Protokoll der Sitzung vom 12.06.2019

Was der Körperschaftsstatus anzeigt, ist vor allem das Verhältnis des Staats zu der jeweiligen Gemeinschaft, die

sich zusammengefunden hat. Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist eine Partnerin des Staats und entsprechend stärker beteiligt an demokratischen Prozessen und Gremien. Sie tritt als Dienstherrin in Erscheinung und kann Steuern erheben.

Wenn es um Religionsgemeinschaften geht, muss zuerst festgestellt werden, dass sie auch dann eine Religionsgemeinschaft sind, wenn sie keine Körperschaft des öffentlichen Rechts sind. Das regelt das Grundgesetz durch die Religionsfreiheit. Ich erwähne das, weil der Körperschaftsstatus immer wieder mit dem Begriff „anerkannte Religionsgemeinschaft“ gleichgesetzt wird. Das gibt es so aber nicht. Religionsgemeinschaften definieren sich in erster Linie selbst.

Im Hinblick auf einen Staatsvertrag mit den islamischen Religionsgemeinschaften, den wir an dieser Stelle bereits diskutiert haben, liegt aber auch beim Körperschaftsstatus der Kern des Problems in der Organisation der Gemeinschaften. Bis heute ist es so, dass die verschiedenen Verbände nur einen Teil der Gläubigen repräsentieren. Es gelingt ihnen nicht, sich unter einem größeren Dach zusammenzufinden. Deswegen möchte ich meine Redezeit dazu verwenden, ein paar Sätze dazu zu sagen.

Es wird häufig die Forderung – oder besser, Bedingung – für eine engere Zusammenarbeit gestellt, sich unter einer Dachorganisation wiederzufinden. Es scheint, als würden wir unser System in der Bundesrepublik Deutschland, das – das muss man erwähnen – über viele Jahrhunderte zwischen Kirche und Staat ausgehandelt wurde, einfach über die islamischen Religionsgemeinschaften überstülpen wollen. Das stimmt, und es stimmt aber auch nicht.

Wie sich Musliminnen und Muslime in Deutschland organisieren, ist ihre Religionsfreiheit. Wie ich eben erwähnt habe, ist die Religionsgemeinschaft ein Akt der Religionsfreiheit. Wie dann aber eine Partnerschaft und Kooperation mit dem Staat möglich gemacht werden kann, entscheiden Gesetze, die in den demokratisch gewählten Parlamenten wie dem rheinland-pfälzischen Landtag erlassen werden.

Auch für das Christentum war es ein langer Weg, sich unter Dachorganisationen zusammenzufinden. Einige von Ihnen waren bei den Kirchenunionsfeierlichkeiten dabei. Es waren vor allem pragmatische Entscheidungen, die das beförderten. So ist es heute möglich, die Kirchen in vielen Funktionen als subsidiäre Partner zu erleben. Es ist also auch die Entscheidung der islamischen Religionsgemeinschaften, einen gemeinsamen Weg zu finden und eine neue, gewichtigere Rolle in unserer Zivilgesellschaft einzunehmen.

Ich möchte deshalb die Kräfte in den muslimischen Gemeinschaften stärken, die versuchen, einen solchen Weg zu gehen. Die gibt es, und denen möchte ich den Rücken stärken. Bis dahin werden wir unsere Aufgabe wahrnehmen – das ist zumindest mein Wunsch –, indem wir weiter Angebote formulieren, im Gespräch bleiben und Gesetze erlassen, wie jetzt dieses Körperschaftsstatusgesetz, das Klarheit zwischen uns schaffen kann.

(Beifall der SPD, der FDP, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Michael Wagner, CDU)

Für die AfD-Fraktion spricht die Abgeordnete Nieland.

Frau Präsidentin, geehrte Kollegen! Das vorliegende Landesgesetz fasst eine Reihe verschiedener Themenbereiche zusammen. Die meiste Beachtung verdienen dabei zweifellos die Regelungen über Verleihung und Entzug der Körperschaftsrechte an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Dazu haben wir bereits in der Ersten Lesung die katastrophale Informationspolitik der Landesregierung im Allgemeinen

(Abg. Helga Lerch, FDP: Was?)

und des Ministers für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur im Besonderen kritisiert.

(Abg. Helga Lerch, FDP: Wieso denn das?)

