Protokoll der Sitzung vom 19.09.2019

Wir hatten unlängst eine Veranstaltung in unserer Landesvertretung in Brüssel dazu gemacht und nutzen diese Plattform, um auf unsere Interessen in diesem Zusammenhang auf europäischer Ebene hinzuweisen.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wink.

Herr Minister, vielen Dank für Ihre Ausführungen. – Ich wollte Sie fragen: Welchen Stellenwert schreiben Sie der Imageförderung des Handwerks zu? Teilweise wurden schon Stimmen laut, das Geld wäre anderweitig besser investiert.

Die Imagewerbung für das Handwerk, für die berufliche Bildung insgesamt ist von überragender Bedeutung. Wir haben es hier mit traditionsreichen Berufen zu tun, die heute hochmodern sind und alle Chancen bieten, die etwa im Zusammenhang mit Digitalisierung von jungen Menschen sehr geschätzt werden. Deswegen ist es so wichtig, dass wir für diese Berufe werben, Aufmerksamkeit wecken, und jeder Cent, der investiert wird, ist sehr gut angelegt.

Ich bin sehr gespannt auf diesen Wettbewerb, den ich vorhin erwähnt habe. Ich glaube, wenn wir junge Menschen motivieren, sich zu Botschaftern ihrer eigenen beruflichen Ausbildung zu machen, kann das noch einmal einen Mehrwert bringen. Wer glaubt, dass man hier mit weniger Engagement besser vorankommt, der irrt sich meiner Meinung nach. Die Landesregierung jedenfalls wird in ihren Bemühungen nicht nachlassen, die berufliche Bildung stark in den öffentlichen Fokus zu rücken.

Es gibt viele Maßnahmen. Neulich gab es den Tag des Tischlerhandwerks. All diese Dinge sind enorm wichtig, weil die schönen Traditionsberufe teilweise mit Dingen verbunden werden, die sie nicht in ihrer ganzen Aktualität darstellen. Beim Tischlerhandwerk sieht man den Meister Eder als Botschafter. Der ist zwar sympathisch, aber das Tischlerhandwerk heute hat sehr viel mit IT zu tun, Computer, Planung. Das müssen wir vermitteln, damit junge Menschen nicht denken, das seien Berufe mit großer Tradition, die aber nicht im Hier und Heute angekommen sind. Ich glaube, deswegen ist das eine klar öffentliche Aufgabe, die wir in Rheinland-Pfalz in engem Schulterschluss mit den Kammern gut bewerkstelligen.

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Beilstein.

Herr Minister, im Zusammenhang mit der Woche der Berufsbildung hatte die Arbeitsgemeinschaft der Industrieund Handelskammern bemängelt, dass viele Schüler mit Defiziten in die Arbeitswelt starten. Das geht sogar so weit, dass Betriebe Nachhilfeunterricht geben. Daher meine Frage: Haben Sie auch einmal mit Ihrer Ministerkollegin aus dem Bildungsministerium über dieses Problem gesprochen? Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, oder werden Sie das noch gemeinsam diskutieren? Wie wollen Sie dagegen vorgehen?

Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr,

Landwirtschaft und Weinbau:

Die Landesregierung verfolgt das Ziel, unser sehr gutes Bildungssystem kontinuierlich zu evaluieren und weiterzuentwickeln. Wir sind stolz darauf, dass die soziale Herkunft in keinem Bundesland eine so geringe Rolle beim Bildungserfolg spielt wie in Rheinland-Pfalz, und das ist auch ein wichtiges Signal für die berufliche Bildung; denn mit der Durchlässigkeit, die wir in Rheinland-Pfalz haben, können wir ein optimales und umfassendes Bildungsangebot unterbreiten.

Selbstverständlich spreche ich auch mit der Bildungsministerin darüber und bin sehr dankbar dafür, dass sie mit großem Engagement und mit großem Erfolg unsere Schulen so aufstellt, dass die jungen Menschen optimal auf ihre berufliche und akademische Bildung vorbereitet sind, so sie sich für den einen oder anderen Weg entscheiden.

