Protokoll der Sitzung vom 19.09.2019

Eine der aktuell größten Herausforderungen für die Handwerksunternehmen in unserem Land ist die Sicherung von Fachkräften. Wir wollen deshalb in der Woche der Berufsbildung aktiv über die berufliche Bildung informieren, für das System der dualen Berufsausbildung werben und uns für die Nachwuchssicherung in Unternehmen einsetzen. Wir sind überzeugt davon, dass die berufliche Bildung exzellente Chancen für die Beschäftigung bietet. Die duale Ausbildung stellt sicher, dass es keinen Berufseinstieg ohne Qualifizierung gibt, und in unserem dualen System gibt es auch keine Ausbildung am Markt vorbei. Die Ausbildung erfolgt nur dort, wo Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber Nachwuchskräfte brauchen.

Zu Frage 1: Die Landesregierung will gemeinsam mit den rheinland-pfälzischen Handwerkskammern die Berufsorientierung stärken und frühzeitig auf die berufliche Ausbildung als attraktive Option hinweisen. Hierbei geht es vor allem darum, sich für eine fundierte, klischeefreie Berufsorientierung und Entscheidung junger Menschen für die Ausbildung und Arbeitswelt einzusetzen. In diesem Zusam

menhang sind die Stichworte „Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung“ sowie „Gesellschaftliche Wertschätzung des Handwerks“ von überragender Bedeutung.

Junge Menschen sollten ihren Beruf entsprechend ihrer Neigung finden. Sie sollten sich frei von gesellschaftlichen Konventionen und Klischees die Frage stellen können: Was erfüllt mein Leben mit Sinn, was begeistert mich, was sind meine Talente und Fähigkeiten?

Uns geht es als Wirtschaftsministerium darum, die vielfältigen Karrierewege mit Entwicklungs- und Aufstiegschancen, die man im Handwerk hat, aufzuzeigen.

Zu Frage 2: Um Jugendliche besser zu erreichen, wollen wir verstärkt auch soziale Medien nutzen. Erstmalig gibt es im Rahmen der Woche der Berufsbildung in diesem Jahr deshalb einen Instagram-Fotowettbewerb. Azubis können unter #likemyhandwerk2019 ein Foto über ihre Ausbildung im Handwerk posten. Der Wettbewerb läuft aktuell noch und endet am 21. Oktober. Er wurde unter anderem durch eine Radiokampagne des Jugendsenders bigFM beworben. Die Preisverleihung findet am 18. November statt.

Ich konnte insgesamt vier Termine in jedem Kammerbezirk wahrnehmen und dabei die Vielfältigkeit des Handwerks ein Stück neu entdecken. Im Kammerbezirk Koblenz habe ich mich mit Auszubildenden und Ausbildungsbetrieben zur Chance, die Erasmus+ bietet, ausgetauscht. Im Kammerbezirk der Pfalz habe ich einen Orthopädiebetrieb besichtigt, der einen Ausbildungsbotschafter zur Verfügung stellt. Im Kammerbezirk Rheinhessen habe ich einen Hörgerätebetrieb besucht und erlebt, dass es sich dabei um eine spannende Branche des Gesundheitshandwerks handelt. Im Kammerbezirk Trier habe ich die künftigen Auszubildenden im Bauhauptgewerbe, ihre Eltern und Ausbildungsbetriebe begrüßt.

Meine Staatssekretärin Daniela Schmitt war ebenfalls bei Terminen in allen vier Kammerbezirken unterwegs. Dort standen Themen wie Integration, gezielte Ausbildungsplatzsuche, Engagement von Lehrlingen und die Digitalisierung im Vordergrund.

Zu Frage 3: Über die Woche der Berufsbildung hinaus hat das Wirtschaftsministerium gemeinsam mit den rheinlandpfälzischen Handwerkskammern zahlreiche neue Projekte gestartet, die ich Ihnen gern kurz vorstellen möchte.

