Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland steht wie kein anderes Land der Welt in der historischen Verantwortung, Antisemitismus entschieden und konsequent entgegenzutreten. Diese Verantwortung darf uns nicht bremsen oder hemmen. Vielleicht sollten wir hieraus die notwendige Kraft schöpfen, um jeglichen antisemitischen Entwicklungen mit aller Deutlichkeit zu begegnen.
(Beifall der FDP, der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Timo Böhme, AfD sowie bei der CDU)
Gerade vor diesem historischen Hintergrund ist es beschämend zu sehen, dass vor dem Brandenburger Tor, nur wenige Hundert Meter vom Denkmal für die ermordeten Juden Europas entfernt, gegen israelische Bürger und Bürgerinnen jüdischen Glaubens gehetzt wird. Hier wurde die Meinungsfreiheit auf das schändlichste missbraucht und mit Füßen getreten. Das ist nicht zu akzeptieren. Unsere Toleranz ist kein Freibrief für Intoleranz.
Man muss nun gleichzeitig vorsichtig sein, aus der gerechtfertigten Empörung über die Vorfälle heraus neue gesetzgeberische Maßnahmen zu fordern. Wie auch an anderer Stelle hat der Gesetzgeber bereits einen rechtlichen Rahmen geschaffen, der es ermöglicht, derlei Vorkommnisse juristisch aufzuarbeiten. Diese Möglichkeiten müssen zunächst auch erschöpft werden. Mehr aber als die juristische Aufarbeitung ist es wichtig, die gesellschaftliche und politische Diskussion am Leben zu halten, sie auszuweiten, deutlich machen, dass es kein vorübergehendes Phänomen ist. Es ist kein rechtsextremes, es ist kein rein linksextremes, ebenso wenig ein rein islamistisches Phänomen, wie uns einige politische Strömungen weismachen wollen.
Wir wissen aus der Erinnerung, wie aus einem kleinen Funken ein fatales Inferno werden kann. Aus einem kleinen Funken kann ein fatales Inferno werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten versuchen, dass wir uns eine Welt schaffen, die frei von Hass und Antisemitismus ist, und das auch gestalten. Wir müssen warnen, wir müssen erinnern, und wir müssen vermitteln, ob weltpolitisch, in kleinen Gesprächen, die wir täglich führen, in denen uns Antisemitismus leider immer wieder versteckt oder oftmals auch unverhohlen begegnet.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal auf die Entscheidung der US-Administration eingehen, die die Kausalkette eigentlich erst in Gang gesetzt hat,
Der Grat zwischen Richtig und Falsch ist in dieser historischen Frage, wessen Hauptstadt Jerusalem ist oder sein sollte, nur ein schmaler, oftmals auch ein kaum sichtbarer. Ich sehe es daher als unsere Aufgabe an, wie es die Bundesrepublik seit Jahren schon tut, in unserem Bestreben nach einer Befriedung des Konflikts nicht nachzulassen, und das beginnt für uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, damit, dass wir uns jeglichen antisemitischen Tendenzen alle geschlossen entgegenstellen.
(Beifall der FDP, der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Timo Böhme, AfD sowie bei der CDU)
Geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Was Sie eben seitens der AfD-Fraktion gehört haben, ist an Heuchelei nicht zu überbieten. Es ist nur schwer zu ertragen.
Wenn man sich ernsthaft gegen Antisemitismus engagiert, muss man erkennen, welche Mechanismen dahinter liegen. Es ist das Schüren von Vorurteilen, es ist Stigmatisierung einer bestimmten Glaubensgemeinschaft, es ist das gezielte Schüren von Hass, was Antisemitismus ausmacht. Dass Sie hier behaupten, Sie seien gegen Antisemitismus, und dieselben Mechanismen bedienen, wenn es um den Islam geht, ist derart heuchlerisch und so unerträglich.
Zur Vorbereitung der heutigen Debatte habe ich mir angeschaut, was die empirischen Studien zum jüdischen Leben in Deutschland sagen. Wir können zum Glück feststellen, dass fast alle Jüdinnen und Juden in Deutschland sagen, dass sie gerne hier leben.
Für mich als Mandatsträgerin und Historikerin bedeutet es aber, dass wir uns immer wieder anschauen müssen, was sagen uns die Daten, wie entwickeln sie sich, wie sind die Ergebnisse auszuwerten, und wo müssen wir ganz genau hinschauen. Dass wir genau hinschauen müssen, das sage ich auch seitens der Grünen-Fraktion; denn klare Kante gegen Antisemitismus aller Formen ist ein wichtiges Bindeglied in unserer Gesellschaft. Es ist eine historische Verantwortung.
Auch meine Fraktion bekennt sich ganz klar gegen jede Form von Antisemitismus ohne Wenn und Aber. Wir müssen Antisemitismus aus den Sonntagsreden herausholen. Er findet tagtäglich statt, auch wenn er nicht sichtbar ist, wie wir es in den letzten Tagen erlebt haben, aber er findet tagtäglich statt.
