Protokoll der Sitzung vom 19.09.2019

und daraufhin geprüft, ob sie dem AGG unterfallen oder nicht. Betrachten wir nur die Häufigkeit der Beschwerden, geordnet nach den durch das AGG geschützten Gründen bzw. Merkmalen, aufgrund derer diskriminiert worden ist, ergibt sich folgendes Bild:

(Unruhe im Hause)

Meine Damen und Herren, an erster Stelle stehen die Beschwerden wegen rassistischer Diskriminierung, gefolgt von behindertenfeindlicher und sexistischer Diskriminierung.

(Unruhe im Hause – Glocke des Präsidenten)

Auf Platz 4 stehen die Beschwerden über Diskriminierung aus mehreren Gründen gleichzeitig, dann folgen diejenigen wegen homophober Diskriminierung, dann aus Gründen des Alters und an letzter Stelle aufgrund von Religion und Weltanschauung.

Auch in der Beschwerdestatistik der Antidiskriminierungsstelle des Bundes steht die Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft an erster Stelle, dann folgt das Geschlecht und anschließend die Behinderung.

Vielen Dank.

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Blatzheim-Roegler.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, Sie sprachen das AGG an. Könnten Sie vielleicht noch einmal aus Sicht der Landesregierung erläutern, was im Hinblick auf die LADS das Besondere daran ist oder wo es noch zu optimieren wäre?

Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend,

Integration und Verbraucherschutz:

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Blatzheim-Roegler. – Zunächst einmal ist es sehr wichtig, dass wir das AGG haben; allerdings ist das Gesetz aus meiner Sicht zu schwach ausgestaltet. Es war vor seiner Einführung recht umstritten, weil man befürchtete, es würde zu viel Bürokratie nach sich ziehen. Aber es hat sich mittlerweile gezeigt, dass das zum Glück so nicht zugetroffen ist.

Aber es wäre wichtig, das AGG weiterzuentwickeln. Vor allen Dingen einen Kritikpunkt möchte ich herausgreifen, der uns in der Praxis große Bauchschmerzen bereitet und der für die Opfer von Diskriminierung wesentlich ist. Das ist die mit zwei Monaten viel zu kurze Frist für die Ankündigung der Inanspruchnahme der rechtlichen Gegenwehr.

Hier würden wir uns eine viel längere Frist von beispielsweise mindestens sechs Monaten wünschen. Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition im Bund findet sich zumindest ein Halbsatz, dass das AGG reformiert werden soll. Es bleibt zu hoffen, dass es angepackt und dieser Punkt hoffentlich mit reformiert wird.

Mir liegen noch vier Zusatzfragen vor. Danach betrachte ich die Anfrage als beantwortet. – Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Schellhammer.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Frau Staatsministerin, für die Darstellung. Ich würde beim AGG anknüpfen und bei den Beschwerden, die eingehen, und die Frage stellen, welche unter das AGG fallen und was mit denen passiert, die nicht darunter fallen.

Ich hatte schon gesagt, zunächst einmal werden alle Beschwerden angenommen und bearbeitet, die die LADS erreichen. Das AGG greift bei den folgenden Diskriminierungsmerkmalen: Das sind ethnische Herkunft, Alter, Geschlecht, Behinderung, Religion oder Weltanschauung und sexuelle Orientierung.

Bei der Einrichtung der Rechtsberatung hatten wir übrigens einen AGG-Bezug von 35 bis 40 % der Beschwerden. Das ist jetzt auf 50 % angestiegen. Aber wenn das AGG in diesem Fall nicht einschlägig ist, dann werden die Betroffenen an eine andere Anlauf- oder Beratungsstelle weitergeleitet. Das können beispielsweise die Bürgerbeauftragte des Landtags, der Antisemitismusbeauftragte oder eine Beratungsstelle oder Hilfsorganisation sein.

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Frisch.

