Protokoll der Sitzung vom 19.09.2019

Bitte hören Sie zu, bevor Sie wieder irgendwelche falschen Schlüsse daraus ziehen. Wir wollen, dass jedes Kind an der richtigen Schule landet und es da landet, wo es von seinen Interessen und von seinem Leistungsvermögen her hingehört. Gerade Praktiker können Ihnen sehr viel darüber sagen, dass Kinder, die an der „falschen“ Schule gelandet sind, sehr negative Erfahrungen machen, die wir ihnen ersparen möchten.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Genau so ist es!)

Natürlich wird der Übergang von der Grundschule zu den beiden Formen, die wir uns vorstellen, auch im Gespräch mit den Eltern stattfinden. Wir haben die Möglichkeit einer Prüfung eingebaut, falls Eltern wirklich nicht damit einverstanden sind, was die Grundschule empfiehlt.

(Glocke des Präsidenten)

Wir sind aber davon überzeugt, dass wir damit einen sehr viel besseren Übergang schaffen, der den Kindern, ihren Interessen und ihrem Leistungsvermögen gerecht wird und

dazu führt, dass sie den optimalen Bildungsweg gehen, der für ihre Person individuell der richtige ist.

Danke schön.

(Beifall der AfD)

Zu einer weiteren Kurzintervention hat der Abgeordnete Paul das Wort.

Frau Kollegin Beilstein, Sie haben eben von der Chancengleichheit geredet. Sie haben gesagt, dass die Grundschulempfehlung in Bayern im Grunde genommen nicht der Chancengleichheit dienen würde, weil es Benotungen geben würde, und wenn es dann eine Konstellation wäre, dann könnten die Schüler nicht auf das Gymnasium.

(Abg. Anke Beilstein, CDU: Was?)

Die Grundschulempfehlung würde Chancen verbauen, um auf das Gymnasium zu gehen oder quasi auf eine andere Schulform. Das sehe ich nicht so.

(Abg. Alexander Licht, CDU: In welchem Plenum waren Sie? Waren Sie hier?)

Im Schulsystem werden laufend die Leistung und das Vermögen beurteilt: nicht nur bei der Grundschulempfehlung, sondern im gesamten Schulleben. Immer wenn ich dort gut bin, eröffnen sich auf einem Gebiet Chancen. Wenn ich schlecht bin, dann schließen sich Türen, und ich habe dort weniger Chancen. Das ist so in einer Leistungsgesellschaft. Das ist so im Schulsystem. Das wollen wir auch so, weil diese Schüler nachher in die Realität der Arbeitswelt entlassen werden.

Dass Sie jetzt einen Sturmlauf gegen diese Empfehlungen veranstalten, kann ich absolut nicht verstehen. Das ist genau die Mentalität, die wir im Schulsystem erleben: Die Lehrer neigen immer mehr dazu, Gefälligkeitsnoten zu geben und die Notenwahrheit wird in den Hintergrund gedrängt,

(Zurufe der Abg. Martin Haller, SPD, und Dr. Adolf Weiland, CDU)

weil man dann sagt, ich verbaue dem Chancen. Aber wenn jemand nun einmal naturwissenschaftlich mangelhaft ist, dann ist er für ein Ingenieursstudium vielleicht nicht der Geeignete, und man muss das klar aussprechen. Noten müssen wahr sein, und sie müssen Wegweiser sein. Das zu akzeptieren, gehört zur Akzeptanz eines Schulsystems, das zu einer Leistungsgesellschaft passt. Das muss man mutig aussprechen.

(Beifall der AfD)

Zu einer Erwiderung erteile ich das Wort der Abgeordneten Beilstein. Sie haben jetzt bis zu 6 Minuten.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wenn es eine Partei gibt, die die Heterogenität von Schülerinnen und Schülern anerkennt, dann ist das die CDU. Deswegen waren wir immer die Partei, die gesagt hat, man muss auf das einzelne Kind eingehen. Herr Frisch, genau deswegen sage ich: Was Sie vorhaben, sind kosmetische Veränderungen und Strukturen.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der AfD: Nein!)

Sie wollen drei Stränge haben. Das ist nicht unser Weg. Unser Weg ist ein anderer. Wir wollen Qualitätsverbesserungen und Qualitätsänderungen.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage Ihnen eines, sprechen Sie mit den Schulen. Sie sind die ganzen Reformen leid. Sie wollen einfach einmal lehren, lernen und die entsprechenden Voraussetzungen haben. Insofern sagen wir, das ist nicht der richtige Weg.

Herr Paul, zu den Empfehlungen: Ich habe nur das dargelegt, was Sie in Ihrem Antrag geschrieben haben. Darin steht ganz klar geschrieben: Es soll eine Empfehlung ausgesprochen werden, wenn in den drei entsprechenden Fächern ein Schnitt von 2,33 erreicht wird.

(Abg. Martin Haller, SPD: Neben vielem anderen kruden Zeug steht das auch drin!)

Das ist das, was Sie festgelegt haben. Dagegen steht einfach die Feststellung: Wenn ich also in Mathe und Sachkunde eine 3 habe und in allem andere eine 2, dann bekomme ich eine solche Empfehlung nicht. Da sage ich, ich glaube, das ist nicht der richtige Weg. Das hat auch nichts mit einem Qualitätsgedanken zu tun. Insofern steht an der Stelle einfach fest, hier wird aussortiert.