Wir haben verschiedene Zielgruppen identifiziert, die wir mit unseren Projekten ansprechen. Mit dem ab diesem Sommer angelaufenen Projekt „Ausbildungsbotschafter“ wollen wir bei Schülerinnen und Schülern das Interesse an der Ausbildung wecken. Die Ausbildungsbotschafter sind selbst Azubis ab dem zweiten Lehrjahr, Gesellinnen und Gesellen oder Jungmeisterinnen und Jungmeister aus dem Bereich der Handwerksberufe, die in Schulen, auf Jobmessen und Stellenbörsen auf die Chance der Berufsbildung aufmerksam machen. Niemand kann das authentischer als diejenigen, die den Weg in die Ausbildung selbst erfolgreich beschritten haben.

Die Zielgruppe der Gymnasiasten wird in unserem Projekt „Handwerk meets Schule“ und mit Berufsorientierung an

Gymnasien gezielt angesprochen. Mit „Handwerk meets Schule“ bieten wir mit den rheinland-pfälzischen Handwerkskammern insbesondere Schulen mit gymnasialer Oberstufe an, gemeinsam individuelle und an die jeweiligen Schultypen angepasste Konzepte zur Berufsorientierung zu erarbeiten. Konkretisiert wird das in einer Kooperationsveranstaltung.

Im Rahmen der Berufsorientierung an Gymnasien erhalten Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe die Möglichkeit, bis zu einer Woche lang fundierte Einblicke in die betriebliche Praxis in den Bildungswerkstätten des Handwerks zu gewinnen. Sie können auf Wunsch durch ein Kurzpraktika in den Betrieben ergänzt werden.

Um den Übergang von Schule in den Beruf zu erleichtern, setzt das Wirtschaftsministerium zudem bereits seit 2014 gemeinsam mit den rheinland-pfälzischen Handwerkskammern und der Bundesagentur für Arbeit landesweit erfolgreich Coaches für betriebliche Ausbildung ein. Mit der Unterstützung von Coaches sollen junge Menschen, die bislang vergeblich einen Ausbildungsplatz gesucht haben, leichter eine Ausbildung finden und gut ins Berufsleben starten. Zugleich sollen die Coaches für betriebliche Ausbildung die Ausbildungs- und Qualifizierungsbereitschaft von Handwerksbetrieben für junge Erwachsene ohne berufliche Erstausbildung stärken und aktivieren.

Der Meistertitel stellt aus unserer Sicht ein Grundpfeiler und das Rückgrat der Nachwuchssicherung dar. Er sichert die Zukunft des Handwerks.

Damit komme ich zu einem weiteren Förderprogramm des Wirtschaftsministeriums, das wir Ende 2017 gemeinsam mit den Kammern, den Industrie- und Handelskammern, den Handwerkskammern und der Landwirtschaftskammer, auf den Weg gebracht haben, nämlich den Aufstiegsbonus I und II.

Mit dem Aufstiegsbonus I wollen wir einen Anreiz dafür schaffen, dass Gesellen die Aufstiegsfortbildung zum Meister in Angriff nehmen. Nach erfolgter Meisterprüfung können wir sie derzeit mit 1.000 Euro honorieren. Damit wollen wir die Bereitschaft, sich fortzubilden und die eigene Qualifikation zu stärken, finanziell würdigen.

Ich freue mich, ankündigen zu können, dass wir aktuell eine Erhöhung des Aufstiegsbonus I planen, um noch mehr Fachkräfte zu motivieren, sich fortzubilden. Die Fortbildung zum Meister eröffnet die Möglichkeit, einen Betrieb zu übernehmen oder neu zu gründen. Hier gibt es in den kommenden Jahren viele Chancen und Perspektiven in Rheinland-Pfalz.

