgesetz für psychisch kranke Personen ausschließlich vom Staat zu treffen.
Das Oberverwaltungsgericht hat sodann festgehalten, welche Schutzmaßnahmen im konkreten Fall bereits getroffen wurden. Der Asylbewerber sei durch Beschluss des Landgerichts Frankenthal vom 24. Juli 2017 unter Führungsaufsicht gestellt worden mit der Folge, dass er sich erneut strafbar mache, falls er den angeordneten Weisungen nicht nachkomme. Darüber hinaus sei er in das Überwachungsprogramm VISIER aufgenommen worden. VISIER steht für Vorbeugendes Informationsaustauschsystem zum Schutz vor Inhaftierten und entlassenen Rückfalltätern. Weiterhin sei für ihn ein Betreuer bestellt worden, und er unterliege insbesondere wegen der dringend notwendigen Medikamenteneinnahme der Aufsicht der Sozialstation.
Es ist also nicht so, als ob nichts geschehen wäre und man lediglich die Hände in den Schoß gelegt hätte. Dies möchte ich vorweg festhalten.
Zu Frage 1: Gegen den Asylbewerber wurden durch rheinland-pfälzische Gerichte in zwei Fällen Freiheitsstrafen verhängt, die er voll verbüßt hat. Die erkennenden Gerichte haben keine Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung getroffen.
Über freiheitsentziehende Maßnahmen und damit auch über die Anordnung der Sicherungsverwahrung entscheiden die Gerichte in richterlicher Unabhängigkeit. Es steht mir daher nicht zu, diese Entscheidungen zu kommentieren oder zu bewerten. Ich kann lediglich ganz allgemein
zu den vom Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen einer Anordnung der Sicherungsverwahrung Folgendes ausführen.
Nach § 66 Abs. 1 Strafgesetzbuch ist die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung neben einer Strafe unter anderem dann anzuordnen, wenn ein Täter zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet, und er schon vor der neuen Tat zweimal wegen solcher Straftaten jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist. Nach den vorliegenden Erkenntnissen handelt es sich bei dem verurteilten Asylbewerber aber um einen Ersttäter.
Für eine fakultative Anordnung der Sicherungsverwahrung verlangt das Gesetz unter anderem entweder das Vorliegen von drei einschlägigen Straftaten, durch die der Täter jeweils eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat – § 66 Abs. 2 Strafgesetzbuch – oder von zwei einschlägigen Straftaten, die dann allerdings jeweils eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren nach sich ziehen müssen – § 66 Abs. 3 Strafgesetzbuch –.
Die befassten Gerichte haben, soweit bekannt, bereits diese formellen Voraussetzungen für eine Anordnung der Sicherungsverwahrung als nicht erfüllt angesehen. Maßgeblich hierfür dürfte gewesen sein, dass zwei der für die einschlägigen Taten verhängten Einzelstrafen unter dem gesetzlich geforderten Mindestmaß von einem Jahr bzw. zwei Jahren gelegen haben.
Die Frage, ob bei dem Verurteilten Anhaltspunkte für einen vom Tatbestand des § 66 Strafgesetzbuch vorausgesetzten Hang zur Begehung erheblicher Straftaten bestehen, wäre dann nicht mehr entscheidungserheblich gewesen.
Die Gerichte haben auch keine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Nach den vorliegenden Erkenntnissen haben sich weder im Ermittlungsverfahren noch während der Hauptverhandlung Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Eingangsvoraussetzungen der insoweit maßgeblichen Vorschrift des § 63 Strafgesetzbuch gegeben waren. Auch diese gerichtliche Entscheidung erfolgt in richterlicher Unabhängigkeit und ist daher zu respektieren.
Ganz allgemein wäre eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus möglich, wenn jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit – § 20 Strafgesetzbuch – oder der verminderten Schuldfähigkeit – § 21 Strafgesetzbuch – begangen hat und die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die insoweit erforderlichen gerichtlichen Feststellungen gab es in dem rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren – wie berichtet – keine Anhaltspunkte.
gesetz verpflichtet, längstens bis zu sechs Monate in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Bei Beendigung der Wohnpflicht werden sie im Land verteilt. Die Unterbringung erfolgt dann durch die Kommunen als Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung. Es gibt keine rechtliche Grundlage, ihn anzuweisen, seinen Wohnsitz in einer Aufnahmeeinrichtung zu nehmen.
Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hat mit Beschluss vom 14. November 2017 ebenfalls festgestellt, dass der Betroffene nicht in einer Landeseinrichtung untergebracht werden konnte. Eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik wäre nur aufgrund eines entsprechenden richterlichen Beschlusses möglich.
Voraussetzung hierfür ist nach dem sogenannten PsychKG, dass eine psychisch kranke Person durch ihr krankheitsbedingtes Verhalten ihr Leben, ihre Gesundheit oder besonders bedeutende Rechtsgüter anderer gegenwärtig in erheblichem Maß gefährdet und diese Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Zuständige Behörde für die Unterbringung ist nach § 13 Abs. 1 PsychKG die Kreisverwaltung, die diese Aufgabe als Auftragsangelegenheit wahrnimmt.
Die Kreisverwaltung teilte im Rahmen einer Fallkonferenz am 14. September 2017 mit, dass eine Unterbringung nach dem PsychKG nach einem Gutachten des behandelnden Psychiaters nicht angezeigt sei. Ohne ein solches Gutachten eines Arztes bekommen Sie aber keinen gerichtlichen Beschluss.
An der Fallkonferenz hat auch der Leiter der Ausländerbehörde der Kreisverwaltung teilgenommen. Die Teilnahme des Integrationsministeriums erfolgte im Hinblick auf die Klärung ausländerrechtlicher Fragestellungen. An der Besprechung haben überwiegend Vertreter der Polizei teilgenommen, die über die konkreten Maßnahmen und die Zusammenarbeit der Beteiligten vor Ort berichtet haben.
Als Handlungsoption wurde unter anderem auch hier eine Unterbringung nach dem PsychKG diskutiert. Es wurde, wie bereits erwähnt, vom Leiter der Ausländerbehörde wie auch von den Vertretern der Polizei mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach dem PsychKG aktuell nicht vorlägen. Dabei wurde auch auf das besagte Gutachten Bezug genommen. Es handelte sich dabei aber nicht um eine eigene Bewertung, sondern um eine Mitteilung des Sachstandes.
Sofern sich Anhaltspunkte für eine Veränderung bzw. Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes ergeben würden, bestand Übereinstimmung, dass unverzüglich die Unterbringungsbehörde und das Gesundheitsamt eingeschaltet werden, um die Möglichkeit einer Unterbringung nach dem PsychKG dann zu prüfen.
Zu Frage 3: Das besagte Gutachten wurde vom Ordnungsamt des Kreises Bad Dürkheim in eigener Zuständigkeit in Auftrag gegeben. Der genaue Gutachtenauftrag selbst ist der Landesregierung meiner Kenntnis nach nicht bekannt. Er kann nur indirekt aus den vorliegenden Gutachten ent
nommen werden. Der Gutachtenauftrag scheint sich demnach unter anderem auf die Frage zu beziehen, inwiefern der Betroffene allein in einer Wohngruppe einer Asylunterkunft wohnen kann.
Das MFFJIV ist hier als oberste Aufsichtsbehörde in ausländerrechtliche Angelegenheiten involviert und bewertet die statusrechtlichen Fragen. Es konnte jedoch aus der Fallbesprechung der Eindruck gewonnen werden, dass vor Ort alle beteiligten Stellen eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten, um ihre Maßnahmen abzustimmen.
Die Unterbringung von Asylsuchenden nehmen die Kommunen als Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung wahr. Es liegen deshalb auch keine weiteren Erkenntnisse darüber vor, unter welchen Gesichtspunkten die Kreisverwaltung die Unterbringung in der Wohngruppe als adäquate Unterbringungsform ausgewählt hat. Die Ausländerbehörde des Kreises Bad Dürkheim hat zwischenzeitlich mitgeteilt, dass die Unterbringung aufgrund von Konflikten innerhalb der Wohngruppe mittlerweile beendet wurde und der Betroffene in einer Wohnung in der Gemeinde Haßloch lebt.
Zu Frage 4: Die zuständigen Behörden sowohl des Landes als auch der Kommune und die Klinik in Bad Dürkheim arbeiten in dem vorliegenden Fall – wie bereits ausgeführt – gut und eng zusammen. Dies bezeugen besonders die beiden Besprechungen der beteiligten Behörden und der Klinik zu dem Fall, in denen die vorliegenden Erkenntnisse ausgetauscht, Informationswege festgelegt und das weitere Vorgehen der jeweiligen Beteiligten abgestimmt wurden.
Danach findet insbesondere eine engmaschige Überwachung des Aufenthalts des Betroffenen durch die Polizei statt. Ebenso wird im Rahmen der Behandlung des Betroffenen der Medikamentenspiegel ermittelt, um sicherzustellen, dass er seine Medikamente einnimmt. Dabei haben sich bisher keine Auffälligkeiten ergeben.
Es wurden zudem umfängliche weitere polizeilichen Präventivmaßnahmen in die Wege geleitet. Dazu zählen unter anderem die Aufnahme in das VISIER-Programm für entlassene Rückfalltäter sowie Maßnahmen zur vorbeugenden Gefahrenabwehr.
Die sehr gute Zusammenarbeit mit den Netzwerkpartnern gewährleistet auch eine fast tagesaktuelle Informationslage. Das Polizeipräsidium Rheinpfalz berichtet wöchentlich dem MdI über die getroffenen und geplanten Maßnahmen sowie die Entwicklungen.
Vielen Dank. Herr Minister, mit welchen Konsequenzen hat der Somalier zu rechnen, wenn er gegen die Auflagen verstößt, insbesondere wenn er die weitere Einnahme der Medikamente ablehnen würde?
Wenn er gegen die Auflagen der Führungsaufsicht aus dem von mir zitierten Beschluss – ich glaube vom Juli dieses Jahres – verstoßen würde, würde dies eine neue Straftat bedeuten, die dann gegebenenfalls zu verfolgen ist. Was nicht möglich ist, ist eine Zwangsmedikation. Wenn er die Medikamente nicht freiwillig einnimmt, gibt es keine Möglichkeit, ihn hierzu zu zwingen. Das ist auch sanktionslos.
Herr Minister, vielen Dank für die ausführlichen Darlegungen. – Ich habe noch eine Nachfrage zu Frage 3. Das Gericht weist durchaus im Zusammenhang mit dem Gesamtzusammenhang darauf hin, dass in dem für die Unterbringung in einer Wohngruppe maßgeblichen psychiatrischen Gutachten hinsichtlich der Rückfallgefahr auf eine Stellungnahme der JVA Frankenthal hingewiesen wurde, die offensichtlich nicht berücksichtigt worden ist.
Möglicherweise sagt das Gericht das aufgrund eines eingeschränkten Gutachterauftrags. Sie haben gerade auch bestätigt, dass Ihnen der konkrete Inhalt dieses Gutachterauftrags nicht bekannt ist. Die Frage ist doch jetzt im Gesamtzusammenhang, dass wir es mit einem straffälligen Asylbewerber zu tun haben. Was hindert uns daran, ihn unverzüglich auszuweisen?
Soweit mir bekannt ist, ist der Asylbewerber im Jahr 2013 eingereist. Die Entscheidung des BAMF ist ihm dieses Jahr zugestellt worden. Nach meiner Kenntnis hat man zweimal erfolglos versucht, diese an der früheren Wohnung zuzustellen, obwohl eigentlich dort bekannt sein müsste, dass er in der JVA einsitzt. Die Zustellung ist dann über den bestellten Betreuer erfolgt.
Derzeit findet das entsprechende gerichtliche Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Trier, zu dessen Ausgang ich naturgemäß nichts sagen kann, statt, sodass vor diesem Hintergrund derzeit nicht rechtskräftig feststeht, ob er bleiben kann oder nicht, und im Übrigen dann die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Abschiebung nicht gegeben sind. Dieses Verfahren ist abzuwarten.