Protokoll der Sitzung vom 24.05.2018

(Zurufe von der AfD: Sie steigt doch!)

darüber nachzudenken, wie wir nachhaltig unsere Wahlbeteiligung steigern können. Die Erfahrungen, die wir inzwischen aus elf Bundesländern haben, in denen die 16- und 17-Jährigen auf kommunaler Ebene wählen können, zeigen uns, dass wir nachhaltig die Wahlbeteiligung steigern können.

Sie heben aber – das haben Sie vorhin in Ihrem Wortbeitrag gemacht – auf einen Aspekt in dieser Studie ab.

Da sage ich ganz ehrlich, jeder, der einen empirischsozialwissenschaftlichen Hintergrund hat, weiß, dass eine Befragtenzahl von 21 keine ausreichende Datenbasis ist. An dieser Stelle geht es nämlich um die Frage, ob die Jugendlichen wählen gehen wollen.

Kern dieser Studie ist aber die Frage der Wahlbeteiligung. Wir können nämlich 16- und 17-Jährige viel besser im Schulkontext erreichen und damit auch die Aktivierung gewährleisten. Die Zahlen zeigen, dass wir die Wahlbeteiligung langfristig steigern können. Das unterschlagen Sie.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Aber das ist nicht der Wille der Jugendlichen! Das ist der Unterschied!)

Damit zeigen Sie von der CDU – das hat auch wieder Ihr Wortbeitrag gezeigt –, dass Sie das Thema Wahlalter ab 16 Jahren nicht wirklich ernsthaft diskutieren und sich nicht die Erfahrungen in anderen Bundesländern anschauen. Ich erwarte von einer demokratischen Partei, dass sie sich – wenn wir inzwischen eine Mehrheit der Bundesländer haben,

(Zurufe von der AfD)

in denen die 16- und 17-Jährigen wählen können und die Zahlen zur Wahlbeteiligung derart eindeutig sind – auch substanziell damit auseinandersetzt. Wenn man dann einen Punkt mit geringer Datenbasis aus dieser Studie herausgreift,

(Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU)

einen Shitstorm auf Twitter macht,

(Abg. Martin Haller, SPD: Unterirdisch!)

Ihr Landesgeschäftsführer eine Pressemitteilung veröffentlicht und man sich nicht ernsthaft mit den Zahlen auseinandersetzt, dann ist das wirklich ein billiges Manöver.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und vereinzelt bei der FDP – Abg. Martin Haller, SPD: Das war das Allerletzte!)

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich entsetzt bin, wenn Sie immer wieder behaupten, die Jugendlichen wollen das nicht. Wir haben nicht nur die politischen Jugendorganisationen Jusos, GRÜNE JUGEND und JuLis, die dafür sind,

(Heiterkeit des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Das ist ein tolles Argument!)

sondern wir haben den Landesjugendring. Das ist die Evangelische Jugend, das ist der Bund der Katholischen Jugend (BDKJ), das ist die Jugendfeuerwehr RheinlandPfalz. Das sind 23 nicht politische Jugendorganisationen, die hier in Rheinland-Pfalz ehrenamtliche Arbeit machen,

(Abg. Michael Frisch, AfD: 90 % grüne Wähler!)

klar positioniert sind

(Abg. Martin Haller, SPD: Die Falken sind auch dafür! – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken! Guter Verband!)

und die Selbstvertretung auf Landesebene für engagierte Jugendliche in Rheinland-Pfalz machen. Deren Meinung so zunichte zu machen, finde ich einfach unanständig und nicht angemessen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und vereinzelt bei der FDP – Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Sehr gut gesagt!)

Herr Kollege Herber zur Erwiderung.

Frau Kollegin, ich habe die Stellungnahme des Landesjugendrings in keiner Weise zunichte gemacht. Ich finde auch, dass sich junge Menschen natürlich für Politik interessieren. Aber wir erreichen mit einer Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre in keiner Weise eine Steigerung der Wahlbeteiligung.

Ich kann Ihnen ein Beispiel aus Thüringen zeigen. In Thüringen hatten wir im Jahr 2016 bei einer Bürgermeisterwahl eine um 13 % gesunkene Wahlbeteiligung, nachdem ein Jahr vorher das Wahlalter von 16 Jahren eingeführt worden war. Die Wahlbeteiligung ist dort gesunken.

Es immer vor sich her zu tragen und zu sagen, wir steigern die Wahlbeteiligung, indem wir jungen Menschen die Chance geben, sich zu beteiligen, ist schlichtweg falsch.

(Beifall der CDU und der AfD)

Das Weitere ist, wenn Sie diese Studie hier nicht anbringen wollen, um damit zu überzeugen, dann lassen wir es einfach bleiben, dann ist nämlich gar keine Studie da, die davon ausgeht, dass junge Menschen sich dafür aussprechen.

Ich muss auch noch einmal auf den Zwischenruf von Ihnen eingehen, Frau Willius-Senzer. Sie sagten: Wir waren ja dort. – Ja, wir waren bei den jungen Menschen. Wir waren beim Dachverband der kommunalen Jugendvertretungen. Die waren auch hier. Die haben sich nicht in ihrer Mehrheit für das Wahlalter von 16 Jahren ausgesprochen. Nein, es ist einfach falsch, so etwas zu behaupten. Das stimmt einfach nicht, nein.