Den Weg in die Selbstständigkeit auf Basis einer Meisterprüfung honorieren wir mit dem Aufstiegsbonus II. Wer sich innerhalb von zehn Jahren nach erfolgreicher Fortbildungsprüfung selbstständig macht, erhält von uns 2.500 Euro. Damit wollen wir junge Handwerkerinnen und Handwerker motivieren, den Weg in die Betriebsgründung einzuschlagen.

Zu Frage 4: Eine weitere große Herausforderung, vor der das Handwerk steht, ist die zunehmende Digitalisierung des Geschäftsalltags. Als Wirtschaftsministerium ist es

uns ein besonderes Anliegen, Betriebe bei der Umstellung auf digitale Geschäftsprozesse zu unterstützen und auch für Themen der IT-Sicherheit zu sensibilisieren. Unser Ziel ist es, die Betriebe von Entwicklungen der Digitalisierung profitieren zu lassen, damit sie die Potenziale, die damit verbunden sind, heben können.

Das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau unterstützt die Handwerksbetriebe bei diesen Herausforderungen im Rahmen der Projektförderung. Digitalisierungsberater, die in den Handwerkskammern angesiedelt sind, beraten vor Ort insbesondere kleine und mittelständische Handwerksbetriebe in allen Fragen der Umstellung auf digitale Prozesse, und das kostenfrei, niedrigschwellig. Sie unterstützen die Unternehmen bei der Implementierung digitaler Elemente in den Betrieb. Wir sind ganz nah dran am Handwerk und deswegen auch sehr froh, dass wir so gut mit den Akteuren und den Kammern zusammenarbeiten können.

Vielen Dank. – Wir dürfen Gäste im Landtag begrüßen. Zunächst Gäste aus den Wichern-Werkstätten Ludwigshafen, die an dem Modulunterricht Politik teilnehmen. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Dann begrüßen wir Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schule Andernach, 12. Jahrgangsstufe, Leistungskurs, die am Tagesseminar für Politik teilnehmen. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Wir dürfen Frauen des Therapiezentrums Ludwigsmühle begrüßen. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Dr. Köbberling.

Herr Minister, Sie haben den Meisterbrief als wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Selbstständigkeit erwähnt. In diesem Zusammenhang frage ich Sie, wie Sie die Wiedereinführung der Meisterpflicht in einigen derzeit meisterfreien Gewerken, wie sie von der Bundesregierung in zwölf Gewerken vorgesehen ist, beurteilen, vor allem im Hinblick auf die Fachkräftesicherung.

Die Landesregierung bewertet dies positiv. Insbesondere im Hinblick auf die Fachkräftesicherung sind es die Meisterinnen und Meister, die ausbilden. Es sind die Meisterinnen und Meister, die Wissen transferieren, und es sind die Meisterinnen und Meister, die dafür sorgen, dass das Handwerk auch in Zukunft goldenen Boden hat. Ich kenne die öffentliche Debatte darüber. Wir sind allerdings der Meinung, dass wir nicht die Qualifikation reduzieren

oder infrage stellen, sondern es den Menschen so leicht wie möglich machen sollen, die Qualifikation zu erreichen; deshalb der Aufstiegsbonus.

Jetzt liegen noch fünf weitere Zusatzfragen vor. Danach betrachte ich die Anfrage als beantwortet. – Zunächst Herr Abgeordneter Frisch.

Herr Minister, vielen Dank für Ihre Ausführung und das klare Bekenntnis zur beruflichen Bildung, dem wir uns uneingeschränkt anschließen können.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das interessiert jetzt doch keinen!)

Wir teilen auch Ihre Auffassung, dass es dringend einer gesellschaftlichen Aufwertung nicht akademischer Berufe bedarf.

