Protokoll der Sitzung vom 23.08.2019

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU

Fraktion, Sie wollen mit dem Antrag den Tourismus in Rheinland-Pfalz stärken und die dauerhafte Beschäftigung im HOGA-Bereich unterstützen. Das ist ein gutes Ziel. In diesem Ziel stimme ich Ihnen absolut zu. Ich denke, wir werden niemanden in diesem Hohen Hause finden, der diesem Ziel widersprechen würde.

Die Frage ist nur, wie Sie dieses Ziel erreichen wollen. Was ist Ihr vorgeschlagener Weg? Sie fordern die Anerkennung der Hotellerie und des Gastgewerbes als Saisonarbeitsbranche, und zwar als Saisonarbeitsbranche ohne Einzelantragserfordernis. Um das zu erklären: Das bedeutet, Sie fordern einen Freifahrtschein für die Zulassung von längeren täglichen Höchstarbeitszeiten. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, das halte ich nicht für den richtigen Weg.

Ich halte es nicht nur nicht für den richtigen Weg. Ich finde, Ihr Vorschlag konterkariert sogar Ihr Ziel. Ich will das gerne begründen. Wir haben das Arbeitszeitgesetz vorliegen. Das Arbeitszeitgesetz ist ein Schutzgesetz. Es schützt die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

(Abg. Alexander Licht, CDU: Und den Gast!)

Eine Ausweitung der 10-Stunden-Grenze läuft genau diesem Schutz, insbesondere dem Gesundheitsschutz, zuwider. Die Folgen liegen auf der Hand: Das ist seelische und körperliche Erschöpfung, das sind Erkrankungen und ein höheres Unfallrisiko.

(Zuruf des Abg. Dr. Timo Böhme, AfD)

Kurzum, es bedeutet den Verschleiß der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ich frage Sie wirklich: Ist es das, was Sie wollen?

(Beifall der SPD – Abg. Alexander Licht, CDU: Setzen Sie das einmal bei der Polizei um!)

Herr Licht hat gesagt, er hat Zuschriften bekommen und Gespräche mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geführt, die es sich vorstellen können, mehr zu arbeiten und diese Höchstgrenze aufzuweichen. Ich sage Ihnen, ich habe Aussagen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die etwas ganz anderes sagen. Die sagen nämlich: Wenn der 12- bis 13-Stunden-Tag gesetzlich legalisiert wird, dann bin ich gezwungen, die Branche zu verlassen. Der Druck ist jetzt schon enorm hoch. – Oder die Hotelfachfrau Hanna Winter sagt: „13 Stunden-Tag ist mit dem Gesundheitsschutz nicht vereinbar. Schon jetzt ist die psychische und körperliche Belastung überdurchschnittlich.“

Genau diese Aussagen und genau diese Arbeitszeiten – wie jetzt von Ihnen im Antrag gefordert – tragen doch dazu bei, dass die Arbeitnehmer, die jetzt noch in der Branche sind, diese sogar verlassen. Sie tragen dazu bei, dass die Attraktivität der Branche eben nicht gesteigert wird, sondern das Gegenteil ist der Fall. Das Einzige, was langfristig zur Attraktivitätssteigerung der Branche beiträgt, sind gute und faire Arbeitsbedingungen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU)

Das ist auch der Grund, warum die Tarifpartner bislang keine tariflichen Regelungen zur Verlängerung der Höchstarbeitszeit getroffen haben. Es sind nämlich gerade die Probleme bei der Arbeitszeit häufig der Grund für einen Arbeitsplatzwechsel. Wir als Politik – das haben meine Vorredner schon betont – müssen vor diesem Hintergrund den Grundsatz der Tarifautonomie akzeptieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, letztlich haben wir im Antrag überhaupt nicht lesen können – das wurde geradezu unterschlagen –, dass gerade das Hotel- und Gaststättengewerbe schon jetzt in einem hohen Maß von flexiblen Arbeitszeiten geprägt ist. Mit tariflichen Arbeitszeitregelungen kann über Arbeitszeitkonten viel Flexibilität erreicht werden. Spezifisch festgelegte Arbeitszeitkorridore sind ebenfalls möglich. Wir haben unter bestimmten Voraussetzungen auch die Möglichkeit, von den acht bis zehn Stunden abzuweichen.