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Blatzheim-Roegler.

Sehr geehrter Herr Minister, wie bewerten Sie Initiativen wie beispielsweise die von der Handwerkskammer Trier, die in Kooperation mit Partnern aus Luxemburg, aber auch aus Frankreich sozusagen eine gegenseitige Lehrlingsausbildung initiiert hat, sodass die Abschlüsse wechselseitig anerkannt werden?

Das ist eine sehr gute und wichtige Initiative; denn wenn wir mehr Austausch wollen im Bereich der beruflichen Bildung, müssen wir natürlich auch die Ausbildungsteile, die im Ausland absolviert werden, bei uns anerkennen, und umgekehrt muss die Anerkennung im Ausland sichergestellt sein. Hier gibt es sehr viel Engagement und sehr viele Initiativen im grenzüberschreitenden Bereich.

Die Landesregierung, die sich der besonderen Bedeutung von Rheinland-Pfalz als Kernland Europas bewusst ist, unterstützt diese Initiativen sehr. Ich bin allerdings der Meinung, dass wir darauf achten müssen, dass wir stärker unser duales Bildungssystem als Erfolgsmodell auch ins europäische Ausland exportieren. Wir müssen bei diesen Kooperationen darauf achten, dass wir nicht unser Erfolgsmodell infrage stellen; aber das passiert auch nicht. Insofern sind wir da auf einem guten Weg.

Vielen Dank, damit ist die Mündliche Anfrage beantwortet.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich rufe nun die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Pia Schellhammer, Jutta Blatzheim-Roegler und Katharina Binz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Zuneh

mende Fallzahlen bei der Antidiskriminierungsstelle – Nummer 5 der Drucksache 17/10053 – betreffend, auf.

Frau Schellhammer trägt die Fragen vor.

Danke, Herr Präsident. – Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung den starken Anstieg der Beschwerdezahlen bei der Landesantidiskriminierungsstelle?

2. Welche Ursachen sieht die Landesregierung für diesen Anstieg?

3. Was gedenkt die Landesregierung im Umgang mit der Zunahme der Beschwerden zu tun?

4. Wie gliedern sich die Beschwerden bei der Landesantidiskriminierungsstelle auf, wegen welcher Diskriminierungsmerkmale wenden sich die Menschen an die Landesantidiskriminierungsstelle?

Für die Landesregierung antwortet Staatsministerin Spiegel.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesantidiskriminierungsstelle (LADS) nahm Anfang 2012 ihre Tätigkeit als Koordinierungs- und Bündelungsstelle der rheinland-pfälzischen Antidiskriminierungs- und Vielfaltspolitik im Familienministerium auf. Damit wurde eine Vereinbarung aus dem damaligen Koalitionsvertrag umgesetzt.

Schritt für Schritt hat die LADS den Aufbau und die Verankerung der Antidiskriminierungs- und Vielfaltspolitik organisiert. Ich nenne hier beispielhaft die Meilensteine: Bereits 2012 auf Einladung der Bundesantidiskriminierungsstelle erfolgte der Beitritt der rheinland-pfälzischen Landesregierung zur Offensive für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft, im gleichen Jahr Gründung der Interministeriellen Arbeitsgruppe „Vielfalt“ zur Erarbeitung der Strategie Vielfalt der Landesregierung, die im Jahr 2015 verabschiedet wurde.

Parallel dazu erfolgte der Aufbau der Aufklärungs- und Informationsarbeit sowie der Öffentlichkeitsarbeit. Im Jahr 2017 dann trat die Landesregierung der Charta der Vielfalt bei und setzte damit ein Vorhaben aus der Strategie „Vielfalt“ um.

Wir haben die LADS eingerichtet, weil wir im Koalitionsvertrag festgelegt haben, den Menschen zu helfen, die einer Diskriminierung ausgesetzt sind. Deshalb können sich die Menschen auch direkt an die LADS wenden und eine Beschwerde wegen Diskriminierung vorbringen. Dieses Angebot – das hatten wir uns vorgenommen – sollte weiter ausgebaut werden, und daher folgte konsequenterweise Anfang Juni 2018 die Einrichtung der kostenlosen rechtlichen Erstberatung.

