Protokoll der Sitzung vom 13.06.2019

Was wir brauchen sind Taten, die unser Land voranbringen. Bleiben sie aus, verspielen wir die Zukunft.

Wenn die Ministerpräsidentin im April 2018 in einem Gastbeitrag der Frankfurter Rundschau schrieb „Auch für die Digitalisierung gilt: ,Gehe mit der Zeit, sonst gehst Du mit der Zeit‘“, dann trifft das nicht weniger auf Regierungspolitiker zu, die die Herausforderungen der Gegenwart verschlafen.

(Beifall der AfD)

Meine Damen und Herren, wir stimmen dem Antrag der CDU-Fraktion zu. Die vorgeschlagenen Initiativen könnten einen Beitrag zur Zukunftssicherung unserer dualen Ausbildung und zur nachhaltigen Stärkung des Wirtschaftsstandorts Rheinland-Pfalz leisten. Sie wären zumindest ein kleiner Baustein auf dem Weg zur Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung, die gerade wir in diesem Hause immer wieder eingefordert haben.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion spricht Abgeordnete Lerch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der technologische Fortschritt hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten rasant zugenommen. Industrie 4.0 und damit verbunden die Digitalisierung der Arbeitsprozesse haben deutlich an Bedeutung gewonnen. Die gesamte Arbeitswelt ist davon betroffen. Daraus resultieren Anforderungen an die berufliche Bildung; denn das digitale Wissen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ist für die Wirtschaft neben der klassischen Produktion wie Arbeit, Kapital und Boden, die in der

Vergangenheit wichtig waren, zu den zentralen Zukunftsherausforderungen geworden.

Es stellt sich also die Frage, welche Weichenstellungen die Politik vornehmen muss, um die Wirtschaft regional, national und international wettbewerbsfähig zu machen und im Bereich der digitalen Kompetenzen die heranwachsende Generation zielgerecht zu qualifizieren.

Unstrittig ist, bereits während der Ausbildungszeit müssen die entsprechenden Qualifikationen erworben werden, und auch die Angst vor den rasanten Entwicklungen muss genommen werden. Die berufsbildenden Schulen stehen vor einer großen Herausforderung, da berufsspezifisch die Anforderungen differenziert zu betrachten sind. Es gibt also keine Maßnahmen von der Stange, die für alle Berufsfelder eins zu eins umgesetzt werden können.

Die FDP-Fraktion begrüßt, dass mit der Einigung im Rahmen des DigitalPakts nun die Voraussetzungen geschaffen wurden, um flächendeckend neue Technologien einzuführen. Ferner fordert der DigitalPakt von den Schulen die Entwicklung eines schulspezifischen Konzepts, in dem alle Fächer und alle Bildungsgänge ihren Platz haben. Auch die Weiterbildung des Kollegiums muss hierin ihren Platz haben.

Dieses Konzept – ich werde nicht müde, das immer und immer wieder in Verbindung mit der Diskussion um den DigitalPakt zu betonen – ist Voraussetzung dafür, dass die Schulträger und nachfolgend die Aufsichtsbehörde grünes Licht für den weiteren technischen Ausbau geben.

Darüber hinaus begrüßen wir, dass das Land im Bereich der Anwendungsbetreuung nunmehr 6 Millionen Euro bereitstellt.

Die FDP-Fraktion registriert mit Freude, dass sich auch die Wirtschaft im Bereich der digitalen beruflichen Bildung engagiert. Ein Leuchtturmprojekt ist die David-RoentgenSchule in Neuwied, die wir mit dem Ausschuss besucht haben. Die Schule ist dualer Partner bei der Ausbildung von gewerblich-technischen Berufen und setzt Schwerpunkte im Bereich Industrie 4.0. Auch mit der Universität Koblenz gibt es einen Kooperationsvertrag, der die Etablierung und Vertiefung von Projektarbeit zum Ziel hat. Zahlreiche Partner aus der Wirtschaft unterstützen personell und materiell.

