Protokoll der Sitzung vom 13.06.2019

(Beifall der SPD und der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!)

Nun erteile ich das Wort dem Abgeordneten Junge für die Fraktion der AfD.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns einig, immer mehr Kinder können nicht schwimmen. Dieser Mangel muss abgestellt werden. Generation Nichtschwimmer, so nannte ich kürzlich die Jungen und Mädchen, die in unserem Land aufwachsen und eben nicht schwimmen können. Immer mehr Erwachsene im Übrigen können auch nicht mehr schwimmen und dann natürlich auch ihren Kindern das Schwimmen nicht mehr beibringen.

Schwimmen lernt man – das ist Fakt – nicht auf der Wasserrutsche oder im Wellenbad, sondern dafür brauchen wir das klassische Schwimmbad mit einer 25- oder 50-MeterBahn. Davon finden sich aktuell in Rheinland-Pfalz 250, die für einen regelmäßigen und schulmäßigen Schwimmunterricht überhaupt geeignet sind. Etwa 140 davon – Herr Herber, ich fand es schade, dass Sie Ihre eigene Große Anfrage nicht mehr durchforstet haben, ich mache das jetzt einmal –

(Heiterkeit des Abg. Marco Weber, FDP)

sind Frei- oder Naturbäder, also solche, die nur im Sommer genutzt werden können. Lediglich die verbleibenden etwas mehr als 110 Hallen- und Kombibäder bieten die Möglichkeit zur ganzjährigen Ausbildung. Nur 37 davon sind als Schulbäder nutzbar,

(Zuruf des Abg. Dirk Herber, CDU – Abg. Jens Guth, SPD: Lesestunde!)

also 37 von fast 1.600 Schulen können eine Erstausbildung vor Ort durchführen.

Seit dem Jahr 2000 hat Rheinland-Pfalz etwa 30 Schwimmbäder verloren – Sie sagen 40, ich habe 30 herausgelesen –, die einen witterungsunabhängigen Unterricht überhaupt erlauben. Lediglich fünf dieser Bäder wurden bzw. werden saniert oder durch Neubauten ersetzt.

Hauptgründe für die Schließungen der Bäder, insbesondere für immerhin 14 Schul- und Lehrbecken, waren Sanierungsstau und die entsprechenden Kosten, also mangelnde Bereitstellung von Haushaltsmitteln. Allein die Stadt Worms hat drei Schwimmbäder geschlossen.

(Abg. Jens Guth, SPD: Wir haben genug Wasserflächen! Keine Sorge! Wir haben auch genug Schwimmkurse!)

Jetzt kommen Sie ins Schwimmen.

Von den in Rheinland-Pfalz in nächster Zukunft geplanten acht Bäderneubauten sind sechs Erstbauten, nur zwei sind wirklich echte Neubauten.

Diese permanente Ausdünnung der Infrastruktur an für den Schwimmunterricht geeigneten Bädern bleibt natürlich nicht ohne Folgen. Von etwa 1.600 Schulen in RheinlandPfalz benötigen knapp 25 % eine Fahrzeit von bis zu

30 Minuten bis zum nächsten lehrtauglichen Schwimmbad, nochmals etwa 16 % sogar bis zu 45 Minuten. Das heißt, für eine Schwimmstunde braucht man entsprechende Organisationszeit hin und zurück, Umziehen usw. Wir kennen das, da sind schnell mehr als zwei Zeitstunden vergangen.

Es ist also naheliegend, dass sich in diesen Zahlen auch die etwa 500 Schulen wiederfinden, an denen vergangenes Schuljahr überhaupt kein Schwimmunterricht stattgefunden hat. Das ist der eigentliche Skandal, meine Damen und Herren. Allerdings – so erschreckend diese Zahlen und Fakten sein mögen – zeigen sie nicht das ganze Bild unserer Nichtschwimmersituation, so will ich es einmal nennen; denn für die noch vorhandenen Schwimmbäder, die es zur Ausbildung dringend braucht, benötigt man auch qualifiziertes Personal – ich will das einmal miteinander verbinden – für Ausbildung, Aufsicht und Betrieb. Dazu gehören neben den Fachkräften für Bäderbetriebe, also die klassischen Bademeister, auch das Aufsichtspersonal, die Rettungsschwimmer.

