Sie unterscheiden, differenzieren und stellen sich hier hin, als wären Sie die Verteidiger gegen Antisemitismus, von Menschen mit jüdischem Glauben in unserer Gesellschaft, aber Sie differenzieren, lieber Herr Junge, sehr geehrter Herr Junge, weil Sie das nur auf bestimmte Gruppen beziehen.
Ich lasse es Ihnen auch nicht durchgehen, dass Sie auf bestimmte Gruppen zeigen, aber nicht in Ihren eigenen Reihen wirklich einmal vor der Tür kehren.
(Beifall der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Timo Böhme, AfD)
Wenn Sie es ehrlich meinen würden – da spreche ich Sie ganz persönlich an, Herr Junge –, dann würden Sie sich beispielsweise von Bernd Höcke distanzieren.
Sie haben ihn noch im Sommerinterview dieses Jahres als eine starke Persönlichkeit bezeichnet. Wissend, dass Bernd Höcke das Holocaust-Denkmal als Schande bezeichnet hat und die deutsche Erinnerungskultur an die Judenermordnung für falsch hält, bezeichnen Sie diese Person als eine starke Persönlichkeit.
Wenn Sie es im Parlament ehrlich meinen, dass Sie Antisemitismus, egal woher er kommt, verurteilen, dann distanzieren Sie sich in Ihren eigenen Reihen von Menschen, die in diesem Land antisemitisch auftreten.
Es gibt noch andere Beispiele. Ich nenne sie Ihnen nur ganz kurz: Beispielsweise relativierte Dirk Hoffmann, Landesvorsitzender aus Sachsen-Anhalt, auf Facebook den Holocaust und warf Israel Völkermord vor. Er wurde dann zur Belohnung Oberbürgermeisterkandidat der AfD in der Lutherstadt Wittenberg.
Oder ich nenne Herrn Peter Felser. Er ist stellvertretender Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, der für rechtsradikale Republikaner antisemitische Videos produziert hat,
in denen er behauptet, dass der Zentralrat der Juden Deutschland beherrschen würde. Deshalb noch einmal: Wir lassen Ihnen das in diesem Parlament nicht durchgehen. – Es tut einem weh, dass an einer Stelle, an der dieses Parlament in Rheinland-Pfalz immer klar und eindeutig war, und zwar gemeinsam, auch wenn wir zu anderen Themen miteinander streiten, diese gemeinsame Haltung durch Sie in Rheinland-Pfalz nicht mehr gegeben ist.
Das können Sie gerne, aber Sie können auch gerne dazu Stellung nehmen. Ich denke, wir haben eine unterschiedliche Herangehensweise an dieses Thema.
Natürlich kennen wir die neuen Phänome, die wir auch nicht beschönigen, und natürlich kennen wir die Sorgen der jüdischen Mitbürger und Mitbürgerinnen. Trotzdem ist völlig klar, wir müssen uns diesen Tatsachen stellen. Wir müssen auch etwas dagegen tun. Wir müssen nach Antisemitismus fahnden, egal durch wen er begangen wird. Wir werden es aber niemals zulassen, dass wir uns Ihr rassistisches Denken zu eigen machen und differenzieren, von wem der Antisemitismus kommt. Das werden wir in diesem Parlament nicht zulassen.
(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei der CDU – Abg. Michael Frisch, AfD: Das ist ungeheuerlich!)
Ich möchte gerne noch einen letzten Satz sagen, weil er mir wichtig ist. Frau Klöckner hat darauf hingewiesen, wir waren beide in Israel. Ich denke, man darf schon sagen, es ist eine gute rheinland-pfälzische Tradition, dass wir die Verbindungen, die Beziehungen zu Israel wirklich pflegen. Ich bin sehr froh darüber, dass es in unseren Gesprächen eine große Rolle gespielt hat, gerade den Jugendaustausch über die Schulen und die Jugendarbeit weiter zu intensivieren, um jungen Menschen die Chance zu geben, Israel und die Situation in Israel kennenzulernen.
Wir stehen zu dieser Partnerschaft, die wir weiter ausweiten wollen. Ich bin froh, dass mit Givat Haviva nicht nur die Landesregierung, sondern auch das Parlament immer wieder einen deutlichen Beitrag dazu leistet, dass man Begegnung ermöglicht und die unterschiedlichen Denkweisen versteht.
