CDU-Abgeordneten fand sich kein Einwand gegen die Einführung eines solchen direktdemokratischen Instruments.
Warum aus der Empfehlung der Enquete-Kommission nichts geworden ist, wissen wir nicht. Fakt ist, im Gegensatz zu Baden-Württemberg, das im Jahr 2015 unter einer rot-grünen Landesregierung exakt diesen Weg gegangen ist, passierte in Rheinland-Pfalz nichts, und dies, obwohl hinsichtlich des zugrunde liegenden Sachverhalts und der mehrheitlich vorgetragenen Argumentation keine Veränderungen eingetreten sind.
Während Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, ansonsten nicht müde werden, über Demokratie zu reden und die Notwendigkeit demokratischer Beteiligung bis in die Kitas hinein zu betonen, findet sich weder in Ihrem Koalitionsvertrag noch in der bisherigen Regierungsarbeit ein Ansatz zur Umsetzung der von der Enquete-Kommission vorgeschlagenen Maßnahme. Das zeigt, wie wenig ernst es Ihnen mit der Mitbestimmung der Bürger als des eigentlichen Souveräns unseres Staates in Wirklichkeit ist.
Für uns dagegen ist direkte Demokratie mehr als ein Lippenbekenntnis. Wir haben bereits im Jahr 2016 einen Gesetzentwurf zur Stärkung direkter Bürgerbeteiligung im Landtag eingebracht, und auch heute greifen wir den Wunsch der Menschen in diesem Land auf, gerade in wichtigen kommunalen Angelegenheiten mehr mitentscheiden zu können. Dabei haben wir uns mit Blick auf die Komplexität eines Bauleitverfahrens und das erforderliche Ja-NeinVotum bewusst darauf beschränkt, nur dessen Einleitung einem Bürgerentscheid zugänglich zu machen.
Sowohl das von uns angeforderte Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes als auch die Gesetzeslage in anderen Bundesländern zeigen, dass dem rechtlich nichts entgegensteht, und sachlich spricht eigentlich alles dafür.
Repräsentative und direkte Demokratie sind keine Widersprüche, sondern ergänzen sich optimal. Die Bürger nach einem ausführlichen Diskussionsprozess in einer sie unmittelbar betreffenden Frage auch selbst entscheiden zu lassen, stärkt das Verantwortungsgefühl, das demokratische Bewusstsein und den Zusammenhalt vor Ort. Es wirkt der weitverbreiteten Politikverdrossenheit entgegen und erhöht die Bereitschaft, sich kommunalpolitisch zu engagieren, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gremien.
Der Politikwissenschaftler Volker Mittendorf von der Universität Wuppertal bezeichnete in der Anhörung der EnqueteKommission die Bürgerbegehren sogar als eine „Schule der Demokratie“, weil sie sich oft aus Personen rekutierten, die vorher nicht politisch aktiv gewesen seien. Zudem führen sie zu einer deutlich größeren Akzeptanz von getroffenen Beschlüssen und damit auch eher zu einer Befriedung der gerade in Baufragen nicht selten zerstrittenen Bürgerschaft.
Eine Behinderung der kommunalpolitischen Arbeit, wie Kritiker sie befürchten, dürfte dagegen nach den Erfahrungen anderer Bundesländer nicht zu erwarten sein. So ist in Baden-Württemberg die Anzahl der Bürgerentscheide
nach Einführung der Neuregelung nur geringfügig gestiegen, und aufgrund der zeitlichen Befristung für ein Bürgerbegehren herrscht frühzeitig Planungs- und Rechtssicherheit.
Meine Damen und Herren, der von uns vorgelegte Gesetzentwurf bedeutet einen Meilenstein für mehr Bürgerbeteiligung und eine Stärkung der Demokratie.
Vertrauen wir dem Urteilsvermögen und der Sachkompetenz unserer Bürger! Ermöglichen wir ihnen in einer so wichtigen Frage wie dem Grundsatzbeschluss für eine Bauleitplanung das letzte Wort! Ich bin sicher, sie werden unser Vertrauen nicht enttäuschen.
