Protokoll der Sitzung vom 13.06.2019

Leider ist es eher unwahrscheinlich, dass sich dadurch die zunehmende Überbelegung unserer Frauenhäuser beheben lässt; denn seit einigen Jahren beobachten wir einen konstant hohen Bedarf an Plätzen, der die vorhandenen Kapazitäten deutlich übersteigt.

Dabei müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass der Anteil von Frauen mit Migrationshintergrund in vielen Einrichtungen überproportional hoch ist und in über 20 Fällen eine drohende oder gar vollzogene Zwangsheirat Grund für die Aufnahme war. Hier stellt die anhaltende Zuwanderung aus Gesellschaften mit streng patriarchalischen Strukturen ein neues Problem dar, wenn es um den Schutz von Frauen und die Bewahrung ihrer Rechte geht.

Während im Jahr 2017 etwas mehr als 1.000 Frauen und Kinder in rheinland-pfälzischen Frauenhäusern Zuflucht fanden, mussten im gleichen Zeitraum knapp 1.400 Personen abgewiesen werden. Inzwischen ist es zur Regel geworden, dass misshandelte Frauen mehrere Einrichtungen anfragen müssen, ehe sie einen Platz erhalten.

Die meisten von ihnen bleiben dann für durchschnittlich 60 Tage in der Einrichtung. Immer häufiger kommt es aber

auch vor, dass Betroffene sechs Monate oder länger im Frauenhaus leben, weil sie schlicht und ergreifend keine Wohnung finden. Dies verschärft die ohnehin bestehenden Engpässe noch einmal zusätzlich.

Dabei beschränkt sich die beschriebene Schieflage keinesfalls auf Rheinland-Pfalz, sondern existiert bundesweit. In manchen Bundesländern ist die Situation sogar noch prekärer als bei uns. Das erklärt sicherlich auch ein Stück weit, warum es zahlreiche Aufnahmeersuchen von Frauen gibt, deren bisheriger Lebensmittelpunkt außerhalb von Rheinland-Pfalz lag.

Weitere Kapazitäten, die wir dringend benötigen, lassen sich allerdings nicht einfach aus dem Hut zaubern. Die jüngsten Sondierungsgespräche zur Einrichtung des 18. Frauenhauses in Rheinland-Pfalz haben gezeigt, wie schwierig es ist, Kommunen und Träger für ein solches Vorhaben zu gewinnen. Dies liegt vor allem an der Finanzierung; denn obwohl das Land jede Einrichtung mit rund 100.000 Euro jährlich aus dem Landeshaushalt bezuschusst, müssen Träger und Kommunen einen erheblichen Eigenanteil stemmen. Für viele eine unüberwindbare Hürde.

Es ist deshalb sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, den Bund an dieser Stelle stärker in die Pflicht zu nehmen. Dies gilt umso mehr, als es sich hierbei um ein Problem handelt, dessen Auswirkungen eben nicht vor Ländergrenzen haltmacht.

Meine Damen und Herren, es besteht in diesem Haus zweifellos Konsens darüber, dass allen Frauen, die Opfer von Misshandlungen geworden sind, schnellstmöglich geholfen werden muss. Jede einzelne von ihnen hat Anspruch auf Schutz vor Gewalt und Verfolgung. Deshalb ist es ein unhaltbarer Zustand, dass unsere Frauenhäuser notgedrungen jedes Jahr Hunderte Mädchen und Frauen abweisen müssen.

Deshalb brauchen wir weitere Plätze, um die gegenwärtige Situation spürbar zu verbessern. Es ist völlig klar, dass wir als Politik dafür Sorge zu tragen haben.

Aber genauso klar dürfte es sein, dass ein Ausbau von Kapazitäten und Hilfsangeboten allein das Problem weder nachhaltig noch vollständig lösen kann; denn nicht einmal eine Verdoppelung der Plätze würde ausreichen, um dem steigenden Bedarf vollständig gerecht zu werden.

Es ist wie in allen Bereichen der öffentlichen Fürsorge: Der Staat kann immer nur in begrenztem Maße tätig werden und helfen. Neben der Sofortintervention in akuten Notsituationen müssen wir uns daher auch fragen, wie wir der Gewalt in engen sozialen Beziehungen präventiv begegnen können.

Wie kann es sein, dass es immer mehr Mädchen, Frauen und Kinder in eine Situation treibt, in der sie keinen anderen Ausweg mehr wissen, als in ein Frauenhaus zu flüchten? Warum werden so viele Frauen Opfer derart schwerer physischer und psychischer Gewalt, dass sie keine Perspektive mehr in ihrem vertrauten Umfeld sehen? Was muss alles passieren, bis Verzweiflung und Ängste so groß geworden sind, dass nur noch die Flucht von zu

Hause bleibt?

