Protokoll der Sitzung vom 19.09.2018

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr richtig!)

Das gestufte System der Fördermieten wurde daher angepasst und ein differenzierendes Vorgehen gewählt. Der aktuelle und auch der prognostizierte künftige Bedarf an Wohnungen ist jetzt Grundlage für die soziale Wohnraumförderung. So können wir das Geld zielgerichtet und effektiver einsetzen.

Bei der Förderung von Wohnraum berücksichtigen wir die Anforderungen des demografischen Wandels. Besonders wichtig ist uns dabei das altersgerechte Wohnen. Passende Darlehen bietet die Investitions- und Strukturbank des Landes auch für Menschen mit Behinderungen, die beispielsweise auf ein barrierefreies Umfeld angewiesen sind.

Ich halte fest, die Landesregierung fördert den sozialen Wohnraum bereits weiterhin auf hohem Niveau. Sie nimmt dabei auf die unterschiedlichen Anforderungen Rücksicht, die sich in den Städten und auf dem Land stellen. Wie immer sich auch Familien oder Einzelpersonen beim Wohnen entscheiden, ob für Bauen oder Mieten, wir wollen, dass alle Bürgerinnen und Bürger in Rheinland-Pfalz angemessenen Wohnraum finden und auch finanzieren können. Darauf richtet die Landesregierung ihr Handeln aus, und dabei unterstützt sie die Fraktion der FDP.

Haben Sie vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile nun Herrn Abgeordneten Köbler von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kollegen und Kolleginnen, meine Damen und Herren! Für ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu sorgen, ist eine in der heutigen Zeit zentrale sozialpolitische Aufgabe, und es ist längst kein soziales Randproblem mehr. Viele Menschen, auch zunehmend aus der Mittelschicht, können sich die Miete insbesondere in unseren Städten nicht mehr leisten und sind von Verdrängung bedroht.

Nach einer Studie des Pestel Instituts sind mittlerweile 65 % aller Mieterhaushalte auf günstigen oder sozial geförderten Wohnungsbau angewiesen. Diese Zahlen zeigen ganz deutlich: Das Thema „Bezahlbares Wohnen“ ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, und es trifft leider zuallererst immer die Schwächsten.

In den letzten vier Jahren hat sich Schätzungen zufolge die Zahl der Wohnungslosen in Deutschland auf 860.000 Menschen verdoppelt. Vor 30 Jahren gab es in Deutschland immerhin noch knapp 2,9 Millionen Sozialwohnungen, heute sind es nur noch 1,5 Millionen Wohnungen.

Jedes Jahr verlieren in Deutschland 60.000 Sozialwohnungen ihre soziale Bindung; nach Schätzungen von Immobilienverbänden müssten in Deutschland aber pro Jahr 80.000 neue geförderte Wohnungen entstehen. Wir haben eine Lücke zwischen der Notwendigkeit an sozial geförderten Wohnungen und tatsächlichen sozial geförderten Wohnungen von 140.000 Wohnungen, und das Jahr für Jahr.

Wer ist eigentlich im Bund dafür zuständig? – Es ist der Bundesbauminister, der auch Bundesinnenminister ist. Während das Baukindergeld eine Verteilungswirkung von unten nach oben entfaltet und letztendlich nur eine staatliche Subventionierung für die Baufinanzierung der Banken darstellt,

(Zurufe der Abg. Joachim Paul und Dr. Timo Böhme, AfD)

entlässt Herr Seehofer jetzt mit Baustaatssekretär Gunther Adler seinen einzigen Experten im Haus, der es immerhin geschafft hat, einen Wohnungsgipfel vorzubereiten. Da der Bundesinnenminister keine Zeit oder keine Lust hat, sich dem drängenden Thema „Wohnen und bezahlbare Mieten“ zu widmen, hat es heute die Kanzlerin zur Chefsache erklärt, weil sie offensichtlich auch in diesem Punkt ihrem Minister nicht mehr traut.

Meine Damen und Herren, auch bei uns in Rheinland-Pfalz wird Wohnen immer teurer. Mittlerweile gibt der durchschnittliche rheinland-pfälzische Haushalt über ein Viertel

seines monatlichen Nettoeinkommens allein für die Kaltmiete aus. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis für die Kaltmiete in Rheinland-Pfalz beträgt ca. 6,70 Euro, und in Städten wie Mainz haben wir jetzt schon den Preis von 10,50 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete im Mittel überschritten. Das ist in nur zwölf Jahren eine Steigerung von über 35 %, meine Damen und Herren.

Deswegen haben wir in Rheinland-Pfalz schon vor Jahren reagiert. Wir haben zum Jahr 2014 das Landeswohnraumförderungsgesetz novelliert. Wir haben im Jahr 2015 sowohl die Mietpreisbremse für Mainz, Trier und Speyer als auch die Kappungsgrenze für Mainz, Trier, Speyer und Landau erlassen.

Wir haben Städtebauprogramme wie beispielsweise die „Soziale Stadt“. Die jährlich zugesagten Mittel haben sich in den letzten fünf Jahren in Rheinland-Pfalz verdreifacht, und für den experimentellen Wohnungs- und Städtebau stehen pro Jahr über 7 Millionen Euro zur Verfügung.