Die Landesregierung hatte sich zum Ziel gesetzt, digitale berufliche Kompetenzschulen als Multiplikatoren weiter zu fördern. Im Sinne einer Bestandsaufnahme wäre es gut, ein Raster zu entwickeln, das den jeweiligen digitalen Entwicklungsstand einer beruflichen Schule festhält. Ein Kriterienkatalog zu Fragen des Internetanschlusses, Ausstattungsfragen, bestehende Konzepte, aber auch Entwicklungspotenziale bzw. -defizite könnte Aufschluss darüber geben, wie sich der derzeitige Status quo an den einzelnen berufsbildenden Schulen gestaltet.

Am Ende möchte ich nicht versäumen, auf den Zusammenhang zwischen Fachkräfterekrutierung und guter digitaler Ausbildung hinzuweisen. So heißt es im Koalitionsantrag zu Recht – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –: „Das Thema der Digitalisierung wird aufgrund von Struk

turveränderungen auf der Ebene von Arbeitsorganisation und Qualifikationsbedarfen in allen Berufsbereichen (...) an Bedeutung gewinnen.“

Zum Schluss möchte ich noch ein bis zwei Sätze zu meinem Vorredner von der CDU sagen, der gefordert hat, an allen berufsbildenden Schulen digitale Einrichtungen zu installieren. Meine Damen und Herren, an allen berufsbildenden Schulen! Bitte rechnen Sie das durch. Bitte kalkulieren Sie auch mit ein, dass es Schulträger gibt, die im defizitären Bereich arbeiten und große Probleme haben dürften, diese Forderung eins zu eins umzusetzen.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Daniel Köbler.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorgestern war ich in Mainz im Stadion. Wir haben gesehen, dass wir zumindest bei den Männern im Fußball noch ein bisschen weiter als die Jungs aus Estland sind, auch wenn sie gut gekämpft und noch besser gefeiert haben.

Als wir aber im letzten Jahr mit dem Bildungsausschuss in Estland war, haben wir gesehen, dass es bei der Digitalisierung eher noch umgekehrt ist. Umso dankbarer bin ich für die Initiative, die von Ihnen ausgegangen ist, weil sie uns die Gelegenheit gegeben hat, sehr ausführlich mit Anhörungen und Vor-Ort-Besuchen zu schauen, wie der Stand der Dinge ist, was die Digitalisierung an unseren berufsbildenden Schulen angeht.

Ich muss sagen, ich war beeindruckt von dem, was vor Ort in dem Bereich passiert. Wir haben durchaus schon sehr gute Beispiele im Land.

Umso bedauerlich ist es, dass wir, obwohl wir uns sehr bemüht haben, nicht zu einer gemeinsamen Initiative aller Fraktionen gekommen sind. Wenn man sich die Anträge anschaut, sieht man, wir sind in ganz vielen Punkten einer Meinung. Der Unterschied ist nur, die Kolleginnen und Kollegen von der CDU wollen an fünf Berufsschulen sozusagen ein Türschild als Leuchtturm anhängen. Wir wollen digitale Kompetenzen und digitale Ausbildung über alle Berufsschulen und auch alle Ausbildungsberufe hinweg ausweiten.

Natürlich ist Industrie 4.0 ganz wesentlich bei der Frage. Aber es geht nicht nur um Industrie 4.0. Es geht auch um Handwerk 4.0. Es geht auch um Dienstleistung 4.0. Es geht auch um Landwirtschaft 4.0. Ja, es geht sogar auch um den öffentlichen Dienst 4.0. Genau das ist der Unterschied zwischen den beiden Ansätzen.

Herr Brandl, an einem Satz wird deutlich, dass Sie das mit der Digitalisierung noch nicht so ganz begriffen haben.

Ich möchte kein YouTube-Video drehen, aber ich möchte Ihnen Ihren Satz einmal vorlesen: „In Berufsfeldern, in denen das ‚Internet of Things’ zum Tragen kommt, (...) werden zunehmend Fachkräfte gebraucht.“ Das ist nicht falsch. Aber erklären Sie mir doch einmal im Zeitalter der Digitalisierung, in welchem Berufsfeld es in Zukunft keine Digitalisierung oder das Internet of Things geben wird. Das wird unser ganzes Leben umspannen und umfassen. Genau das ist der Unterschied.