Wir müssen im politischen Alltag immer wieder Antisemitismus in den Blick nehmen; denn wir beobachten nicht nur, dass die Jüdinnen und Juden zum Glück sagen, dass sie gerne in Deutschland leben, sondern wir beobachten auch, dass zwei Drittel der Jüdinnen und Juden Antisemitismus am eigenen Leib erfahren haben. 30 % wurden beleidigt oder belästigt, ein kleiner Anteil war sogar körperlicher Gewalt ausgesetzt. Jede zehnte Jüdin oder jeder zehnte Jude in Deutschland hat sogar solche Erfahrungen nicht nur einmal gemacht, sondern auch in den letzten zwölf Monaten. Diese Zahlen sind erschreckend, und sie müssen dazu führen, dass wir den Kampf gegen antisemitische Gedankenmuster und antisemitisches Handeln entschieden bekämpfen.
Ja, wir nehmen auch zur Kenntnis, dass unter den Jüdinnen und Juden in Deutschland der Zuzug von Flüchtlingen für erhebliche Befürchtungen gesorgt hat. Darum müssen wir Antisemitismus als Ganzes in den Blick nehmen und schauen, welche Reaktionen daraus erwachsen können.
Es geht darum, dass jeder und jede, der oder die hier leben, die klare Ansage bekommt, in diesem Land grenzen wir niemanden aus. Das sind die Spielregeln, die unsere Verfassung uns vorgibt, und hier sind Jüdinnen und Juden willkommen. Diese Botschaft geht an alle, und das ist unabhängig davon, ob sie lange oder erst kurz hier leben.
Aber wir müssen uns anschauen, wie sich die antisemitischen Straftaten zusammensetzen. In der Tat, die Polizeistatistik zeigt auf, dass 90 % der Straftaten von Deutschen verübt werden. Wir müssen auch sehen, dass Antisemitismus so eine Art Exportprodukt geworden ist.
Im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt gibt es eine neue Form des Antisemitismus im islamischen Raum, der traditionell nichts mit der muslimischen Religion zu tun hat, er wird aber religiös missbraucht. Dort kursieren Ansichten voller Menschenhass, die ich hier nicht zitieren möchte.
Wir müssen deshalb als Demokratinnen und Demokraten, aber auch aus unserer historischen Verantwortung heraus diese Ressentiments ernst nehmen, und sie müssen uns nicht nur betroffen machen, sondern auch aufrütteln. Wenn wir nämlich sehen, dass die Straftaten in diesem Bereich zunehmen, dann gilt es, dieses Problem nicht kleinzureden. Wir müssen also beides in den Blick nehmen. Menschenfeindlichkeit ist Menschenfeindlichkeit, egal aus welcher Motivation heraus sie geäußert wird.
Vor diesem Hintergrund ist es besonders wichtig, wenn Aiman Mazyek, der Chef des Zentralrats der Muslime in Deutschland, am Vorabend des Beginns von Chanukka sagt – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –: „Wer für das Recht und die Gerechtigkeit unter den Völkern demonstriert und gleichsam zu Gewalt gegen Juden aufruft, der ist klar zu verurteilen, der hat sein Recht auf Demonstration verwirkt und handelt im Widerspruch zum Recht – Islam ist antirassistisch.“ Das ist ein Bekenntnis, das in seiner Klarheit schwer zu übertreffen ist.
Es geht eben nicht darum, nur eine Tätergruppe hervorzuheben, sondern darum, Jüdinnen und Juden insgesamt vor Antisemitismus zu schützen. Es geht darum, antisemitisches Gedankengut aus den Köpfen zu verbannen, völlig egal, aus welcher Ecke die Vorurteile oder die Bedrohungen auch kommen mögen.
Das pauschale Ablehnen von Menschen einer Religionszugehörigkeit hat keinen Platz. Es darf auch keinen Platz in diesem Parlament haben.
Wir wenden uns ganz klar gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und auch ganz klar gegen Antisemitismus.
Lieber Herr Präsident, meine lieben Kollegen und Kolleginnen! Unter dem Motto „Gemeinsam sind wir Deutschland“ haben wir vor nur wenigen Wochen am Tag der Deutschen Einheit ein fröhliches Fest gefeiert und uns noch einmal klargemacht, dass der Zusammenhalt das Fundament unserer Demokratie ist und natürlich Hass, Ausgrenzung und Gewalt für sie Gift sind. Das wissen wir.
Antisemitismus ist eine ganz besondere Gefahr für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft; denn es ist sein Kern,
zu spalten und Hass zu verbreiten. Deshalb ist es gut, dass wir heute im Parlament ein eindeutiges und öffentliches Zeichen der Solidarität an unsere jüdischen Bürger und Bürgerinnen setzen und sagen, Antisemitismus darf auf unseren Straßen und in unseren Köpfen keinen Platz haben. Ich bin sehr froh, dass wir uns an dieser Stelle einig sind.
Es war immer eine gute Tradition – hier schließe ich die CDU, die FDP, die GRÜNEN und die SPD ein –, dass wir uns an diesem Punkt insgesamt einig sind. Wir dulden Antisemitismus nicht in unserem Land, und zwar völlig egal, aus welcher Richtung er kommt.
Irgendjemand von den Vorrednern und Vorrednerinnen hat gesagt, es gibt keinen guten und schlechten Antisemitismus. Antisemitismus ist immer zu verurteilen, zu ahnden und nicht zu tolerieren. Das ist die Haltung von uns.
Sie unterscheiden, differenzieren und stellen sich hier hin, als wären Sie die Verteidiger gegen Antisemitismus, von Menschen mit jüdischem Glauben in unserer Gesellschaft, aber Sie differenzieren, lieber Herr Junge, sehr geehrter Herr Junge, weil Sie das nur auf bestimmte Gruppen beziehen.