Protokoll der Sitzung vom 17.01.2017

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Staat, diese Landesregierung und diese Sicherheitsbehörden in Rheinland-Pfalz sind auf keinem politischen Auge blind. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Das können die Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten. Wir kommen unserer Aufgabe mit großer Überzeugung und mit großem Engagement nach, unsere freiheitlich-demokratische Verfassung und unsere freiheitlich-demokratisch verfasste Gesellschaft zu schützen. Der Verfassungsschutz – ich will Herrn May ansprechen und mich bei ihm stellvertretend für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedanken – heißt Verfassungsschutz, weil das die Hauptaufgabe dieser Behörde ist. Ich finde, sie kommt dieser Aufgabe sehr, sehr gut nach. Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Kollege Lammert, wir haben das Personal beim Verfassungsschutz deutlich aufgestockt. Ich gestehe jeder Opposition zu, dass sie sich immer noch ein Mehr vorstellen kann. Das ist bei Lehrern, bei Polizisten, bei vielen, bei den Bauingenieuren des LBM so, und gleichzeitig wird uns immer wieder angemahnt, doch die Personalkosten zu senken. Wie das zusammengeht, müssen Sie uns an anderer Stelle einmal erklären.

(Zuruf des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU)

Herr Lammert, wir haben – das haben Sie sicherlich auch erlebt – die Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus in eine Präventionsagentur gegen Extremismus jeder Art weiterentwickelt. Das ist natürlich auch auf diese durchaus erst in den letzten Jahren aufgekommenen neuen Herausforderungen zurückzuführen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, seit mehreren Jahren beobachten die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern – ja, das ist so – ein Erstarken der salafistischen Bestrebungen in Deutschland. Das Personenpotenzial ist genannt. Bundesweit gehen wir im Moment von rund 10.800 Anhängern dieser Organisation aus. Auch in Rheinland-Pfalz – diese Zahl ist genannt worden – ist die Zahl auf 200 hochgegangen. Ja, auch hier beobachten wir ein Ansteigen.

Aber lieber Herr Lammert, noch einmal eine Anleihe bei Ihnen. Schauen Sie einmal auf die Zahlen in Hessen. Sie haben gerade Hessen als leuchtendes Beispiel genannt.

Dort sind sie deutlichst höher.

(Abg. Matthias Lammert, CDU: Hessen ist auch größer!)

Deswegen muss man mit den Vergleichen immer sehr vorsichtig sein.

(Beifall des Abg. Alexander Schweitzer, SPD – Abg. Uwe Junge, AfD: Nach dem Motto: Es geht noch schlimmer!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren – ich glaube, das eint uns jetzt alle, was ich sage –, aufgrund ihrer Dynamik und ihres Radikalisierungspotenzials stellen salafistische Bestrebungen einen Beobachtungsschwerpunkt des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes dar. Es wird eine intensive und fortlaufende Aufklärungsarbeit betrieben.

Demnach stellt sich die Lage aktuell folgendermaßen dar: Etwa 150 der 200 Salafisten werden dem Bereich des missionarisch-politischen Salafismus zugerechnet. In diesem Teilspektrum des Salafismus geht es vorrangig um die Befolgung und Propagierung einer streng islamischen Lebensführung, Gesellschafts- und Rechtsordnung, was sich die Landesregierung ausdrücklich nicht zu eigen macht.

Gewalt wird im politischen Salafismus nicht propagiert, aber rund 50 der 200 Salafisten werden von unserem Verfassungsschutz als gewaltorientiert eingestuft. Dieser Begriff deckt ein Spektrum ab, das von gewaltlegitimierend bis gewalttätig reicht.

Die rheinland-pfälzischen Salafisten verteilen sich auf unterschiedliche Städte und Regionen des Landes. Ein Teil nutzt einzelne rheinland-pfälzische Moscheevereine als Anlaufstellen, mitunter auch als Plattform zur Verbreitung ihres Gedankenguts. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse weisen zwar einige Moscheevereine Bezüge zum Salafismus auf, aber bisher kann kein rheinland-pfälzischer Moscheeverein in Gänze dem Salafismus zugerechnet werden.

Im vergangenen Jahr gab es Erkenntnisse zu salafistischen Bestrebungen in einem Moscheeverein in Bendorf – auch das ist in der Debatte angesprochen worden. Diese Thematik war bereits sechsmal Gegenstand Kleiner Anfragen. Ich habe dazu im Innenausschuss am 11. Januar 2018 berichtet. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dort haben wir die Erkenntnisse genau vorgestellt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in seinem landespolitischen Magazin „zur Sache Rheinland-Pfalz!“ sendete der SWR in der vergangenen Woche einen Bericht – das ist Gegenstand der heutigen Behandlung – über die Abu BakrMoschee in Koblenz. Im Rahmen der Beobachtung islamistischer Bestrebungen fiel die besagte Moschee bereits vor einigen Jahren dem rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz auf. Seither konnten wiederholt Bezüge insbesondere zur islamistischen Organisation Muslimbruderschaft festgestellt werden, daneben – in geringerem Umfang allerdings – auch zum Salafismus und seiner politischen und insgesamt gewaltfreieren Ausprägung.

Dies geht aus der Auswertung personeller Verbindungen

von Internetaktivitäten und Predigtinhalten hervor. Nach vorliegenden Erkenntnissen weist ein Teil der Predigten Elemente auf, die mit einer islamistischen Weltsicht korrespondieren, darunter herabsetzende, mit Verschwörungstheorien einhergehende Aussagen über Nichtmuslime oder Sympathiebekundungen gegenüber dem gestürzten ägyptischen Präsidenten Mursi. Es konnten bislang aber keine Predigtinhalte festgestellt werden, die die Grenze der Strafbarkeit erreicht oder gar überschritten hätten.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Das ist ja beruhigend!)