Wir reden von einer gesamtgesellschaftlichen, ja vielleicht Revolution, eine neue Art zu leben, auch eine neue Art zu lernen und eine neue Art, ausgebildet zu werden. Deswegen müssen wir jetzt die Grundvoraussetzungen schaffen. In unserem Antrag steht, dass an allen Schulen das schnelle Internet ausgebaut werden soll. Es kommt darauf an, die Lehrkräfte für die Digitalisierung auszubilden, entsprechende digitale Räume zur Verfügung zu stellen und die digitale Bildung nicht nur an einigen wenigen Leuchttürmen anzubieten, sondern flächendeckend. Weiter kommt es darauf an, wie auf die gesellschaftlichen Anforderungen reagiert wird und digitale Bildung flächendeckend auch für die berufliche Ausbildung – von Grund auf digital gedacht – angeboten und dann auch gelehrt wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Zu einer Kurzintervention hat sich der Kollege Brandl gemeldet.

Lieber Herr Kollege Köbler, Sie geben mir jetzt Gelegenheit, auf zwei Punkte einzugehen, die ich noch einmal richtigstellen möchte. Das eine ist letztendlich – Frau Kollegin Brück hat das auch gesagt –, dass wir uns auf Industrieoder reine Produktionstechniken konzentrieren würden. Das war im ersten Antrag so.

Aus der Anhörung heraus haben wir diesen Punkt durchaus mitgenommen und erweitert. Ich habe mir eben den Antrag noch einmal durchgelesen. Ich sehe nicht die Einschränkung so, wie es vorher war, sondern es ist tatsächlich deutlich offener formuliert.

Ein zweiter Punkt ist mir an der Stelle wichtig. Ich möchte noch einmal auf den Punkt der Digitalisierung für alle Bereiche eingehen. Natürlich haben Sie absolut recht, Herr Köbler, es ist tatsächlich auch Kern dieses Antrags, dass wir weiterkommen müssen, und zwar nicht nur mit Leuchttürmen, sondern – genau deshalb steht dies in einem neuen Spiegelstrich auch noch einmal im Antrag – „mittelfristig“ flächendeckend. Das ist noch einmal der Punkt, zu dem Sie sich nicht bekennen. Wir sagen vielmehr, genau das muss flächendeckend passieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Landesregierung spricht Staatsministerin Hubig.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, die Diskussion hat gezeigt: wir sind uns bei dem Ziel einig, wir wollen, dass unsere berufsbildenden Schulen an der Digitalisierung teilhaben, dass sie sich stärker und schneller auf den Weg der Digitalisierung machen. Wir sind uns vielleicht nicht einig über den Weg, wobei ich die letzte Äußerung des Abgeordneten Brandl fast schon in dem Sinne verstanden habe, dass sie in die Richtung geht, in die wir auch arbeiten. Wir wollen in Rheinland-Pfalz flächendeckend die berufsbildenden Schulen digitalisieren.

Da sieht man, wie die AfD handelt. Herr Frisch war bei der Anhörung nicht dabei, ebenso Herr Brandl. Ich war übrigens auch nicht dabei. Wir beide haben uns allerdings hinterher darüber informieren lassen, was Ergebnis der Anhörung bzw. des Besuchs vor Ort war. Das haben Sie offenbar nicht getan.

Nur auf Industrie 4.0 abzustellen, so wie das die BadenWürttemberger machen und wie es ursprünglich im CDUAntrag stand, aber jetzt geändert worden ist, ist aus unserer Sicht der absolut falsche Weg. Damit macht man vielleicht einen kleinen Bereich stark, aber man lässt alle anderen berufsbildenden Schulen auf der Strecke.

Es ist auch nicht richtig, dass wir bei der Digitalisierung hinterherhinken. Natürlich sind wir bei der Digitalisierung nicht am Ziel. Ich bezweifele auch, dass wir jemals an das Ziel kommen werden. Das ist vielmehr ein stetiger Prozess, der sehr schnell gehen muss und bei dem wir sehr schnell Dinge vorantreiben müssen.

