Protokoll der Sitzung vom 24.05.2018

Sie fordern jetzt aber in Ihrem Antrag, dass die Sanktion lediglich die Rückzahlung des Stipendiums ist. Das ist nicht wirklich eine Hürde. Das heißt, ich gebe den Menschen Monat für Monat das Geld, das sie rein theoretisch auf ihr Konto legen können, das sie am Ende dem Land wieder zurückzahlen, wodurch sie sich herausgekauft haben. Das ist für mich keine Sanktion, keine Hürde, um diese Mitnahmeeffekte wirklich zu verhindern. Deshalb halte ich das an Ihrem Modell noch nicht für besonders ausgereift. Daher würde ich an der Stelle gerne weiter diskutieren und überlegen, welche anderen Möglichkeiten es gibt.

Auch wenn ich mir überlege, dass ich eine Strafzahlung anderweitig initiiere, stellt sich immer noch die Frage, ob es sinnvoll ist, eine eltern- und bedarfsunabhängige Förderung von 500 Euro im Monat auszuzahlen, die im Zweifelsfall auch einen großen Batzen einer Strafzahlung abbilden könnte. Das würde dazu führen, dass sich doch Menschen, die diese Förderung nicht benötigen, um ihr Studium zu finanzieren, wesentlich einfacher herauskaufen könnten als die Menschen, denen es sozial vielleicht nicht so gut geht.

(Glocke des Präsidenten)

Das alles sind Fragen, da finde ich, ist Ihr Modell noch nicht genug ausgereift. „Landarztquote“ hört sich viel einfacher an, als sie am Ende in der Ausgestaltung ist. Deshalb denke ich, sollten wir das intensiv weiter diskutieren.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Bevor Herr Dr. Enders für eine Kurzintervention das Wort bekommt, begrüße ich weitere Gäste im Landtag, und zwar Schülerinnen und Schüler der 10. Jahrgangsstufe

der Hermann-Gmeiner-Realschule plus aus Daaden. Es handelt sich um die zweite Gruppe. Die erste Gruppe war schon da. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Herr Dr. Enders, bitte.

Herr Präsident! Frau Kollegin Binz, ich bin Ihnen ausgesprochen dankbar für die konstruktive Kritik an dem Punkt, den Sie erwähnt haben, nämlich die Rückzahlung. Darüber kann man reden. Das kann man weiterentwickeln. Da sind wir für kreative Vorschläge dankbar.

Ich weiß, dass auch die Bundeswehr die Erfahrung gemacht hat. Es wollten welche zurückzahlen. Dann zahlten sehr viele aus subjektiven Gründen zurück, weil sie angeblich etwas Besseres gefunden hatten. Man hat dann vertraglich geregelt, dass das dann irgendwann nicht mehr so einfach ging.

Verantwortung ist keine Einbahnstraße. Ich verstehe nicht, dass das immer so schlechtgeredet wird. Die Landarztquote ermöglicht es jungen Menschen, aus meiner Sicht einen der schönsten Berufe der Welt zu ergreifen, nämlich als Arzt im ländlichen Raum zu arbeiten. Das sollte man nicht schlechtreden.

(Beifall der CDU und der AfD)

Zur Erwiderung erteile ich Frau Abgeordneter Binz das Wort.

Herr Kollege Enders, es geht in keiner Weise darum, den Beruf oder die Möglichkeit, auf dem Land ärztlich tätig zu sein, schlechtzureden. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass wir das nicht wollen. Wir wissen aber, dass solche Mitnahmeeffekte relativ schnell passieren können, indem Menschen vielleicht den speziellen Zugang zum Studium – das soll über eine Vorabquote am normalen Zulassungsverfahren vorbeigehen – in Anspruch nehmen, die es dann später aus welchen Gründen auch immer als Investition ansehen, diese Strafzahlung zu leisten. Ich sage einmal, man sollte sich sehr genau anschauen, wann das möglich ist und wann nicht. Man sollte auch sehr genau schauen, ob man geeignete Möglichkeiten findet, diesem aus dem Weg zu gehen; denn wir müssen das Instrument Landarztquote nicht einführen, wenn es am Ende überhaupt nicht wirksam ist. Dann hat uns die ganze Diskussion nichts genutzt.

Wie gesagt, das hat nichts damit zu tun, in irgendeiner Weise die Entscheidungen dieser jungen Menschen schlechtzureden. Trotzdem, ich weiß nicht, ob der, der mit 19, 20 Jahren anfängt zu studieren und damit anfängt, ein so umfangreiches und wandlungsreiches Fach wie die Medizin zu studieren, wirklich schon sagen kann, meine besondere Fähigkeit und da, wo ich das Beste geben kann,

liegt in der Allgemeinmedizin und in einer hausärztlichen Tätigkeit. –

(Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU)

Ich finde, wir bürden da den Menschen eine so weitreichende Entscheidung auf, dass man darüber länger nachdenken und die Argumente auch länger abwägen muss.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Für die Landesregierung hat Frau Staatsministerin BätzingLichtenthäler das Wort.