Das heißt – ich fasse zusammen –, wir haben mit dem Arbeitszeitgesetz ein Instrument, das saisonbefristete in ganzjährige Dauerarbeitsplätze umwandeln kann, um damit auch die Winterarbeitslosigkeit zu vermeiden. Deswegen bedarf es eben nicht der Anerkennung des Hotel- und Gaststättengewerbes als Saisonarbeitsbranche. Stattdessen sollten wir uns viel lieber, um unser Ziel zu erreichen – ich betone es noch einmal, in dem Ziel sind wir geeint –, darauf fokussieren, die Attraktivität der Branche zu steigern, wovon dann Betriebe und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirklich profitieren.

Deswegen unterstützen wir als Landesregierung das Projekt „Guter Gastgeber – Guter Arbeitgeber“. Wir haben damals begonnen – Rheinland-Pfalz und MecklenburgVorpommern –, dieses Projekt zu pilotieren. Wir haben es durchgeführt. Es läuft noch bis zum Jahr 2020. Das ist der richtige Ansatz für gute und faire Arbeitsbedingungen. Das ist unser Weg, wie wir das Ziel dauerhafter Beschäftigung auch im DEHOGA-Bereich für uns festlegen und erreichen wollen. Den Freifahrtschein, wie er im Antrag vorgeschrieben ist, lehnen wir ab.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen mir nicht mehr vor.

(Abg. Martin Haller, SPD: Das war eine peinliche Nummer!)

Ich schließe damit die Aussprache, und wir kommen zur Abstimmung über den Antrag. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/9807 – seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Vielen Dank. Damit ist der Antrag mit den Stimmen der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU bei Stimmenthaltung der AfD abgelehnt.

Ich rufe Punkt 30 der Tagesordnung auf:

Landesnetzwerk SCHLAU zur Sexualaufklärung an Schulen in Rheinland-Pfalz Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion der AfD und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der Fraktion der AfD – Drucksachen 17/7481/7767/9797 –

Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von 5 Minuten vereinbart. Ich darf die Aussprache eröffnen. Wer möchte als Erster? – Frau Dr. Groß, Sie haben das Wort für die Fraktion der AfD.

(Zurufe von der SPD: Psst! Psst! Psst!)

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kollegen! Das von der Landesregierung geförderte Landesnetzwerk SCHLAU tritt im Rahmen entsprechender Bildungs- und Aufklärungsveranstaltungen, sogenannter Workshops, auch an Schulen auf. Schüler sollen hier von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transpersonen, sogenannten Teamern, im Hinblick auf Diskriminierungen sexueller Identitäten sensibilisiert werden, Vorurteile diesbezüglich abbauen und gleichgeschlechtliche Lebensweisen akzeptieren.

(Zurufe von der SPD: Wunderbar! Stimmt!)

Unter anderem soll ein diskriminierungsfreies Schulklima zur Erleichterung eines etwaigen Outings eines Schülers führen. Die verantwortliche Lehrkraft entscheidet, ob sie ganz oder phasenweise an den SCHLAU-Workshops teilnimmt.

(Abg. Martin Haller, SPD: Gute Arbeit!)

Das bedeutet, weite Teile dieser Schulveranstaltungen finden durchaus in Abwesenheit einer ausgebildeten Lehrkraft statt, zumal dies auch in den Qualitätsstandards der SCHLAU-Projekte ausdrücklich empfohlen wird.

Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht streicht in seiner Entscheidung vom 21. Dezember 1977, die noch immer eine der maßgeblichen Rechtsgrundlagen für die Sexualerziehung an Schulen darstellt, in aller Deutlichkeit den äußerst sensiblen Bereich der Sexualerziehung heraus und führt wörtlich aus, „dass die Sexualerziehung in der Schule in einem ganz besonderen Maß im Spannungsfeld zwischen dem Recht der Eltern (...), dem Persönlichkeitsrecht des Kindes (...) und dem (...) Bildungsund Erziehungsauftrag des Staates steht“.

