Protokoll der Sitzung vom 22.08.2019

(Abg. Uwe Junge, AfD: Wir auch nicht! – Zuruf des Abg. Marco Weber, FDP)

Was Sie wollen, interessiert mich jetzt wirklich gar nicht.

(Heiterkeit bei der SPD)

Dass die CDU und wir hier gemeinsam, also die große Mehrheit des Parlaments, für ein atomwaffenfreies Deutschland und für eine atomwaffenfreie Welt sind, ist Grundkonsens. Die Frage ist: Wie kommen wir dahin?

(Abg. Uwe Junge, AfD: Ja!)

Ist es einseitig, oder ist es eine Abrüstungsfrage mit Abrüstungsgesprächen? Ich bin in die Politik gegangen, weil ich damals in der Friedensbewegung war.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Schon klar!)

Herr Junge, wissen Sie, Ihre Kommentare interessieren mich so viel wie Bauchweh.

(Beifall und Heiterkeit bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Weil es verschiedene Wege gibt, haben wir schon lange darüber gestritten, aber man muss doch sehen, RheinlandPfalz ist besonders betroffen. Wir hatten gerade gehört, 30.000 Atomwaffen auf der Welt.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: 60.000!)

Es sind jetzt viel, viel weniger. Das Potenzial der Gefahr ist dadurch auch geringer. Aber was hatten wir denn allein in Rheinland-Pfalz an Atomwaffen? Hunderte Atomwaffen. Es gab nicht nur in Bonn die großen Demonstrationen, an denen zumindest mehrere, die hier im Parlament sitzen, beteiligt waren, sondern es gab auch im Hunsrück, bei der Pydna, die große Demonstration. 200.000 Menschen haben die größte Demonstration im Hunsrück gemeinsam gestaltet und klargemacht, in Rheinland-Pfalz wollen wir diese Atomwaffen nicht haben.

Deswegen, weil Rheinland-Pfalz der Flugzeugträger, hieß es früher, der Amerikaner war, ist Rheinland-Pfalz besonders betroffen. Ich will Ihnen sagen: Diese Menschen, die damals demonstriert haben, wollten, dass die Atomwaffen abgeschafft werden. Wir sind einen großen Schritt weitergekommen.

(Abg. Hedi Thelen, CDU: Stimmt!)

Deswegen sind wir heute in unserem Parlament dazu aufgerufen, ernsthaft darüber zu diskutieren, wie man tatsächlich dazu kommt, dass es am Schluss keine Atomwaffen

mehr in Deutschland gibt, auch nicht in nuklearer Teilhabe.

Als ich das erste Mal in Bonn war, hätte ich nie gedacht, dass wir den Erfolg haben werden, dass es keine atomaren Sprengköpfe der Amerikaner mehr in Deutschland gibt – das hätten wir doch nie gedacht –, oder dass es die DDR nicht mehr gibt und sich nicht mehr Tausende von Atomsprengköpfen gegenüberstehen. Das ist doch ein Riesenerfolg.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Stimmt!)

Jetzt können Sie sagen, ja, die Friedensbewegung hat doch den Schmidt geschwächt und die ganze Verhandlung. Das war nicht so, sondern das Thema war ein Riesenthema in der Bevölkerung, ein Riesenthema in Deutschland, aber auch europaweit. Es gab Demonstrationen in Brüssel, in Antwerpen, es gab überall diese Demonstrationen, auch in Madrid damals.

Deswegen ist es wichtig, dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung zu bringen. Deswegen ist es richtig, wenn wir als Parlament die Landesregierung auffordern, sich dafür einzusetzen, dass es keine Atomwaffen mehr in Rheinland-Pfalz gibt, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei SPD und FDP)

Am Schluss möchte ich noch für das Engagement von ICAN danken. Frau Kassai, liebe Elke, schön, Dich hier im Parlament wiederzusehen. Es ist gut, dass Menschen hartnäckig dafür kämpfen,

(Glocke der Präsidentin)

dass Atomwaffen abgeschafft werden.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!)

Es liegen zwei Kurzinterventionen vor, einmal vom Abgeordneten Dr. Adolf Weiland und einmal vom Abgeordneten Uwe Junge.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Braun, dass ich nach dem Verlauf des heutigen Tages noch einmal hier an das Rednerpult gehe und Sie loben will, hätte ich mir vor einer halben Stunde noch nicht gedacht,

(Heiterkeit des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

aber ich bin Ihnen ausdrücklich dankbar für die Versachlichung der Diskussion, indem Sie anerkennen, dass wir in diesem Hause gemeinsam ein Ziel haben, nämlich eine atomwaffenfreie Welt zu schaffen, und auf diesem Weg zu

diesem Ziel schrittweise mit immer weniger Atomwaffen auskommen wollen.

