Protokoll der Sitzung vom 23.05.2018

Auch in den Schulen wird eindeutig zu wenig dafür getan. Zwar bieten die Lehrpläne einiger Fächer mögliche Anknüpfungspunkte, die aber sehr allgemein gehalten und keineswegs verbindlich sind. Hinzu kommt, dass es die Kompetenzorientierung erlaubt, Ziele mithilfe unterschiedlicher Inhalte zu erreichen. Es ist daher keineswegs sichergestellt, dass der vorgeburtliche Lebensschutz in der Schule überhaupt angesprochen wird.

Der hier vorgebrachte Einwand, es gebe keinen Bedarf für dieses Gesetz, ist aber nicht nur deshalb unzutreffend. Er steht auch in einem merkwürdigen Kontrast zu den unzähligen staatlich geförderten Projekten zur Bewusstseinsbildung in anderen Bereichen. Für Aidsprävention, Antidiskriminierungsarbeit, Umweltschutz und viele andere Ihnen wichtige Anliegen geben Sie Millionenbeträge aus, um die Menschen dafür zu sensibilisieren.

Hier können gerade die Ampelfraktionen nicht genug bekommen von teurer Volkspädagogik. Beim Thema Lebensschutz dagegen bestreiten Sie auf einmal grundsätzlich die Sinnhaftigkeit staatlicher Interventionen. Eine solche Position ist in sich widersprüchlich und nur so zu erklären, dass der verfassungsrechtlich gebotene Schutz des menschlichen Lebens für Sie keine vergleichbare Priorität besitzt. Das ist bezeichnend und beschämend zugleich.

(Beifall der AfD)

Auch der im Rahmen der ersten Lesung hier vorgetragene Vorwurf, mit diesem Gesetz würden Frauen entmündigt, entbehrt jeder Grundlage. Voraussetzung für eine mündige Entscheidung ist nicht nur eine umfassende Information über das, was diese Entscheidung für alle Betroffenen bedeutet, sondern auch eine Werthaltung, die sich an den Normen unseres Grundgesetzes orientiert. Nur wer wirklich Bescheid weiß, kann Verantwortung übernehmen. Daher ist die Auseinandersetzung mit der ethischen und rechtlichen Dimension vorgeburtlichen Lebens keine Bevormundung, sondern Conditio sine qua non für verantwortliches Handeln. Dies als Gängelung zu bezeichnen, wie es die FDP-Fraktion getan hat, ist vollkommen absurd.

Schließlich läuft auch die Sorge hinsichtlich der Träger der von uns vorgesehenen Maßnahmen zum Lebensschutz ins Leere. Abgesehen davon, dass die von Rot-Grün formulierte pauschale Polemik gegen Menschen, die sich in der PROLIFE-Arbeit engagieren, eine unglaubliche und entschieden zurückzuweisende Diffamierung darstellt, sieht der Gesetzentwurf ausdrücklich eine Prüfung sowohl der einzureichenden Projekte als auch deren Träger vor. Einem möglichen Missbrauch könnte daher seitens der zuständigen Landesbehörde jederzeit begegnet werden.

Meine Damen und Herren, all diese Argumente habe ich am vergangenen Donnerstag im Familienausschuss vorgetragen in der Hoffnung, vielleicht einen Konsens in dieser wichtigen Sache zu erzielen. Leider haben sich jedoch alle anderen Fraktionen einer Debatte verweigert. Es gab nicht

einmal ansatzweise den Versuch, sich mit unserer Initiative wirklich auseinanderzusetzen.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Doch!)

Keine Gegenargumente, keine Alternativvorschläge, nicht eine einzige Wortmeldung, und das von denjenigen, die immer wieder betonen, die eigentliche parlamentarische Arbeit werde in den Ausschüssen geleistet.

(Beifall der AfD)

Mich hat das, ehrlich gesagt, schockiert.

Was hier stattgefunden hat, war kein demokratischer Diskurs, das war Demokratiesimulation.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Haben Sie gerade die Unwahrheit gesagt?)