Was Chancengleichheit betrifft – ich sage das einmal in die gesamte Runde –, ich glaube, darüber müssen wir uns auch im Klaren sein: Unabhängig von dem kognitiven Potenzial, das jedes einzelne Kind mitbringt, werden wir es niemals und in keinem Schulsystem der Welt schaffen, das, was in der Familie dahintersteht und familiär mitgegeben wird, in irgendeiner Form auszuschalten.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Das ist richtig!)

Deswegen kann ein System auf dem Papier alle Chancen bieten und geben, aber es wird ein Unterschied bleiben, wie die Familie reagiert, in welchem Umfeld das Kind groß wird

(Abg. Michael Frisch, AfD: Richtig!)

und was es von zu Hause mitbekommt – insbesondere das an dieser Stelle an Herrn Köbler.

(Beifall bei der CDU)

Zu einer weiteren Wortmeldung im Rahmen der normalen

Redezeit erteile ich Abgeordneter Lerch von der Fraktion der FDP das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die FDP hat sehr wohl eine eigene Position. Deshalb bin ich noch einmal vorgekommen, um das deutlich zu machen. Manchmal werden abstrakte Denkmodelle klar, wenn man sie an einem Einzelfall erläutert. Ich möchte noch etwas zur verbindlichen Schullaufbahnempfehlung erzählen. Ich hatte einen Schüler, der an meine Schule kam und durch seine Noten so vorbelastet war, dass er eigentlich nicht an einem Gymnasium hätte aufgenommen werden können. Aber die Eltern haben darum gebeten, und der Junge hatte auch einen recht pfiffigen Eindruck gemacht. Ich habe ihn dann aufgenommen.

Am Ende der 5. Klasse bekam er eine Realschulempfehlung. Wir haben die Eltern gebeten, sich das zu überlegen. Die Eltern haben gesagt, wir kennen unser Kind und er geht weiter. Er ist in die 6. Klasse gekommen und ist auch dort versetzt worden, aber wir haben am Ende der 6. Klasse wieder eine Realschulempfehlung ausgesprochen. Da die Versetzung aber gegeben war, musste der Junge die Schule nicht verlassen. Das sind die Vorschriften.

Sie sind weitergegangen. Sie sind in die Mittelstufe gegangen. Immer noch haben sich die Lehrer gewundert und gesagt, das kann doch eigentlich nicht sein, er hat doch eine Realschulempfehlung. Der Junge hat sein Fachabitur gemacht, und zwar ohne besondere Mühe.

Das ist für mich ein Zeichen dafür, dass es nur eine Institution gibt, die wirklich letztendlich darüber urteilen kann, wie die Schullaufbahn eines Kindes aussieht: Das sind die Eltern.

(Beifall bei FDP, SPD und CDU)

Die Eltern tragen die Verantwortung, aber sie haben auch die Verpflichtung, ihr Kind zu begleiten. Deshalb sind alle Argumente bezüglich der verpflichtenden Schullaufbahnempfehlung falsch. Die Eltern sind die letzte Instanz. Sie kennen ihr Kind am besten, und sie sollten ihr Kind am besten kennen. Wenn sie dennoch eine falsche Entscheidung getroffen haben, bietet das System genügend Möglichkeiten, um korrigierend einzugreifen, aber die Chance steht am Anfang. Elternwille ist auch liberale Politik, mein lieber Herr Frisch.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP und SPD)

Nun erteile ich für die Landesregierung Staatssekretär Beckmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich habe schon gedacht, ich komme gar nicht mehr dran,

so viele Kurzinterventionen gab es.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Das Thema ist wichtig!)

Herr Frisch, ja, das stimmt. Deshalb will ich mit einem Blick auf die schulische Realität beginnen. Wir hatten in Rheinland-Pfalz im Jahr 2009 eine Schulstrukturreform. Seitdem haben wir ein differenziertes, ein aufstiegsorientiertes und ein durchlässiges Schulsystem mit 188 Realschulen plus, 152 Gymnasien und 55 Integrierten Gesamtschulen (IGS).

Meine Damen und Herren von der AfD, wenn Sie jetzt noch einmal eine Kurzintervention machen, dann würde ich Sie einmal bitten, zu den IGS etwas zu sagen. Sie kommen nämlich in Ihrem Antrag überhaupt nicht vor, aber sie gibt es, und sie machen hervorragende Arbeit.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Michael Hüttner, SPD: Gute, viele!)

Herr Paul, weil Sie Zahlen genannt haben, was die Übertrittsquote anbelangt, will ich das von dieser Stelle aus sagen: Meine Damen und Herren, im Schuljahr 2018/2019 sind 42,5 % und nicht 60 % der Schülerinnen und Schüler nach der 4. Klasse auf ein Gymnasium gegangen, 31,7 % auf eine Realschule plus – die Schulart, die Sie abschaffen wollen – und 17,4 % auf eine IGS. Die Schülerinnen und Schüler, die auf eine IGS gehen, machen nicht alle Abitur. Da sind auch andere dabei. Ich wollte es einfach zu Beginn noch einmal klarstellen.