Dazu gibt es unterschiedliche Wege. Man kann der Meinung sein, dass das durch einseitiges gutes Beispiel und einseitige Abrüstung vorangebracht werden kann. Wir halten das für unrealistisch, weil wir glauben, dass gute Politik mit dem schonungslosen Blick auf die Wirklichkeit anfängt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der CDU)

Ich schließe mich der Auffassung des Mitglieds der SPDBundestagsfraktion, Dr. Fritz Felgentreu, an, der in der namentlichen Debatte gesagt hat – ich zitiere –: „Solange keiner der Nuklearwaffenstaaten auch nur daran denkt, dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten, kann und wird dieser Vertrag keinen einzigen nuklearen Sprengkopf aus der Welt schaffen“, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der CDU – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sagen Sie! – Zuruf des Abg. Martin Brandl, CDU)

Das ist die nüchterne, traurige Wirklichkeit. Aber gute Politik darf nicht von der Wirklichkeit ausgehen, wie man sich die möglicherweise wünschen kann, sondern gute Politik muss immer vom nüchternen, schonungslosen Blick auf die tatsächlichen Gegebenheiten ausgehen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wenn man davon ausgeht, halten wir es von der CDU-Landtagsfraktion aus in Übereinstimmung mit allen, die ich vorhin schon genannt habe – ich will das nicht wiederholen –, für unverantwortlich, in der jetzigen Situation mit einem Schritt der einseitigen Abrüstung voranzugehen.

(Beifall der CDU)

Zur zweiten Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Uwe Junge das Wort.

Herr Dr. Braun, ich will noch einmal klarstellen, weil Sie das dankenswerterweise zumindest für die CDU, sich und für alle anderen gesagt haben, natürlich wollen wir die Atomwaffen loswerden. Das ist doch völlig klar. Eine Bedrohung, die wir nur akzeptieren konnten, weil es keine andere Möglichkeit gab, Frieden tatsächlich dauerhaft zu schaffen. Diese Abschreckungspolitik war notwendig. Die jetzt einseitig aufzugeben, ist ein Riesenfehler. Ich glaube, dass wir zwar in die richtige Richtung gehen, aber der Weg der falsche ist.

Wir müssen diesen INF-Vertrag, der vielleicht anders heißen kann, wieder aufleben lassen, wir müssen alle Systeme mit einbeziehen. Dazu sollten wir die Amerikaner unterstützen und ermutigen, aber auch mit den Russen Gespräche führen. Ich glaube, das ist der richtige Weg zum Frieden. Nicht die einseitige, nur von Deutschland initiierte Abrüstung; das ist der falsche Weg. Das muss

eine Balance haben. Die haben wir bisher gehabt, und deshalb haben wir die letzten 70 Jahre Frieden in Europa gehabt.

Das hat seinen Preis gehabt. Sie waren in der Friedensbewegung, ich stand in der Zeit auf der anderen Seite. Ich war in der Kaserne, Sie haben die Kaserne blockiert – nicht Sie persönlich.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nicht Ihre!)

Ich glaube, wir haben alle das Richtige gewollt und das am Ende auch geschafft. Am Ende hat auch ein Helmut Schmidt gegen den Widerstand seiner Partei den NATONachrüstungs- bzw. Doppelbeschluss durchgesetzt, Helmut Kohl hat ihn vollendet. Ich glaube, wir können diesen beiden Männern dankbar sein, dass sie standhaft geblieben sind und damals nicht der Emotion nachgegeben haben, sondern sich der Realität gebeugt und realistische Politik gemacht haben.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hätte auch schiefgehen können!)

Ich glaube, dafür sind wir ihnen alle zu Dank verpflichtet. Machen wir heute nicht den Fehler, den wir damals vermieden haben.

Danke schön.

(Beifall der AfD)

Ich erteile dem Abgeordneten Dr. Bernhard Braun das Wort zur Erwiderung.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wichtig ist, eine solche Diskussion zu versachlichen, weil es uns überhaupt nichts nützt, emotional zu reagieren und zu agieren. Wir haben das gleiche Ziel. Das haben wir festgestellt. Die CDU hat einen anderen Weg vorgeschlagen. Das kann man nachvollziehen, natürlich kann man das nachvollziehen. Sie können wahrscheinlich auch unseren Weg nachvollziehen.

Ich will nur darauf hinweisen, auch ICAN fordert nicht, dass der Westen die Atomwaffen abschaffen und der Osten sie aufrüsten soll. ICAN hat wahrscheinlich nicht so gute Beziehungen wie die AfD zu Putin.