Protokoll der Sitzung vom 22.08.2019

Ich will nur darauf hinweisen, auch ICAN fordert nicht, dass der Westen die Atomwaffen abschaffen und der Osten sie aufrüsten soll. ICAN hat wahrscheinlich nicht so gute Beziehungen wie die AfD zu Putin.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der SPD – Zuruf von der AfD)

Das ist eine andere Sache. Es geht nicht um einseitige Abrüstung, es geht darum, dass durch eine breite Diskussion in der Bevölkerung, in jeder Bevölkerung – glauben Sie doch nicht, dass in Russland jeder ein Kriegstreiber wäre; gerade bei der Erfahrung, die Russland aufgrund seiner Geschichte gemacht hat, oder glauben Sie doch nicht, dass das in anderen Staaten so wäre – intern debattiert

werden kann, wie wir von diesen Atomwaffen wegkommen, die uns fesseln, ökonomisch, aber dann auch in einer Gegnerschaft fesseln, die wir überwunden geglaubt haben.

Es ist wichtig, das zu diskutieren, damit wir überall die Atomwaffen abschaffen. Ob das der einzige Weg ist, darüber zu verhandeln und erst einmal wieder aufzurüsten – was jetzt droht – und dann wieder abzurüsten? So war ja damals schon die Argumentation: Wir müssen jetzt erst einmal aufrüsten, die Pershings müssen jetzt erst einmal her,

(Abg. Uwe Junge, AfD: Pershings gibt es nicht mehr! – Zuruf des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU)

und dann können wir sie wieder abschaffen. – Es hat eventuell funktioniert. Aber stellen Sie sich vor, es wäre schiefgegangen. Wir würden hier nicht mehr sitzen.

Deswegen ist es legitim zu sagen, die einseitige Abschaffung von 20 Atomwaffen – ich sage das jetzt einmal für Rheinland-Pfalz bei der nuklearen Teilhabe in Büchel – ist durchaus legitim und wäre durchaus ein richtiger Schritt in der Bundesrepublik Deutschland.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Abg. Hedi Thelen, CDU: Nach Ihrer Auffassung!)

Für die Landesregierung spricht Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

Danke. – Liebe Präsidentin, meine sehr verehrten Herren und Damen Abgeordnete! Ich finde es prima, dass wir heute hier diskutieren. Ich freue mich darüber sehr.

Ich will mit den Damen von ICAN beginnen. Ich gehöre auch zu den „Friedensmenschen“, die daran glauben, dass man mit einer bestimmten Haltung und mit der Deutlichmachung von einer Haltung sehr viel weiter kommen kann, weiter als durch das ständige Wettrüsten, das wir zur Zeit erleben. Ich weiß, man muss dicke Bretter bohren – ich komme gleich noch einmal auf die Geschichte zu sprechen –, und dieses dicke Brett bohrt ICAN. Dafür will ich ganz, ganz herzlich danken. Sie haben verdient den Friedensnobelpreis erhalten.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte eines richtigstellen, Herr Weiland, ohne eine Schärfe hineinzubringen. Der Antrag der Linken im Bundestag ist erheblich schärfer gefasst, und der Antrag, der heute vorliegt, ist das, was ICAN in alle Landtage bringt, um darum zu bitten, dass man die Debatte in den Landesparlamenten annimmt. Ich finde das gut und richtig, man sollte deshalb an dieser Stelle differenzieren.

Vor 36 Jahren kannte ich Herrn Braun noch nicht – wahrscheinlich hat er auch noch keine grauen Haare gehabt –, sonst hätte ich ihn vielleicht in Bonn getroffen.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jedenfalls war ich auch einer von diesen 300.000 Menschen im Jahr 1981, 1982 waren es dann schon 500.000, in Rheinland-Pfalz 200.000 Menschen. Weltweit sind ganz viele Menschen unterwegs gewesen in der Friedensmission. Ich sage, was wir heute hier erlebt haben, ist eigentlich exakt die gleiche Debatte wie damals.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin davon überzeugt, dass die Friedensprozesse, die Friedensbewegungen der damaligen Zeit alle dazu beigetragen haben, dass 1987 der sogenannte INF-Vertrag zwischen den Präsidenten Reagan und Gorbatschow abgeschlossen werde konnte. Warum sage ich das? Dieser Streit wird immer bleiben, weil die einen so und die anderen so denken. Aber Gorbatschow selbst hat mehrfach darauf hingewiesen, dass es ihm erst diese Massenbewegung ermöglicht hat, seine Politik der Perestroika durchzusetzen. So hätte er – das sind seine Worte – seinen Kritikern entgegenhalten können, dass die Völker im Westen Abrüstung und Verständigung wollten. Ich finde, das sollten wir uns merken und deutlich machen, natürlich können wir am Frieden mitwirken auch als einzelne Personen, dass wir eine Bewegung in Gang setzen, und deutlich machen, dass man damit etwas erreichen kann.

Mit der Öffnung der Mauer, der Wiedervereinigung Deutschlands und der Auflösung des Warschauer Pakts haben wir alle auf eine breite und dauerhafte weltweite Abrüstung gesetzt und auf eine Friedensdividende – das muss man auch sagen – zur Lösung der großen Probleme der Welt, wie beispielsweise der Armut. Heute müssen wir feststellen, dass sich diese Hoffnung am Ende dann doch nicht erfüllt hat.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Definitiv!)

