Wirkliche Unterstützung für die Betroffenen würden Sie aber erreichen, wenn Sie Ihren Koalitionspartner von der Notwendigkeit der Entfristung überzeugen würden.
Dann müssten Sie nicht wie bei der 969. Sitzung des Bundesrates enthaltsam dabei sitzen, sondern Sie hätten kraftvoll die Hand heben können, um den Antrag des Landes Hessen zur Entfristung zuzustimmen.
Die Saison 2018 zeigt, Witterungsverlauf und Erntemenge halten sich an keine Vorschriften. Spargel kann nicht geerntet werden. Die kühlen Abendstunden können nicht genutzt werden, im ersten Fall, weil es der Arbeitszeitregelung widerspricht, im letzten Fall, weil dadurch die erforderliche Nachtruhe nicht eingehalten werden kann. In der Praxis heißt das, dass ein Teil des Spargels nicht geerntet wird und im zweiten Fall, dass auch während der größten Mittagshitze gearbeitet werden muss mit allen daraus resultierenden Nachteilen für die Arbeitnehmer.
Auch für andere Branchen stellt das Arbeitszeitgesetz unüberwindbare Hürden in einer globalisierten Wirtschaft dar. Man denke nur an Telefonate nach Australien, Neuseeland oder Fernost.
Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, gerade im Sinne der so gern präferierten familiengeführten Betriebe, sich mit einer Initiative im Bundesrat für die Entfristung der 70-Tage-Regelung einzusetzen, sich für eine dauerhafte Regelung starkzumachen, sich für die Flexibilisierung der Ruhezeiten und für eine Zwölf-Stunden-Arbeitsregelung bei Arbeitsspitzen mit entsprechendem Freizeitausgleich ohne vorherige Antragstellung einzusetzen.
Ich danke Ihnen schon jetzt im Namen der betroffenen Betriebe für Ihre Unterstützung. Setzen wir über die Parteigrenzen hinweg ein entsprechendes Signal.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wir beraten den Antrag der CDU-Fraktion zur 70-Tage-Regelung. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine sogenannte kurzfristige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nummer 2 SGB IV, die Beschäftigung muss aufgrund ihrer Art, zum Beispiel saisonale Arbeit, oder bereits im Voraus vertraglich innerhalb eines Kalenderjahres auf zwei Monate oder 50 Tage begrenzt sein.
Vom 1. Januar 2015 bis einschließlich 31. Dezember 2018 liegt nach § 115 SGB IV die Höchstgrenze bei drei Monaten oder insgesamt 70 Arbeitstagen. Damit wollte der Gesetzgeber die Auswirkungen durch das Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes in Deutschland vor allem auf die Landwirtschaft und ihre Saisonarbeitskräfte abmildern. Man muss wissen, diese Beschäftigung wird pauschal mit
25 % Pauschalsteuer oder alternativ über die Lohnsteuerkarte steuerlich abgerechnet. Es liegt eine Sozialversicherungsfreiheit vor.
Die Argumentation dieser Sonderregelung insbesondere für die Landwirtschaft liegt unserer Auffassung weiterhin vor. Wir sehen deswegen weiterhin eine Begründung, diese Regelung zu verlängern. Die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Landwirtschaft auf einem sehr durchlässigen europäischen Lebensmittelmarkt, insbesondere aber im arbeitsintensiven Bereich, im Gemüse-, Obst- und Weinbau, kann eine Verlängerung rechtfertigen.
Die Abwägung mit dem Bedarf einer sozialen Absicherung der Arbeitskräfte in der Saisonarbeit – es sind oft oder meist osteuropäische Mitarbeiter – darf allerdings nicht aus dem Blick gelassen werden, insbesondere in Bezug auf die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung.
Deswegen ist eine generelle unbefristete Regelung nicht erstrebenswert. Wir setzen uns als SPD-Fraktion deswegen gegenüber der Bundesregierung für eine zeitlich befristete Verlängerung der 70-Tage-Regelung ein und wünschen uns von Bundesarbeitsminister Heil eine entsprechende Entscheidung. Unsere Landesregierung bitten wir ebenfalls, diesen Weg zu unterstützen.
Ich betone aber ausdrücklich, dass die Zuständigkeit bei der Bundesregierung liegt. Eine Bundesratsinitiative, wie sie bereits erwähnt wurde, für eine komplette Entfristung kann aus den genannten Gründen nicht unterstützt werden. Der Antrag der CDU muss heute unsererseits abgelehnt werden, nicht zuletzt auch deswegen, weil ein nahezu identischer Antrag bereits im Bundesrat keine Mehrheit gefunden hat.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete und Regierungsmitglieder! Kohle, Stahl und Landwirtschaft, das ist der Gründungsmythos der EU. Es war ein Versprechen auf Frieden und Wohlstand in einer modernen, aufstrebenden und prosperierenden Gesellschaft. Natürlich gehören dazu billige und massenhaft angebotene Nahrungsmittel; denn es sollte etwas Geld beim Bürger übrig bleiben für das eigene Auto, den Urlaub und vielleicht das eigene Heim. Die Wirtschaft brauchte politische Stabilität und motivierte Bürger.
Man hat es sich etwas kosten lassen. Riesige Budgets wurden als Subventionen für die Landwirtschaft ausgeschüttet. Eine Vielzahl von Sonderregeln subventionierte die Landwirtschaft indirekt und tut es teilweise noch heute.
