Protokoll der Sitzung vom 25.01.2018

Entschuldigt:

Vizepräsident Hans-Josef Bracht; Abg. Michael Billen, CDU, Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Abg. Gabriele Bublies-Leifert, AfD, Abg. Alexander Fuhr, SPD, Abg. Iris Nieland, AfD, Abg. Johannes Zehfuß, CDU; Malu Dreyer, Ministerpräsidentin; Doris Ahnen, Ministerin der Finanzen; David Langner, Staatssekretär, Daniela Schmitt, Staatssekretärin.

49. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 25.01.2018

B e g i n n d e r S i t z u n g : 0 9 : 3 0 U h r

Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie zur 49. Plenarsitzung begrüßen.

Schriftführende Abgeordnete sind Frau Kollegin Binz und Herr Kollege Klein, der auch die Rednerliste führen wird.

Entschuldigt fehlen für die heutige Plenarsitzung Herr Vizepräsident Bracht, Herr Kollege Billen, Frau Kollegin Blatzheim-Rögler, Frau Kollegin Bublies-Leifert, Herr Kollege Fuhr, Frau Kollegin Nieland und Herr Kollege Zehfuß.

Seitens der Landesregierung sind entschuldigt die Ministerpräsidentin, Frau Staatsministerin Ahnen, Frau Staatsministerin Höfken bis 13:00 Uhr, Herr Staatsminister Dr. Wissing ab 16:00 Uhr und die Staatsekretäre Langner und Schmitt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:

Fragestunde – Drucksache 17/5094 –

Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Tanja Machalet und Sven Teuber (SPD), Neuer Förderansatz in der Arbeitsmarktpolitik – Nummer 1 der Drucksache 17/5094 – betreffend, auf.

Wer trägt vor? – Frau Kollegin Machalet, bitte.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welcher innovative Ansatz wird beim Bedarfsgemeinschaftscoaching zugrunde gelegt?

2. Auf welchen Erfahrungen kann man beim Bedarfsgemeinschaftscoaching aufbauen, insbesondere unter Berücksichtigung der „Westpfalz-Initiative“?

3. Wie gestaltet sich die Förderung des Bedarfsgemeinschaftscoachings?

4. Wie wird die Landesregierung den Umsetzungsprozess der geplanten 30 Projekte begleiten?

Für die Landesregierung antwortet Frau Staatsministerin Bätzing-Lichtenthäler.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und

Herren Abgeordnete! Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Tanja Machalet und Sven Teuber beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Zum Jahresbeginn ist in Rheinland-Pfalz der neue ESF-Förderansatz Bedarfsgemeinschaftscoaching gestartet. Im Jahr 2018 werden landesweit 30 Projekte durchgeführt. Daneben laufen bereits seit dem 1. Juli 2017 zwei Modellprojekte in den Jobcentern Worms und Zweibrücken.

Innovativ an diesem neuen Förderansatz ist die Herangehensweise bei der Betreuung der Menschen. Die Betreuung der Teilnehmenden erfolgt überwiegend als aufsuchende Arbeit, das heißt, die Sozialpädagogen und die Sozialarbeiter kommen zu den Menschen nach Hause. Sie wenden sich zudem nicht nur der einzelnen Person zu, sondern betrachten das gesamte familiäre Lebensumfeld. Durch diese Herangehensweise soll bei Bedarf auch eine Verbesserung der Situation der in den Familien lebenden Kinder erreicht werden, zum Beispiel indem die schulische Situation in den Blick genommen wird und Unterstützungsund Fördermöglichkeiten aufgezeigt werden. Eingefahrene familiäre Strukturen, die ein Abhängigkeitsverhältnis von staatlichen Leistungen auch in der Zukunft erwarten lassen, werden gezielt angegangen.

Zu Frage 2: Mit dem seit 1. April 2014 laufenden Modellprojekt „Westpfalzinitiative“ werden bereits seit dem Jahr 2014 neue Wege zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit und des Langzeitleistungsbezuges mit den Jobcentern Kaiserslautern und Pirmasens erfolgreich erprobt. Durch diese beiden Modellprojekte wurde deutlich, dass die gesetzlichen Regelinstrumente zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit und des Langzeitleistungsbezuges alleine nicht ausreichend sind.