Daran hat sich bis heute leider wenig geändert; denn auch in der letzten Sitzung des federführenden Ausschusses wurden mehrere wichtige Fragen nicht zufriedenstellend beantwortet.

(Abg. Helga Lerch, FDP: Sie waren gar nicht dabei! – Heiterkeit des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

Selbst auf ausdrücklichen Wunsch meiner Fraktion hin zeigte sich Staatsminister Professor Wolf nicht gewillt, ich zitiere: tiefer in die Debatte einzusteigen. –

(Abg. Helga Lerch, FDP: Ha, ha, ha!)

Die von uns geforderte Anhörung, die in NordrheinWestfalen sehr fruchtbar verlief, wurde einhellig abgelehnt.

(Abg. Helga Lerch, FDP: So ist es!)

Anregungen hinsichtlich einer Evaluationsklausel wurden nicht wirklich aufgegriffen. Offensichtlich soll dieses Gesetz innerhalb weniger Wochen noch vor der Sommerpause beschlossen werden, anstatt sich für ein so wichtiges Gesetz die erforderliche längere Beratungszeit zu nehmen.

(Beifall der AfD)

Wenn wir das Vorhaben dennoch nicht ablehnen, so tun wir das aus folgenden grundsätzlichen Erwägungen heraus: Die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ist landesrechtlich bisher lediglich für die jüdischen Kultusgemeinden geregelt. Hinsichtlich aller übrigen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften erfolgt die Verleihung der Körperschaftsrechte unter unmittelbarer Anwendung des Artikels 140 des Grundgesetzes, der auf die Vorschriften der Weimarer Reichsverfassung verweist.

Vor diesem Hintergrund spricht vieles dafür, wie es im Gesetzentwurf heißt, ein „präzises und differenziertes Regelwerk“ aufzustellen, um damit für beide Seiten Rechtssicherheit zu schaffen und die Ausübung von Religions- und Weltanschauungsfreiheit zu stärken.

Dabei ist es für uns als Rechtsstaatspartei von grundlegender Bedeutung, zu verhindern, dass verfassungsfeindliche Religionsgemeinschaften den Körperschaftsstatus erlangen könnten.

(Beifall der AfD)

Daher begrüßen wir es, dass im Gesetz die Rechtstreue ausdrücklich als Verleihungsvoraussetzung verankert ist. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist demnach eine Religionsgemeinschaft, die den Status der Körperschaft erlangt, in ihrem zukünftigen Verhalten an die in Artikel 79 Abs. 3 Grundgesetz umschriebenen Verfassungsprinzipien gebunden. Darunter fallen die Artikel 1 bis 20 des Grundgesetzes, in denen unter anderem festgeschrieben sind: die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Unverletzlichkeit der Freiheit des Glaubens, der Freiheit des Gewissens und der Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und die Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Es wird außerdem konkret die Achtung des freiheitlichen Staatskirchenrechts verlangt. Damit verbunden sind die Anerkennung der Religionsfreiheit, der weltanschaulichen Neutralität des Staats und der Gleichwertigkeit der Religionen und Bekenntnisse. Außerdem werden im Gesetz zu Recht neben der Gewähr von Dauer, Bestimmungen über den Erwerb und den Verlust der Mitgliedschaft eingefordert. Nicht zuletzt ist es für uns von außerordentlicher Wichtigkeit, dass auch die Möglichkeit eines Entzugs der Körperschaftsrechte Eingang in das Gesetz gefunden hat.

Insgesamt trägt die AfD-Fraktion die Zielrichtung des Gesetzentwurfs mit. Im Hinblick auf die abgelehnte Anhörung und die unzureichende Klärung der im Ausschuss gestellten Fragen werden wir der Vorlage jedoch nicht zustimmen, sondern uns enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die Fraktion der FDP spricht die Abgeordnete Helga Lerch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Nieland, Sie waren in der betreffenden Ausschusssitzung nicht anwesend.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Sie ist aber gut informiert! – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das habe ich in der Schule auch immer gesagt! – Zurufe der Abg. Uwe Junge und Dr. Jan Bollinger, AfD)

Herr Schmidt war anwesend, aber ich frage mich natürlich: Was haben Sie weitergegeben? Ich hatte den Eindruck, dass die Informationen des Ministers sehr ausführlich waren und in die Tiefe gingen. Aber so ist es nun einmal, wenn man nicht da war, dann ist das etwas schwieriger.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Andere Wahrnehmung! – Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD)

Ich möchte zum eigentlichen Gesetzentwurf kommen. Ich zitiere aus der Gesetzesbegründung, Punkt A, Seite 11: Er ist „weder von großer Wirkungsbreite noch mit erheblichen Auswirkungen verbunden“. Da relativiert sich die Frage nach einer Anhörung.

