Protokoll der Sitzung vom 24.08.2018

Meine Damen und Herren, das Ergebnis unserer Anfrage ist gleichwohl mehr als ernüchternd. In weiten Teilen sind die Antworten, die wir vom Integrationsministerium erhalten haben, lückenhaft oder bleiben gänzlich aus, vor allem dort, wo Statistiken eigentlich nötig wären.

Aber auch beim Blick auf die Arbeitsweise von Behörden und Landesregierung tun sich in Sachen Asyl Abgründe auf, die Anlass zu großer Sorge geben müssen.

Die Fakten sprechen für sich. Allein ein halbes Dutzend Mal verweisen Sie darauf, dass notwendige Informationen aus dem Zentralregister fehlen würden, weil das Bundesamt diese Auskünfte nicht zur Verfügung stelle. Dies betrifft zum Beispiel den Schutzstatus der hier lebenden Zuwanderer oder die Duldungsdauer ausreisepflichtiger Migranten.

Frau Ministerin, es ist nicht so, dass diese Daten überhaupt nicht existieren würden oder sie unmöglich zu beschaffen wären. Warum fragen Sie nicht bei der Bundesregierung direkt nach, oder anders ausgedrückt, Sie selbst hätten doch das größte Interesse, diese Daten zu besitzen, oder sollten dieses Interesse haben.

Ihnen gegenüber ist das BAMF auskunftspflichtig. Oder versuchen Sie es einmal bei den eigenen Ausländerbehörden. Schließlich haben alle 36 Ausländerämter in Rheinland-Pfalz einen Onlinezugriff auf den Datenbestand. Vor diesem Hintergrund erhält Ihre angeblich völlig unverschuldete Ahnungslosigkeit doch einen mehr als faden Beigeschmack.

(Beifall der AfD)

Doch damit nicht genug. Wie unsere Anfrage offenlegen konnte, sind in Rheinland-Pfalz 2.820 Asylmigranten einfach untergetaucht.

(Abg. Jacqueline Rauschkolb, SPD: Das ist falsch!)

Ja, das ist falsch, richtig. Es sind nämlich noch viel mehr.

(Beifall bei der AfD)

Niemand weiß, wo sich diese Personen aufhalten oder wo sie genau sind. Berücksichtigt man dann noch die Tatsache, dass von 36 Ausländerbehörden nur 19 überhaupt Antworten gegeben haben – das ist eigentlich ein Skandal für sich –, dann sollten wir insgesamt von ca. 5.000 bis 6.000 verschwundenen Personen in Rheinland-Pfalz ausgehen. Dies deckt sich auch mit dem bundesweiten Anteil der Zuwanderer, der auf Rheinland-Pfalz entfällt.

Doch hier liegt einiges im Argen, Frau Ministerin. Sie sagen es selbst – Zitat –, die gemeldeten Daten sind nur bedingt aussagekräftig, da die Ausländerbehörden Personen nach unterschiedlichen Kriterien als untergetaucht erfassen. – Dies muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. In einer dermaßen sensiblen Angelegenheit haben die Ihrer Fachaufsicht unterstellten Ausländerbehörden keine einheitlichen Erfassungsstandards. Wen wundert es da

noch, dass obendrein die Geräte zur Identitätsfeststellung mittels Fingerabdruck fehlen. So verhindern Sie weder das Abtauchen weiterer Personen noch das Auftauchen von Asylbewerbern mit Doppel- und Dreifachidentitäten. Frau Spiegel, das ist keine Lappalie und keine Kleinigkeit, die man einfach weglächelt.

(Beifall der AfD – Abg. Joachim Paul, AfD: Sehr gut!)

Achselzuckend reagiert die Landesregierung auch, wenn es um den Anteil von Zuwandererkindern in Kitas und Schulen geht. Die amtlichen Statistiken führen keine Angaben zum Asylstatus oder zum Fluchthintergrund. Das war es. Das war Ende der Durchsage.

Da frage ich Sie ganz offen: Wie wollen Sie denn den speziellen Förderbedarf ermitteln und planen, wenn Sie noch nicht einmal die Anzahl der zugewanderten Kinder, geschweige denn ihre Herkunft kennen? Auf welcher Datengrundlage planen Sie Ausbildung und Zusatzqualifikation von Erziehern und Sprachlehrern?

Das Ganze ließe sich beliebig fortsetzen: keine Asylbezüge in der Hochschul- und Krankenhausstatistik, keine Zahlen zum Familiennachzug und blinde Flecken, wohin man sieht.

Meine Damen und Herren, was sind die wesentlichen Schlüsse, die wir aus diesem Befund ziehen? Zugegeben, von der Landesregierung liegen in vielen Bereichen Zahlen vor. Das wollen wir nicht bestreiten. Doch bei besonders wichtigen, besonders bei zukunfts- oder sicherheitsrelevanten Angaben ist man nicht auskunftsfähig. Dabei bräuchten wir gerade hier belastbare Erkenntnisse für die politische Arbeit in Sachen Migrations-, Asyl- und Integrationspolitik. Wenn jedoch spezifische Daten gar nicht erst erhoben, nicht weitergeleitet oder gar nicht erst angefragt werden, dann scheint ein grundsätzliches Kommunikations- und Strukturproblem zu bestehen, das dringend behoben werden muss.