Seit es diese gibt, haben sich 118 Personen mit einer Beschwerde oder Anfrage an die LADS gewandt. Im gleichen Zeitraum davor waren es 56 Personen. Das ist allein in den letzten 15 Monaten eine Steigerung um 111 %.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Mündliche Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die Landesregierung sieht in dem Anstieg der Beschwerden das Signal, dass eine zunehmende Zahl von Menschen Unterstützung und Hilfe sucht, weil sie Diskriminierung nicht hinnehmen will. Aus unserer Sicht ist die Tatsache, dass immer mehr Menschen Diskriminierung nicht auf sich beruhen lassen, auch ein Beleg dafür, dass das Angebot der Information und Aufklärung über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und das Angebot der Beratung und Weiterleitung von Beschwerden angenommen und genutzt wird.

Das AGG setzt die europäische Antidiskriminierungsrichtlinie indeutsches Recht um, und wir wollen, dass die Menschen ihre Rechte kennen. Diese Angebote stärken die Betroffenen und machen sie stark auch im Umgang mit Diskriminierung. Damit wird nicht zuletzt ein Zeichen gesetzt, dass Diskriminierung in unserer Gesellschaft nicht hingenommen wird und Verstöße gegen die Menschenrechte – genau darum handelt es sich bei Diskriminierung – Konsequenzen haben.

Zu Frage 2: Der Anstieg der Beschwerden geht nicht zuletzt auch darauf zurück, dass Menschen das seit Juni 2018 existierende Angebot der kostenlosen rechtlichen Erstberatung nutzen, das wir mit entsprechender Öffentlichkeitsarbeit beworben haben, etwa mit einer Postkartenaktion und Plakaten sowie über unsere Internetplattformen. Auf den Postkarten und Plakaten befinden sich die Adresse der LADS und ein QR-Code, über den man mit dem Smartphone direkt auf die Internetseite der LADS gelangen kann, wo ein digitales Beschwerdeformular bereitgehalten wird.

Mit insgesamt neun verschiedenen Sprüchen wird für die Rechtsberatung geworben. Ich nenne nur zwei Beispiele: „Wer soll das aushalten, wenn alle sich raushalten?“ Oder: „Mitgestalten – gegen Diskriminierung kann man nur vorgehen, indem man vorausgeht.“ Die übrigen Sprüche finden Sie auf der Webseite www.antidiskriminierungsstelle.rlp.de.

Wer die kostenlose rechtliche Erstberatung nutzen möchte, wendet sich so zeitnah wie möglich nach dem Vorfall an die LADS und wird dann zügig weitergeleitet. Diskriminierung, meine Damen und Herren, ist alltäglich und kann jeden treffen. Deshalb sind wir froh, dass das neue Angebot gut angenommen wird.

Das Klima in dieser Gesellschaft ist rauer geworden. Heute werden Menschen mit Aussagen konfrontiert, diffamiert und diskriminiert, für die sich viele vor einiger Zeit noch geschämt und sie nicht ausgesprochen hätten. Oft liegt die Ursache im fehlenden Respekt, in Neid, Angst und Ablehnung anderen gegenüber. Rassismus, Sexismus, Homophobie, Behindertenfeindlichkeit sind aber keine neuen Phänomene. Sie kommen in unterschiedlichem Gewand daher.

Die repräsentative Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2017 zeigt auf, dass rund ein Drittel der Menschen in Deutschland eine Diskriminierungserfahrung aus Gründen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität gemacht hat.