Frau Ministerin, der Begriff der Diskriminierung ist relativ

fließend, Die Übergänge zwischen unangemessenem Verhalten, das wir im Alltag permanent erleben, und echten Diskriminierungen sind natürlich relativ volatil. Auf der anderen Seite kann man durch entsprechende Ausdehnung des Diskriminierungsbegriffs die Zahlen deutlich erhöhen. Umgekehrt könnte man, wenn man ihn strenger und enger fassten würde, die Zahlen wieder absenken. Ich würde Sie deshalb bitten, uns eine Definition zu geben, was Sie unter Diskriminierung verstehen.

Herr Frisch, ich hatte das bereits mit meinem Sprechvermerk ausgeführt. Es passt gut zur Antwort auf die Frage von Frau Schellhammer. Was unter Diskriminierung fällt, ist weder etwas, was ich persönlich zu beurteilen habe, noch das Ministerium, sondern es ist in den gesetzlichen Rahmenbedingungen festgelegt. Unsere Grundlage ist das AGG, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das das europäische Recht in deutsches Recht umsetzt.

Das sieht dann eine Diskriminierung vor, wenn es – ich wiederhole es noch einmal – aufgrund einer ethnischen Herkunft, des Alters, des Geschlechts, einer Behinderung, einer Religion oder Weltanschauung oder einer sexuellen Orientierung zu einer Diskriminierung kommt. Das sind die Merkmale, die unter das AGG fallen.

Natürlich sind die Grenzen bisweilen fließend, aber es geht nicht darum, dass ein Nachbarschaftsstreit unter das AGG fallen würde. Es geht um Folgendes – das meine ich damit, wenn ich davon spreche, dass der Ton in unserer heutigen Gesellschaft leider rauer geworden ist –: Wenn man sich auf dem Wohnungsmarkt, der beim Kampf um bezahlbaren Wohnraum immer umstrittener wird, Immobilienanzeigen über eine zu vermietende Wohnung anschaut, und es findet sich in der Anzeige der Hinweis, dass nicht an Menschen aus Rumänien und Bulgarien vermietet wird, dann ist das eindeutig etwas, was unter das AGG fällt, weil es sich hier – das mag Ihnen passen oder nicht – um einen Fall von Diskriminierung handelt.

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Dr. Groß.

(Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: Ich ziehe zurück!)

Sie ziehen zurück.

Eine abschließende Zusatzfrage der Abgeordneten Blatzheim-Roegler.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, vielleicht können Sie noch einmal erläutern, welche anderen Aufgaben die LADS übernimmt, also neben der Aufnahme von Beschwerden und der Erstberatung.

Frau Blatzheim-Roegler, die LADS ist die Stelle, bei der die Fäden zusammenlaufen für die Antidiskriminierungsund Vielfaltspolitik der Landesregierung. Es ist die Stelle, an der die interministerielle Arbeitsgruppe angedockt wird. Es ist die Stelle, bei der die Strategien erarbeitet werden und von der wichtige Impulse ausgehen. Dazu gehören beispielsweise solche Maßnahmen wie das anonymisierte Bewerbungsverfahren, ein sehr wichtiger Baustein, um einer Diskriminierung am Arbeitsplatz und im Bewerbungsverfahren gut vorbeugen zu können.

Sie vernetzt sich mit den anderen Bundesländern und der Bundesantidiskriminierungsstelle. Es gibt einen regen Austausch mit dem Ziel, dass wir es hoffentlich schaffen, dass die Diskriminierung in unserer Gesellschaft abnimmt.

Vielen Dank. Damit ist die Anfrage beantwortet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung mit dem ersten Thema auf:

AKTUELLE DEBATTE

Klare Rahmenbedingungen für eine starke Landwirtschaft – Tierwohlkennzeichen europäisch und verbindlich gestalten auf Antrag der Fraktion der FDP – Drucksache 17/10064 –

Ich erteile dem Abgeordneten Weber das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! #Graswurzler – was sagt uns das? Am 4. September hat das Bundeskabinett das Agrarpaket verabschiedet. Die „Graswurzler“ haben sich danach gebildet und mit ihren Aktionen grüne Kreuze in Deutschland an den Straßen und auf ihren Feldern errichtet. Was wollen die Landwirte damit ausdrücken? Die Landwirte wollen damit ihren Unmut über dieses Agrarpaket bzw. die Verabschiedung dieses Agrarpaketes äußern und dokumentieren.

Sie kritisieren das freiwillige Tierwohllabel. Die Landwirte sind verunsichert. Sie blicken ungewiss in ihre Zukunft. Sie haben Angst um ihre Betriebe. Sie haben Angst um ihre Hofnachfolger. Sie haben Angst, dass sich ihr Einkommen nicht positiv weiterentwickelt.

Dieser Kompromiss hat fatale Folgen. Was war der Kompromiss? Frau Klöckner hat ihr freiwilliges Tierwohllabel bekommen. Frau Schulze hat ihr Glyphosatverbot bekommen und dazu noch weitreichende Verbote, die die Landwirte in ihrer guten landwirtschaftlichen Praxis und in der

Ausübung ihres Berufes und ihrer landwirtschaftlichen Flächen beeinträchtigen.

Was ist noch passiert? Es ist ein Wortbruch von Frau Klöckner passiert. Sie hat in der laufenden Förderperiode, der GAP 2020, Umschichtungen von 1,5 % aus der ersten in die zweite Säule vorgenommen. Was sind die Folgen für die rheinland-pfälzischen Landwirte? Den rheinlandpfälzischen Landwirten werden weitere 3 Millionen Euro nicht mehr zur Unterstützung ihre landschaftlichen Arbeit zur Verfügung gestellt.

Was passiert mit dieser Umschichtung? Mit dieser Umschichtung werden nicht Maßnahmen für das Tierwohl gefördert oder investive Maßnahmen, die die neue Düngeverordnung mit sich bringen, nein, es werden Maßnahmen finanziert, die der Großen Koalition, Frau Ministerin Klöckner und Frau Ministerin Schulz, eine Beruhigung und eine grüne Weste in der Öffentlichkeit geben.

Welche Herausforderungen und Ziele werden durch dieses freiwillige Tierwohllabel nicht erreicht? Es wird keine Akzeptanz in der Landwirtschaft finden. Es wird keine Akzeptanz bei den Verbrauchern finden. Es führt nicht zu höheren Preisen für die Landwirte, die um ihre Betriebe kämpfen. Es wird zu Einkommensrückgängen kommen.

Welche Schlussfolgerungen werden die Landwirte gerade in der Tierhaltung ziehen?

(Zuruf der Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU)

Sie lassen ihre Betriebe in der Tierhaltung auslaufen, oder sie hören auf. Sie versuchen umzubauen. Was passiert, wenn sie umbauen? Hier werden sie mit weiteren gesetzlichen Maßnahmen konfrontiert, die es ihnen gar nicht oder nur schwer ermöglichen, Tierwohllabelmaßnahmen, die vom Grundgedanken her nicht verkehrt sind, aufgrund gesetzlicher Maßnahmen umzusetzen.

Ich darf mit Erlaubnis des Präsidenten aus einer Fachzeitschrift, „top agrar“ – dem einen oder anderen bekannt –, eine Initiative der Landwirtschafts- und Umweltministerin Ursula Heinen-Esser aus Nordrhein-Westfalen zitieren, die ein Planbeispiel zur Umsetzung des Tierwohllabels in Deutschland durchgeführt hat. Das hat zu folgenden Überschriften und Zitaten geführt.

Erste Überschrift: „Neue TA Luft verhindert mehr Tierwohl.“ Ein weiteres Zitat: „Die Bundesministerinnen Julia Klöckner und Svenja Schulze sollten möglichst schnell nach tragfähigen Kompromissen suchen.“

Ich nenne ein nächstes Zitat bzw. ein ernüchterndes Fazit dieses Planbeispiels der Ministerin aus NordrheinWestfalen: Der Entwurf der neuen TA Luft verhindert in der gegenwärtigen Fassung viele Umbauten für mehr Tierwohl. Dazu wäre es notwendig, im Rechtstext an vielen Stellen eine privilegierte Vorrangstellung für tierwohlbedingte Umund Neubauten einzuführen. Nur so könnte der Gesetzgeber dem gesellschaftlichen Wunsch nach mehr Tierwohl Rechnung tragen. – Auch das kann ich so nur unterstreichen.