Ein Gesetzentwurf, bei dem es um ein Grundrecht unserer Verfassung geht, wurde in wenigen Minuten abgehandelt. Über Verbraucherschutzregelungen und die Jugendfilmtour „Popcorn im Maisfeld“ wurde anschließend ausführlich diskutiert.

(Heiterkeit bei der AfD)

Ich bedauere das nicht nur deshalb, weil hier ein Antrag meiner Fraktion abgelehnt wurde.

(Zuruf des Abg. Jochen Hartloff, SPD)

Nein, ich glaube, dass Sie mit einem solchen Verhalten der Demokratie insgesamt einen Bärendienst erweisen. Was nützen noch so viele Sonntagsreden und Verfassungsfeste, bei denen Sie sich häufig in selbstgerechter und andere ausgrenzender Weise als Demokraten feiern, wenn Sie im Ernstfall den parlamentarischen Diskurs verweigern.

(Beifall der AfD)

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir zum Schluss noch eine weitere grundsätzliche Anmerkung. Der Schutz des menschlichen Lebens war und ist insbesondere den christlichen Kirchen wichtig. Die Ablehnung unseres Antrags passt daher in keiner Weise zu der angeblichen Nähe zu christlichen Überzeugungen, die in diesem Hause fast alle für sich beanspruchen.

Die Grünen haben erst kürzlich in der Marx-Debatte den gleichnamigen Kardinal zitiert. Die Ministerpräsidentin hat sich in der bayerischen Kreuz-Diskussion einmal mehr als gläubige Christin präsentiert. Und nicht zuletzt die Union beschwört bei jeder Gelegenheit das christliche Menschenbild als angebliche Grundlage ihrer Politik. All das ist heuchlerischer Opportunismus, solange Sie beim Lebensschutz fundamentale christliche Überzeugungen negieren;

(Beifall der AfD)

denn: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ Evangelium nach Matthäus, Kapitel 7, Vers 16.

Meine Damen und Herren, in einer Zeit, in der so viel wie nie zuvor über Menschenwürde und Menschenrechte

geredet wird, sollte es eigentlich selbstverständlich sein, auch den vorgeburtlichen Lebensschutz zu stärken. Deshalb möchte ich schließen mit dem gleichen Zitat, mit dem ich meine Rede in der ersten Lesung begonnen habe, mit Artikel 2 unseres wunderbaren Grundgesetzes: „Jeder [Mensch] hat das Recht auf Leben (...).“

(Glocke der Präsidentin)

Das Bewusstsein dafür zu schärfen, sollte unsere vornehmste Aufgabe sein.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD – Abg. Jens Guth, SPD: Fangen Sie mal bei sich an! Lesen Sie Ihre Äußerung zu Menschen mit Behinderung! – Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD – Abg. Jens Guth, SPD, gestikulierend: Ich lese Ihre Pressemitteilung, das reicht mir! Schauen Sie, was Sie zu Menschen mit Behinderung schreiben, das reicht! – Abg. Joachim Paul, AfD: Passen Sie auf mit den Gesten, die Sie machen! Nicht, dass wir da in Probleme geraten! – Abg. Jens Guth, SPD: Mit Ihnen habe ich ein Problem!)

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Lerch von der Fraktion der FDP.

Zuvor begrüße ich als Gäste auf unserer Zuschauertribüne Bürgerinnen und Bürger aus dem Wahlkreis 33, Alzey. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Frau Abgeordnete Lerch, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Debatte über das Landesgesetz zur öffentlichen Information und Aufklärung über die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit ungeborener Kinder muss mit viel Fingerspitzengefühl und Respekt geführt werden: mit Respekt gegenüber dem ungeborenen Leben und mit Respekt gegenüber den Menschen, die wohl vor einer der schwierigsten Entscheidungen stehen, die sie in ihrem Leben getroffen haben oder noch treffen werden.

