Protokoll der Sitzung vom 23.05.2018

Herr Präsident, verehrte Frau Kollegin Lerch! Wenn Sie sagen, wir tun genug, der Gesetzgeber hat die Regelungen geschaffen, die dem Schutz des ungeborenen Kindes ausreichend Rechnung tragen, dann muss man natürlich auch die Zahlen noch einmal nennen. Wir haben bundesweit um die 100.000 Abtreibungen, zuletzt wieder mit steigender Tendenz; wir haben in Rheinland-Pfalz zuletzt immer etwas weniger als 4.000 Abtreibungen gehabt, wobei man dazu sagen muss, dass der Anteil der Schwangerschaftsabbrüche an den Frauen im gebärfähigen Alter in etwa konstant geblieben ist. Die absoluten Zahlen schwanken, haben sich aber nur sehr geringfügig verändert und sind immer wieder auch einmal gestiegen, dann wieder einmal gefallen.

Aber selbst wenn wir nur 3.800 Schwangerschaftsabbrüche haben, sollte es doch unser Ziel sein – ich hoffe, da haben wir einen Konsens –, dass jeder dieser 3.800 Abbrüche einer zu viel ist. Es geht jedes Mal darum, dass ein Kind nicht leben darf.

(Abg. Michael Billen, CDU: Warum?)

Es geht jedes Mal um eine Frau, die, häufig in schwierigen Situationen, unter dem Druck ihres Umfelds, sich dazu entscheiden musste, und wenn es uns gelingt, so etwas zu verhindern, dann ist es nicht nur im Sinne unserer Verfassung unsere Pflicht, dies zu tun, sondern es ist auch für das Kind und in der Regel für die betroffene Frau eine Hilfe zu einer besseren Entscheidung.

(Beifall der AfD)

Ihren Hinweis auf das Vokabular kann ich so nicht akzeptieren. Das Bundesverfassungsgericht hat selbst gesagt, hier geht es um ein Menschenleben, das beendet wird. Das nennen wir in unserer Sprache nun einmal „töten“. Ich habe schon in meiner letzten Rede darauf hingewiesen, dass § 218 im Strafgesetzbuch rechtssystematisch im Abschnitt der Tötungsdelikte steht. Natürlich geht es hier um das Töten eines vorgeburtlichen Menschen, auch wenn das in manchen Situationen vielleicht nicht vermeidbar ist.

Aber wenn pro familia dann stattdessen vom Absaugen von Schwangerschaftsgewebe spricht, kann ich Ihrer Auffassung nicht folgen, dass diese Organisation eine vernünftige Beratung und Unterstützung für das Leben dieses Kindes betreibt.

(Beifall der AfD)

Was die Sache mit der Medienkampagne betrifft: Ich glaube, ich bin hier wieder missverstanden worden. Es geht nicht darum, in der Schwangerenberatung mit Frauen in einer Konfliktsituation so etwas zu machen. Das wäre natürlich vollkommen unsinnig und kontraproduktiv. Es geht darum, gerade im Bereich der Schule und in anderen öffentlichen Einrichtungen junge Menschen davon zu über

zeugen, ihnen Werthaltungen nahezubringen, die auch beinhalten, dass wir das Leben eines noch nicht geborenen Menschen respektieren müssen, eben nicht weil das meine Auffassung oder eine religiöse Sondermoral wäre, sondern weil es uns unsere Verfassung, unser Grundgesetz aufdrängt.

Ich habe auch kein Problem damit, wenn Lebensschutzorganisationen das machen. Da gibt es sicher die eine oder andere Organisation, die man als schwarzes Schaf bezeichnen kann, aber das erlaubt nicht, alle anderen zu diskreditieren. Ich kenne viele hervorragende, hoch engagierte Menschen, denen Sie wirklich bitter unrecht damit tun, wenn Sie sie hier alle über einen Kamm scheren.