Wenn wir uns aber die Gutachten und Umfragen betrachten, dann sehen wir auch, dass Rheinland-Pfalz zusammen mit Bayern und Hessen an der Spitzengruppe bei der Digitalisierung steht. Das macht uns noch nicht zufrieden. Wir sagen nicht, das ist jetzt alles wunderbar, und es muss nicht weitergehen. Natürlich muss es weitergehen. Aber den Eindruck zu erwecken, hier sei in den letzten zehn bis zwölf Jahren nichts passiert, ist falsch. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Sie behaupten aber manche Dinge – so nehme ich an – wider besseres Wissen.

Beim Besuch des Bildungsausschusses in Neuwied haben wir gesehen – das hat uns sehr froh gemacht –, dass der Weg, den wir bei der Digitalisierung gehen wollen und bei den berufsbildenden Schulen schon gehen, richtig ist. Es bringt nichts, einige wenige Leuchttürme hochzuziehen. In Baden-Württemberg sind es 16 von insgesamt 531 berufsbildenden Schulen. Wir halten es für wichtig, dass wir überall in Rheinland-Pfalz gut aufgestellte Schulen für ihre jeweiligen Schwerpunkte haben. Dazu muss es auch heißen, aus der Praxis für die Praxis.

Wir brauchen eine Vernetzung unter den Schulen. Wir brauchen eine Konsultation der Schulen. Genau das ist der Weg, den wir gehen.

Wenn man sich die David-Roentgen-Schule ansieht, so

hat sie eine Produktionsanlage nach den Industrie-4.0Kriterien, sie hat einen Industrieroboter, eine CNC-Fräse, Steuer- und Lesegeräte, Sensoren. Alles zusammen bildet eine kompakte Produktionsanlage. Da wird programmiert, es wird gesteuert, aber – das ist der Unterschied zu BadenWürttemberg, weshalb wir uns Baden-Württemberg nicht als Vorbild nehmen – es geht noch ein Stück weiter. Die Baden-Württemberger stoppen an diesem Punkt.

In der David-Roentgen-Schule verändern die Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrkräften zusammen, je nach dem, was sie gerade in der Ausbildung lernen, die Anlagen entsprechend technologisch und technisch. Sie passen sie sozusagen so genau an, wie sie das für ihre betrieblichen Ausbildungsrealitäten brauchen. Das ist Teil des Lernprozesses. Das ist gut so.

Die Arbeitswelt 4.0 beschränkt sich aber nicht nur auf die Industrie 4.0, sondern sie umfasst viel mehr. Sie umfasst Handwerk, Wirtschaft, Verwaltung, Gesundheit und Pflege. All diese Bereiche müssen und wollen wir mit bedienen. Da ist das, was Frau Abgeordnete Lerch gefordert hat, dass wir einen Kriterienkatalog erstellen müssen, genau das, was wir schon getan haben. Wir haben eine qualitativ und quantitativ ganz umfassende Umfrage gemacht. Das Bildungsministerium hat dies bei allen berufsbildenden Schulen in Rheinland-Pfalz bezogen auf folgende Fragen gemacht: Wie ist die Anbindung an das Internet? Wie ist die W-LAN Ausleuchtung? Welche Besonderheiten gibt es im Bereich der IT? Gibt es spezielle Arbeitsprogramme, spezielle Software, die das Lehren und Lernen erleichtern, und wie geht man mit dem tagtäglichen Unterricht unter digitalen Gesichtspunkten um?

Wir haben eine große umfassende Umfrage gemacht. Wir haben ganz viele Ergebnisse bekommen. Die Umfrage hat uns in einem Punkt bestätigt: Wir haben schon viele Leuchtturmschulen, die in ihrer Eigenheit unterschiedlich sind und ganz unterschiedliche Bereiche bedienen, im Bereich des Handwerks, aber auch im Bereich der Wirtschaft. Diese Leuchtturmschulen sollen beispielhaft und vor allem beratend und konsultierend für die anderen berufsbildenden Schulen sein. Hier spannen wir ein dichtes Netz unter den Schulen, damit sie sich gegenseitig beraten, beeinflussen und sozusagen unterstützen können.