Protokoll der Sitzung vom 27.03.2019

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Es fängt schon gut an!)

Ich danke den regierungstragenden Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP sowie der CDUFraktion, dass sie so schnell auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts reagiert haben.

Die Entscheidung wurde seit Langem erwartet. Seit 2014 waren die Wahlbeschwerden gegen die Wahlrechtsausschlüsse für Betreute in allen Angelegenheiten beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Als der Beschluss des Verfassungsgerichts dann jedoch im Februar dieses Jahres veröffentlicht wurde, kam er doch ein wenig überraschend. Mitten in den Vorbereitungen für die Europa- und Kommunalwahlen am 26. Mai stellte sich nun die Frage, ob und inwieweit das Kommunalwahlgesetz kurzfristig geändert werden soll und kann.

Sehr geehrte Damen und Herren, derzeit gilt: Wer unter Betreuung in allen Angelegenheiten steht, dem wird die Entscheidungsfähigkeit aberkannt. Wer bei gleichem Krankheitsbild jedoch durch eine Vorsorgeverfügung geregelt hat, wie die Betreuung ablaufen soll, behält dagegen das Wahlrecht. Diese Ungleichbehandlung wurde vom Gericht bemängelt und wird nun durch den vorliegenden Gesetzentwurf beseitigt.

Mit der Gesetzesänderung verbessert sich also die demokratische Teilhabe von Menschen, die unter Betreuung stehen, deutlich. Deshalb begrüßt die Landesregierung den Vorstoß, diese Ungleichbehandlung zu beseitigen.

Sehr geehrte Damen und Herren, damit die beabsichtigten Gesetzesänderungen noch fristgerecht umgesetzt werden können, sind die Gemeindeverwaltungen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Innenministeriums bereits vorab informiert worden. So wird gewährleistet, dass die Wählerverzeichnisse ordnungsgemäß erstellt und die Wahlbenachrichtigungen rechtzeitig an alle Wahlberechtigten versendet werden können.

Der Stichtag für die Eintragung in das Wählerverzeichnis ist der 14. April. Spätestens am 5. Mai müssen die Wahlberechtigten über ihre Eintragung ins Wählerverzeichnis informiert sein. Diese Termine zeigen, wie eng getaktet der Zeitplan für die Kommunalwahl ist. Nur durch ein reibungsloses Zusammenspiel der beteiligten Akteure sind die Änderung des Kommunalwahlgesetzes und die Umsetzung in die Verwaltungspraxis zeitnah machbar.

Ich möchte daher heute die Gelegenheit nutzen und allen Beteiligten herzlich danken. Nur durch das schnelle Handeln auf allen Ebenen können die Kommunalwahlen auf der Grundlage von verfassungsgemäßen Bestimmungen durchgeführt werden. Der vorgelegte Gesetzentwurf schafft Rechtssicherheit und Vertrauen.

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Martin Brandl gemeldet.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Ich glaube, es ist wichtig, auch denen zu danken, die im Vorfeld, in der vergangenen Wahlperiode für dieses Thema gestritten haben. Mir ist es deshalb ein Bedürfnis, dem nicht mehr dem Parlament angehörenden Kollegen Fred Konrad zu danken, der ganz intensiv und massiv für dieses Thema gestritten hat.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, das muss man auch sagen. Es hat deshalb nicht mehr sehr viele Erklärungen bedurft. All diejenigen, die in der letzten Legislaturperiode anwesend waren, haben es immer wieder Face to Face erklärt bekommen, warum das so wichtig ist. Es ist gut, dass wir diese Dinge so verabschieden. Ich sage deshalb Danke schön, Fred Konrad.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke für die Ergänzungen.

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich darf den Hinweis geben, damit haben wir die erste Beratung des Gesetzentwurfes beendet. Am Freitag, 19. März 2019, führen wir die zweite Beratung durch.