(Glocke des Präsidenten)

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Zu einer Erwiderung erteile ich das Wort Frau Abgeordneter Lerch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Frisch, Sie haben die Zahlen angesprochen. Sie haben in dem Gesetzesantrag formuliert, dass wir seit Jahren konstant hohe Zahlen haben. Ich möchte die Zahlen noch einmal in Erinnerung rufen. Im Jahr 1998 hatten wir 4.716 Abbrüche, im Jahr 2017 3.759, also fast 1.000 weniger.

Wir sollten uns auch den Vergleich mit der Bundesebene anschauen. Da stellen wir fest, dass Rheinland-Pfalz nach Bayern und Baden-Württemberg die niedrigste Quote hat. Letztendlich, und da bin ich mir sicher, ist das auch ein Ergebnis der Beratungssituation hier im Lande.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Michael Frisch, AfD: Trotzdem ist jeder einer zu viel!)

Wir haben eine Vielfalt an Beratungsstellen, und das ist auch wichtig und richtig so; denn die Frauen sollen in dieser Situation die Möglichkeit haben, aus verschiedenen Beratungsmöglichkeiten die auszuwählen, die sie in ihrer ganz persönlichen Lebens- und – ich sage betont „auch“ – Leidenssituation für richtig erachten.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Darum geht es nicht!)

Herr Frisch, natürlich sind wir uns einig, natürlich wollen wir es nicht. Wir sind natürlich auch aufgestellt und beraten die Frauen im positiven Sinne. Aber wir können die Realitäten nicht ändern.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Darum geht es doch gar nicht! Sie reden wieder über die Beratung!)

Wenn eine Situation für eine Frau so aussichtslos ist, dass

sie diesen Weg für sich gehen muss, dann gilt es auch, das zu akzeptieren und zu respektieren. Das ist ein Stück unserer Freiheit, unserer Welt, in der wir uns hier wohlfühlen und die wir als akzeptabel empfinden.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun erteile ich das Wort Frau Abgeordneter Kohnle-Gros von der Fraktion der CDU.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist guter Brauch in diesem Landtag, dass wir uns in der ersten Lesung über Grundlagen eines Gesetzentwurfs, über allgemeine gesellschaftliche Fragen unterhalten. Das haben wir bei diesem Gesetzentwurf der Kolleginnen und Kollegen von der AfD-Fraktion auch gemacht.

Heute möchte ich gerne auf den konkreten Gesetzentwurf eingehen und – weil ich letztes Mal auch gesagt habe, dieser Gesetzentwurf ist nicht zielführend – auf die Problematik der konkreten Formulierungen zu sprechen kommen.

Herr Frisch, ich muss Ihnen vorhalten, Sie haben die Chance verpasst, diesen Gesetzentwurf hier der Öffentlichkeit und dem Parlament so zu erläutern, dass Sie uns tatsächlich sagen, was denn darin steht und was Sie mit ihm vorhaben. Das muss ich jetzt noch einmal deutlich sagen.

(Beifall der CDU und bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sprechen – die Frau Kollegin hat Ihnen entsprechend geantwortet – natürlich über Zahlen und Situationen und die Schulen, aber im Grunde genommen geht es Ihnen um etwas ganz anderes. Es geht Ihnen um Werbemaßnahmen, die Sie mit diesem Gesetzentwurf an – ich nenne jetzt einmal den Oberbegriff, den auch Sie verwenden – Organisationen weitergeben, nachdem das Ministerium – die Zuständigkeit haben Sie auch festgelegt, nämlich das Familienministerium – bzw. umgekehrt an Organisationen, die als erste aufgefordert wären, sich hier zu betätigen und dann erst das Ministerium, wenn dann noch Geld da ist oder kein anderer sich um diese Themen in Ihrem Sinne kümmert.