(Beifall der FDP und bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind der Ansicht, dass das Schwangerschaftskonfliktgesetz in seiner derzeitigen Ausgestaltung dem Schutz ungeborenen Lebens ausreichend Rechnung trägt. Mit dem Gesetzestext ergeht ein klarer Auftrag an die entsprechenden Institutionen, in den vorgenannten Entscheidungssituationen umfassend aufzuklären. Diesem bundesgesetzlichen Auftrag kommen die Beratungseinrichtungen nach. Für eine landesgesetzliche Regelung sehen wir daher kei

nen Bedarf. Rheinland-Pfalz weist eine große Bandbreite an beratenden Institutionen auf, die eine Fülle an Information und Aufklärung bieten.

Schwierig finde ich den Umstand, dass die AfD im Gesetzestext von „konstant hohen Zahlen vorgeburtlicher Kindestötungen auch in Rheinland-Pfalz“ spricht. Abgesehen davon, dass ich hier die Wortwahl unangemessen finde, interpretiere ich die Zahlen von Schwangerschaftsabbrüchen anders.

Fernab dessen möchte ich, die lange Zeit im Schuldienst tätig war, aber auch deutlich darauf hinweisen, dass der Schutz ungeborenen Lebens bereits Thema in der Schule ist, und zwar deutlich mehr als Sie, Herr Frisch, das in Ihrer Rede thematisiert haben.

Ich weiß, dass viele, insbesondere die Biologielehrer, die Möglichkeit nutzen, mit diesen Beratungsstellen, die es im Land gibt – und ich nenne hier explizit pro familia, wohl wissend, wie Sie zu dieser Institution stehen –, mit pro familia in Kontakt treten und dort die Beratung wirklich sehr einfühlend und gut stattfindet.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß, wovon ich rede; denn ich war selbst bei solchen Gesprächen dabei und weiß, wie diese auf Schüler wirken und es mit viel Fingerspitzengefühl und Sinn für das Differenzierte geschieht.

In Ihrem Gesetzentwurf schreiben Sie zudem, dass in Rheinland-Pfalz eine „umfassende Medienkampagne“ fehle, „die der wichtigen Bedeutung dieses Auftrags gerecht werden würde“. Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, wie so etwas aussehen soll. In einer sehr persönlichen Frage, die eine enorme psychische Belastung mit sich bringt, lege ich doch keinen Wert auf eine medial transportierte Kampagne, sondern ich möchte individuell beraten werden und mich aufgehoben fühlen in dieser unwahrscheinlich schwierigen Lebenssituation.

(Beifall der FDP und bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Uns allen und auch gerade Ihnen, Herr Frisch, sind die Methoden bekannt, die dem Schutz ungeborenen Lebens ohne Zweifel eine große Öffentlichkeit zukommen lassen. Sie tun es jedoch zu einem hohen Preis. Sie erzeugen mit äußerst fragwürdigen Aktionen und Äußerungen aus dem Bereich der sogenannten Lebensschützer öffentlichen Druck, der nicht daran interessiert ist aufzuklären, sondern im Ergebnis verunsichert und verstört. Das kann niemals Ziel von Aufklärung und Information sein, die ungeborenes Leben und Schwangere gleichermaßen achten.

Für die Koalitionsfraktionen möchte ich deshalb festhalten, dass wir den Gesetzentwurf, wie auch schon in der letzten Plenarsitzung besprochen, ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention auf die Ausführungen von Frau Lerch erteile ich das Wort Herrn Abgeordneten Frisch.

Herr Präsident, verehrte Frau Kollegin Lerch! Wenn Sie sagen, wir tun genug, der Gesetzgeber hat die Regelungen geschaffen, die dem Schutz des ungeborenen Kindes ausreichend Rechnung tragen, dann muss man natürlich auch die Zahlen noch einmal nennen. Wir haben bundesweit um die 100.000 Abtreibungen, zuletzt wieder mit steigender Tendenz; wir haben in Rheinland-Pfalz zuletzt immer etwas weniger als 4.000 Abtreibungen gehabt, wobei man dazu sagen muss, dass der Anteil der Schwangerschaftsabbrüche an den Frauen im gebärfähigen Alter in etwa konstant geblieben ist. Die absoluten Zahlen schwanken, haben sich aber nur sehr geringfügig verändert und sind immer wieder auch einmal gestiegen, dann wieder einmal gefallen.