Protokoll der Sitzung vom 28.03.2019

führen und Lösungen zu finden, nein, Ihnen geht es darum, sich selbst zu präsentieren.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Sie verursachen Probleme, wir zeigen Lösungen auf!)

Sonst versuchen Sie, sich häufig als Verteidiger des Rechtsstaates aufzuspielen.

(Zuruf des Abg Michael Frisch, AfD)

Wir haben noch die markigen Worte von der ersten Aktuellen Debatte von heute im Ohr. Hier vertreten Sie plötzlich eine ganz andere Meinung.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Keinesfalls, keinesfalls! )

Angst ist ein schlechter Ratgeber in der Politik und hat oft genug in die Katastrophe geführt.

(Zurufe von der AfD: Oh!)

Problemlagen erkennen und Lösungen erarbeiten, das sind die Alternativen. Dies ist unsere Devise. Dies ist der EU hier gelungen.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Heute so, morgen so, so ist Ihre Devise!)

Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Beratung in der Aktuellen Debatte, wie eben schon aufgeführt, fragwürdig und für die nationale Umsetzung verfrüht. Das Europäische Parlament hat gerade vorgestern darüber abgestimmt. Nun muss sich erst einmal der Rat äußern.

Wir sind aufgefordert, mit darauf zu achten, dass zum Zeitpunkt der nationalen Umsetzung unsere Werte und die Freiheit des Internets erhalten bleiben.

Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU)

Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Roth.

Frau Präsidentin, sehr geehrten Damen und Herren! Zehntausende Menschen auf den Straßen und massive Proteste on- wie offline – vor allem das wird uns in Bezug auf die EU-Urheberrechtsreform im Gedächtnis bleiben.

Diese Debatte um Artikel 13, der de facto den Einsatz von sogenannten Uploadfiltern umfasst, hat die Bürgerinnen und Bürger auch in Rheinland-Pfalz verärgert. Ich will insbesondere die jungen Leute erwähnen. Konstantin Kuhle, der innenpolitische Sprecher unserer Bundestagsfraktion, hat sehr treffend beschrieben, was von der Debatte übrig bleiben wird.

(Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)

Er sagt – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –: „Man kann für oder gegen die Urheberrechtsreformen sein. Aber den Schaden, den CDU und CSU mit ihrer digitalen Ahnungslosigkeit und ihren absurden Lobby-Vorwürfen beim Vertrauen junger Menschen in die Politik angerichtet haben, kann man nicht wiedergutmachen.“

Meine Damen und Herren, das trifft den Nagel auf den Kopf.

(Vereinzelt Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer sich vorgestern die Debatte im Europäischen Parlament angesehen hat, dem wird vor allem der Wortbeitrag von Daniel Caspary, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe, aufgefallen sein. Er hat sich in einer Zwischenfrage an die Piraten-Abgeordnete Julia Rehder gerichtet und die Antwort selbst gegeben. Ich zitiere wieder mit Erlaubnis: „Nun wird offensichtlich versucht, auch mit gekauften Demonstranten die Verabschiedung des Urheberrechtes zu verhindern.“

(Abg. Michael Frisch, AfD: Hört, hört!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich gebe zu, Daniel Caspary hat ausdrücklich betont, dass es ihm dabei nicht um die vielen Tausende junger Menschen geht, die für Meinungsfreiheit und das freie Netz gekämpft haben. Aber mit Verlaub, welcher Eindruck entsteht bei einer solchen Debatte?

Ich kann der CDU/CSU-Gruppe nur raten, ihre Energien zukünftig nicht in der Suche nach Fehlern im Protest gegen ein Reformvorhaben, sondern in das Reformvorhaben selbst zu investieren. Das wäre bei Artikel 13 angebracht gewesen. Wir Freien Demokraten können diesen Artikel nicht gutheißen. Deshalb haben unsere EU-Abgeordneten diesem Text die Zustimmung verweigert. Es geht jetzt um Schadensbegrenzung.

Wir brauchen ein modernes und starkes Urheberrecht und begrüßen deshalb die Reformbestrebungen. Mit Artikel 13 hat das EU-Parlament ein großes Problem auf den Weg gebracht. Bei der Umsetzung in nationales Recht darf eines aber nicht passieren, nämlich dass die rechtliche Grundlage für automatisierte Filtersysteme geschaffen wird, die dann die falschen Inhalte aussortieren, einen Algorithmus wie Zitat und Satire womöglich nicht erkennen. Das wäre fatal. Es wäre ein Eingriff in die Meinungsfreiheit der Nutzerinnen und Nutzer, deren Interessen ebenso viel wert sind wie die der Urheberinnen und Urheber.

Eine Kontrollinfrastruktur, die zu Overblocking oder vielleicht zur Zensur beiträgt, lehnen wir ab. Richten wir den Blick vielmehr auf Innovation. Nutzen wir zum Beispiel die Blockchain-Technologie, um Kreative automatisch und unbürokratisch für die Verwertung ihrer Werke zu entlohnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist völlig offensichtlich, dass die AfD-Fraktion die heutige Debatte dazu nutzt, mal wieder ihre grundsätzliche Kritik in der Öffentlichkeit breitzutreten. Das haben wir gestern hier zum x-ten Mal wieder erlebt.