Mir kommt es darauf an, Sie haben nicht gesagt, wen sie denn konkret bei diesen Organisationen vor Augen haben. Das hätte ich eigentlich heute hier erwartet.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Ja, von wem reden Sie denn da? Wen haben Sie denn da vor Augen? Wen möchten Sie denn gerne angesprochen wissen, wenn Sie hier mit diesem Gesetzentwurf Gelder verteilen für eine konkrete Werbemaßnahme in den öffentlichen Medien? Das müssen Sie uns hier schon sagen, darauf haben wir und hat auch die Öffentlichkeit einen Anspruch.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Gesetzentwurf atmet – das will ich an der Stelle wirklich ganz heftig sagen – für mich, je öfter ich ihn mir durchgelesen habe, eine Enge, ein Misstrauen, eine – ja, wie soll ich sagen? – wirklich ganz beschränkte Haltung, die sicher auch Ihrer Partei geschuldet ist, gegen potenzielle Antragsteller, meine Damen und Herren, und das geht schon gleich gar nicht;

(Beifall der CDU und vereinzelt bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn wenn Sie einen Gesetzentwurf zur Förderung auflegen, dann müssen Sie offen bleiben, objektive Kriterien formulieren, die dann auch von der ganzen gesellschaftlichen Bandbreite – Pluralität – tatsächlich erfüllt werden können.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Sie versucht, aus dem Thema herauszukommen!)

Meine Damen und Herren, diese Enge und das Misstrauen drücken sich in dem Gesetzentwurf auch dadurch aus, dass zwei Drittel der Regelungen negative Entscheidungen sind: Widerruf des Förderbescheids, Rückzahlung der zu Unrecht erhaltenen Fördermittel, Ausschluss von der Förderung, Versagen der Förderung. –

Was wollen Sie eigentlich mit diesem Gesetzentwurf? Die Regeln dafür, dass ich es nicht bekommen kann, sind höher geschraubt als die, nach denen ich dann tatsächlich nachher einen Anspruch geltend machen kann.

Meine Damen und Herren, ein Gesetzentwurf muss so formuliert sein, dass er für viele oder gar für alle Betroffenen gleichermaßen gilt. Dann müssen Sie die Kriterien seriös und rechtssicher formulieren. Sie müssen nämlich, wenn es ein Förderbescheid ist, im Zweifel auch vor Gericht standhalten. Das tut Ihr Gesetzentwurf mit Sicherheit überhaupt nicht.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unbestimmte Rechtsbegriffe und eine sehr beschränkte Herangehensweise an den Fragenkomplex bieten sicher keine Rechtssicherheit.

Meine Damen und Herren, ich habe schon einen weiteren Punkt angesprochen. Tatsächlich sollte man im Jahr vorher einen Antrag formulieren und stellen, um an das Geld zu kommen. Das ist auch – wie soll ich es sagen – rechtlich nicht korrekt. Ich habe das letzte Mal schon gesagt, ein Windhundprinzip bei Förderbescheiden kennen wir eigentlich nicht, wer also zuerst kommt, mahlt zuerst und dann bekommt er 75 %, aber nicht mehr als 20 % der Fördermittel. Gleichzeitig muss er dann aber auch die entsprechenden Hürden übersteigen.

Woher kommen denn dann die anderen 25 % der Mittel? Wer ist denn das, der dann diese Fördergelder beantragen kann? Es ist wirklich alles offengelassen, auch in der Begründung dieses Gesetzentwurfs. Deswegen ist er sicher auch an dieser Stelle nicht wirklich gut gemacht.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch einmal ein Wort zu den Organisationen sagen, die Sie dort nennen. Ich möchte einfach einmal aus Ihrer Begründung zitieren: „Organisationen, die öffentlich für den Schutz ungeborener Kinder werben, erhalten eine finanzielle Förderung.“ Weiter unten schreiben Sie: „In den Genuss von Fördergeldern kommen nur Organisationen, ungeachtet ihrer Rechtsform und gleichgültig, ob sie als Verbände, Vereine, Bürgerinitiativen oder ähnliche Vereinigungen tätig sind,“ – jetzt kommt es – „aber auch organisierte privatwirtschaftliche Unternehmen.“

Wieder die Frage: Wer ist denn das? Wen haben Sie vor Augen? – Das würde uns wirklich brennend interessieren.

(Zuruf des Abg. Paul, AfD)