Bevor ich den nächsten Punkt der Tagesordnung aufrufe, freue ich mich, dass wir weitere Gäste begrüßen dürfen, und zwar die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 155. Mainzer Landtagsseminars. Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:

Landesgesetz zur Änderung des Landesgesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 17/8657 – Erste Beratung

Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von 5 Minuten vereinbart. Ich darf zunächst ein Mitglied der Landesregierung um die Begründung bitten. – Staatsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler, bitte

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit dem Jahr 2002 gibt es in Rheinland-Pfalz das Landesgesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen. Das war damals ein Meilenstein; denn es wurden nicht nur das Benachteiligungsverbot und die besonderen Belange von Frauen mit Behinderungen in ein Landesgesetz aufgenommen, sondern es wurden auch die Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken, die Gebärdensprache und andere Kommunikationsformen, die Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr, das Verbandsklagerecht und die Barrierefreiheit von Informationstechnik geregelt.

Nun steht wieder eine wichtige Aktualisierung dieses Gesetzes an; denn die EU-Richtlinie über den barrierefreien Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen verpflichtete öffentliche Stellen dazu sicherzustellen, dass Websites und mobile Anwendungen für Menschen mit Behinderungen und andere Nutzerinnen und Nutzer besser zugänglich werden. Das ist notwendig; denn gerade die Informationstechnologie spielt heute im täglichen Leben von uns allen eine zentrale Rolle.

Digitale Medien sind weder aus der Arbeitswelt noch aus dem Privatleben der Menschen wegzudenken. Die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen darf hinter dieser rasanten Entwicklung nicht zurückbleiben.

Um die Richtlinie in Landesrecht umzusetzen, muss das Landesgesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen an die Erfordernisse und Verpflichtungen der EU-Richtlinie angepasst werden. Nach der Richtlinie gehören zu Websites

neben den Auftritten und Angeboten im Internet grundsätzlich auch das Intranet. Zwar sieht das geltende Landesgesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen bereits heute eine Pflicht der Behörden vor, Informationstechnik barrierefrei zu gestalten, aber diese Pflicht ist bislang eher weich formuliert, weil diese Pflicht nur schrittweise umgesetzt werden soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ändert sich jetzt. Die Richtlinie der EU verlangt eine weitaus stärkere Verbindlichkeit. Sie sieht zwingend die Einrichtung von Überwachungs- und Durchsetzungsstellen vor.

Unser Gesetzentwurf ist so aufgebaut, dass er der notwendigen Umsetzung der Richtlinie dient. Er sieht eine Ermächtigungsgrundlage für eine Rechtsverordnung vor, in der dann das Nähere zu Überwachungs- und Durchsetzungsverfahren sowie zu den dafür erforderlichen Stellen geregelt wird. Diese Rechtsverordnung wird parallel zum Gesetzgebungsverfahren erstellt und soll einen Tag nach Verabschiedung des Änderungsgesetzes in Kraft treten.

Im Gesetz werden die öffentlichen Stellen konkretisiert und die Anforderungen an die barrierefreie Informationstechnik nach den Vorgaben der EU-Richtlinie bestimmt. Bei den öffentlichen Stellen handelt es sich vor allem, so wie bereits im geltenden Gesetz, um die Verwaltung des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften, die ihnen unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts und die Gerichte und Staatsanwaltschaften des Landes, soweit diese in Verwaltungsangelegenheiten tätig werden.

Die öffentlichen Stellen werden verpflichtet, ihre Auftritte und Angebote im Internet und grundsätzlich auch im Intranet sowie Apps und sonstige Anwendungen für mobile Endgeräte gemäß der Richtlinie sowohl technisch als auch inhaltlich barrierefrei so zu gestalten, dass sie von behinderten Menschen möglichst uneingeschränkt genutzt werden können.

Eine Überwachungs- und Durchsetzungsstelle wird zukünftig darauf achten, dass die Vorgaben zur Barrierefreiheit in der Informationstechnik kein Papiertiger sein wird. All diese Vorgaben gelten aber nur, soweit dies nicht eine unverhältnismäßige Belastung für die öffentliche Stelle bewirken würde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, das vorliegende Änderungsgesetz ist ein wichtiger Schritt, mit dem wir europarechtliche Vorgaben umsetzen wollen. Aber es ist auch ein Zwischenschritt; denn hinsichtlich weitergehender Änderungen des Gleichstellungsgesetzes für Menschen mit Behinderungen beabsichtigen wir dem Landtag noch im Laufe dieser Legislaturperiode eine umfassende Novellierung des gesamten Gesetzes vorzulegen; denn auch in anderen Fragen der Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderungen gilt es, mit der Zeit zu gehen und notwendige Aktualisierungen und Verbesserungen auf den Weg zu bringen.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Abgeordneten Gerd Schreiner das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, dass ich das einmal sagen muss: Das Landesgleichstellungsgesetz von 2003 war in Fragen von Internet und Intranet schon gut, und es wird mit der Novelle jetzt noch besser. Insofern können Sie auf unsere Zustimmung – wenn Sie es nicht noch grundlegend ändern würden – rechnen.