Herzlichen Dank. Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Fraktion spricht in ihrem Antrag davon, dass wir die Ärzteversorgung im ländlichen Raum nur mit einem Bündel von Maßnahmen sicherstellen können. Das ist richtig. Allerdings findet sich im Antrag der CDU dieses Bündel von Maßnahmen nicht wieder; denn der Antrag erschöpft sich in nur wenigen Maßnahmen, die allesamt auch nur sehr langfristig wirken.

Das Gesundheitsministerium hat dagegen mit den Partnerinnen und Partnern bereits ein vielfältiges Maßnahmenbündel im Masterplan zur Stärkung der ambulanten Versorgung verabschiedet und dieses auch fortgeschrieben. Meine Damen und Herren, darin sind Maßnahmen enthalten, die kurz-, mittel- und langfristig in den verschiedensten Handlungsfeldern wirken.

Ich möchte nur beispielhaft einige nennen, wie die Stärkung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin durch Weiterbildungsverbünde oder die Unterstützungsangebote auf regionaler Ebene beispielsweise durch die lokalen Zukunftswerkstätten, mit denen wir in 30 Gebietskörperschaften passgenaue Ansätze erarbeitet haben, oder die neue Beratungsstelle auf der kommunalen Ebene, die in wenigen Tagen an den Start geht. Weitere Beispiele sind die Förderung des Quer- und Wiedereinstiegs oder auch unsere Förderprogramme zur Niederlassung, womit wir bereits 112 Maßnahmen unterstützen konnten.

Meine Damen und Herren, wir setzen auf wirklich unterschiedliche Maßnahme, um verschiedene Anreize für die hausärztliche Tätigkeit im ländlichen Bereich zu geben. Natürlich sind auch ausbildungsbezogene Maßnahmen wichtig, weil gerade im Medizinstudium selbst die Weichen für die spätere Berufswahl gestellt werden. Deswegen haben wir in Rheinland-Pfalz auch den Lehrstuhl für Allgemeinmedizin eingerichtet, wir haben das Förderprogramm „PJ-Tertial Allgemeinmedizin“ implementiert,

(Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU)

und wir haben die Auswahlkriterien für die Zulassung zum Medizinstudium in Rheinland-Pfalz bereits sehr frühzeitig erweitert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade weil uns die Ausbildung so sehr am Herzen liegt, haben sich das rheinlandpfälzische Gesundheitsministerium und ich persönlich für die Erarbeitung des „Masterplans Medizinstudium 2020“ sehr stark eingesetzt und aktiv daran mitgewirkt. Als im März 2017 der „Masterplan Medizinstudium 2020“ verabschiedet wurde und mit ihm den Ländern die Option zur Einführung einer Landarztquote gegeben wurde, habe ich bereits am 9. April 2017 in der Rhein-Zeitung die Landarztquote als eine sinnvolle Option zur Unterstützung der Niederlassung im ländlichen Raum bezeichnet.

Schlussendlich hat auch der Koalitionsvertrag der Bundesregierung ein ganz konkretes Bekenntnis zur Landarztquote abgegeben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, daher beschäftigt sich die Landesregierung bereits seit der Verabschiedung des Masterplans intensiv damit, wie eine rheinland-pfälzische Landarztquote aussehen könnte. Ihres Antrags hätte es an dieser Stelle also gar nicht bedurft.

Für eine zielführende Auseinandersetzung mit diesem gesundheitspolitisch wirklich sehr wichtigen Thema wird mein Haus gemeinsam mit dem Wissenschaftsministerium einen Vorschlag für ein konkretes Konzept für die mögliche Ausgestaltung einer rheinland-pfälzischen Landarztquote erarbeiten.

Meine Damen und Herren, dies wird unter ständiger Beobachtung der Entwicklung in anderen Bundesländern erfolgen, die ebenfalls eine Landarztquote einrichten, sowie – das ist auch ganz wichtig – unter Berücksichtigung vorhandener Konzeptentwürfe und Rechtsgutachten; denn wir sind uns sicherlich einig, auf dem Weg werden uns vermutlich noch einige Herausforderungen und rechtliche Kniffeligkeiten begegnen, wenn es auf die Anwendung und Umsetzung einer Landarztquote ankommt, meine Damen und Herren.

Ich möchte abschließend aber auch noch einmal betonen, dass die Landarztquote kein Allheilmittel ist.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ja!)

Die Landarztquote ist eine Option. Sie ist im Übrigen allein deshalb schon eine Option, weil sie ja nur für bis zu 10 % der Studienplätze angewendet werden kann, sodass wir hier wirklich nur für einen kleinen Bereich sprechen.