Meine Damen und Herren, damit spreche ich das eigentliche Dilemma an, auf das wir unweigerlich durch die verfehlte Bäderpolitik der vergangenen Jahre hinsteuern. Weniger Lehrbäder bedeuten weniger ausgebildete Schwimmer, weniger ausgebildete Schwimmer bedeuten weniger Rettungsschwimmer und Bademeister, die sollten nämlich schwimmen können. Weniger Fachpersonal führt zur Unterbesetzung und letzten Endes auch zur Schließung der noch verfügbaren Bäder, wie jetzt in Baden-Württemberg passiert.

Wir befinden uns also zunehmend in einer Negativspirale der Nichtschwimmerförderung, so will ich es einmal ausdrücken.

(Beifall der AfD)

Wir sehen hier ein trauriges Beispiel für den permanenten Zerfall unserer Ausbildungskultur insgesamt und nehmen anscheinend auch den Wassertod von immer mehr Menschen billigend in Kauf; denn diese Rate steigt auch unweigerlich.

(Abg. Michael Hüttner, SPD: Aber nicht in den Bädern, sondern in den freien Gewässern!)

Lassen Sie mich noch einen Randaspekt ansprechen, weil er mir in diesem Zusammenhang wichtig ist. Die Aussetzung der Wehrpflicht hat sich auch in diesem Bereich ausgesprochen negativ ausgewirkt;

(Abg. Joachim Paul, AfD: Genauso ist es!)

denn die Wehrpflicht hatte durch die Forderung nach Ablegung des Deutschen Sportabzeichens und des Rettungsschwimmerabzeichens – ich habe alle machen müssen – das Fachpersonal hervorgebracht, das heute in den ehrenamtlichen Ausbildungskulturen und -strukturen fehlt.

(Zuruf des Abg. Steven Wink, FDP)

Legen sie in unseren Schulen noch besonderen Wert auf

den Erwerb des Schulsportabzeichens – ich weiß es nicht – oder des Schwimmabzeichens in Bronze, Silber und Gold? Auch hier zeichnet sich offensichtlich ein Werteverfall ab.

Meine Damen und Herren, die Erosion unserer Infrastruktur geht einher mit der fachlichen Verödung und ist insgesamt auf der schiefen Ebene.

Die Zahl der Schwimmer in allen Altersklassen und die klassischen Schwimmbäder nehmen ab. Der Trend hin zu Spaß- und Planschbädern nimmt zu. Höchst bedenklich ist auch die Tatsache, dass die Frage, wie viele Schwimmbäder in absehbarer Zeit von einer Sanierung oder gar Schließung betroffen sein könnten, von der Landesregierung nicht beantwortet werden konnte.

Das erinnert mich fatal an dieselbe Ahnungslosigkeit im Zusammenhang mit der Brückensanierung. Wir erinnern uns.

Meine Damen und Herren, wenn wir nicht in die Zukunft unserer Lehrbäder und Ausbilder investieren, ziehen wir uns durch staatliches Versagen – da ist es mir völlig egal, ob das Land oder die Kommune zuständig ist, das Ergebnis ist entscheidend – eine Generation Nichtschwimmer heran und fördern damit tragische Wasserunfälle von Nichtschwimmern und Schlechtschwimmern.

Wir fordern daher ein klares Bekenntnis und eine Förderung der klassischen Schwimmausbildung an unseren Schulen, die konsequente Sanierung unserer Lehrbäderinfrastruktur sowie die Förderung von Rettungsschwimmern und Bademeistern.

Herzlichen Dank.

(Beifall der AfD)

Nächste Rednerin ist Abgeordnete Becker für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, auch mich haben die Worte von Achim Haag, dem Präsidenten der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft, in der Freitagsausgabe der Rhein-Zeitung aufhorchen lassen. Bäder kosten Geld, und Ertrinken kostet das Leben, sagt sein Kollege Marco Vogt aus Rheinland-Pfalz.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zu Beginn sagen, in der Debatte, die wir bisher geführt haben, habe ich ganz oft das Wort Schuld gehört: schuld ist der, schuld ist der, schuld ist der. Ich bin eher der Meinung, lassen Sie uns doch von gemeinsamer Verantwortung reden. Ja, verantwortlich sind Eltern, verantwortlich sind Schulen, verantwortlich sind Kommunen, verantwortlich ist das Land – alle sind verantwortlich, dass unsere Kinder schwimmen lernen.

(Beifall der FDP und bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist richtig, die Große Anfrage hat es gezeigt, vor 20 Jahren gab es in der Bundesrepublik noch knapp 7.800 Schwimmbäder. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 6.400 Schwimmbäder. Das ist ein drastischer Rückgang, den wir alle zur Kenntnis nehmen müssen. Die Tatsache, dass vermehrt Schwimmbäder schließen, ist aber kein spezifisch rheinland-pfälzisches Problem. Da muss ich Ihnen leider widersprechen.