Nein, das ist nicht beruhigend.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Ja eben, das war ironisch!)

Ich weiß nicht, wer dazwischengerufen hat, das ist nicht beruhigend. Aber Sie sehen, dass wir hinschauen und sehr genau beobachten. Ich habe Ihnen eben auch Beispiele genannt, die einem auffallen. Ich habe ja die Zitate genannt und lese gerade in der AZ andere Zitate. Lassen wir das hier einmal weg. Die werden Sie wahrscheinlich an anderer Stelle beschäftigen, Herr Junge.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es liegen insgesamt auch keinerlei Erkenntnisse vor, wonach Verbindungen zwischen der Abu Bakr-Moschee in Koblenz sowie der Bendorfer Moschee bestehen. Da schauen wir natürlich auch genau hin, ob wir diese Dinge irgendwann beobachten müssen und etwas herausfinden können. Für vereinsund strafrechtliche Maßnahmen besteht nach derzeitigem Stand – unterstrichen: nach derzeitigem – kein Anlass.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei aller berechtigten Sorge vor islamistischen Aktivitäten und ihrer Einflussnahme auf Muslime sind eine Differenzierung und sachbezogene Diskussion auch hier geboten. Die Feststellungen zeigen einmal mehr, dass der Staat und seine Sicherheitsbehörden solche Entwicklungen frühzeitig erkennen. Der Verfassungsschutz als Frühwarnsystem einer wehrhaften Demokratie ist in Rheinland-Pfalz – ich habe damit begonnen und will das an dieser Stelle noch einmal betonen – gut, sogar sehr gut aufgestellt.

Gehen Sie davon aus, sofern bei Beobachtungen Erkenntnisse gewonnen werden, die auch in anderen Bereichen – beispielsweise der Flüchtlingsarbeit – relevant sein können, ist eine frühzeitige und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen notwendig. Dies hat im vorliegenden Fall umfassend funktioniert.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der AfD spricht der Abgeordnete Paul.

Verehrte Kollegen, verehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Kollege Hüttner, genauso wie Sie haben auch die

Behörden in Nordrhein-Westfalen gesprochen, als die Zahl der Salafisten noch bei 500 gelegen hat. Jetzt liegt sie bei 3.000. Sie macht den Löwenanteil der Salafisten in Deutschland aus. Verharmlosen, ablenken, auf andere Schauplätze ausweichen – genau diesen Duktus sind wir aus Nordrhein-Westfalen gewohnt, wo diese Entwicklung ein Erbe der vergifteten rot-grünen Integrationsromantik ist. Das muss ich hier feststellen.

(Beifall der AfD)

Morgens sogenannter Flüchtlingshelfer, abends vollberuflicher Hassprediger. Das geht offenkundig nur hier in Rheinland-Pfalz. Das ist auch nicht Anlass zur Reflexion. Das ist nicht Anlass zur kritischen Betrachtung dieser Flüchtlingshilfe in Koblenz. Da habe ich sehr wenig gehört. Enttäuschend! Es darf also so weitergehen.

Neben dem SWR-Bericht, der sehr fundiert war, haben wir herausgefunden, dass eventuell Abul Baraa auf einer Nordtour auch in Koblenz Station gemacht hat.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Wer ist denn „wir“? Wer hat sie mit Ermittlungen beauftragt?)

Wo soll er sonst aufgetreten sein, wenn nicht in der Abu Bakr-Moschee mit ihrem salafistischen Netzwerk, das sich dort herausgebildet hat?

Ebenso muss untersucht werden – das ist auch unserer Recherche geschuldet –, wie weit sich die Kooperation zwischen der Studentengruppe Islamische Studierende in Koblenz und dieser Moscheegemeinde ausgeweitet hat, wie stark die Verbindungen sind. Die Videos des Abu BakrPersonals werden auf dem YouTube-Kanal dieser Studentengruppe seit drei Jahren genutzt, um zu radikalisieren und ein Islambild zu vertreten, das ganz klar salafistisch ist. Drei Jahre sind diese Videos online. Mehr muss man dazu nicht sagen. Herr Lewentz, Sie sind hier nicht als Literaturkenner und Germanist gefordert, sondern als Innenminister.

(Beifall der AfD – Staatsminister Roger Lewentz: Herr Liebermann regt Sie auf!)

Es ist schön, dass Sie uns gezeigt haben, dass Sie über eine weitreichende Kenntnis der deutschen Literatur verfügen. Das begrüßen wir außerordentlich.

(Glocke des Präsidenten)

Kümmern Sie sich um diese Bedrohung, die wir hier in Rheinland-Pfalz haben. Noch sind die Verhältnisse nicht so wie in Nordrhein-Westfalen,

(Glocke des Präsidenten)

aber wir rücken darauf hin vor. Sie beantworten immer nicht unsere Frage, warum wir diese Phänomene nicht in den EU-Partnerländern haben.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Paul, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Sie schweigen, weil Sie die Antwort kennen, Herr Lewentz.

(Beifall der AfD – Staatsminister Roger Lewentz: Ich will nicht in Ungarn unter Orbán leben!)

Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Hüttner das Wort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident! Ich habe vorhin davon gesprochen, was wir tun müssen, um unsere Demokratie zu stärken. Es gibt auch einige Punkte, die wir nun einmal gar nicht brauchen,

(Abg. Joachim Paul, SPD: Das bestimmen Sie!)

aber absolut gar nicht in unserer Demokratie. Was wir nicht brauchen, ist ein Herr Poggenburg, der am Aschermittwoch Menschengruppen beleidigt und