Eingebettet in ein Bündel von Maßnahmen, die bereits – wie ich es auch schon gesagt habe – von der Landesregierung angestoßen wurden, wie beispielsweise der erwähnte Masterplan zur ambulanten ärztlichen Versorgung oder die von der Landesregierung geplante Regionalisierung des Medizinstudiums oder auch die Umsetzung der weiteren 36 Maßnahmen aus dem „Masterplan Medizinstudium 2020“, könnte die Landarztquote dazu dienen, die hausärztliche Versorgung im ländlichen Raum auch in Zukunft wohnortnah zu gewährleisten. Dafür werden wir einen Vorschlag für ein Konzept erarbeiten, damit wir über eine konkrete Situation reden können und die Sicherung der ärztlichen Versorgung auch in Zukunft in RheinlandPfalz mit einem Bündel von Maßnahmen gewährleistet ist.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!)

Jetzt hat die Kollegin Thelen das Wort für eine Kurzintervention.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, ja, Sie beschäftigen sich schon lange mit dem Thema, aber Sie kommen nicht zu Potte. Das ist das, was mich umtreibt.

(Beifall der CDU)

Ich frage mich: Warum nicht? – Es ist ja kein Thema, das man mit Geduld und Muße und langen Prüfungen irgendwann zu einem guten Ende bringen kann, weil Ihnen dafür die Zeit schon lange weggelaufen ist. Sie ist Ihnen auch schon deshalb so lange weggelaufen, weil Sie alle unsere Warnungen, die wir in diesem Hause schon an Ihren Vorgänger und an Ihre Vorvorgängerin, die heutige Frau Ministerpräsidentin Dreyer, gerichtet haben, als wir Sie gemahnt haben, als wir Handeln eingefordert haben, Sie die Zeit haben verstreichen lassen. Und jetzt brennt in der medizinischen Versorgung wirklich die Hütte. Es heißt im Versorgungsatlas der Kassenärztlichen Vereinigung, dass wir bis 2022 60 % der niedergelassenen Ärzte werden ersetzen müssen. Wenn ich dann noch rechne, dass ich eigentlich für zwei Ausscheidende heute drei neue einsetzen muss, dann kommen wir an 90 %. Das heißt, bei gut 7.000 Ärzten werden das mindestens an die 5.000 Ärzte sein. Wo wollen Sie sie denn herholen?

(Abg. Guido Ernst, CDU: Masterplan!)

Wie lange wollen Sie denn noch prüfen? Welche Bedenken wollen Sie denn noch anführen? Ich frage mich ganz im Ernst: Warum glauben Sie, so viel Zeit zu haben? Wollen Sie vielleicht aus finanziellen Gründen, damit die Krankenversicherungsbeiträge nicht steigen müssen, oder warum auch immer, dass die Menschen in Rheinland-Pfalz in naher Zukunft – das ist in vier Jahren, wir reden ja nicht über 2032, nein, wir reden über 2022 – 50 oder 60 Kilometer fahren müssen, um zu einem niedergelassenen Arzt zu kommen? Ist das Ihre Vorstellung der zukünftigen medizinischen Versorgung in Rheinland-Pfalz? – Sie scheinen es lustig zu finden. Ich finde es nicht mehr lustig. Ich werde dafür sorgen, dass es nicht heißt, die Politik hat es versäumt. Nein, es ist diese Koalition hier, bestehend seit vielen, vielen Jahren aus der SPD und seit vielen Jahren auch mit den Grünen und jetzt auch mit der FDP an der Seite,

(Abg. Martin Haller, SPD: Ja, jetzt ist es mal gut!)

und es ist diese Regierung, die hier glaubt, viel, viel Zeit zu haben, um das Problem zu lösen. Sie haben sie nicht. Wir brauchen ein Bündel an Maßnahmen.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das macht doch jetzt alles der Herr Spahn!)

Ich sage Ihnen, es ist nicht der letzte Antrag, den wir zu diesem Thema hier einbringen werden. Uns sind die Themen allerdings zu wichtig, um sie, wie in diesem SPDoder Koalitionsantrag geschehen, jeweils mit anderthalb oder zwei Zeilen Begründung zu versehen. Das ist der Tiefgang eines Blatt Papiers. Es tut mir leid, da haben wir ein bisschen einen anderen Anspruch an unsere Arbeit. Deshalb schlagen wir Ihnen hier konkrete politische Ziele vor. Wir erheben nicht den Anspruch, ein Förderprogramm mit allen Problemen, die hier zum Teil durchaus zu Recht genannt worden sind, auszuformulieren.

(Glocke des Präsidenten)

Dafür haben wir Ministerien mit klugen Mitarbeitern, die das können.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr richtig!)