Für die Koalitionsfraktionen erteile ich der Abgeordneten Pia Schellhammer vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Heute Morgen haben wir noch im Rahmen der Aktuellen Debatte seitens der AfD gehört, dass, wenn man auf Bürgerprotest hört und ihn hier beantragt, man damit der parlamentarischen Debatte ihre Wirkung entzieht. Jetzt hören wir zu dem vorgestellten Gesetzentwurf, dass Bürgerbeteiligung ganz wichtig ist.
Wahrscheinlich ist es nicht wichtig, wenn wir auf junge Menschen hören, die für Klimaschutz demonstrieren, aber Ihre mangelnde Logik müssen Sie selbst erklären.
Die AfD beantragt eine Öffnung der Bauleitplanung für Bürgerbegehren und -entscheide. Die Enquete-Kommission „Bürgerbeteiligung“ hat in der 16. Wahlperiode von 2011 bis 2014 sehr intensiv umfangreiche Aspekte der Bürgerbeteiligung und direkten Demokratie untersucht, umfangreiche Anhörungen durchgeführt und dann einen sehr umfangreichen Forderungskatalog verabschiedet.
Nach eingehender Beratung hat sich die EnqueteKommission auch mit Mehrheit in ihrem Abschlussbericht zu der Frage der Bauleitplanung positioniert. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin:
„Konkret empfiehlt die Enquete-Kommission die Ausweitung der Beteiligungsmöglichkeiten im Rahmen von Fragen der Bauleitplanung (...), die lautet: die Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen mit Ausnahme der Entscheidung über die Einleitung des Bauleitplanverfahrens.“
Darüber hinaus hat die Enquete-Kommission eine Reihe von weiteren Empfehlungen ausgesprochen, sowohl für
die kommunale Ebene als auch zur Frage der politischen Bildung, für die Landesebene und auch allgemein, was für mehr Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie notwendig ist.
Sie haben heute – das haben wir auch schon in den anderen Gesetzgebungsverfahren gehört – erneut behauptet – das sind einfach Fake News –, es sei seitdem nichts passiert.
Ich kann es gern noch einmal wiederholen, und das werde ich auch in jeder Debatte tun: Die Enquete-Kommission hat auf Grundlage des Abschlussberichts drei umfangreiche Gesetzgebungsverfahren ins Rollen gebracht, noch innerhalb derselben Legislaturperiode.
Auf Grundlage des Abschlussberichts der EnqueteKommission wurde auch im Hinblick auf die Gemeindeund Landkreisordnung eine umfangreiche Reform vorgenommen. Diese Reform hat Rechtskraft zum 1. Juli 2016 erlangt: das Landesgesetz zur Verbesserung der direktdemokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene. Darin wurde die Gemeinde- und Landkreisordnung geändert, der Einwohnerantrag wurde gestärkt. Ab 14 Jahren können nun alle Einwohnerinnen und Einwohner unabhängig von ihrem Stimmrecht bei Wahlen ein Thema auf die Tagesordnung des Kommunalen Rats setzen.
Wir haben die Bürgerbegehren und damit auch die Bürgerentscheide gestärkt und die Hürden deutlich gesenkt. Ursprünglich waren es 10 % der Unterschriften, die erforderlich waren, seit Juli 2016 sind in Gemeinden mit bis zu 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern nur noch 9 % erforderlich. Diese Staffelung der Einwohnerzahlen zieht sich durch bis zu 5 % in Gemeinden mit über 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern.
Wir haben die Gemeindeordnung also umfangreich geändert, um die direkte Demokratie auf kommunaler Ebene zu stärken. Dass Sie sich ernsthaft hier hinstellen und sagen, es sei nichts passiert, ist wirklich absurd, und es ist einfach nicht richtig.
Diese umfangreiche Reform – ich habe es schon gesagt – hat der Gesetzgeber in der letzten Legislaturperiode erlassen, und sie ist noch nicht einmal drei Jahre alt. Im Sommer werden es dann drei Jahre. Wir haben die direkte Demokratie auf kommunaler Ebene gestärkt, und es sind seitdem auch mehr Bürgerentscheide entstanden.