(Abg. Dirk Herber, CDU: Aber alle anderen Länder machen halt was!)

Betrachten wir die Antworten der Landesregierung auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion, führen die Kommunen – das ist noch einmal klarzustellen –, in deren Zuständigkeit der Schwimmbadbau steht, in einem Großteil der Fälle für die Schließung von den insgesamt 40 Schwimmbädern wirtschaftliche Gründe oder zu hohe Sanierungskosten an.

Wie so oft in der politischen Debatte geht es also wieder um die Finanzierung, die das Bädersterben stoppen könnte. Auch dazu findet Marco Vogt in der Rhein-Zeitung klare Worte: Rheinland-Pfalz allein könne das nicht schaffen, und eine einzelne Kommune erst recht nicht. Er sagt, es bedürfe gemeinsamer Anstrengungen von Bund, Ländern und Gemeinden.

Das Land Rheinland-Pfalz leistet bereits seinen Beitrag und unterstützt die Kommunen finanziell in erheblichem Umfang. Es wird weiter seinen Beitrag dazu leisten, die Akteurinnen und Akteure vor Ort zu vernetzen und das Schwimmen auch im Rahmen von Projektförderung beispielsweise für die DLRG zu fördern.

Es wird weiter darauf hinwirken, dass mehr und mehr Lehrerinnen und Lehrer die Unterrichtserlaubnis für das Schwimmen erhalten. Meine Damen und Herren, zudem ist es doch ein gutes Signal, dass das Parlament mit dem laufenden Doppelhaushalt den Weg frei gemacht hat, um zusätzliche Zuweisungen aus Landesmitteln zum Bau und zur Sanierung von Schwimmbädern tätigen zu können.

Im Vergleich zum Jahr 2018 wächst der Titel um 1,6 Millionen Euro auf 3,5 Millionen Euro im Jahr 2019 und um weitere 1,8 Millionen Euro auf 5,3 Millionen Euro im Jahr 2020. Ich denke, das ist eine deutliche Steigerung.

Es ist eine deutliche Steigerung der Mittel und kommt den Schwimmbädern vor Ort sowohl beim Neubau als auch bei der Sanierung zugute. Aus den Antworten der Landesregierung wird deutlich, einige Kommunen gehen diese Sanierung an, meist sogar durch einen komplett neuen Bau.

Ich will es einmal aufzählen: So entstehen in den Landkreisen Ahrweiler, Altenkirchen, Bad Kreuznach, BernkastelWittlich und Neuwied neue Bäder, die den aktuellen Bestand ersetzen. Im Rhein-Hunsrück-Kreis kommen sogar die Planungen für das Frei- und Hallenbad voran. Die Stadt Koblenz befand sich bei Beantwortung der Anfrage in der Ausschreibungsphase für das neue Hallenbad im Moselbogen. In Landau wird von Vereinsseite ein neues Hallenbad mit Lehrschwimmbecken geplant. Ich denke, das sind alles durchaus positive Zeichen.

Auch diese positiven Beispiele müssen in der Debatte genannt werden, denke ich. Die Kommunen in RheinlandPfalz sind handlungsfähig, wenn es um die Schwimmbadlandschaft geht. Wo dies nicht der Fall ist, wollen wir von Landesseite im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten unterstützen. Ich möchte aber noch einmal daran erinnern, dass dies eine gemeinschaftliche Aufgabe von Kommunen, dem Land und dem Bund ist.

Lassen Sie mich zum Abschluss vor allen Dingen noch einen Dank aussprechen. Es ist ein Thema für RheinlandPfalz. Nicht nur im Rahmen des Unterrichts wird das Schwimmen gelehrt. Rheinland-Pfalz ist das Land, in dem sich die Menschen im Ehrenamt wie in keinem anderen Bundesland engagieren. Das passiert nicht zuletzt in den vielen Schwimmsportvereinen, der DLRG, der Wasserwacht und vielen weiteren Institutionen,

(Glocke des Präsidenten)

die tagtäglich mit ihrer Arbeit dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche das Schwimmen lernen und sich nicht in gefährliche Situationen begeben. Sie sind zur Stelle, wenn Menschen in Not geraten. Dazu sollte es aber nicht kommen. Es ist deshalb Auftrag aller Akteurinnen und Akteure in politischer Verantwortung