Sehr geehrter Herr Kollege Frisch, zu dem Kommentar von Ihnen, wie vor fünf Minuten gehört, „So ist das mit europäischen Lösungen“ will ich den Kolleginnen und Kollegen der AfD-Fraktion eines sagen: Auch wenn Union und FDP heute in einer Sachfrage völlig anderer Meinung sind, so gibt es doch einen unumstößlichen Konsens; denn wir stehen gemeinsam in der Tradition von Adenauer, Kohl und Genscher. Deshalb geht es uns immer um die Sache und niemals darum, das Projekt Europa, das uns seit Jahrzehnten Friede, Wohlstand und Freiheit beschert, abwickeln zu wollen, wie es Ihr Ansinnen ist.

(Zuruf des Abg Dr. Jan Bollinger, AfD)

Auf dass wir noch lange in einem geeinten Europa über das Urheberrecht streiten können, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU.

Haben Sie vielen Dank.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Abgeordneten Pia Schellhammer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! „Erst ignorieren sie dich, dann bezeichnen sie dich als ,Bot‘, dann nennen sie dich ,gekauft‘, und dann verlierst du trotzdem. Aber dann sind Wahlen.“ – So Sascha Lobo auf Twitter. Passender kann man den Streit um die EUUrheberrechtsreform und den Umgang mit den Protesten dagegen nicht zusammenfassen.

Das Europäische Parlament hat eine falsche Entscheidung getroffen. Den Urheberinnen und Urhebern hat es damit einen Bärendienst erwiesen. Nicht nur inhaltlich wird diese Reform schaden, sie schadet auch der Idee eines freien Europas.

Der Umgang mit den Protesten gegen die Reform ist zudem geprägt von einem tiefgreifenden Unverständnis unserer digitalen Zeit und gegenüber der jungen Generation.

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Das hat Herr Paul von der AfD eben auch gesagt!)

Dienstag war ein ganz schwarzer Tag für das freie Internet und die europäische Idee.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der AfD – Abg. Joachim Paul, AfD: Ja, richtig! Sehr gut!)

Ich möchte an dieser Stelle ganz klar sagen: Auch wenn wir uns als Grüne inhaltlich gegen diese Form der Urheberrechtsreform positioniert haben, sagen wir ganz klar, dass gerade in einer digitalen Zeit nur Europa die Lösung sein kann. Wir positionieren uns ganz klar für die europäische Idee und stehen dabei an der Seite der demokratischen

Fraktionen in diesem Haus.

Ich lasse nicht unsere Kritik an der EU-Urheberrechtsreform von Ihrer Seite instrumentalisieren, und ich verwahre mich dagegen ganz eindeutig.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Wir sind ganz klar für unionsweite Mindeststandards im Bereich des Urheberrechtsschutzes. Aber was diese EURichtlinie schafft, ist nichts anderes als Rechtsunsicherheit zulasten gerade kleiner Plattformen, über denen zukünftig ein Haftungsrisiko schweben wird. Was werden diese kleinen Plattformen machen? Sie werden eher rigoros löschen, als sich diesem Haftungsrisiko und einem möglichen Gerichtsprozess ausgeliefert zu sehen.

Für die großen Plattformen – das ist gerade auch das Wirtschaftspolitische an dieser Reform – ist es kein Problem, solche Filter einzubauen. Sie entwickeln sogar ein neues Geschäftsmodell. Was bedeutet das? – Marktmacht wird zentriert, und Innovation wird verhindert. Auch wirtschaftspolitisch ist dieser Ansatz der Reform ein völliges Desaster.

(Beifall des Abg. Joachim Paul, AfD)

Der Murks der Upload-Filter ist schon erwähnt worden. Ich möchte ganz klar sagen, jeder, der sich technisch damit auseinandersetzt, weiß, diese Upload-Filter werden nicht unterscheiden können zwischen urheberrechtsgeschützten Werken und Eigenkreationen, Karikaturen oder Satire, und deswegen ist es eine Gefahr für die Informations-, Kunst- und Meinungsfreiheit im Netz.

Aber es wird immer wieder gesagt – wir haben es auch heute gehört –, Upload-Filter stehen doch gar nicht in der Richtlinie. – Das ist Augenwischerei. Rechteinhaberinnen und -inhaber sind nicht verpflichtet, Lizenzvereinbarungen mit Plattformbetreibern zu schließen. Um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern, sind Plattformbetreiber eben gezwungen, gerade solche technischen Lösungen einzubauen, und das sind nun einmal Filter. Deswegen ist es Augenwischerei, wenn immer behauptet wird, dies stehe nicht in der Richtlinie.

Es geht an der Stelle – das sage ich ganz klar für meine Fraktion – nicht um Angst, sondern es geht um die grundsätzliche Frage und um ein technisches Verständnis des Internets. Wenn Sie, liebe CDU, Ihren eigenen netzpolitischen Sprecherinnen und Sprechern zuhören würden, würden Sie feststellen, auch sie haben sich gerade kritisch zu der Reform positioniert. Dort liegt der technische Sachverstand, bedienen Sie sich dessen doch bitte.

Selbstverständlich – das sage ich auch von grüner Seite – müssen Urheberinnen und Urheber im digitalen Zeitalter adäquat vergütet werden. Deswegen brauchen wir eine europaweite Lösung für das digitale Urheberrecht. Aber sie muss doch auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dienen, und das fehlt in dieser Reform. Sie ist unverhältnismäßig, sie ist unausgewogen. Was wir brauchen, ist eine durchdachte Reform ohne Filter und Leistungsschutzrecht.