Das ist eine ganze Menge; aber wir wussten, dass das nicht ausreicht. Deswegen haben wir uns in den Koalitionsverhandlungen darauf geeinigt, dass wir 20.000 neue sozial geförderte Wohnungen in Rheinland-Pfalz schaffen werden. Um einmal eine Zahl zu nennen: Das bedeutet allein an Landesmitteln im sozialen Mietwohnungsbau fast 55 Millionen Euro jedes Jahr. Zum Vergleich: Das waren im Jahr 2006 noch 1,5 Millionen Euro, jetzt sind es 55 Millionen Euro. Mit dem Förderprogramm der ISB wenden wir in Rheinland-Pfalz jedes Jahr über 300 Millionen Euro für die Wohnraumförderung und den sozialen Wohnungsbau auf. Das ist ein Wort, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)

Bezahlbares Wohnen muss vor Ort ermöglicht werden. Deswegen war die Privatisierungswelle der Wohnungsbaugesellschaften ein Fehler. Die Kommunen, die heute noch eine Wohnungsbaugesellschaft haben, sind froh.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Es ist wichtig, diese zu gründen, und dort, wo sie nicht gegründet werden, entsprechende Initiativen zu starten; denn es muss vor Ort geplant werden. Es muss vor Ort gesteuert werden.

Ich kann mich dem heutigen Vorschlag des DGB-Chefs Dietmar Muscheid anschließen: Wir brauchen eine Renaissance des kommunalen Wohnungsbaus. Wir müssen schauen, welche Möglichkeiten es gibt, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Gründung kommunaler Wohnungsbaugesellschaften voranzutreiben.

Wir wissen, dass es in den Ortsgemeinden oftmals eine zu kleinteilige Struktur gibt und dies auf Kreisebene besser umgesetzt werden kann, und zwar nach dem Vorbild dessen, was im Rhein-Pfalz-Kreis passiert. Wir sollten daher schauen, welche Möglichkeiten wir haben, um im kreisangehörigen Raum kreisweite Wohnungsgesellschaften zu schaffen,

(Glocke des Präsidenten)

damit auch dort Wohnen wieder für alle bezahlbar wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Zum Abschluss der ersten Runde erteile ich für die Landesregierung Frau Staatsministerin Ahnen das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich bin dankbar für diese Aktuelle Debatte. Ich bin der festen Überzeugung, dass gutes Wohnen ein für alle Menschen immens wichtiges Thema ist.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei geht es um die Qualität des Wohnens, es geht um ein lebenswertes Wohnumfeld, und es geht vor allen Dingen in diesen Zeiten zentral um die Frage der Bezahlbarkeit. Die Frage der Bezahlbarkeit von Wohnungen – das ist meine feste Überzeugung – ist eine der wichtigsten sozialen Fragen unserer Zeit. Es ist richtig, dass sich das rheinland-pfälzische Parlament mit dieser Frage befasst.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will zu Beginn mit aller Klarheit ein Plädoyer ablegen für die soziale Wohnraumförderung. Aus meiner Sicht ist die soziale Wohnraumförderung das Kernstück einer sozialen Wohnungspolitik. Ich will mich an dieser Stelle klar von den Empfehlungen von Professorinnen und Professoren in Beiräten abgrenzen, die meinen, man könne auf die soziale Wohnraumförderung weitgehend verzichten.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Martin Haller, SPD: So sieht es nämlich aus!)

Wenn diese Zeiten eines zeigen, dann ist es doch, dass gerade an dieser Stelle der Markt die Dinge nicht allein regelt, sondern dass es staatlichen Handelns bedarf.

(Beifall der SPD)

Wenn dann wissenschaftlich darüber fabuliert wird, ob es besser ist, die Objektförderung oder die Subjektförderung zu betreiben, dann sage ich an dieser Stelle ganz klar, wir brauchen beides. Wir brauchen ein gut ausgestattetes dynamisches Wohngeld, um die Subjekte zu fördern. Aber wir brauchen vor allen Dingen auch eine gute soziale Wohnraumförderung, um mehr gebundene Wohnungen zu fördern, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Martin, Sie sind ganz forsch herangegangen an das, was die SPD alles nicht kann, und ich beziehe es auch – dafür bitte ich die Koalitionspartner um Verständnis – auf die Landesregierung. Es ist schon eine markige Aussage: Wir sollen doch einmal schauen, wie es in Hessen ist. -

Ich möchte ein Zitat des Direktors des Verbandes der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft vorlesen. – Das ist die Wohnungswirtschaft, also die, von der Sie meinen, dass wir hinhören sollten. Ich zitiere aus der Allgemeinen Zeitung vom 8. September 2018 mit Gestattung des Präsidenten.

(Abg. Martin Haller, SPD: Das ist noch nicht so lange her!)

Herr Tausendpfund sagt: „Rheinland-Pfalz hat die Wichtigkeit des Themas früh erkannt und früher etwas unternommen. Man hat das Problem dort besser angepackt. In Hessen muss noch nachgebessert werden.“

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und dann empfehlen Sie uns heute Hessen als leuchtendes Vorbild!

Ich sage Ihnen auch: Der SPD zu unterstellen, dass sie die Komplexität eines solchen Themas nicht erfassen würde, dazu kann ich nur sagen, wenn man nicht einmal weiß, dass die Befristung der rheinland-pfälzischen Mietpreisbremse auf Bundesrecht beruht, weil sie bis 2020 im Bundesgesetz befristet ist,

(Abg. Martin Haller, SPD: Das ist schon peinlich!)

dann ist es ein mutiges Unterfangen, den Mitdiskutanten mangelnde Komplexität vorzuwerfen.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gestatten Sie mir an dieser Stelle Emotionalität, weil ich Sie herzlich bitten möchte anzuerkennen, um ein solch wichtiges Thema kümmern wir uns in diesem Land seit einigen Jahren und haben uns, wie Sie soeben gehört haben, früher als andere darum gekümmert. Dieses Thema sollte aus meiner Sicht nicht zu solch lapidaren Aussagen gegen andere verleiten, sondern ich bin der Meinung, dass wir eine konstruktive Zusammenarbeit brauchen.