Meine Damen und Herren, ein solch erschreckender Befund darf uns als Gesellschaft nicht kaltlassen. Diese Frauen verdienen unser Mitgefühl und unsere uneingeschränkte Solidarität, aber wir sollten auch alles in unserer Macht stehende dafür tun, um den Zusammenhalt von Familien zu stärken, Kinder von klein auf zur friedlichen Lösung von Konflikten zu erziehen, eine gewaltfreie Streitkultur zu etablieren und soziale Ursachen menschlicher Aggressionen zu bekämpfen, damit wir an dieser Stelle vielleicht irgendwann einmal nicht über die Einrichtung neuer, sondern über die Schließung nicht mehr benötigter Frauenhäuser sprechen können.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion spricht die Abgeordnete Lerch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde es gut, dass wir heute über die Situation der rheinland-pfälzischen Frauenhäuser sprechen. Nach vielen Sitzungen im Ausschuss für Gleichstellung und Frauenförderung hat die CDU heute eine Aktuelle Debatte beantragt, die den Titel „Notwendige Plätze in rheinland-pfälzischen Frauenhäusern schaffen – Frauen in Not nicht länger im Stich lassen“ trägt.

Meine Damen und Herren und liebe Kollegin Demuth, Sie behaupten mit diesem Titel, dass in Rheinland-Pfalz Frauen im Stich gelassen würden.

(Abg. Hedi Thelen, CDU: Ja!)

Diese Behauptung weise ich eindeutig zurück.

(Beifall bei FDP und SPD)

Im Ausschuss sind umfassende Fragenkataloge zur Situation der Frauenhäuser beantwortet und auch besprochen worden. Natürlich hat die CDU wissen wollen, ob Frauen abgewiesen und weitervermittelt wurden. Das Ministerium hat dazu die Zahlen bei den Frauenhäusern abgefragt und auch erläutert, dass 9 von 17 Häusern dazu Zahlen erfasst haben.

Explizit ist darauf hingewiesen worden, dass nicht unbedingt Kapazitätsengpässe Grund für die Abweisung waren, sondern aus individuellen Gründen weitervermittelt wurde. So konnte beispielsweise aufgrund ausgeprägter psychischer Problemlagen oder einer Suchterkrankung keine Aufnahme erfolgen, und eine Weitervermittlung war notwendig.

Statt sich mit dem Antworten aus dem Fragenkatalog differenziert auseinanderzusetzen, beantragen Sie eine Debatte, deren Titel eine klare Botschaft trägt, und diese Botschaft ist falsch.

Die Landesregierung hat im Rahmen des jüngsten Doppelhaushalts auch mit Blick auf die rheinland-pfälzischen Frauenhäuser die Weichen gestellt. Die Steigerung bei den Personalkosten um 3 % haben wir im Plenum schon öfter besprochen. Zudem sind Mittel zur Einrichtung eines weiteren Frauenhauses im Norden von Rheinland-Pfalz eingestellt worden.

Die Landesregierung hat die Situation im Blick und die Finanzierungs- und Standortfrage nach dem üblichen Verfahren geklärt. Sie steht weiterhin, wie auch wir in den Fraktionen, im ständigen Austausch mit den Verantwortlichen in ganz Rheinland-Pfalz: seien es die Konferenz der Frauenhäuser oder das rheinland-pfälzische Interventionsprojekt gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen.

Ich kann deshalb nicht verstehen, warum wir eine solche Debatte führen müssen. Kritik habe ich von der CDU bisher nur insofern wahrgenommen, als ihr die Einrichtung des Frauenhauses in Andernach nicht schnell genug ging und der Landeszuschuss von 100.000 Euro nicht ausreichen würde.

Dieser Kritik fehlt aber die Grundlage. Die Finanzierung der Frauenhäuser wird nicht allein durch den Zuschuss des Landes gestaltet, sondern speist sich zu einem beträchtlichen Anteil aus den Mitteln der Kommunen von über 1 Million Euro. Es gibt Spenden, und es gibt verhängte Bußgelder, die den Einrichtungen zugutekommen.

Die Landesförderung ist zudem über die Haushaltsjahre hinweg immer weiter gestiegen, und eine Sachkostenpauschale wird erstmals gewährt. Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass ich an keiner Stelle des Prozesses zur Einrichtung eines weiteren Frauenhauses eine Verzögerung erkennen konnte.

Ja, die zusätzlichen Plätze in den Frauenhäusern werden leider gebraucht. Wir haben all die Zahlen aus der kriminalistischen Auswertung des BKA zur Partnerschaftsgewalt aus dem vergangenen Jahr noch im Kopf und haben diese auch im Ausschuss besprochen.

In der Tat ist es so, die durchschnittliche Verweildauer von einem Jahr von Frauen in Frauenhäusern ist auch deshalb so lang, weil es keinen Anschluss im Hinblick auf verfügbaren Wohnraum gibt. Wenn diese Frauen auf dem Markt eine entsprechende preiswerte kleine Wohnung finden würden, wäre auch die Verweildauer deutlich geringer.