Diese Art von Landwirtschaftspolitik machte die EU auch attraktiv für neue, agrarisch geprägte Mitgliedsländer. Die Lobbyisten dieser Politik waren bei den Regierungen und in Brüssel willkommen.
In Deutschland, aber auch in der EU hat sich diese Situation spätestens geändert, seit Bundeskanzler Kohl einer rot-grünen Regierung Platz machen musste und im Nachgang eine Bundeskanzlerin Merkel in 2013 fast in Tränen ausbrach, weil es nach der Wahl für Schwarz-Grün nicht reichte.
Die attraktiven grünen Wunschpartner für CDU und SPD aber und selbsternannten Weltenretter haben einen Nachteil. Sie mögen die konventionelle Landwirtschaft so gar nicht und möchten sie um jeden Preis ins ökologische Joch zwingen, auch um den Preis jahrzehntelanger Negativkampagnen gegen Gentechnik, Pflanzenschutz, Düngung, Tierhaltung und konventioneller Landwirtschaft allgemein.
Nunmehr ist die Landwirtschaft insgesamt in gesellschaftliche Ungnade gefallen. Die klassischen Lobbyisten von CDU und FDP, welche auch im Hinblick auf die Dürreschäden des Jahres 2018 reflexartig große Geldsummen forderten, standen sofort in der Kritik und mussten auch bei der eigenen Bundesministerin Klöckner lange anstehen, bis nun doch Gelder fließen.
Jetzt versucht es die CDU-Fraktion im Landtag RheinlandPfalz mit der Forderung zur Aufrechterhaltung der 70-TageAusnahme bei den Sozialbeiträgen. Das ist legitim. Doch hat es Aussicht auf Erfolg? In der letzten Sitzung des Agrarausschusses erläuterte der Agrarminister Dr. Wissing ausgiebig das Dilemma. Es ist nämlich vor allem die Bundespolitik, der Koalitionspartner der CDU in der Bundesregierung und die Sozialminister, welche sich einer Verlängerung dieser Regel in den Weg stellen. Das Argument ist, auch andere Branchen wie zum Beispiel das Hotel- und Gaststättengewerbe, könnten auf die gleiche Idee kommen und Ausnahmen fordern.
In Rheinland-Pfalz sitzt der FDP-Agrarminister im rotgrünen Käfig seiner Koalition und kann zwar mit den Flügeln schlagen, eine Unterstützung für eine unbefristete Fortführung der Regel erreicht er mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht. Wir haben es gerade gehört.
Wenn wir Glück haben, läuft es auf eine befristete Verlängerung der Regel hinaus. Sie wird aber wahrscheinlich binnen zwei Jahren verschwinden.
Wie steht nun die AfD-Fraktion dazu? Wir beobachten die Entwicklung mit Sorge. Die Kehrtwende in der Agrarpolitik wird immer radikaler und nimmt auch im Hinblick auf die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik an Fahrt auf. Wir hatten die Debatte bereits am Mittwoch.
Die landwirtschaftlichen Betriebe geraten dabei in eine Zwickmühle. Die längst in billige Nahrungsmittel eingepreisten Subventionen nützen den deutschen Verbrauchern mehr als den Landwirten. Aber gerade die deutschen Verbraucher sind zum Teil einer ökologischen und klimapolitischen Treibjagd geworden, mal als gehetztes Wild, mal als Jäger selbst oder beides.
Unter diesen politischen Rahmenbedingungen sieht es für die Zukunft einer bäuerlichen Landwirtschaft in unserem Land nicht gut aus. Das betrifft übrigens auch den Ökolandbau. Es steht zu befürchten, dass die Produktion arbeitsintensiver Feldfrüchte ins Ausland abwandert und der Strukturwandel massiv angeheizt wird. Eine Rückkehr zur herkömmlichen Landwirtschaftspolitik ist ebenso ausgeschlossen. Das wird die traumatisierte Politik und Bevölkerung nicht zulassen.
Wir unterstützen daher zwar den Antrag der CDU auch im Hinblick auf die Flexibilisierung der Ruhezeiten und die geforderte 12-Stunden-Arbeitsregelung, allerdings mit begrenzter Hoffnung auf Erfolg. Wir fordern aber die Politik in Bund und Land auf, Gespräche mit dem Lebensmitteleinzelhandel aufzunehmen und auch in Richtung der Verbraucher zu kommunizieren, dass wir höhere Erzeugerpreise für unsere Landwirte brauchen. Nur dann sind Mindestlohn, Soziallasten und natürlich auch Umwelt- und Klimaauflagen überhaupt finanzierbar.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Böhme, in Kenntnis Ihres politischen Lebenslaufes, der nicht nur eine Partei umfasst, kann man nachvollziehen, wie Sie Ihre Rede heute hier gehalten haben.
Damit ist das Problem nicht gelöst. Ich glaube, die Agrarpolitiker im Landtag, aber auch viele andere haben ein gewisses Bewusstsein gebildet, den Landwirten zu helfen und damit einen Weg zur eröffnen.
Damit ist das Problem nicht gelöst. Das, was Sie hier erzählt haben, ist ein Hohn für die Landwirte, Winzer, Obstund Gemüsebauern.