Das Modellprojekt „Westpfalzinitiative“ hat gezeigt, dass es bei Menschen mit multiplen Problemlagen wichtig ist, nicht nur den einzelnen Menschen, sondern auch sein gesamtes familiäres Umfeld in die Problemlösung mit einzubeziehen. Nur mit einer intensiven und ganzheitlichen Betreuung können arbeitslose Menschen in problematischen Lebenslagen wirkungsvoll unterstützt und ein nachhaltiger Erfolg erzielt werden.

Eine Integration in den Arbeitsmarkt ist hier oftmals ein langer Weg und steht erst am Ende einer langen Förderkette. Primär geht es in diesen Projekten um die Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit und damit auch um eine Steigerung der Integrationsaussichten. Dafür sind meist viele kleine, aufeinander aufbauende Schritte erforderlich. Eine enge Betreuung und ein schneller Zugang der Familien zu den jeweiligen Ansprechpartnern sind ebenso wie eine wertschätzende Beratungsumgebung und ein behutsames Vorgehen wichtige Schlüssel, um in kleinen Schritten Verständnis für die Veränderungsnotwendigkeit zu wecken und Veränderungen in der Familie herbeizuführen.

Diese Menschen haben oftmals jahrelange Förderkarrieren hinter sich und haben die Hoffnung auf eine Änderung ihrer Lebenssituation häufig schon aufgegeben.

Zu Frage 3: Das Bedarfsgemeinschaftscoaching wird seit 1. April 2014 mit dem Modellprojekt „Westpfalzinitiative“ in

Kaiserslautern und Pirmasens modellhaft erprobt. Dieses Modellprojekt wird bis 31. Dezember 2018 aus Landesmitteln sowie aus Mitteln der beiden Jobcenter finanziert. Im Anschluss geht die Förderung in den flächendeckenden ESF-Förderansatz Bedarfsgemeinschaftscoaching über.

Während beim Modellprojekt „Westpfalzinitiative“ aus arbeitsmarktpolitischen Landesmitteln jeweils zwei zusätzliche Personalstellen in den Jobcentern Kaiserslautern und Pirmasens finanziert wurden, ist es nunmehr gelungen, die Erfahrung des Modellprojekts in einen flächendeckenden Förderansatz umzusetzen.

Die Finanzierung der 30 Projekte, die am 1. Januar 2018 starteten, wird nunmehr zu 50 % aus ESF-Mitteln des Landes sowie zu 25 % aus arbeitsmarktpolitischen Mitteln des Landes sowie zu 25 % aus Eingliederungsmitteln der Jobcenter finanziert.

Zu Frage 4: Der Umsetzungsprozess der Projekte wird durch das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie eng begleitet. Angeboten wurden bisher zwei Praktikaworkshops, die am 5. Oktober 2017, also bereits vor Beginn des Umsetzungsprozesses, und am 19. Januar 2018, also unmittelbar nach Beginn der Projekte, angeboten wurden. Beide Workshops fanden große Resonanz bei den Vertretern der Jobcenter und den durchführenden Trägern der Projekte. Folgeworkshops werden bei Bedarf angeboten.

Eine Zusatzfrage von Frau Kollegin Machalet.

Frau Ministerin, Sie haben die Finanzierung angesprochen. Können Sie noch einmal erläutern, welche Träger in den Prozess eingebunden sind?

Frau Dr. Machalet, vielen Dank für die Frage. Das mache ich sehr gerne. Ich habe gerade erwähnt, wir sind mit dem flächendeckenden Förderansatz darauf umgestiegen, auch Träger aus der Arbeitsmarktpolitik mit einzubinden. Wir haben ein Interessenbekundungsverfahren durchgeführt, zu dem sich die Träger melden konnten. Wir haben insgesamt 55 Interessenbekundungen erhalten, von denen 24 nicht zur Förderung berücksichtigt werden konnten, sodass wir nun ca. 30 Projekte generiert haben.

Die Träger sind ganz unterschiedlicher Art, immer abhängig von der Verankerung in der Region. Ich nenne beispielhaft: In Germersheim ist es der Verein zur Förderung der beruflichen Bildung, in Altenkirchen im Westerwald ist es die Neue Arbeit e.V., in Koblenz ist es die Trigon Beratungsgesellschaft. – Es gibt einen bunten Strauß von Trägern, die das Bedarfsgemeinschaftscoaching durchführen. Die Zuweisung der Teilnehmenden – ich glaube, das ist noch

einmal ein ganz wichtiger Punkt – erfolgt durch die Jobcenter, die das Angebot an die Teilnehmer machen und dann entsprechend in die Maßnahme überweisen.