Nicht ohne Grund weist die Landesregierung darauf hin, dass schulische Experten im Rahmen der Sexualerziehung in der Regel Sexualpädagogen, Diplompädagogen oder auch Sozialarbeiter seien, also über eine fachliche Qualifikation verfügen, die sie befähigt, sexualpädagogische Unterrichtseinheiten inhaltlich und didaktisch angemessen zu gestalten.

Im Gegensatz dazu besitzen die SCHLAU-Teamer, die mindestens 16 Jahre alt sein müssen, solche Qualifikationen in der Regel nicht. Der Aufnahme ihrer Tätigkeit in einem Workshop gehen ein achtstündiger Grundkurs und das Hospitieren in anderen SCHLAU-Workshops voraus.

Das Bundesverfassungsgericht macht in seiner zitierten Entscheidung überdies explizit deutlich,

(Abg. Martin Haller, SPD: Schweinkram!)

dass bei einer über die reine Wissensvermittlung hinausgehenden Sexualerziehung die pädagogisch richtige Darbietung insbesondere am Alter und dem Reifegrad der Schüler auszurichten ist, damit die Gefahr des Einwirkens in die Persönlichkeitsbildung unterbleibt. Auch das Landesnetzwerk SCHLAU spricht im Hinblick auf Fragen aus dem Bereich der Sexualaufklärung von einer sachlichen, angemessenen, zielgruppenadäquaten Beantwortung im Rahmen gesetzlicher Vorgaben.

Wir sind der Auffassung, dass die Qualifikation der Teamer diesem Anspruch nicht gerecht werden kann. Da hilft auch der Hinweis der Landesregierung nicht weiter, die Teamer brächten als Expertise ihre Autobiografie für den Workshop mit. Nur: Die persönliche Betroffenheit allein ersetzt weder die notwendige fachliche noch pädagogische Qualifikation.

(Beifall der AfD)

Deshalb halten wir es für falsch, diesen Personen die verantwortungsvolle Aufgabe schulischer Sexualerziehung

(Abg. Pia Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es ist keine Sexualerziehung! – Zuruf aus dem Hause: Quatsch!)

mit ihren hohen rechtlichen und inhaltlichen Anforderungen zu übertragen, und schon gar nicht, wenn eine Lehrkraft nicht anwesend ist

(Abg. Martin Haller, SPD: Sie haben ja gar keine Ahnung!)

und daher keinerlei Kontrolle möglich ist.

Es ist nicht nachvollziehbar, dass wir von jedem Mathematik- oder Chemielehrer mit Recht zwei bestandene Staatsexamina verlangen, aber dann, wenn es um hochsensible, für die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen wichtige und für viele Schüler auch mit Scham und dem Wunsch nach größtmöglicher Diskretion verbundene Themen geht, plötzlich nicht nur auf den Nachweis einer ausreichenden Befähigung, sondern auch noch auf jede Form einer wirksamen Kontrolle verzichtet wird.

Nun versucht die Landesregierung, das Problem dadurch zu beheben, dass sie das SCHLAU-Projekt künstlich von der Sexualaufklärung trennt

(Abg. Joachim Paul, AfD: Genau!)

und es kurzerhand zur „Demokratiebildung“ erklärt.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Genau so ist es!)

Das ist natürlich wenig überzeugend. Ein Workshop, der sich mit sexueller Orientierung und Vielfalt beschäftigt, lässt sich eben nicht losgelöst von einer Sexualerziehung durchführen, die einem umfassenden und ganzheitlich personalen Begriff menschlicher Sexualität verpflichtet ist, so wie er in den Richtlinien zur Sexualerziehung an rheinland

pfälzischen Schulen hinterlegt ist.

(Beifall der AfD – Abg. Joachim Paul, AfD: Sehr gut!)