Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich noch ein paar Worte zum Alternativantrag der Ampel sagen. Sie fordern unter anderem ein Gesamtkonzept zur Ausweitung des Sozialkundeunterrichts. Das beste Konzept zur Ausweitung des Sozialkundeunterrichts ist es, Sozialkunde ebenso wie Geschichte und Erdkunde wieder eigenständig zu unterrichten.
Das sind nach unserer Überzeugung eigenständige Fächer. Wir bleiben bei unserer Forderung, Gesellschaftslehre wieder durch differenzierten Fachunterricht zu ersetzen. Darüber hinaus ist der vorliegende Alternativantrag aber ein erneuter Beweis dafür, dass die FDP in der Koalition bildungspolitisch kaum stattfindet. Frau Kollegin Lerch
sprach sich noch im April dieses Jahres, so berichtet sie auf ihrer Webseite, auf dem Parteitag der FDP für eine Erweiterung des Faches Sozialkunde um wirtschaftliche Aspekte im Rahmen einer zusätzlichen Wochenstunde aus: quasi genau das, was die CDU nun fordert.
Aber nicht nur, dass die CDU offensichtlich Anträge stellen muss, die auf dem FDP-Parteitag laut Ihrer Aussage eine breite Mehrheit fanden, nein, nur vier Monate später im August sprachen Sie plötzlich von mehr Wirtschaft und mehr politischer Bildung im Sozialkundeunterricht.
Ich komme zum Schluss. Die Frage ist doch, wie wir wieder dahin kommen – das ist unsere Marschrichtung und unser Ziel –, diese Fächer in eigenständige Fächer zu verwandeln und ihnen den Rang zu geben, der ihnen zukommt. Ein Mischfach, jetzt noch weiter ergänzt um nicht näher skizzierte wirtschaftliche Inhalte, halten wir für falsch. Über ein Wahlpflichtfach Wirtschaft, das nicht nur einfache und praktische Lebenshilfe ist, kann man mit uns reden. Wir freuen uns auf die Diskussion. Wir müssen allerdings den Antrag, so wie er vorliegt, ablehnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einmal an dieser Stelle unserer Kollegin Helga Lerch alles Gute wünschen. Sie ist erkrankt. Ich bin sicher, sie würde in dem Sinne sprechen wie ich es jetzt für sie tue.
Herr Barth, in unserem Antrag – Herr Kollege Paul hat es gerade gesagt – steht eindeutig, wir wollen eine Ausweitung des Sozialkundeunterrichts. Das ist der Spiegelstrich Nummer 3 unter den Forderungen an die Landesregierung.
Ich lese es gern noch einmal vor: „Der Landtag fordert die Landesregierung auf: (...) vor diesem Hintergrund ein Gesamtkonzept zur Ausweitung des Sozialkundeunterrichts“ – jetzt kommt es, das ist der Unterschied zu Ihrem Antrag – „über alle Schularten hinweg voranzutreiben. Die Ergebnisse der Enquete-Kommission ,Bürgerbeteiligung‘ sollen hierbei ebenso berücksichtigt werden wie die Anforderungen zur Verankerung der ökonomischen Bildung über alle Fächer hinweg.“
Wir wollen eine Ausweitung des Sozialkundeunterrichts. Damit ist im Prinzip alles gesagt. Lassen Sie mich aber auf die in Ihrem Antrag erwähnte Umfrage des Bundesverbands der deutschen Banken eingehen. Sie liefert einige aufschlussreiche Erkenntnisse.
Der Wunsch junger Menschen, mehr über Wirtschaft und wirtschaftliche Zusammenhänge im Rahmen des Schulun
terrichts zu erlernen, ist naheliegend. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb gibt es bereits vielfältige Projekte, die Schülerinnen und Schüler wie auch Lehrkräfte in diesem Bereich praxisnah bilden und weiterbilden. Zum Beispiel entwickeln Jugendliche ab 16 Jahren im Rahmen des „JUNIOR Gründercamps“ innovative Ideen bis zur Businessplanreife. Kleingruppen werden hierbei von Fachreferenten betreut und verschiedene Komponenten eines Gründervorhabens erarbeitet. Darüber hinaus werden grundsätzliche Themen wie Finanzierung und Marketing behandelt.