Seit Jahren steigen die Ausgaben für Militär, und zwar in ungeahnte Höhen. Im vergangenen Jahr waren es 1,8 Billionen US-Dollar, das heißt 1.822 Milliarden Dollar, in Deutschland 50 Milliarden, in Russland 61 Milliarden und in den USA 650 Milliarden Dollar. Jetzt hat bereits ein neues atomares Wettrüsten insbesondere der USA und Russland mit unabsehbaren Folgen begonnen.

Das bedeutet erstens, diese Rüstungsspirale bringt der Welt nicht mehr, sondern weniger Sicherheit, und sie verringert die Chancen, die kleinen Atommächte für Rüstungskontrollabkommen überhaupt noch zu gewinnen.

Gefährlich ist zudem der Umstand, dass die USA, Russland, Indien und Pakistan von Regierungen geführt werden, bei denen Kriegsrhetorik zum alltäglichen Sprachgebrauch gehört.

Und zweitens binden die hohen Rüstungsausgaben enorme finanzielle und personelle Ressourcen, die dringend zur Bekämpfung von anderen großen Problemen dieser

Welt gebraucht würden wie beispielsweise Armut und Klimaschutz; ich könnte noch andere aufzählen.

Trotz großer Fortschritte in den vergangenen 30 Jahren stirbt laut UNICEF – auch das möchte ich noch einmal sagen – alle fünf Sekunden ein Kind unter fünf Jahren aus vermeidbaren Gründen wie Hunger und mangelnder gesundheitlicher Versorgung. Angesichts dieser Weltlage ist es, finde ich, ein Gebot der Stunde, dass sich alle staatlichen Instanzen und die Zivilgesellschaft zum Thema der Abrüstung und einem Stopp des atomaren Wettrüstens wirklich bekennen, sich dafür einsetzen und auch darüber sprechen.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies gilt auch für Rheinland-Pfalz. Ich bin deshalb sehr froh, dass die Fraktionen von SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dankenswerterweise diesen Antrag heute vorgelegt haben und das Thema der Abrüstung und Rüstungskontrolle abermals auf die Tagesordnung des rheinland-pfälzischen Landtags gebracht haben. Heute ist es wichtig, dass sich neben der Zivilgesellschaft wie ICAN auch die Parlamente positionieren.

Das ist vielleicht mein letzter Satz dazu: Wenn damals die Friedensbewegung die große, große Bewegung war, finde ich, dass es in der heutigen Zeit, in der alles noch komplizierter geworden ist, wichtig ist, dass wir in der Zivilgesellschaft da sind und dass wir auch in den Parlamenten und Institutionen diese Debatte führen. Ich möchte auch, dass es endlich wieder zu einer Abrüstung von Atomwaffen kommt,

(Abg. Uwe Junge, AfD: Aber nicht einseitig!)

und ich möchte auch, dass diese Welt irgendwann frei ist von Atomwaffen. Dafür muss man kämpfen und sich einsetzen, und man darf auch – auch wenn die eigene Bundestagsfraktion eine andere Auffassung vertreten hat – immer wieder die Bundesregierung dazu auffordern, dass dies ein Thema ist, das uns bewegt in Rheinland-Pfalz, hinter dem wir stehen, und dass wir wollen, dass wir den Kurs ein ganzes Stück verändern, um zu mehr Frieden, zu weniger Atomwaffen und zu einem anderen Kurs in dieser Politik zu kommen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Licht, CDU: Sie haben Ihren Beschluss nicht richtig interpretiert!)

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Dr. Weiland das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerpräsidentin, ich unterstütze 80, 90 % von dem, was Sie hier über den Wunsch und die Anstrengun

gen für eine atomwaffenfreie Welt gesagt haben, das ist überhaupt keine Frage.

Als Sie gesagt haben, dass Sie zu den „Friedensmenschen“ gehören, – – –

(Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Von damals, meinte ich jetzt! Heute auch noch!)

Ich hoffe, Sie gehören auch heute noch dazu.

Ich gehe aber davon aus, dass Sie denjenigen, die zur Erreichung dieses Ziels zu einem anderen Schluss kommen – – –

(Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Ach, Herr Weiland!)

Ja, ich gehe davon aus, dass Sie denen nicht unterstellt haben, sie sind keine „Friedensmenschen“.

(Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Nein, genau!)

So. Insofern sind wir ja auch da einer Meinung, das ist gut.

(Beifall der CDU – Zurufe der Abg. Alexander Schweitzer und Martin Haller, SPD)

Mit Ihnen redet im Augenblick gar keiner, Sie sind gar nicht wichtig.

(Abg. Martin Haller, SPD: Wir sind in einem Parlament! – Weitere Zurufe der Abg. Martin Haller und Alexander Schweitzer, SPD)

Sie brauchen gar nicht dazwischenzureden.

Frau Ministerpräsidentin, das ist ein sehr heikles Thema, und ich habe den Eindruck – auch da sind wir einer Meinung –, dass man die Worte gut wägen muss. Während der Antrag der Ampelfraktionen davon spricht, es droht nun ein neues Wettrüsten – dieser Beschreibung muss man voll inhaltlich zustimmen –, haben Sie gesagt, wir befinden uns schon voll in einem neuen Wettrüsten. Das ist ein qualitativer Unterschied, und wir sollten die internationale Situation nicht dadurch verschärfen, dass wir hier unpräzise formulieren.