Für die Freien Demokraten kann ich feststellen: Die Landesregierung hat die Entwicklung im Blick und handelt bedarfsgerecht. Den „Skandal“, den die CDU-Fraktion mit der Wahl der Überschrift herbeireden will, kann ich nicht erkennen.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Abgeordnete Blatzheim-Roegler.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In Rheinland-Pfalz gibt es 17 und bald 18 Frauenhäuser. Das ist im Ländervergleich nicht wenig. Deswegen ärgert es mich schon, dass die CDU in ihrer Aktuellen Debatte titelt: „Frauen in Not nicht länger im Stich lassen“. Das soll doch wohl suggerieren, der Landesregierung und den regierungstragenden Fraktionen ist dieses Thema egal. Das wird damit unterstellt.

(Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU)

Das ist eine ganz üble Unterstellung und durch nichts, aber wirklich durch nichts zu untermauern. Das macht mich wirklich ärgerlich.

Frauen nicht länger in Not zu bringen, ist doch die eigentliche Aufgabe, und zwar gerichtet an prügelnde Männer, Männer, die Frauen zur Prostitution zwingen, und Männer, die an ihren Partnerinnen und an ihren Kindern psychische und physische Gewalt auslassen.

Wir hatten am 22. Mai – das ist noch gar nicht so lang her – eine sehr ausführliche und, wie ich fand, eine sehr sachliche Diskussion zur Situation der Frauenhäuser in Rheinland-Pfalz im Ausschuss – die Kollegin hat es schon erwähnt – mit dezidierten Fragenkatalogen der CDU und von den regierungstragenden Fraktionen sowie mit ebenso dezidierten Antworten der Landesregierung. Diese hat sich die Landesregierung nicht aus den Fingern gesogen, sondern bei den Frauenhäusern eingeholt.

Sie tun so, als ob die Landesregierung bestimmen würde, wo ein Frauenhaus hinkommt. Es braucht ein Haus, es braucht einen Träger, und es braucht vor allem willige Kommunen. Einen Träger können sie nicht einfach bestimmen, sondern es sind eine Ausschreibung und ein Prozess nötig. Genau das haben wir alles in diesem Ausschuss sehr sachlich besprochen. Ich bin etwas erstaunt, dass das heute von Ihrer Seite noch einmal so zum Thema gemacht wird.

Wie schon bei der vorherigen Debatte im Übrigen vorgestellt, ist die Prävention ein essenzieller Bestandteil, um sexualisierte Gewalt und Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen. Auch da stimmt es nicht, wenn Sie sagen, Frauen sollen nicht länger im Stich gelassen werden, als wenn Rheinland-Pfalz sich da irgendwie herausziehen würde.

Sexualisierte Gewalt zu verhindern, soll unser primäres Ziel sein. Wir müssen – das tut die Landesregierung – die Gesellschaft sensibilisieren, die Selbstbestimmung von Frauen ermöglichen und ein kompetentes Beratungs- und Unterstützungssystem anbieten. Genau das macht die Landesregierung schon seit mehreren Jahren.

Ich will nur einmal zum Beispiel das Aktionsprogramm Gewalt gegen Frauen nennen. Auch die „LAUT+STARK“Kampagne gehört dazu. All das wird Geschlechterstereotypen und vorurteilshafte Einstellungen gegen Frauen in einen anderen Mittelpunkt rücken. Wir haben mit finanzieller Unterstützung des für Frauen zuständigen Ministeriums ein interaktives Netz an Beratungsangeboten. Außerdem

sind die Kriseninterventionsangebote ein notwendiger Bestandteil beim Kampf gegen sexualisierte Gewalt und beim Kampf gegen Gewalt gegen Frauen.

Die effektive Intervention wird in Rheinland-Pfalz seit mehreren Jahren durch das rheinland-pfälzische besondere RIGG-Programm – das wurde schon erwähnt – untermauert. Natürlich müssen wir Zufluchtsangebote für Frauen in Not in Rheinland-Pfalz zur Verfügung stellen.

Genau darüber haben wir in einer langen Sitzung gesprochen. Die Zahl der Zufluchtsuchenden ist leider nicht gesunken, ganz im Gegenteil; vielleicht weil im Verhältnis zu den früheren Jahren – Frau Sahler-Fesel, ich kann mich noch an den Kampf um das Frauenhaus in Trier erinnern, auch ich war schon dabei – es mühselig war, überhaupt zu überzeugen, dass Hilfe für Frauen notwendig war. Der Blick wurde noch viel mehr abgewandt. Es ist zumindest ein Fortschritt, dass nicht überall weggeschaut wird.

Wir brauchen Frauenhäuser, und wir brauchen die entsprechende Unterstützung für Frauen. Dass die Frauenhäuser mehr genutzt werden – nicht nur in Rheinland-Pfalz, es betrifft tatsächlich die ganze Bundesrepublik –, ist sicher dem Umstand zuzuschreiben, dass heute nicht mehr so viel totgeschwiegen werden kann und Gott sei Dank Frauen den Mut haben, sich aus den Fängen ihrer Peiniger zu befreien oder sich auf diesen Weg machen.

Natürlich brauchen sie dafür unsere Unterstützung. Wir lassen sie nicht im Stich. Das sage ich für Rheinland-Pfalz und für die regierungstragenden Fraktionen aus RheinlandPfalz.