Als zweites gelungenes Beispiel für die Weiterbildung der Lehrkräfte lassen sich die regionalen Arbeitskreise des Projekts „SCHULEWIRTSCHAFT“ nennen. Hier wird auf den für uns besonders wichtigen Austausch zwischen Lehrkräften und unternehmerischer Praxis gesetzt. Hierbei wird auf die Vermittlung von Primärerfahrung gesetzt.
Als drittes Beispiel: Als Leitlinien für die Schulen geben die Leitlinien zur ökonomischen Bildung den Weg vor. Dabei wird den Lehrplänen kein neuer Stoff hinzugefügt, sondern es geht darum, vertraute Inhalte aus veränderter Perspektive zu betrachten. So können die Lehrkräfte in ihrem spezifischen Fach auch wirtschaftliche Aspekte einbringen und auch hierfür ein Beispiel. So findet sich in der Handreichung für Gymnasien für das Fach Mathematik Klassenstufe 9 und 10 folgendes Beispiel: Im Rahmen des Erlernens der Exponentialfunktion kann eine Verknüpfung zum Denken in Kosten-Nutzen-Relationen einfließen, meine Damen und Herren.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, mit dem von uns vorgelegten Alternativantrag machen auch wir klar, dass wir die Lehrkräfte im Bereich der ökonomischen Bildung noch stärker fort- und weiterbilden möchten; denn es sind die Lehrkräfte, die den Bezug zwischen Lernstoff und Leben herstellen. Hierbei wollen wir sie kontinuierlich unterstützen.
Darüber hinaus ist es uns ebenso wichtig, dass dazu weiterhin attraktive und zukunftsorientierte Projekte in den Schulen stattfinden; denn der Austausch mit Menschen aus der Praxis ist für die Schülerinnen und Schüler ganz besonders wichtig.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, das Verstehen ökonomischer Zusammenhänge und wirtschaftlicher Entwicklungen und das möglichst frühzeitige Verstehen davon ist wichtig und braucht auch einen hohen Stellenwert in unserem Bildungssystem und an unseren Schulen.
Das gilt nicht in erster Linie deswegen, um abstrakte wirtschaftspolitische oder ökonomische Entwicklungen zu verstehen, sondern es geht vor allem um die hohe Alltagsrelevanz ökonomischer Themen: Wie organisiere ich meine Kontoführung? Was bedeutet es, diesen oder jenen Handyvertrag abzuschließen? Oder was bedeutet es, wenn meine Markenkleidung aus Kinderarbeit in Fernost stammt?
Meine Damen und Herren, damit wird deutlich, dass es sich bei ökonomischer Bildung um ein verzahntes und fächerübergreifendes Anliegen handeln muss und handeln sollte. In dem Zusammenhang ist es gut und richtig, dass im vergangenen Jahr 2017 eine entsprechende Richtlinie durch das Bildungsministerium erlassen wurde, was genau diese fächerübergreifende Relevanz dieses Themas „ökonomische Bildung“ deutlich macht.
Meine Damen und Herren, was bringt es einem, wenn ich in Mathematik zwar lerne, die vierte Ableitung einer Funktion zu bilden, aber nicht sehe, dass ich mit meinen 50 Euro im Monat Taschengeld vielleicht einen Handyvertrag nicht abschließen sollte, bei dem das Smartphone schon 49,99 Euro im Monat kostet.
(Abg. Michael Frisch, AfD: Wer das eine kann, kann auch das andere! – Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)
Aber das Thema „ökonomische Bildung“ hat auch eine hohe Relevanz innerhalb des Bereichs „Sozialkunde“. Bei Sozialkunde geht es für uns vor allem darum, die politische Bildung insgesamt im Bildungssystem in den Schulen zu stärken. Deswegen brauchen wir – und daran arbeiten wir – in vielen Bereichen eine Stärkung der Demokratiebildung. Das hat vor allem zwei Gründe. Das eine ist, uns zeigt die Wahl- und Partizipationsforschung, dass die demokratische Teilhabe und auch das konkrete Wählen gehen unmittelbar mit politischem Interesse zusammenhängen. Wenn wir eine starke Demokratie wollen, dann müssen wir dieses politische Interesse schon frühzeitig bei unseren Kindern wecken.