(Abg Michael Hüttner, SPD: Machen Sie doch eine Abfrage! – Zurufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, wir können durchaus eine neue Studie durchführen. Dann soll sich doch der Landtag zusammenfinden und eine neue Studie zum Wahlalter von 16 Jahren in Auftrag geben, und dann werden wir sehen, was dabei heraus

(Abg. Martin Haller, SPD: Ja, das ist doch einmal ein Vorschlag! – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ist das Euer Antrag? – Abg. Martin Haller, SPD: Da könnt Ihr jetzt nicht mehr zurück! – Abg. Michael Hüttner, SPD: Dem weitergehenden Antrag stimmen wir zu!)

In den letzten 20 Studien kam immer heraus, dass das Wahlalter ab 16 Jahren von den Menschen, die es betrifft – nicht von Ihnen, nicht von denen, die es überstülpen wollen –, abgelehnt wird.

(Beifall der CDU und bei der AfD – Abg. Martin Haller, SPD: Da gibt es von uns einen Haushaltsantrag! Die Studie machen wir! – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das war die mündliche Ergänzung Eures Antrags! – Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU)

Für die AfD hat Herr Dr. Bollinger das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich darf kurz auf die Frau Kollegin Schellhammer eingehen. Frau Schellhammer, die Wahlbeteiligung steigt in Deutschland, und das ist auf die AfD zurückzuführen,

(Beifall der AfD – Heiterkeit im Hause)

die allein bei der letzten Bundestagswahl 1,5 Millionen Nichtwähler für die Demokratie zurückgewonnen hat. Da können Sie lachen, so viel Sie möchten – das ist eine Missachtung der Demokratie.

Meine Damen und Herren, „An historische Orte der Demokratie in Rheinland-Pfalz erinnern und unsere Demokratie gemeinsam weiterentwickeln“: Der Titel des Antrags beinhaltet genau das, wofür wir als AfD im März 2016 zur Landtagswahl angetreten sind. Ja, wir wollen an die demokratische Tradition unseres Landes und an die mit ihr verbundenen Orte anknüpfen und erinnern. Deshalb zierte das Hambacher Schloss auch die Titelseite unseres Wahlprogramms.

Und ja, wir wollen die Demokratie weiterentwickeln und um Elemente der direkten Demokratie und wirksame Volksentscheide auf allen politischen Ebenen ergänzen. Deshalb freuen wir uns, wenn im Antrag von Absenkungen von Hürden für direkte Demokratie auf kommunaler und auf Landesebene zu lesen ist. Leider bleibt es bei diesem einen Satz zum Thema direkte Demokratie, der die bisherige Untätigkeit der Ampelparteien in diesem Themenfeld zudem wenig überzeugend erscheinen lässt; denn trotz der im Antrag erwähnten Enquete-Kommission „Bürgerbeteiligung“ scheint es Ihnen mit der direkten Demokratie auf Landesebene, die Sie ja laut Ihrem Antrag anzustreben

behaupten, nicht wirklich ernst zu sein.

Die Arbeit der Enquete-Kommission wurde vor über drei Jahren abgeschlossen; wir sind seit zwei Jahren im Landtag. Von Ihrer Fraktion kam noch keine einzige konkrete Initiative, um Volksentscheide auf Landesebene zu erleichtern und damit praktisch überhaupt umsetzbar zu machen.

(Beifall der AfD – Abg. Michael Frisch, AfD: Hört, hört!)

Auch dem Gesetzentwurf unserer Fraktion vom 19. Januar 2017 versagten Sie Ihre Zustimmung und waren in der betreffenden Sitzung des Innenausschusses am 29. März 2017 noch nicht einmal zu einer inhaltlichen Diskussion bereit, obwohl wir explizit für Verhandlungen über die von Ihnen im Plenum angesprochenen technischen Fragen offen waren, um den Bürgern in Rheinland-Pfalz endlich Gelegenheit zu geben, über wichtige Fragen, die ihr Leben betreffen, selbst mitzubestimmen.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Sehr gut!)

Könnte das daran liegen, dass an den Wahlergebnissen und Meinungsumfragen der letzten Jahre deutlich geworden ist, dass es Ihnen noch nicht vollständig gelungen ist, dem deutschen Volk den gesunden Menschenverstand auszutreiben?

(Beifall der AfD – Abg. Martin Haller, SPD: Ach ja, ja, ja!)

Meine Damen und Herren, es drängt sich der Eindruck auf, dass Sie nicht wirklich an direkter Demokratie interessiert sind, wie es Ihr Parteigenosse Steinmeier vor Kurzem offen zugegeben hat.

(Abg. Martin Haller, SPD: Das ist der Herr Bundespräsident! – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Für Sie immer noch der Bundespräsident! – Abg. Martin Haller, SPD: Ein bisschen mehr Respekt! Er ist das Staatsoberhaupt! – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sie haben doch keine Würde! Er ist der Bundespräsident unseres Landes!)

Was Sie stattdessen wollen, ist eine Senkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre, die wir ablehnen, sowie die Erweiterung des Wahlrechts auf Landesebene für EU-Ausländer und auf kommunaler Ebene für Drittstaatsangehörige. Im nächsten Schritt würde dann wohl irgendwann das Wahlrecht auf Landesebene für Drittstaatsangehörige gefordert, und wahrscheinlich dürfen wir von Ihren Bundestagsfraktionen ähnliche Vorschläge auf der Bundesebene erwarten.