Der Gesetzentwurf schließt aber eine Rechtslücke. Worin besteht die besagte Lücke? Das neue Körperschaftsstatusgesetz regelt Kriterien hinsichtlich der Verleihung von Körperschaftsrechten an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Ebenso werden der Verlust und der Entzug von Körperschaftsrechten einer rechtlichen Regelung zugeführt.

Manch einer wird sich die Frage stellen, wieso die Beendigung einer Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft eine staatliche Aufgabe ist. Stellen wir uns daher diesen Vorgang einmal praxisnah vor. Jemand entscheidet, dass er aus der Kirche austreten will. Ein Schreiben an den örtlichen Pfarrer oder den Kirchenvorstand ist dabei nicht rechtskonform. Da mit dem Austritt auch die gesetzlich festgelegte Kirchensteuerpflicht entfällt, muss der Staat die Abläufe und Rechtsfolgen des Austritts bestimmen. Bisher waren die Standesämter bei der Entgegennahme der Austrittserklärung zuständig. Jetzt kann die Verwaltung selbst festlegen, wie die internen Zuständigkeitsregelungen ablaufen.

Für Rheinland-Pfälzer, die im Ausland leben und einen Austritt anstreben, vereinfacht sich die Situation erheblich. Bestand bisher für diesen Personenkreis eine Regelungslücke, so genügt jetzt eine Erklärung der Verwaltung gegenüber, in deren Zuständigkeitsbereich der letzte Wohnsitz fällt.

Meine Damen und Herren, auch wenn der Gesetzentwurf scheinbar von untergeordneter Bedeutung ist, regelt das Gesetz nunmehr unmissverständlich, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu erhalten. Eine Satzung muss die Organisation strukturieren, und das Kriterium der Rechtstreue – das kann man nicht oft genug wiederholen – muss erfüllt sein.

Das heißt im Klartext, nur im Einklang mit unserer Verfassung können die Rechte verliehen werden. Die unveränderlichen Verfassungsprinzipien des Artikels 79 Abs. 3 Grundgesetz sind verpflichtend. Dabei spielt das tatsächliche

Verhalten der einzelnen Mitglieder die entscheidende Rolle, auch hinsichtlich der Aberkennung der Rechte. Ebenso muss die Religionsgemeinschaft ihren finanziellen Verpflichtungen auf Dauer nachkommen.

Zum Schluss noch einige Bemerkungen zum Ausschuss. Es gab im Ausschuss eine für mich doch überraschend breite Diskussion zum vorliegenden Gesetzentwurf, ja sogar – wir haben es gehört – zu dem einsamen Versuch, eine Anhörung zu erwirken. Deshalb möchte ich aus gegebenem Anlass noch einmal klarstellen, dass das Körperschaftsstatusgesetz kein Ersatz für die Verträge ist, die mit den islamischen Verbänden getroffen wurden oder werden.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP und bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Hartenfels.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Da wir uns schon in der zweiten Lesung befinden und meine Vorrednerinnen schon ausführlich auf die inhaltlichen Auswirkungen eingegangen sind, nur noch einige wenige, zwei, drei pointierte Sätze zu diesem Gesetzentwurf.

Natürlich ist uns das Grundrecht auf freie Religionsausübung sehr wichtig. Insofern ist es gut, dass auch das Land Rheinland-Pfalz sich jetzt ein Körperschaftsstatusgesetz gibt. Wir begrüßen es. Es ist ein gutes Statement für mehr Vielfalt, für mehr Pluralität und für mehr Gleichheit in unserem Land, was die Religionsgemeinschaften betrifft.

Wir haben einen umfangreichen Leitfaden zu diesem Landesgesetz, in dem noch einmal geregelt wird, nach welchen Kriterien dieser Körperschaftsstatus verliehen oder auch aberkannt wird. Das dient letztendlich der Transparenz; auch kann man verfolgen, wer jeweils diesen Status bekommt. Es ist also vor diesem Hintergrund gut, dass wir jetzt dieses Landesgesetz verabschieden.