(Beifall der Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU)
Wir erleben, dass es mittlerweile nicht nur um Politikverdrossenheit geht. Wir erleben auch, wie rassistische und menschenverachtende antidemokratische Tendenzen in unserer Gesellschaft immer mehr um sich greifen. Auch das ist die Aufgabe einer Schule in der Demokratie: Unsere Kinder gegen ebensolche demokratieverachtenden und menschenverachtenden Tendenzen stark zu machen. Deswegen haben wir immer eine große Einigkeit darin gehabt, dass politische Bildung an unseren Schulen und an unseren Bildungseinrichtungen entsprechend gestärkt wird.
Kollege Barth, ja, das ist immer auch ein Instrumentenkasten. Meine Damen und Herren, für uns gehört explizit dazu – Frau Kollegin Becker hat es noch einmal betont –, wir setzen uns konsequent für den Ausbau des Sozialkundeunterrichts insbesondere in der Sekundarstufe I, aber
auch in allen Schularten, ein; um das noch einmal klar festzuhalten, und so steht es auch in unserem Antrag.
Ich persönlich glaube aber, dass es nicht reicht, wie Sie vorschlagen, erst in Klasse 10 anzusetzen und auch nur bei denjenigen, die dann zum Abitur streben. Ich glaube, wir müssen ganz im Gegenteil den Sozialkundeunterricht gerade frühzeitig und an allen Stufen ausbauen.
Wir haben nicht umsonst auf den Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Bürgerbeteiligung“ hingewiesen. Hier waren wir uns übrigens noch einig. Auch im Minderheitenvotum der CDU stand seinerzeit – das ist auch erst drei Jahre her –, wir wollen einen Ausbau des Sozialkundeunterrichts, indem wir ihn frühzeitiger anbieten und nicht sozusagen obendrauf eine Stunde in Klasse 10. Sie müssen sich in der CDU-Landtagsfraktion auch einmal sortieren, was Sie jetzt eigentlich konkret wollen, weil wir uns beim Ziel ziemlich einig sind.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Barth, Sie haben sich jetzt noch einmal gemeldet, beantworten Sie die schwierigste von allen Fragen: Wenn wir die Stundentafel, was wir wollen, zugunsten von Sozialkunde erweitern: Wo nehmen Sie die Ressourcen her? Welche Stunde wollen Sie kürzen? Wollen Sie bei der Musik kürzen? Wollen Sie bei Sport, bei Religion vielleicht oder bei der Physik kürzen?
Diese Frage müssen Sie ehrlicherweise mit beantworten, wenn Sie hier seriös sagen wollen, Sie wollen konkret Sozialkunde vorantreiben. Dann ist das die andere Seite der Medaille.
Meine Damen und Herren, letztlich kommt es darauf an, Demokratie nicht nur zu lernen, sondern von Anfang an zu leben.
Wir machen das beim Kita-Gesetz. Wir machen das beim Schulgesetz, aber wir wollen auch ganz konkret, dass die jungen Leute auch in Rheinland-Pfalz ab 16 wählen können.
Es liegen mir zwei Meldungen für Kurzinterventionen vor. – Als Erstes Herr Abgeordneter Frisch von der Fraktion der AfD.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Köbler, als ehemaligen Mathelehrer reizt es mich
natürlich schon zu kommentieren, was Sie jetzt zum Mathematikunterricht gesagt haben. Wenn sich ein Schüler mit der Kurvendiskussion intensiv beschäftigt, dann gehen wir einmal davon aus, dass er es mindestens bis zur Klasse 11 im Gymnasium geschafft hat.
Dann sollte er aufgrund seiner schulischen Vorbildung natürlich auch in der Lage sein, einen Handy- oder Versicherungsvertrag vergleichen zu können. Von daher ist das, was Sie hier gezeichnet haben, nicht ganz unzutreffend und wirft ein Schlaglicht auf unsere aktuelle Bildungssituation;
denn es ist in der Tat oft so, dass Gymnasiasten zu diesen lebenspraktischen Dingen deshalb nicht mehr in der Lage sind, weil man ihnen in der Schule diese Grundlagen, die dafür erforderlich sind, nicht mehr vermittelt hat.
Aber das Problem lösen wir doch nicht, indem wir die Schule weiter mit anderen Dingen überfrachten, sondern indem wir gerade im Fach Mathematik wieder zu einer soliden Grundbildung zurückkehren, die die Schüler nachher in die Lage versetzt, völlig problemlos solche alltagspraktischen Dinge zu bewältigen.