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Kessel.

Sehr geehrte Frau Ministerin, das Projekt in Kaiserslautern und Pirmasens läuft schon seit dem 1. April 2014, also bald vier Jahre. Können Sie schon etwas dazu sagen, welche nachhaltigen Erfolge sich dabei eingestellt haben?

Herr Kessel, vielen Dank für die Frage.

Wir haben im Plenum schon einmal Gelegenheit gehabt, darüber zu sprechen. Auch damals war es mir wichtig – und das möchte ich heute noch einmal unterstreichen –, dass die Definition „nachhaltiger Erfolg“ nicht unbedingt direkt die Integration in den ersten Arbeitsmarkt meint, sondern es aufgrund der Karriere des Langzeitleistungsbezuges zunächst darum geht, die Beschäftigungsfähigkeit zu erhöhen und die multiplen Problemlagen in den Familien abzubauen.

Da nenne ich, dass beispielsweise Probleme – wie die Wohnraumsituation, der Gesundheitszustand, wie die Situation der Kinder in der Schule ist – angegangen werden. Da können wir schon bei der Westpfalzinitiative wirkliche Erfolge gerade im Bereich der Kinder sehen, präventive Aspekte, mit denen die Kinder Unterstützungsangebote zur Förderung in der Schule erhalten haben, mit denen wir aber auch zu Veränderungen im Wohnumfeld gekommen sind und wir somit den Menschen wieder Perspektiven geben, den Kopf frei zu machen, um eine Beschäftigungsfähigkeit zu erlangen und dann – das ist unser Ziel – in weiteren Schritten der Integrationskette voranzukommen, um beispielsweise in neuen Förderansätzen die Perspektiven zu eröffnen oder das Regelinstrumentarium der BA, der Jobcenter, deren Maßnahmen, entsprechend anzunehmen.

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Teuber.

Sehr geehrte Frau Ministerin, könnten Sie noch etwas zu der aktuellen Beschäftigungsquote in Rheinland-Pfalz sagen und warum es aus dem Grund wichtig ist, dass die Landesregierung den Schwerpunkt auf die stärkere Förderung von Langzeitarbeitslosen setzt?

Vielen Dank.

Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales,

Arbeit, Gesundheit und Demografie:

Herr Abgeordneter Teuber, vielen Dank. Ich komme dem sehr gern nach, weil erst einmal eine sehr positive Nachricht damit verbunden ist, wenn wir uns die Beschäftigungsquote oder auch die Arbeitslosenzahlen anschauen. Die befinden sich im Moment auf einem aktuellen Tiefstand. Seit 25 Jahren haben wir einen so tiefen Wert nicht mehr gehabt. Nach den Zahlen vom Dezember 2017 waren in Rheinland-Pfalz 98.716 Menschen arbeitslos. Das war eine Arbeitslosenquote von 4,5 %. Im Dezember 2016 lag diese Quote noch bei 4,9 %, das heißt, wir haben hier wirklich einen absoluten Tiefststand erreicht.

Es ist erst einmal eine sehr positive Entwicklung. Gleichwohl darf uns das aber nicht von unseren Anstrengungen entbinden, uns insbesondere um die Menschen zu kümmern, die von dieser positiven Entwicklung nicht profitieren. Von dieser positiven Entwicklung profitieren die Langzeitleistungsbezieher nicht, bei denen wir immer noch eine große Anzahl in der Statistik sehen. Von der positiven Regelung profitieren beispielsweise geflüchtete Menschen auch nicht, ebenso wie Menschen mit Behinderung.

Das ist der Grund, warum wir in unserer Arbeitsmarktpolitik des Landes Rheinland-Pfalz auf diese drei Zielgruppen noch einmal einen ganz gesonderten Schwerpunkt gesetzt haben, auch mit unserem ersten Arbeitsmarktprogramm, das wir gemeinsam mit der Generaldirektion für Arbeit in diesem Jahr gestartet haben, um gerade diesen Menschen die Beschäftigungsfähigkeit und die Integration in den Arbeitsmarkt wieder zu erleichtern.

Das war für uns der Grund, diese Westpfalzinitiative als einen flächendeckenden Ansatz für ganz Rheinland-Pfalz auszuweiten, weil wir hier einen Schwerpunkt sehen und auch eine Verantwortung, den Menschen eine Perspektive zu geben, die schon seit langen Jahren in der Arbeitslosigkeit sind.