(Beifall der AfD)

Da helfen weder Verweigerungshaltung noch der Weg des geringsten Widerstandes weiter. Stattdessen sollten Sie auf standardisierte und flächendeckende Informationserfassung aller Beteiligten setzen. Holen Sie die Kommunen, holen Sie die Vertreter alle an einen Tisch. Sprechen Sie über die Probleme, sprechen Sie über Strukturierung, und sprechen Sie über Lösungsmöglichkeiten. Machen Sie den rheinland-pfälzischen Ausländerbehörden klare Vorgaben für relevante Kriterien; denn oftmals liegen die Daten in der Akte schon vor. Sie müssen nur geordnet, priorisiert und statistisch aufbereitet werden.

Ebenso gehört die Erfassung des Asylstatus in jede amtliche Statistik, in der Asylmigranten repräsentiert sind. Wir befinden uns nämlich nicht mehr im Jahr 2005, auch nicht im Jahr 2008, sondern im Jahr 2018, und die Zustände haben sich geändert. Wenn sich die Zustände ändern, dann müssen Sie auch die Antworten und Kriterien der Politik ändern.

(Glocke der Präsidentin)

In diesem Sinne, um Verbesserungen zu schaffen, Transparenz sowohl für Bürger als auch für Behörden sicherzustellen, braucht es vor allem eines: die Bereitschaft,

(Glocke der Präsidentin)

Daten und Fakten nüchtern zu analysieren, Fehler auch einmal einzugestehen, was Herr Hering gestern richtig erwähnt hat, – –

Kommen Sie zum Schluss, Herr Abgeordneter.

und damit verbunden den politischen Willen, Veränderungen auch herbeizuführen.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Ein bisschen Zeit kann man dazugeben! Das war bei anderen auch schon!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Abgeordneter Rauschkolb das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man hat wieder einmal gesehen, dass Sie die Zahlen, die dort enthalten sind, gar nicht wirklich interessieren. Ich erkläre Ihnen einmal das Erste, was Sie falsch gesagt haben:

(Abg. Dr. Timo Böhme, AfD: Wir sind froh, dass Sie uns die Welt erklären!)

Das Wort „Asylmigrant“ gibt es gar nicht.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Natürlich gibt es das!)

Asylbewerber: Sie haben sich zum Glück in Ihrer Großen Anfrage noch einmal erklären lassen, was überhaupt ein Asylbewerber ist und wie die verschiedenen Dinge sind.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Nicht ablenken! Bleiben Sie bei der Sache!)

Es ist gut, dass Sie es sich erklären lassen, aber es wäre auch schön, wenn Sie es dann am Ende auch machen würden.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Lenken Sie doch nicht ab!)

Ich lenke nicht ab, ich sage Ihnen nur, was Sie falsch gemacht haben.

(Zurufe von der AfD)

Sie haben falsch gesagt, die meisten Asylbewerber oder Asylmigranten kommen aus Afrika und Osteuropa. Ich nenne Ihnen einmal die Zahlen. Sie stehen ganz hinten. Vielleicht haben Sie nicht bis zum Schluss gelesen – ich weiß es nicht –, oder Sie haben nur das gelesen, was Sie interessiert.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Zuhören, Frau Kollegin!)

Es sind am Ende 19.754 Personen aus Syrien. Das sind die meisten Menschen, die zu uns gekommen sind.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Arabien wurde gesagt! Hören Sie einmal zu!)

Zum Vergleich: Aus Ägypten kamen 311 Menschen zu uns. Das ist schon eine große Spanne, wenn man sich das anschaut. Aus Afghanistan waren es 6.000 Menschen. Warum ist das so? – Weil dort, wie wir alle sehen und lesen können, wenn wir es denn möchten – eine Frage der selektiven Wahrnehmung –, ein Krieg herrscht und die Menschen zu uns kommen und deswegen hier Schutz bekommen.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Ja, ja!)

Der Familiennachzug ist ein wichtiger Punkt, den wir nicht prognostizieren können und der auch nicht bei uns stattfindet, weil nicht die Kommunen oder Frau Spiegel zuständig sind, sondern die Visastellen, also die Konsulate. Diese sind dafür zuständig und bearbeiten diese Dinge, was den Familiennachzug angeht.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Aber der findet schon hier statt!)

Außerdem geht es darum, dass Sie immer wieder das gleiche Thema haben. Wir sagen es immer wieder gerne, es werden Daten erfasst, sonst hätte doch Ihre Antwort auf die Große Anfrage eine Seite. Wenn wir keine Daten hätten, hätten Sie doch keine Antwort bekommen.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Nur nicht die richtigen! Zu wenig!)

Die richtigen Antworten, das ist ja witzig. Wenn die Antworten Ihnen nicht passen, kann ich Ihnen auch nicht helfen.