Ich denke, wir alle haben ein großes Interesse daran, dass der Friedensprozess in Israel trotz des Einzelgangs von Präsident Trump eben nicht abbricht. Egal wie man dazu steht, ich glaube, es liegt in unserem Interesse, dass der Friedensprozess nicht gehemmt wird, sondern weitergeht. Das wünsche ich mir wirklich von ganzem Herzen. Wenn mich jemand fragt, was wünschen Sie sich zu Weihnachten, dann ist das ein Wunsch, der bei mir an allererster Stelle steht.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerpräsidentin, in der Tat, das war das, was uns in Rheinland-Pfalz immer ausgezeichnet hat, nämlich dass es Tage gibt, an denen wir zu Themen einen gesellschaftlichen Konsens haben. Das ist ein Erbe unserer Vorfahren. Das ist das Erbe, das wir an die weitergeben müssen, die noch jung sind oder noch nicht geboren worden sind. Dieses Ungeteilte ist die Kraft. Diese Kraft wird infrage gestellt, wenn wir hier über Hetzer reden, die AfD sich daran beteiligt, aber hier selbst das Motiv und das Instrumentarium der Hetze benutzt.
Das ist ein ganz, ganz großes Problem; denn schon wieder werden Juden und deren Verfolgung benutzt, um ein anderes Ziel zu verfolgen. Herr Junge hat den Antisemitismus benutzt, um seine AfD-Politik gegen die Bundeskanzlerin zu betreiben. Das ist just an dieser Stelle und zu diesem Thema unanständig.
Herr Junge, wir kennen doch das Motiv. Wir kennen doch Ihr Instrumentarium. Im Zweifel sind Sie wieder falsch verstanden worden.
Im Zweifel sind diejenigen, die den Holocaust leugnen, oder von dem „Schuldkult“ – – – In Ihren Reihen wird dazu aufgerufen, vom „Schuldkult“ langsam Abstand zu nehmen. Genau dieses Denken, diese mangelnde Sensibilität hat dazu geführt, dass sich Menschen nicht davon berühren lassen, wie es anderen Menschen geht, wenn sie ausgegrenzt werden. Sie selbst sind auf dem besten Wege, den Konsens, den wir hier haben, zu stören. Wir merken, ja, mit der Landtagswahl hat sich etwas verändert, aber nicht alles zum Besten. Das will ich auch sagen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das will ich in dieser Differenziertheit sagen: Die Kollegin von der FDP sagte, der Auslöser sei Trump. Ja, ich sehe das auch kritisch, aber ich sehe es anders.
Das dürfen wir nicht als Auslöser bezeichnen; denn wenn die Reaktion eines Präsidenten sofort so etwas auslöst, dann ist er kein Auslöser, sondern dann ist etwas latent vorhanden. Wir müssen wahrnehmen, dass etwas, was latent vorhanden ist, wie bei einer Gaslampe sofort explodieren kann.
Herr Präsident, deshalb sage ich zum Schluss: Auch da dürfen wir nicht mit der Keule kommen, Islamophobie oder nicht. Viele Menschen, die zu uns kommen, kommen aus Ländern, in denen Antisemitismus zur Tagesordnung gehört. Herr Erdogan hat seine Imame in Deutschland dazu aufgerufen, im Rahmen des Freitagsgebets über Israel und Jerusalem zu sprechen. Am nächsten Abend haben der Davidstern und Fahnen gebrannt. Das müssen wir ernst nehmen.
Deshalb sage ich: Zum Bekenntnis zu Deutschland, zu den Rechten, die man hier wahrnimmt, gehört auch, die Pflichten wahrzunehmen. Antisemitismus hat hier keinen Platz. Wer das glaubt, hat sich das falsche Land ausgesucht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Natürlich möchte ich – nein, ich muss – auf die Wortbeiträge, die in der ersten Runde gefallen sind, eingehen.
Frau Kollegin Klöckner, Sie haben die AfD mit Worten angesprochen, die ich unterstreichen kann, und gesagt, die AfD stört den Konsens.
Ich will mir erlauben, das aus meiner Sicht zu präzisieren. Ich finde, der Konsens der Parteien – ich will einmal ab hier geografisch anfangen – ist nicht gestört. Die AfD hat sich mit ihren Äußerungen außerhalb des demokratischen Konsenses gestellt. Das möchte ich gerne feststellen.