Wir müssen uns intensiv anschauen, wie sich diese Reform ausgewirkt hat und ob die neu geschaffenen Instrumente tatsächlich mehr genutzt werden.
Gleichzeitig – auch darauf haben Sie abgehoben – hat auch in Baden-Württemberg eine umfangreiche Reform der Gemeindeordnung stattgefunden. Dort hat man sich entschieden, auch die Fragen der Bauleitplanung zu öffnen, und seitdem werden dort sehr interessante Erfah
rungen gemacht. Zum einen werden sie kritisiert, zum anderen kann es zu einer Belebung der Debatte vor Ort beitragen, dass die Bürgerentscheide auch in diesem Bereich möglich sind. Das können wir uns in aller Ruhe anschauen.
Erlauben Sie mir aber eine grundsätzliche Ausführung; denn ich glaube, das ist Ihnen nicht gewärtig: Was ist der Sinn und Zweck einer Enquete-Kommission? Das Besondere einer Enquete-Kommission ist, dass wir abseits vom politischen Alltagsgeschäft Dinge grundsätzlich erörtern können und dann, nach einer gewissen Beratungszeit, einen ganzen Maßnahmenkatalog empfehlen. Das ist auch das Gute, denn wir können nicht nur kurzfristige Ziele, sondern auch mittel- und langfristige Ziele darin verabschieden.
Aber der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, diese tatsächlich umzusetzen. Deswegen ist es auch eher eine Besonderheit, dass sich innerhalb derselben Legislaturperiode, in der eine Enquete-Kommission ihren Abschlussbericht vorgelegt hat, drei Gesetzgebungsmaßnahmen davon abgeleitet haben. Uns allen Ernstes zu unterstellen, wir würden die Bürgerbeteiligung und die direkte Demokratie und Transparenz und Informationsfreiheit nicht ernst nehmen, ist absolut falsch, und das können Sie auch wirklich nicht behaupten, weil die Fakten einfach andere sind.
Ich komme zum Schluss. Wir haben eine Reform durchgeführt. Die Ergebnisse, wie diese Reform tatsächlich wirkt, müssen wir abwarten. Wir sehen hier aber keinen punktuellen Änderungsbedarf.
Meine verehrten Kollegen! Frau Schellhammer, es ist schon eine bemerkenswerte argumentative Verrenkung, die Sie hier vollziehen, um davon abzulenken, dass Sie wahrscheinlich einem Vorschlag widersprechen werden, den Sie vor wenigen Jahren in der Enquete-Kommission nicht nur mit erarbeitet, sondern damals ausdrücklich als Empfehlung beschlossen haben.
Die Argumentation, die damals in der EnqueteKommission vertreten wurde – übrigens auch von den Anzuhörenden und anderen Experten –, war in dieser Frage eindeutig. Es ist eben keine Petitesse, es ist keine Nebensächlichkeit, sondern eine Sache, die die Bürger in den Kommunen sehr stark beschäftigt.
setzen können, hätten Sie hier und heute Gelegenheit, dem zuzustimmen. Aber ich habe keine ernsthaften Gegenargumente gehört, und ich glaube auch nicht, dass Sie ernsthaft bereit sind, sich damit auseinanderzusetzen.
Ich fürchte eher, es ist deshalb, weil die AfD diesen Antrag einbringt. Wir haben wieder einmal die Situation, egal, was wir machen, Sie sind prinzipiell dagegen, und das ist das, was die Bürger verärgert, weil es keine sachorientierte Politik mehr ist.
Wissen Sie, Frau Schellhammer, ich habe mir schon manchmal überlegt, was wohl passieren würde, wenn wir beantragen würden, der Landtag möge feststellen, dass zwei mal zwei vier ist.
(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist nicht Sache des Landtags, würden wir sagen!)
Ich vermute, Sie würden sich hier vorne hinstellen und mit großer moralischer Empörung darauf verweisen, dass wir damit zurückwollten in die 50er-Jahre oder noch weiter in die ganz schlimme Zeit. Sie würden dann feststellen, dass die AfD eine einfache Antwort auf eine komplexe Frage geben würde.