Jetzt meine Frage. Vor diesem Hintergrund und der Zahlen, die deutlich machen, dass wir einen ungebrochenen Trend zu den Hochschulen haben, während die Ausbildungsverhältnisse rückläufig sind, ist es nicht kontraproduktiv, wenn Ihr Kollege Wolf als Wissenschaftsminister gleichzeitig permanent Maßnahmen ergreift, die Zugänge zur Hochschule weiter zu vereinfachen? Er hat im Plenum sinngemäß einmal gesagt, jeder der studieren will, soll auch die Möglichkeit dazu bekommen. – Arbeiten Sie nicht ein Stück weit gegeneinander, indem der Herr Minister möglichst viele junge Menschen an die Hochschule locken will und Sie gleichzeitig hier dafür werben, dass wir dringend Fachkräfte brauchen und daher die berufliche Bildung stärken müssen?

Nein.

(Heiterkeit und Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Michael Frisch, AfD: So einfach macht es sich die Landesregierung! – Unruhe im Hause – Glocke des Präsidenten)

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Die Frage war beantwortet.

(Unruhe im Hause – Glocke des Präsidenten)

Herr Schmidt stellt jetzt eine Frage, und wir hören zu.

Herr Minister, in welchem Maße gibt es einen Austausch mit unseren Partnerregionen in Frankreich, Tschechien und der Republik Polen zu dem Thema „Stärkung der beruflichen Bildung“?

Ich konnte am Dienstag mit großem Interesse von den Gästen aus Oppeln erfahren, dass dort vor Ort seit Jahren das Problem der Notwendigkeit einer Stärkung der beruflichen Bildung erkannt wird. Nach dem, was ich gehört habe, haben die dort viele Jahre hinweg das Studium einseitig gefördert. Sie wollen dort jetzt gegensteuern. Insofern stellt sich schon die Frage, ob es einen sinnvollen Erfahrungsaustausch mit Oppeln geben kann, auch mit unseren anderen Partnerregionen. Was wird seitens der Landesregierung unternommen?

Die Landesregierung – um das einmal klarzustellen – arbeitet nicht an dem Ziel, die Förderung einer akademischen Ausbildung zu reduzieren, sondern wir arbeiten an dem Ziel, beides gleichwertig zu betrachten und in gleichem Maße zu fördern. Damit hier kein Missverständnis entsteht. Wir wollen nicht das eine statt das andere, und zwar in beide Richtungen wollen wir das nicht.

In diesem Sinne möchte ich Ihnen sagen, dass wir international sehr gut vernetzt sind und natürlich mit unseren Partnerregionen zusammenarbeiten. Ich setze mich gemeinsam mit den Handwerkskammern beispielsweise auf europäischer Ebene dafür ein, das Erasmus+-Programm noch stärker auch auf die berufliche Bildung auszudehnen. Wir wollen die Attraktivität der beruflichen Bildung auch durch die Möglichkeit einer Auslandserfahrung erhöhen und sind in diesem Bereich erfolgreich.

Wir arbeiten natürlich mit unseren Partnerregionen in Frankreich zusammen. Wir arbeiten auch mit Ländern wie Finnland zusammen. Ich habe mich mit großer Begeisterung mit Erasmus+-Azubis unterhalten können, die wertvolle Erfahrungen im Ausland gesammelt haben.

Ich betone immer wieder, dass die europäische Kultur nicht nur universitär geprägt und geschaffen worden ist, sondern dass sie in ganz erheblichem Maße von Handwerkerinnen und Handwerkern entstanden ist – beispielsweise durch die Wanderschaft im Bereich der Baukultur –, dass wir das hoch achten und deswegen mit öffentlichen Mitteln befördern sollten, damit Azubis im Bereich der beruflichen Bildung den europäischen und internationalen Austausch suchen und pflegen. Nicht nur Studierende sollen Auslandsemestererfahrungen sammeln können, sondern auch junge Menschen im Bereich der beruflichen Bildung.

Wir hatten unlängst eine Veranstaltung in unserer Landesvertretung in Brüssel dazu gemacht und nutzen diese Plattform, um auf unsere Interessen in diesem Zusammenhang auf europäischer Ebene hinzuweisen.