Die Anpassung vollzieht die EU-Richtlinie. Es ist eine gute Sache, dass jetzt Standards gesetzt werden und es eine Überwachung geben wird, dass diese Standards eingehalten werden.

Wir sollten uns den Anspruch noch einmal vergegenwärtigen. Es ist ein hohes Ziel, Internet- und Intranetangebot der öffentlichen Hand sollen barrierefrei sein. Es geht nicht nur darum, dass Taube oder Blinde die Informationen bekommen können und sie so aufbereitet sein müssen, dass jedermann, zum Beispiel jemand mit körperlichen Einschränkungen, sie erhalten kann, sondern es geht auch darum, dass wir unsere Gedanken in einfachere Sprache fassen und Verwaltungshandeln in einfacher Sprache erklären. Das ist ein hohes Ziel.

Ich möchte an der Stelle sagen, das ist eine gute Sache. Die Verpflichtung, Gesetze und komplizierte Sachverhalte so zu formulieren, dass jedermann sie versteht, ist für uns manchmal ganz wichtig. Uns als Gesetzgeber bzw. Volksvertreter und die Verwaltung zwingt eine solche Novelle, verständlich mit jedermann zu kommunizieren.

Wie gesagt, das ist ein hoher Anspruch und eine gute Sache. Da machen wir gerne mit.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU und bei der SPD)

Für die SPD-Fraktion spricht Abgeordneter Lothar Rommelfanger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Der vorliegende Gesetzentwurf zum Landesgesetz über den barrierefreien Zugang zu Webseiten und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen begründet sich mit der Umsetzung der Richtlinie 2016/2102 des Europäischen Parlaments. Diese Richtlinien wurden am 26. Oktober 2016 beschlossen und traten am 21. Dezember desselben Jahres in Kraft.

Damit werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, ihre Rechtsund Verwaltungsvorschriften bezüglich der Anforderungen an die Barrierefreiheit von Webseiten und mobilen Anwen

dungen anzupassen. Die Mitgliedstaaten waren dabei gehalten, diese Anpassungen bis zum 23. September 2018 umzusetzen. Auch die Länder trifft diese Anforderung, weshalb Rheinland-Pfalz seine bestehenden gesetzlichen Regelungen konkretisieren muss.

Elementarer Bereich des vorliegenden Artikelgesetzes sind die neuen Regelungen des Landesgesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen. Kernpunkte der umsetzenden Richtlinien sind die Bereitstellung einer detaillierten und umfassenden Erklärung für Barrierefreiheit sowie die Einrichtung eines Feedback-Mechanismus auf Webseiten und mobilen Anwendungen, also eine barrierefrei gestaltete Möglichkeit der elektronischen Kontaktaufnahme.

Zudem soll gemäß des Gesetzentwurfs eine Überwachungs- und Durchsetzungsstelle eingerichtet werden. Die Federführung und die in der Richtlinie geforderte Berichtspflicht liegen hierzu beim Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie. Die Kosten verteilen sich durch die in der Richtlinie genannten Umsetzungsfristen auf die Jahre 2019 bis 2021.

Da es sich hier um die Umsetzung von EU-Recht ohne eigenen Gestaltungsspielraum des Landes handelt, werden durch das vorliegende Gesetz keine Konnexitätansprüche im Sinne des Artikels 49 Abs. 5 der Verfassung für Rheinland-Pfalz ausgelöst.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt die Anregung der LIGA der freien Wohlfahrtspflege in RheinlandPfalz e.V. und des Landesverbandes der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V., dass eine Verpflichtung zur Anwendung von leichter Sprache fehlt. Diesen Punkt werden wir bei zukünftigen Reformen des Landesgesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen diskutieren. Beim nun vorliegenden Gesetzentwurf ging es um die für alle Bundesländer verpflichtende Umsetzung der EU-Richtlinie 2016/2102.