Nimmt man die Beschwerden wegen Diskriminierung hinzu, die nicht vom AGG geschützt sind – also beispielsweise soziale Herkunft oder Armut oder in Lebensbereichen, für die das AGG nicht gilt, zum Beispiel für den Bereich der Medien oder des Internets –, dann liegt der Anteil noch höher. Das reicht von Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt, auf dem Wohnungsmarkt, bei der Nutzung öffentlich zugänglicher Güter und Dienstleistungen bis hin zu verletzenden Witzen, Beschimpfungen und körperlichen Übergriffen. All diese Sichtweisen verstoßen gegen unser Grundgesetz, und wer sich demokratisch nennt, der bekennt sich zu diesem Grundgesetz und insbesondere zu Artikel 3 Absatz 3, dem Gleichheitsgrundsatz.

Ich möchte hier an einem echten, aber anonymisierten Beispiel deutlich machen, was einem Menschen am Arbeitsplatz passiert ist – es ist ein wahres Beispiel aus Rheinland-Pfalz – und wie die Rechtsberatung geholfen hat.

Ein Mensch kommt morgens an seinen Arbeitsplatz und findet am Spind eine Hakenkreuz-Schmiererei vor. Selbstverständlich weiß die Person nicht, wer das war. Sie wendet sich sofort an den Arbeitgeber. Der lässt als Erstes die Schmiererei entfernen. Die betroffene Person hat allerdings gerade noch rechtzeitig ein Foto gemacht.

Der Arbeitgeber verpflichtet sie zum Stillschweigen, weil er schlechte Nachrichten über sein Unternehmen vermeiden will. Die Person hat jetzt das Problem, dass sie nicht weiß, was sie tun soll, einmal abgesehen davon, dass sie ziemlich geschockt ist. Mit ihr spricht aber niemand. Sie weiß nicht, was der Arbeitgeber unternimmt oder wann. Einen Verdacht kann sie nicht äußern, weil man ihr andeutet, dass das auch als üble Nachrede im Betrieb gelten könnte und ein Kündigungsgrund wäre.

Die betroffene Person hat nicht geklagt, auch weil sie ihren Arbeitsplatz nicht gefährden wollte. Aber sie hat nach der kostenlosen rechtlichen Erstberatung das Gespräch mit dem Arbeitgeber gesucht, und der hat daraufhin tatsächlich ein klares Signal in das Unternehmen gegeben, dass er jeder Person im Betrieb, die künftig so etwas tut, kündigen wird.

Zu Frage 3: Wir wollen die Beratungs- und Begleitungsmöglichkeiten für Menschen, die eine Diskriminierungsbeschwerde vorbringen wollen, ausbauen und erweitern. Die LADS ist auch eine Anlaufstelle, die die Federführung für den runden Tisch aller staatlichen Anlaufstellen ausübt, wodurch der Austausch und die Abstimmung zwischen den verschiedenen Stellen erst möglich wird. Zudem haben wir dafür gesorgt, dass die LADS per Beschwerdeformular im Internet erreicht werden kann, also auch über den schnellen digitalen Weg.

Wir haben als dritten Schritt die kostenlose rechtliche Erst

beratung installiert, die die bereits erwähnte Wirkung zeigt. Wir werden in den nächsten Monaten noch einmal verstärkt für dieses kostenlose Angebot werben. Wir werden weiterhin mit den Nichtregierungsorganisationen eng zusammenarbeiten, um das Angebot bekanntzumachen, und wir arbeiten auch – dafür möchte ich an dieser Stelle herzlich danken – mit den anderen Beauftragten im Land sehr eng und konstruktiv zusammen. Ich möchte meinen Dank aussprechen an Frau Gerigk-Koch für das Engagement der Leitung der LADS, die sich unermüdlich gegen Diskriminierung im Land starkmacht.

Zu Frage 4: Grundsätzlich kann sich jede Person, die in Rheinland-Pfalz lebt oder arbeitet, an die LADS wenden, um eine Beschwerde vorzutragen. Wie schon eingangs erwähnt, werden zunächst einmal alle Beschwerden angenommen

(Unruhe im Hause)

und daraufhin geprüft, ob sie dem AGG unterfallen oder nicht. Betrachten wir nur die Häufigkeit der Beschwerden, geordnet nach den durch das AGG geschützten Gründen bzw. Merkmalen, aufgrund derer diskriminiert worden ist, ergibt sich folgendes Bild: