Zum Schluss noch ein Wort zu dem Vorkommnis in der Justizvollzugsanstalt in Diez vor einigen Wochen, das uns alle sehr betroffen gemacht hat, mit dem wir aber offensichtlich sehr unterschiedlich umgehen, wie die Fragestunde heute Morgen gezeigt hat.
Erlauben Sie mir an der Stelle einmal eine sehr persönliche Bemerkung. Meine Damen und Herren, es ist eine Frage des Gewissens, wie wir als Abgeordnete mit unserem Mandat umgehen. Wir sind unserem Gewissen – sogar ausschließlich unserem Gewissen – verpflichtet.
Das ist ein sehr hoher Anspruch. Was diesem Anspruch aber nicht entspricht, ist Skandalisierung, spekulatives Vorgehen und Populismus.
Verehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der Justizvollzug leistet eine gesellschaftlich höchst wertvolle, aber auch zugleich schwierige Aufgabe. Er dient einerseits dem Ziel, die Strafgefangenen und Jugendstrafgefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Andererseits hat er die ebenfalls wichtige Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen. Deshalb steht zunächst die Resozialisierung im Vordergrund. Daneben müssen aber sichere und zugleich menschenwürdige Unterbringungen der Gefangenen gewährleistet sein.
Eine erfolgreiche Resozialisierung stellt den bestmöglichen Beitrag des Strafvollzugs für den Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten dar. Um diesen Zielen gerecht zu werden, braucht es einen am Resozialisierungsgedanken ausgerichteten modernen Strafvollzug, der über qualifiziertes und hoch motiviertes Personal und eine bedarfsgerechte Ausstattung verfügt. Darüber verfügen wir in RheinlandPfalz.
Die Bediensteten im Justizvollzug leisten ihren Dienst unter belastenden Bedingungen. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Das müssen wir intensiv im Ausschuss beraten. Das werden wir auch tun. Da ist die geeignete Stelle, intensiv über dieses Thema zu sprechen. Die Aufgabe, die ihnen auch für unsere Gesellschaft aufgetragen wurde, erfüllen die Bediensteten im Strafvollzug hervorragend. Dafür möchte ich ihnen danken.
Verschiedene aktuelle Rahmenbedingungen – wir haben es schon mehrfach im Ausschuss erörtert und werden es wieder erörtern – verschärfen die aktuelle Situation im Strafvollzug. Zu nennen sind – das wurde schon erwähnt – die gestiegenen Gefangenenzahlen, aber auch teilweise durch Sanierungsmaßnahmen in einzelnen Anstalten bedingte Kapazitäten von Haftplätzen. Das ist eine schwierige Situation. All diese Dinge führen dazu, dass die Bediensteten im Strafvollzug derzeit wirklich in einem hohen Maß gefordert sind.
Wir müssen betrachten, inwieweit sich dieses Gefordertsein im Beruf auswirkt. Sie sind besonderen emotionalen Anforderungen ausgesetzt. Sie haben einen Rollenkonflikt in ihrem Behandlungsauftrag, zum einen Resozialisierung und Sicherheit, zum anderen haben wir eine steigende Zahl von Gefangenen, die selbst eine psychische Erkrankung oder Persönlichkeitsstörungen haben.
Das sind Entwicklungen, die wir intensiv betrachten müssen. Das sind Herausforderungen, die sehr komplex sind. Deswegen finde ich, der Ausschuss ist der geeignete Ort, intensiv darüber zu sprechen.
Der rheinland-pfälzische Justizvollzug ist einer hohen Belastung ausgesetzt, aber seine Funktionsfähigkeit ist nicht infrage zu stellen. Die Funktionsfähigkeit ist gewährleistet. Sie hier politisch infrage zu stellen, ist unzulässig.
Ich möchte noch einmal betonen – es ist eine Aktuelle Debatte, deswegen aktuelle Anlässe –, von der Opposition – es wurde im Ausschuss hauptsächlich gemacht – wird die Personalknappheit der JVA Diez in Zusammenhang mit der dort vorgefallenen Straftat gezogen. Das ist meiner Meinung nach auch unzulässig.
Es ist zwar zutreffend, dass in der JVA Diez aktuell mehrere Stellen unbesetzt sind, es laufen aber verschiedene Stellenbesetzungsverfahren, damit diese Stellen schnellstmöglich wieder besetzt werden.
Die seit Jahren praktizierte Besuchsorganisation in der JVA Diez sieht im Besuchsraum zwei JVA-Bedienstete vor, die auch in dieser Situation anwesend waren. Wir haben es heute Morgen in der Fragestunde gehört. Jährlich werden 40.000 Besuche in Rheinland-Pfalz durchgeführt, allein 5.000 Besuche in Diez. Wir sprechen von diesem Vorfall, der, glaube ich, alle, die im Rechtsausschuss bei der Beratung dabei waren, mit Entsetzen zurückgelassen hat. Es war ein schrecklicher Vorfall. Aber deswegen den Justizvollzug in die Kritik zu ziehen, ist nicht zulässig, wenn man die Gesamtzahl der Besuche sieht.
Unser Justizvollzug in Rheinland-Pfalz ist leistungsfähig. Wir haben hoch motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nichtsdestotrotz müssen wir in gebotener Sachlichkeit im Rechtsausschuss die aktuellen Entwicklungen beraten. Das werden wir tun. Ich denke, die Anhörung im Januar ist der richtige Weg. Eine Aktuelle Debatte zu diesem Thema ist es aber nicht.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herrn Abgeordnete! Ich finde es gut, dass wir heute in dieser Aktuellen Debatte über den Strafvollzug in Rheinland-Pfalz debattieren. Ich habe schon früher in meiner ersten Amtszeit immer beklagt, dass über den Strafvollzug eigentlich immer nur dann gesprochen wird, wenn besondere Ereignisse stattfinden. Ansonsten nimmt ihn die Gesellschaft wenig wahr und insbesondere nicht, wie jahraus, jahrein rund um die Uhr die Mitarbeiter dort Sicherheit für die Gesellschaft produzieren. Das muss mit Respekt und Anerkennung zu Kenntnis genommen werden.
Der Strafvollzug steht vor Herausforderungen. Wir müssen zum Beispiel Regelungen zur religiösen Betreuung von islamischen Gefangenen finden. Das Konzept ist faktisch fertig. Wir werten derzeit ein Urteil des OVG Münster aus, was dort zu den Rechten von Religionsgemeinschaften im Religionsunterricht ergangen ist. Daraus können Hinweise für unsere Konzeption gewonnen werden. Sobald dies
alles abgeschlossen ist, werden wir es dann der Öffentlichkeit vorstellen. Das wird nicht mehr allzu lange dauern.
Eine weitere Herausforderung, der wir uns zu stellen haben, ist die personelle Situation. Als diese Koalition antrat, habe ich zur Kenntnis genommen, dass schon bestimmte Beschlüsse vorlagen. Nach der Koalitionsvereinbarung sind sie alle insoweit abhängig, da es auch um die Anzahl der Gefangenen geht. Deshalb bin ich den Koalitionsfraktionen dankbar, nachdem sich am Ende des letzten Jahres herausstellte, dass die Gefangenenzahlen anders als erwartet angestiegen sind, dass entsprechende kwVermerke, die ursprünglich vorgesehen waren, reduziert wurden. Von diesen kw-Vermerken hat sich bis heute kein einziger ausgewirkt.
Ich darf festhalten, jede Stelle, die in diesem Jahr in der JVA frei wird, darf und kann wieder besetzt werden. Das benötigt nur manchmal Zeit, weil sie ein entsprechendes Auswahlverfahren durchlaufen müssen. Aber es gibt keine einzige Stelle, die in diesem Jahr frei wird und nicht zur Besetzung freigegeben ist. Sie dürfen besetzt werden. Das muss, wenn man hier kritisiert, auch festgehalten werden dürfen.
Eine weitere Herausforderung ergibt sich aus den Gesprächen, die die Strafvollzugsabteilung in den letzten Monaten in allen Anstalten geführt hat, und zwar mit den Anstaltsleitern und den Personalvertretungen. Sie haben uns alle Hinweise gegeben, wie man vielleicht im Rahmen unserer gesetzlichen Regelungen Verbesserungen erreichen kann, ohne das zu gefährden, was das Gesetz bezweckt.
Das wird derzeit im Ministerium geprüft. Das werden wir abstimmen. Ich bin sicher, die Koalition wird geeignete Vorschläge machen. Wie weit man am Strafvollzug hängt, werden wir sehen, wenn es darum geht, diesen Vorschlägen zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Junge, Sie haben erwähnt, dass wir zusätzliche Belastungen im Rahmen der Dolmetscherkosten haben, weil sich die Population verändert hat. Das sind keine neuen Herausforderungen für den Strafvollzug. Das hatten wir in den 1990er-Jahren auch. Da waren es hauptsächlich Menschen, die zwar deutsche Staatsangehörige waren, aber nicht die deutsche Sprache sprachen.
Ja, das waren die sogenannten Russlanddeutschen. Herr Paul, Sie brauchen dann nicht zu lachen, das war damals eine schwierige Herausforderung für den Strafvollzug, die der Strafvollzug dank des Engagements der Mitarbeiter gut bewältigt hat.
Herr Abgeordnete Junge, es stimmt, das ist ein Problem. Deshalb wird derzeit in Rohrbach ein Modellprojekt mit einem Anbieter aus Wien gefahren, der bereit ist, auf telefonischem Wege innerhalb weniger Minuten einen Dolmetscher, wenn er erforderlich ist, zur Verfügung zu stellen, und zwar für 150 Sprachen. Das ist derzeit, soweit ich informiert bin, in rund 40 Fällen erprobt worden. Das
ist dann besonders hilfreich, wenn medizinische Leistungen erforderlich sind, weil dann sehr schnell konkret mit dem Gefangenen gesprochen werden kann, was ihm fehlt, was gemacht werden kann und Ähnliches. Wenn sich das bewährt, werden wir das überall umsetzen. Das hat den großen Vorteil, dass wir die Kosten senken können, weil Anfahrtskosten und Ähnliches wegfallen. Es ist nicht so, dass nicht das Menschenmögliche getan wird, was erforderlich ist.
Ich sage ein Letztes. Zur Vorbereitung des nächsten Doppelhaushaltes gibt es Mitarbeiter des Justizministeriums und des Finanzministeriums, die derzeit die Strukturen im Justizvollzug durchleuchten. Das betrifft sowohl die personellen Anforderungen als auch bauliche Investitionen und vieles mehr. Diese Ergebnisse werden, wenn sie vorliegen, Eingang in die Haushaltsberatungen finden. Wenn vorher irgendwelche Maßnahmen getroffen werden, werden wir sie zu gegebener Zeit verkünden.
Es ist keineswegs zutreffend, dass seitens des Ministeriums keine Anstrengungen unternommen werden, um die Situation zu verbessern.
Sehr geehrter Herr Minister, herzlichen Dank für Ihre Ausführungen. Ich bin froh darüber, dass Sie akzeptieren, dass man über bestimmte Themen aktuell diskutieren darf und muss. Ich denke, das ist völlig klar. Hier geht es nicht darum zu skandalisieren, sondern hier geht es darum – das habe ich, meine ich, auch nicht getan – Fakten anzusprechen. Ich habe natürlich auch gefordert, dass man da rangehen muss. Wenn Sie das tun, dann ist das gut, aber dennoch gehört zu einer öffentlichen Debatte und zu einer aktuellen Debatte, dass man diese Themen öffentlich macht und es nicht nur im Ausschuss behandelt. Es betrifft viele.
Es ist richtig, dass die Große Anfrage der CDU eine Grundlage war. Sie ist im April beantwortet worden. Wir schreiben jetzt November. Ich habe schon den Eindruck, es ist nicht so viel Handlungsbedarf erkannt worden, wie ich ihn gesehen habe.
Lieber Herr Denninghoff, ich muss sagen, Sie haben schnell gelernt. Das ist hervorragend. Wenn Ihnen die Themen und die Fakten nicht gefallen, dann fangen Sie an und kritisieren das Verfahren, weisen auf Schreibfehler hin, machen andere Dinge oder moralisieren das Ganze aus.
es ein öffentliches Interesse gibt, dass wir das ansprechen und wir Ihre Themen genauso ernst nehmen wie wir wollen, dass Sie die Themen, die wir für wichtig erachten, auch ernst nehmen. Ich glaube, auch das ist demokratische Gepflogenheit, auf die Sie immer einen so großen Wert legen.